# taz.de -- Regierungsbildung von Schwarz-Rot: Noch lange nicht ausverhandelt | |
> Am Freitag übernimmt die Hauptverhandlungsgruppe die | |
> Koalitionsgespräche. Viele Streitpunkte sind offen, der Zeitplan wackelt. | |
Bild: Jetzt wird's ernst | |
Fraglich ist, ob das ursprüngliche Ziel von CDU-Chef Friedrich Merz, | |
[1][die Regierungsbildung bis Ostern abzuschließen], noch erreicht wird. | |
Nur noch drei Wochen bleiben bis dahin, doch mittlerweile ist von der Frist | |
keine Rede mehr. In der Mitteilung der Generalsekretäre fehlt jegliche | |
Zeitangabe. | |
CSU-Chef Markus Söder hatte am Dienstag gesagt: „Es dauert so lange, wie es | |
dauert, bis es gut wird. Endlos wird es auf keinen Fall.“ Auch Merz will | |
sich nicht mehr auf Ostern festlegen. Nach der Aushandlung des | |
Koalitionsvertrags müssen die zuständigen Parteigremien dem Entwurf noch | |
zustimmen, und die SPD wird dazu eine Mitgliederbefragung durchführen. | |
Am Freitag beginnt dann die nächste Runde. Wie die Generalsekretäre von | |
CDU, CSU und SPD am Mittwoch bekanntgegeben haben, übernimmt dann in den | |
Gesprächen zum schwarz-roten Koalitionsvertrag die sogenannte | |
Hauptverhandlungsgruppe. Ihr gehören die Parteivorsitzenden und weitere | |
Spitzenvertreter*innen an. „Die Gespräche sollen vertraulich und im | |
Wechsel im Konrad-Adenauer-Haus, im Willy-Brandt-Haus und in der | |
Landesvertretung des Freistaats Bayern stattfinden“, heißt es in einer | |
gemeinsamen Mitteilung. | |
Wobei es mit der Vertraulichkeit so eine Sache ist: Bis Montagabend mussten | |
[2][Fachpolitiker*innen in 16 Arbeitsgruppen] ihre Vorarbeiten | |
abschließen und Ergebnispapiere abliefern. Viele dieser Papiere blieben | |
danach entgegen den Absprachen nicht intern, sondern kursieren seit | |
Dienstag in Berlin. | |
Darin zu sehen: Viele rot und blau markierte Passagen in Klammern – Inhalte | |
also, über die es noch keine Einigung gibt, sondern bei denen | |
Wunschformulierungen von SPD und Union nebeneinander stehen. „In den | |
vergangenen Wochen wurde intensiv, konstruktiv und mit großem | |
Verantwortungsbewusstsein verhandelt“, heißt es in der Erklärung der | |
Generalsekretäre über die erste Verhandlungsphase. Tatsächlich bleibt für | |
die nächste Runde aber noch reichlich Arbeit übrig. Es geht um mehr als | |
„letzte Uneinigkeiten und unklare Formulierungen“, wie es die Union für | |
diese Phase ursprünglich angekündigt hatte. | |
[3][Die verbliebenen Ampelminister und Nochkanzler Olaf Scholz] werden | |
womöglich noch etwas länger im Amt bleiben als gedacht. Sie erhielten am | |
Dienstag zwar schon ihre Entlassungsurkunden vom Bundespräsidenten. Das | |
sieht das Grundgesetz für den Tag, an dem ein neuer Bundestag | |
zusammentritt, zwingend vor. Bis das neue Kabinett ernannt ist, wird das | |
alte die Geschäfte aber weiter führen. Tobias Schulze | |
Migration: Es geht immer noch restriktiver | |
[4][In der Migrationspolitik haben sich die Koalitionäre bereits auf | |
massive Verschärfungen verständigt]. Die SPD stemmt sich nur noch gegen die | |
radikalsten Pläne der Union. | |
Beschlossen ist, dass Asylbewerber*innen an den deutschen Grenzen | |
zurückgewiesen werden sollen. Das verstößt gegen Europarecht, auch wenn die | |
Rückweisungen „in Abstimmung“ mit Nachbarstaaten stattfinden sollen, wie es | |
