# taz.de -- Die Koalitionsverhandlungen beginnen: Eine lange Liste knackiger Pu… | |
> Am Donnerstag starten die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. | |
> Ein Großaufgebot von 256 Fachpolitikerinnen verhandelt über die Details. | |
Bild: Die Chefverhandler:innen: Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD Merz, Klin… | |
Berlin afp/dpa/taz | Nun wird es ernst mit der Regierungsbildung: Am | |
Donnerstagnachmittag beginnen CDU, SPD und SPD formell ihre | |
Koalitionsverhandlungen, die zur Bildung einer neuen Regierung unter einem | |
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) führen sollen. Die Gespräche in der | |
Berliner CDU-Zentrale finden unter ungewöhnlich schwierigen innen- und | |
außenpolitischen Bedingungen statt. | |
Was passiert am Donnerstag? | |
Jetzt geht es ums Detail: In Berlin treffen sich 16 Arbeitsgruppen, um – | |
geordnet nach Themenblöcken – den Koalitionsvertrag auszuhandeln. Ein | |
Großaufgebot von 256 Fachpolitikerinnen und -politikern ist dabei im | |
Einsatz. Jede Arbeitsgruppe hat 16 Mitglieder – sieben von der SPD, sechs | |
von der CDU und drei von der CSU. Grundlage der Verhandlungen ist das | |
Sondierungspapier, in dem die Spitzen der drei Parteien sich auf elf Seiten | |
im Grundsatz auf gemeinsame Ziele verständigt haben. | |
Den Arbeitsgruppen obliegt es nun, Wege zu deren Umsetzung zu finden, wobei | |
es in vielen Fällen vor allem um die Finanzierbarkeit gehen dürfte. | |
Vereinbart ist absolute Vertraulichkeit, die Medien sollen nicht über den | |
Verlauf der Gespräche informiert werden. Um die Koordinierung der | |
Arbeitsgruppen kümmert sich eine Steuerungsgruppe, die aus den | |
Parteispitzen besteht. | |
Wie lange dauern die Verhandlungen? | |
Union und SPD haben sich eine ungewöhnliche Eile auferlegt: In nur zehn | |
Tagen sollen die Arbeitsgruppen Ergebnissen vorlegen. Mögliche Streitpunkte | |
sollen schnell identifiziert und beigelegt werden. CDU-Generalsekretär | |
Carsten Linnemann begründete diese Eile vor allem mit der dringlichen | |
außen- und sicherheitspolitischen Lage. | |
CDU-Chef Friedrich Merz will sich bis Ostern zum Kanzler wählen lassen, das | |
wäre etwas mehr als 50 Tage nach der Wahl. Zum Vergleich: Bei der | |
Koalitionsbildung 2021 vergingen 73 Tage zwischen Wahl und Vereidigung, | |
2017 waren es sogar 171 Tage. | |
Was soll dabei herauskommen? | |
Am Ende der Verhandlungen soll ein ausformulierter Koalitionsvertrag | |
vorliegen, der Grundlage für die Entscheidungen der künftigen Regierung | |
sein soll. Die geltenden Gesetze machen keine Vorgaben dazu, wie eine | |
Koalitionsregierung ihre Vereinbarungen aushandelt und festhält. Rechtlich | |
bindend ist ein Koalitionsvertrag nicht. Das Vertragswerk soll knapp | |
formuliert werden und sich auf die wichtigsten Punkte konzentrieren. | |
Wo liegen die Unsicherheitsfaktoren? | |
Die äußeren Umstände dieser Koalitionsverhandlungen sind beispiellos: Denn | |
bei der Umsetzung der Koalitionsvorhaben wird es auf den finanziellen | |
Spielraum der künftigen Regierung ankommen. Dieser Spielraum hängt aber | |
davon ab, ob der Bundestag in der kommenden Woche das Grundgesetz ändert, | |
um die von Union und SPD geplanten Finanzpakete zu verankern. | |
Dafür werden die Grünen gebraucht, die nun als eine Art informeller | |