im Papier heißt. Ohnehin ist unklar, was genau die Formulierung bedeutet. | |
Ebenfalls geeinigt haben sich Union und SPD darauf, dass Geflüchtete mit | |
subsidiärem Schutz ihre Familie vorerst nicht mehr herholen dürfen. Auch | |
die Einstufung weiterer sicherer Herkunftsländer ist Konsens, etwa der | |
Maghrebstaaten oder Indien. Darüber soll die Bundesregierung ohne Bundestag | |
und Bundesrat entscheiden dürfen. Wer aus so eingestuften Ländern kommt, | |
erhält fast nie Asyl in Deutschland. | |
Abschiebungen nach Afghanistan sollen weiterlaufen, die nach Syrien wieder | |
aufgenommen werden, „beginnend mit Straftätern“ – es dürfte bald also a… | |
Unbescholtene treffen. Auch das Aufnahmeprogramm für afghanische | |
Menschenrechtler*innen wird beendet. Und der gerade erst eingeführte | |
Rechtsbeistand für Abzuschiebende wird wieder gestrichen. | |
Uneinig sind sich SPD und Union dagegen bei der Frage, ob Asylverfahren in | |
Drittstaaten ausgelagert werden. Die Union ist dafür und will, dass | |
Geflüchtete selbst bei positiven Asylentscheiden dort bleiben. Ohnehin gibt | |
es aber Zweifel, ob das Modell umsetzbar ist. Auch bei der grundlegenden | |
Funktionsweise der Asylverfahren gibt es Dissens. Die Union möchte im | |
Gegensatz zur SPD den Amtsermittlungsgrundsatz aufheben, der die Behörden | |
verpflichtet, Infos zu beschaffen. Stattdessen sollen die Geflüchteten | |
selbst Beweise liefern, dass ihnen im Herkunftsland Gefahr droht. Das wäre | |
in vielen Fällen wohl unmöglich. | |
Beim Staatsbürgerrecht fordert die Union zwar nicht mehr, die Reform von | |
2024 zurückzunehmen. Sie will aber Doppelstaatsbürgern den deutschen Pass | |
entziehen, wenn sie „Terrorunterstützer, Antisemiten und Extremisten“ sind. | |
Die SPD ist dagegen, genauso wie gegen die leichtere Ausweisung von | |
Ausländer*innen. Außerdem lehnt die SPD die Forderung ab, Zeit im | |
humanitären Aufenthalt nicht mehr bei der Einbürgerung zu berücksichtigen. | |
Geflüchtete Ukrainer*innen könnten sich dann etwa nicht nach den fünf | |
Jahren Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen, die dafür sonst nötig | |
sind. Streit gibt es auch noch bei den Möglichkeiten für Geduldete, einen | |
Aufenthaltstitel zu erlangen. Während die SPD dafür das | |
Chancenaufenthaltsrecht verlängern will, ist die Union für dessen Ende. | |
Frederik Eikmanns | |
Innere Sicherheit: Horst Seehofer lässt grüßen | |
Zur inneren Sicherheit enthält das der taz vorliegende Arbeitspapier schon | |
einige Einigungen unter dem Stichwort „Zeitenwende in der Inneren | |
Sicherheit“. Die Koalition wolle für eine „Sicherheitsoffensive“ die | |
„europa- und verfassungsrechtlichen Spielräume ausschöpfen“, wobei auch KI | |
helfen soll. [5][Der biometrische Abgleich mit zugänglichen Internetdaten | |
soll ermöglicht], der Datenaustausch von Sicherheitsbehörden verbessert | |
werden. Kritisch aufhorchen lässt, dass man „Risikopotentiale bei Personen | |
mit psychischen Auffälligkeiten“ frühzeitig erkennen will. Gegen hybride | |
Bedrohungen soll es eine „Nationale Cybersicherheitsstrategie“ geben, | |
Zivil- und Katastrophenschutz sollen gestärkt und kritische Infrastruktur | |
soll besser geschützt werden. | |
Besonders noch strittige Vorstöße der Union erinnern an | |
Law-and-Order-Hardliner wie Horst Seehofer: Dystopisch mutet etwa der | |
Vorschlag an, automatische Gesichtserkennung an Bahnhöfen, Flughäfen und | |
„Kriminalitäts-Hotspots“ einzuführen. Damit will die Union „schwere | |
Straftäter“ identifizieren, betroffen wären davon bei automatischer | |
Gesichtserkennung aber natürlich alle. Datenschützer*innen dürften im | |
Dreieck springen, die SPD will das nicht mittragen. | |
Ebenso strittig: Die Union will digitale Kommunikationsdienste „im | |
Einzelfall“ verpflichten, verschlüsselte Inhalte zu entschlüsseln und an | |
Sicherheitsbehörden weiterzugeben. Auch das wäre ein neues Einfallstor für | |
flächendeckende Überwachung. Ebenso ist die Vorratsdatenspeicherung nicht | |
totzukriegen: Nicht einig ist man sich da allerdings lediglich bei der | |
Dauer der Speicherung von IP-Adressen. Die Union schlägt laut Papier 6 | |
Monate vor, der SPD vermerkt „noch nicht geeint“. | |
Deutlicher clasht es beim Bundespolizeibeauftragten, den die Union am | |
liebsten wieder abschaffen würde. Die SPD würde die Befugnisse für die | |
parlamentarische Kontrollinstanz der Polizei hingegen gerne ausbauen – der | |
Polizeibeauftragte soll künftig auch beim Zoll für „Transparenz“ sorgen u… | |
das Vertrauen in der Bevölkerung stärken. Vertrauen verspielt hatten die | |
Sicherheitsbehörden auch bei der bis heute nicht restlos aufgeklärten | |
rechten Terrorserie des NSU. Die Union sperrt sich trotzdem gegen ein | |
NSU-Dokumentationszentrum. Gareth Joswig | |
Zivilgesellschaft: Union verprellt munter weiter | |
Mit ihrer [6][umstrittenen kleinen Anfrage] zur „politischen Neutralität“ | |
von NGOs hat die Union viele Träger der politischen Bildung verunsichert. | |
Nun senden CDU und CSU während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD ein | |
weiteres Signal, die Demokratieförderung auf Linie bringen zu wollen. Wie | |
die Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration in ihrem | |
Abschlusspapier festhält, will die Union das Bundesprogramm „Demokratie | |
Leben!“ künftig im Bundesinnenministerium (BMI) ansiedeln. Viel spricht | |
dafür, dass die Union dieses Ministerium für sich beanspruchen wird. Bisher | |
ist das Förderprogramm im Bundesfamilienministerium angelegt. | |
In der Zivilgesellschaft stößt die Idee auf Skepsis. „Es gibt keinen | |
inhaltlichen Grund für diesen Wechsel“, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu | |
Antonio Stiftung zur taz. Im Gegenteil befürchtet Reinfrank eine stärkere | |
Kontrolle und Auslese bei vermeintlich zu linken Trägern. „Wer sich gegen | |
Rechtsextremismus engagiert wie wir, ist für Menschenrechte“, so Reinfrank. | |
Das sollte ein Anliegen auch der Union sein. Zudem warnt er vor einer | |
inhaltlichen Verschiebung bei den geförderten Projekten. Es bestehe die | |
Gefahr, dass politische Bildung noch stärker als bisher an das Ziel | |
Extremismusprävention gekoppelt werde. [7][Seit Jahren kritisieren Träger, | |
wie sehr die Politik Bildungsarbeit auf Prävention verengt.] Heike Kleffner | |
vom Bundesverband Opferberatungsstellen warnt vor „einer katastrophalen | |
Botschaft für die vielen zivilgesellschaftlichen Träger und Bündnisse“, | |
sollte die SPD in diesem zentralen Punkt nachgeben. Seit Jahren | |
verteidigten diese Träger Demokratie und Menschenrechte und stünden „oft | |
mit dem Rücken zur Wand“. | |