weiterer Koalitionspartner mit im Spiel sind: Sie stellen SPD und Union | |
Bedingungen für ihre Zustimmung. Am Donnerstag debattiert der Bundestag zum | |
ersten Mal über das Vorhaben. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor: Linke und | |
AfD haben in Karlsruhe mehrere Verfassungsklagen gegen das Vorgehen bei der | |
Grundgesetzänderung eingereicht. | |
Um welche Themen soll es gehen? | |
Zentrale Themen der Koalitionsverhandlungen sind die Stärkung der | |
Verteidigungsfähigkeit und die Belebung der Wirtschaft. Über die | |
Umsetzbarkeit dieser kostenintensiven Vorhaben wird aber in den parallel | |
stattfindenden Verhandlungen mit den Grünen über die Grundgesetzänderung | |
mit entschieden. | |
Ein Kernanliegen der Union ist die Verschärfung der Migrationspolitik – ein | |
Thema mit Streitpotenzial: SPD und CDU legen die Grundsatzvereinbarung in | |
dem Sondierungspapier unterschiedlich aus. [1][Weitere wichtige Themen:] | |
eine Reform des Bürgergelds, die Erhöhung des Mindestlohns, die Sicherung | |
der Rente, die Fortführung der Mietpreisbremse. | |
Wo liegen die Knackpunkte? | |
FINANZPAKET: Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und | |
[2][ein Sondervermögen von 500 Milliarden] Euro für Investitionen vor allem | |
in die Infrastruktur. Das ist der große Durchbruch der | |
Sondierungsgespräche, an dem alles hängt. Die Rechnung wurde aber ohne die | |
Grünen gemacht, deren Zustimmung im alten Bundestag man braucht, um die | |
nötigen Grundgesetzänderungen durchzusetzen. Im neuen Bundestag wäre das | |
nur mit der AfD (ausgeschlossen) oder der Linken (extrem schwierig) | |
möglich. Bisher stellen sich die Grünen quer. Gelingt bis zur geplanten | |
Abstimmung im Bundestag am Dienstag keine Einigung, muss mit der | |
Finanzfrage die Grundlage für die Koalitionsverhandlungen neu geklärt | |
werden. Man könnte die ganzen Gespräche im Grunde von vorn beginnen. | |
MIGRATION: Auch die zweite große Grundsatzeinigung beim Thema Migration | |
beinhaltet einen Fallstrick. Die Union hat zwar ihren Willen bekommen, dass | |
auch Asylbewerber an den Grenzen zurückgewiesen werden sollen. Aber das | |
soll nur „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ geschehen. [3][Bei | |
dieser Formulierung gibt es zwei unterschiedliche Lesarten.] Die Union | |
meint, man müsse die Nachbarn lediglich konsultieren. Die SPD hält eine | |
Zustimmung für zwingend – und Österreich hat sich schon quer gestellt. Das | |
kann in den weiteren Verhandlungen noch für Ärger sorgen. | |
HAUSHALT: „Wir werden im Rahmen der Haushaltsberatungen auch Einsparungen | |
vornehmen“, haben Union und SPD im Sondierungspapier vereinbart. Doch sie | |
haben bewusst offen gelassen, welche Bereiche das betreffen soll. Sparen | |
ist immer schmerzhaft, beide Seiten werden also um ihre Kernvorhaben | |
kämpfen. Zu erwarten ist, dass die Union Sparrunden im Sozialetat | |
vorschlagen wird, dem größten Bereich des Bundeshaushalts. Die SPD will am | |
liebsten gar nicht so richtig sparen – und vor allem nicht bei der sozialen | |
Absicherung. In den Koalitionsverhandlungen muss zumindest ein | |
Grundkompromiss gefunden werden, den der neue Finanzminister dann in den | |
Haushaltsverhandlungen umsetzen muss. | |
VERTEIDIGUNG: Angesichts der zunehmenden Bedrohung aus Russland und des | |