Offen ist allerdings, ob die SPD bei der Rochade mitspielt. Der zuständige | |
Chefverhandler Dirk Wiese äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht auf | |
taz-Anfrage. Interessant ist: In der Koa-Arbeitsgruppe zu Familie, Frauen, | |
Jugend, Senioren und Demokratie war der Umzug von „Demokratie Leben!“ ins | |
Innenministerium offenbar kein Thema. Die Kernbotschaft der Union ist aber | |
auch dort zu finden: „Wir stellen weiterhin die Verfassungstreue | |
geförderter Projekte sicher.“ | |
Das Programm „Demokratie Leben!“ läuft seit 2015. In der aktuellen | |
Förderperiode (2025–32) werden unter anderem 333 Patenschaften für | |
Demokratie, 125 Innovationsprojekte und 16 Landesdemokratiezentren | |
gefördert. In diesem Jahr stehen rund 180 Millionen Euro dafür bereit. | |
Verbände fordern eine Verdoppelung der Mittel. Das Programm „Zusammenhalt | |
durch Teilhabe“ hingegen liegt bereits beim BMI. Ziel ist, den ländlichen | |
und strukturschwachen Raum zu stärken. Ralf Pauli | |
Klimaschädlich heizen, Strom verbilligen | |
Wie genau die künftige Regierung mit dem umstrittensten Projekt der Ampel, | |
dem Heizungsgesetz, umgehen wird, ist noch offen. Dem Abschlusspapier der | |
Arbeitsgruppe „Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ zufolge soll | |
das Heizungsgesetz abgeschafft, die Heizungsförderung aber beibehalten | |
werden. Die Arbeitsgruppe „Klima und Energie“ dagegen hat in der Frage des | |
Gebäudeenergiegesetzes – wie das Heizungsgesetz offiziell heißt – einen | |
Dissens zwischen Union und SPD festgehalten. | |
Wahrscheinlich ist, dass die neue Koalition die Vorgaben für | |
klimafreundliches Heizen und die Wärmeeffizienz für Gebäude aufweichen | |
wird. Nach Ansicht der Naturschutzorganisation BUND wäre das ein großer | |
Rückschritt für den Klimaschutz, denn Gebäude sind für rund ein Drittel des | |
Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Drei Viertel werden noch | |
mit den Klimakillern Öl und Gas beheizt. „Schon heute reichen die | |
bestehenden Maßnahmen nicht aus, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu | |
erreichen – eine Rolle rückwärts können wir uns schlicht nicht leisten“, | |
sagt Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. | |
Die Verhandler:innen der Arbeitsgruppe Klima und Energie bekennen sich | |
zu den deutschen Klimazielen, einem entschlossenen Ausbau der Erneuerbaren | |
Energien und dem [8][Kohleausstieg bis spätestens 2038]. Am Ziel, zwei | |
Prozent der Fläche in den Bundesländern für Windenergie bereitzustellen, | |
will die SPD festhalten, die Union nicht. Die Christdemokrat:innen | |
wollen, dass die 2-Prozent-Vorgabe durch ein Ökostromziel ersetzt werden | |
kann. Die Union fordert außerdem „Potenziale konventioneller Gasförderung | |
im Inland“ zu nutzen, die SPD nicht. | |
Beim Thema Atomkraft konnten sich die Verhandler:innen nicht auf eine | |
gemeinsame Haltung verständigen. Die Union will festhalten, dass die | |
Atomkraft mit Blick auf den Klimaschutz eine bedeutende Rolle spielen kann. | |
Außerdem will sie eine „fachliche Bestandsaufnahme“, ob ein | |
[9][Wiederbetrieb der abgeschalteten deutschen Akw] möglich und | |
wirtschaftlich vertretbar ist. Da zurzeit kein Betreiber in Sicht ist, ist | |
das vor allem symbolisch. | |
Die Arbeitsgruppe will niedrigere Strompreise. Unternehmen und | |
Privatverbraucher:innen sollen um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde | |
Strom entlastet werden. Dazu sollen Stromsteuer, Umlagen und Abgaben | |
gedrückt werden. Zudem soll ein Industriestrompreis kommen. Anja Krüger | |
ÖPNV wird teurer, Fliegen günstiger | |
Das [10][Deutschlandticket] soll erhalten bleiben, aber ab 2027 teurer | |
werden – zumindest wenn es nach den Verhandler:innen der Arbeitsgruppe | |
„Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ geht. Das bundesweit im ÖPNV | |
geltende Ticket kostet zurzeit 58 Euro im Monat. Eingeführt hatte es die | |
rot-grün-gelbe Bundesregierung. Es wird je zur Hälfte mit 1,5 Milliarden | |
Euro vom Bund und den Ländern finanziert. Die CSU hatte den Fortbestand mit | |
der Behauptung infrage gestellt, das Ticket nutze Bürger:innen auf dem | |
Land nichts. Im Abschlusspapier der Arbeitsgruppe heißt es, der Anteil der | |
Nutzerfinanzierung werde „ab 2027 schrittweise und sozialverträglich | |
erhöht“. | |
Mittelfristig will die Arbeitsgruppe, dass die neue Bundesregierung die | |
Konzernstruktur der Deutschen Bahn reformiert. Die Ampel hatte den | |
schwerfälligen Konzern, der zu 100 Prozent in Besitz des Bundes ist, unter | |
einem gemeinsamen Dach in zwei Teile gespalten. Die Gesellschaft InfraGo | |
ist für die Infrastruktur zuständig, der andere für den Betrieb. Viel mehr | |
als das Austauschen der Türschilder ist damit nicht erreicht worden, | |
monieren Kritiker:innen. Das könnte sich ändern. Beide Teile sollen weiter | |
entflechtet werden. | |
„Sowohl beim DB Konzern als auch bei der InfraGO soll eine Neuaufstellung | |
von Aufsichtsrat und Vorstand erfolgen, mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz | |
abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen“, heißt es in dem Papier. | |
Investitionen in das Schienennetz sollen gesteigert werden. Ob sie höher | |
ausfallen als die bisherige Regierung geplant hat, ist unklar. Die | |
Digitalisierung und Elektrifizierung von Strecken sollen aus dem Klima- und | |
Transformationsfonds finanziert werden. Die Sanierung von Wasserstraßen | |
auch. | |
Über die Einführung eines [11][Tempolimits auf Autobahnen] hat die | |
Arbeitsgruppe offenbar immerhin gesprochen. Die Union ist generell dagegen, | |
die SPD für ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde. | |
Impulse für bessere Radwege oder Fußgängerbereiche sind von der künftigen | |
Regierung nicht zu erwarten. „Der Fuß- und Radverkehr wir im Papier | |
stiefmütterlich behandelt“, kritisiert die Vorsitzende des ökologischen | |
Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Kerstin Haarmann. | |
Ein großer Schritt rückwärts ist im Luftverkehr zu erwarten. Hier sollen | |
Steuern, Gebühren und Abgaben sinken. Als erstes soll die 2024 erfolgte | |
Erhöhung der Luftverkehrssteuer kassiert werden. Anja Krüger | |
Weniger Trump, weniger Schutz und mehr Datennutzung | |
„Wir wollen ein digital souveränes Deutschland“, heißt es im Einstieg des | |
Papiers der Koalitionsarbeitsgruppe Digitales. Abhängigkeiten sollen | |
abgebaut werden, Schlüsseltechnologien entwickelt und resiliente | |
Produktionsketten für wichtige Industrien aufgebaut werden, etwa für die | |
Produktion von Chips. Das Bekenntnis zu digitaler Souveränität dürfte sich | |