drohenden Rückzugs der USA aus Europa wird die Verteidigungspolitik diesmal | |
eine größere Rolle spielen als in früheren Koalitionsverhandlungen. Zum | |
Beispiel will die Union das Nein des scheidenden Kanzlers Olaf Scholz zur | |
Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in die Ukraine rückgängig machen. | |
Außerdem ist CDU-Chef Friedrich Merz anders als Scholz offen für einen | |
europäischen Nuklearschirm auf Basis französischer Atomwaffen. Die Union | |
kann sich auch die Rückkehr zu einer echten Wehrpflicht vorstellen, während | |
die SPD auf Freiwilligkeit setzt. | |
HEIZUNGSGESETZ: Was wird aus diesem hochumstrittenen Erbe der | |
Ampel-Koalition? Die CDU hatte im Wahlkampf versprochen, es rückgängig zu | |
machen. Eine komplette Rückabwicklung wird aber mit der SPD schwierig. Es | |
dürfte eher um eine grundlegende Überarbeitung der auch von Verbänden | |
kritisierten, kleinteiligen Regelungen gehen. Spannend ist, ob es | |
Einschnitte bei der milliardenschweren staatlichen Förderung des | |
Heizungstauschs gibt. | |
STEUERN: Bei der Erbschaftsteuer könnte eine Reform anstehen – doch in | |
welche Richtung? Die Union will Freibeträge erhöhen und die Erbschaftsteuer | |
auf Eigenheime senken. Die SPD will Unternehmensvermögen beim Erben stärker | |
besteuern. Sie fordert auch die Einführung einer Vermögensteuer, was die | |
Union strikt ablehnt. Auch die Zukunft des Solidaritätszuschlags ist offen: | |
Die Union will ihn vollständig abschaffen, die SPD bisher nicht. | |
KLIMAGELD: Als Ausgleich zu einer steigenden CO2-Bepreisung beim Tanken und | |
Heizen mit fossilen Energien ist seit langem ein Klimageld in [4][der | |
politischen Debatte] – im Sondierungspapier von Union und SPD ist davon | |
aber nichts zu lesen. Ein Klimageld dürfte viel Geld kosten und Union und | |
SPD haben Entlastungen bei den Energiekosten angekündigt. | |
BAHN: Die Union will mit dem Ziel mehr Wettbewerb den bundeseigenen | |
Bahn-Konzern umkrempeln und den Infrastruktur- und Transportbereich | |
voneinander trennen. Die SPD lehnt das bisher ab. Vor allem die CSU | |
kritisiert zudem das Konzept einer milliardenteuren Generalsanierung hoch | |
belasteter Strecken – auch weil kleinere Strecken davon nicht erfasst | |
seien. | |
DEUTSCHLANDTICKET: Die [5][Finanzierung des bundesweit gültigen | |
Deutschlandtickets] im Nah- und Regionalverkehr durch Bund und Länder ist | |
nur noch bis Ende des Jahres gesichert, weil nur bis dahin ein | |
Bundeszuschuss festgesetzt ist. Vor allem die CSU sieht Bundesmittel | |
kritisch. Falls es zu einer Fortführung des Tickets käme, droht eine | |
Erhöhung des Monatspreises von aktuell 58 Euro. | |
Wer hat das letzte Wort? | |
Bei CDU und CSU dürfte es schnell gehen: Über den Koalitionsvertrag wird | |
bei der CDU der Bundesausschuss entscheiden, dem die Parteiführung sowie | |
Delegierte aus den Landesverbänden angehören. Der Ausschuss hat rund 160 | |
Mitglieder. Bei der CSU entscheiden in der Regel Vorstand und Landesgruppe | |
über einen Koalitionsvertrag. | |
Die SPD will sich für den Koalitionsvertrag die Zustimmung der Basis geben | |
lassen, per Mitgliederbefragung. Das könnte erfahrungsgemäß etwa zwei | |
Wochen dauern. | |
13 Mar 2025 | |
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