vor allem aus den jüngsten Entwicklungen in den USA speisen: [12][Unter | |
Trump] ist mehr denn je unklar, wie verlässlich digitale Infrastruktur, | |
Software und Dienste made in USA sind. Wenn die künftige Koalition diesen | |
Grundsatz ernst nehmen will, müsste sie aber auch dort hinschauen, wo es | |
weh tut, und die Nutzung von Produkten von US-Anbietern wie Microsoft in | |
staatlichen Institutionen abbauen. | |
Einen Konflikt zwischen den Verhandlern gibt es beim Thema Verschlüsselung. | |
Die SPD wünscht sich laut dem Papier eine Ergänzung, die klarstellt, dass | |
die künftige Koalition eine Beschränkung von Verschlüsselung und den | |
verpflichtenden Einbau von Hintertüren ablehnt. Verschlüsselung ist | |
mittlerweile etwa bei Messengerdiensten Standard, und Hintertüren würden | |
diese schwächen. Darauf will die Union sich anscheinend nicht festlegen, | |
ebenso wenig darauf, dass IT-Schwachstellen schnellstens geschlossen werden | |
sollen und Anonymität im Internet weiterhin möglich sein soll. | |
Die Verhandler:innen wollen die „vorhandenen Spielräume“ der | |
[13][Datenschutz-Grundverordnung] nutzen. Das darf wohl als Ansage | |
verstanden werden, bestehende Regeln zum Schutz der Privatsphäre zu | |
schwächen. Dazu passt, dass „Datenschätze“ gehoben werden sollen und eine | |
„Datenökonomie“ entstehen soll. Das könnte etwa bei Mobilitäts- und | |
Gesundheitsdaten relevant werden. Die Union will laut dem Papier die | |
Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) in „Beauftragte für Datennutzung, | |
Datenschutz und Informationsfreiheit“ umbenennen. In der Diskussion ist | |
zudem, den Landesdatenschutzbehörden die Aufsicht über die Wirtschaft zu | |
entziehen und bei der, dann womöglich auf wirtschaftsfreundlich getrimmten, | |
Bundesbeauftragten anzudocken. Hier soll nun die Steuerungsgruppe | |
entscheiden. Svenja Bergt | |
Interessen vor Entwicklung | |
Großes Streitthema ist die Zukunft des Entwicklungsministeriums. Die Union | |
will es ins Auswärtige Amt eingliedern, die SPD ist strikt dagegen. CDU/CSU | |
argumentieren, die Zusammenführung erhöhe die Effizienz. Sozialdemokraten | |
und auch Entwicklungsorganisationen fürchten, der | |
Entwicklungszusammenarbeit werde weniger Bedeutung zugemessen, während viel | |
Zeit für die Neuordnung verloren gehe. Die Entwicklungsexperten | |
Stephan Klingebiel und Jörg Faust bezweifeln, dass eine Zusammenführung zu | |
mehr Effizienz führe. Sie fordern stattdessen eine bessere Koordination der | |
Ministerien. Das wollen beide Parteien auch in der Einrichtung eines | |
Nationalen Sicherheitsrats erreichen. | |
Zweiter Streitpunkt ist das Geld. Die SPD will mindestens die international | |
vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufwenden, die Union | |
will eine Absenkung des derzeitigen Niveaus. Zahlreiche | |
Entwicklungsorganisationen schlugen am Mittwoch Alarm, dass weitere | |
Kürzungen im Entwicklungsetat angesichts eines weltweiten Rückzugs, allen | |
voran von den USA und Großbritannien, fatale Auswirkungen habe. | |
Menschenleben stünden schon jetzt auf dem Spiel. | |
Vor diesem Hintergrund bleibt der Kompromiss, die Entwicklungspolitik solle | |
„zugleich werte- und interessengeleitet“ sein, eine Worthülse. Die | |
gemeinsamen Schwerpunkte des Papiers der Arbeitsgruppe 12 zu | |
Entwicklungspolitik sind Rohstoffsicherung, Energiepartnerschaften und | |
wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch der Fokus auf Bedingungen, etwa dass | |
Empfängerländer Geflüchtete zurücknehmen und Migration bekämpfen, stellt | |
deutsche Interessen in den Vordergrund. Hinzu kommt: Die Förderung von | |
Unternehmen im Export und bei Investitionen im Globalen Süden erlebt ein | |
Revival. Leila van Rinsum | |
Keine Katastrophe bei Tierschutz und Landwirtschaft | |
„Eine Vollkatastrophe ist das nicht“, sagt die Grünen-Abgeordnete Zoe Mayer | |
der taz über die Zwischenergebnisse der Koalitionsgespräche von | |
[14][CDU/CSU] und SPD zu Landwirtschaft und Ernährung. Aber die kommende | |
Bundesregierung zeige sich „atemberaubend ambitionslos“. Das klingt aus dem | |
Mund einer Oppositionspolitikerin doch fast wie ein Kompliment. Positiv aus | |
Sicht von [15][Umwelt- und Tierschützern] ist, dass die | |
Möchte-gern-Koalitionäre die verpflichtende staatliche Kennzeichnung der | |
Tierhaltungsform von Fleisch nicht abschaffen, sondern zum Beispiel auf | |
weitere Tierarten und Lebensphasen des Viehs ausweiten wollen. Sie | |
beabsichtigen auch, „den tierwohlgerechten Stallbau“ auf Grundlage | |
staatlicher Verträge dauerhaft finanzieren. „Wir führen ein Prüf- und | |
Zulassungsverfahren für Stallsysteme ein“, ergänzen die Verhandler. | |
Tierschützer fordern seit langem so einen „Tierschutz-TÜV“. | |
Aber es findet sich im der taz vorliegenden Verhandlungspapier kein Wort | |
dazu, den klimaschädlichen Fleischkonsum auf das gesundheitlich vertretbare | |
Maß zu verringern. Auch nicht dazu, die Anbindehaltung von Rindern zu | |
verbieten, bei der die Tiere dauerhaft etwa mit Ketten oder Metallrahmen | |
fixiert werden. Die Stiftung Vier Pfoten etwa vermisst unter anderem | |
Beschränkungen von Tiertransporten. | |
Das Papier sieht auch Rückschritte vor. Zum Beispiel wollen Union und SPD | |
die Stoffstrombilanz im Düngerecht abschaffen, mit der die Menge von | |
Pflanzennährstoffen wie Stickstoff berechnet wird, die die Höfe in die | |
Umwelt abgeben. Zu hohe Mengen könnten nach entsprechenden | |
Gesetzesänderungen sanktioniert werden. Es ist klar, dass zu viel Nährstoff | |
schädlich für Klima, Grundwasser und Artenvielfalt ist. Aber die | |
voraussichtlich künftigen Koalitionäre haben offenbar dem Bauernverband | |
nachgegeben, der Betriebe mit schlechten Bilanzen schützen will. | |
„Wir werden die Agrardiesel-Rückvergütung vollständig wieder einführen“, | |
schreiben die Unterhändler weiter. Das war die prominenteste Forderung der | |
Bauernproteste 2023/24. Die Landwirte sollen auch weiterhin rund 450 | |
Millionen Euro jährlich an Energiesteuer auf den Diesel für Traktoren und | |
andere Landmaschinen erstattet bekommen. Einen fossilen Kraftstoff zu | |
subventionieren, wird mit Blick auf den Klimaschutz kritisiert. Der Anreiz, | |
treibhausgasintensiven Sprit einzusparen, fiele weg. Für Klima und Natur | |
wären aber zum Beispiel mehr Traktoren mit Anlagen sinnvoll, die den | |
Reifendruck so regeln, dass der Verbrauch sinkt. Auch Elektromotoren für | |
kleinere Maschinen würden ohne Dieselsubventionen deutlich | |
wettbewerbsfähiger. Jost Maurin | |
26 Mar 2025 | |
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