| # taz.de -- Verhandlungen zwischen SPD und Union: Arbeit und Bildung und Mieten… | |
| > Die Gespräche zwischen Union und SPD gehen trotz Karneval weiter. Die taz | |
| > zeigt, welche Themen jenseits von Migration und Sondervermögen wichtig | |
| > sind. | |
| Bild: Demonstrativer Kommentar zu politischen Lage im Merz: Karneval in Damme, … | |
| Nach dem Eklat im Weißen Haus wird in Deutschland vor allem über | |
| Verteidigung und ein [1][mögliches Sondervermögen] diskutiert. Der | |
| Wahlkampf war dagegen stark von der Asyl- und Migrationspolitik geprägt. | |
| Die taz schaut, welche Themen sonst drängen – und wo die Konfliktlinien und | |
| Gemeinsamkeiten zwischen Union und SPD zu finden sind. | |
| Arbeit | |
| [2][Es ist eines der uneingelösten Versprechen] der gescheiterten | |
| Ampelkoalition: ein Tariftreuegesetz. Doch obwohl in der Mehrzahl der | |
| Bundesländer längst vergleichbare Gesetze gelten, blieb das Herzensanliegen | |
| der Gewerkschaften auf der Strecke. Nun steht es zur Wiedervorlage bei den | |
| Verhandlungen zwischen der Union und der SPD. Schließlich heißt es im | |
| SPD-Wahlprogramm: „Wir werden mit einem Bundestariftreuegesetz dafür | |
| sorgen, dass öffentliche Aufträge des Bundes nur an Unternehmen gehen, die | |
| ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen.“ Diesmal werden die Sozis doch wohl | |
| Wort halten, oder? Ganz abwegig ist das nicht. Schließlich hat auch die | |
| Union in ihrem Wahlprogramm bekundet: „Unser Ziel ist eine höhere | |
| Tarifbindung.“ | |
| Wenn die designierten Koalitionspartner ihre Wahlprogramme ernst nehmen, | |
| könnte noch ein weiteres von der SPD eingebrachtes, aber liegen gebliebenes | |
| Vorhaben der Ampel doch noch umgesetzt werden: Zur Verbesserung des | |
| Schutzes von Arbeitnehmer:innen bei der Gründung eines Betriebsrats | |
| sowie bei der Betriebsratstätigkeit sollten Straftaten gegen | |
| Betriebsverfassungsorgane und deren Mitglieder nicht mehr bloß auf Antrag, | |
| sondern von Amts wegen als Offizialdelikt verfolgt werden. Immerhin hat | |
| auch die Union bekundet, sie wolle „Betriebsräte schützen“ und nicht nur | |
| weiteren Handlungsbedarf prüfen, sondern sicherstellen, „dass | |
| Betriebsratsgründungen nicht verhindert werden“. | |
| Was mit Sicherheit nicht bei den Koalitionsverhandlungen herauskommen wird: | |
| eine Erhöhung des Mindestlohns von 12,82 Euro auf 15 Euro. Mit diesem | |
| Versprechen hat die SPD zwar Wahlkampf gemacht. Aber hier dürfte eine | |
| Einigung mit der Union schnell gehen: Man wird erst einmal die | |
| Mindestlohnkommission beraten lassen. Die muss bis Ende Juni über die | |
| nächste Erhöhung entscheiden. Und wenn keine 15 Euro dabei herauskommen? | |
| Dann könnte es laufen wie bei der Ampel, wo der SPD-Arbeitsminister einfach | |
| hinnahm, dass die Arbeitgeberseite die Gewerkschaftsvertreter:innen | |
| einfach überstimmt hat. Pascal Beucker | |
| Bildung | |
| Bildung ist Ländersache. Trotzdem ist der Bund für das zentrale | |
| Aufstiegsversprechen dieses Landes unverzichtbar. Als Finanzier, aber auch | |
| als Impulsgeber. Beispiel „Startchancenprogramm“: Dank der Ampelregierung | |
| erhalten sogenannte Brennpunktschulen in zehn Jahren insgesamt 20 | |
| Milliarden Euro, bis dahin hatten einige Bundesländer das Prinzip Förderung | |
| nach sozialen Kriterien einfach nicht auf dem Schirm. Die SPD fordert jetzt | |
| die Ausweitung des Programms auf die Kitas – was aus Sicht von | |
| Bildungsforscher:innen nur konsequent ist. Das könnte auch für die | |
| Union passen – sie möchte laut ihrem Wahlprogramm alle Kinder „unabhängig | |
| von Herkunft und Geldbeutel“ fördern und dabei die frühe Sprachförderung | |
| verbessern. Ebenso könnte Schwarz-Rot beim Ausbau der Ganztagsbetreuung und | |
| der Fortführung des Digitalpakts Schule zusammenfinden. | |
| [3][Knackpunkt ist das Geld.] Gerade beim Digitalpakt droht sich der Bund | |
| aus der Verantwortung zu ziehen. Für den ersten Digitalpakt, der im | |
| vergangenen Sommer auslief, stellte der Bund mit 6,5 Milliarden Euro den | |
| Löwenanteil. Bei der Einigung, die die Länder mit dem grünen | |
| Interimsbildungsminister Cem Özdemir getroffen haben, würde der Bund nur | |
| mehr 2,5 Milliarden Euro beisteuern. Ob SPD und Union etwas drauflegen oder | |
| wie die Ampelkoalition die Länder stärker beteiligen möchten, ist unklar. | |
| Beim Bafög könnten Union und SPD eine historische Einigung erzielen: eine | |
| Anpassung der staatlichen Förderung auf Bürgergeldniveau – und damit | |
| Existenzminium. Vor der Wahl haben dies Fachpolitiker:innen beider | |
| Fraktionen in Aussicht gestellt. Ralf Pauli | |
| Geschlechterpolitik | |
| Was die Union von Geschlechterpolitik hält, hat sie klargemacht: Man sei | |
| bereit für einen „Politikwechsel“, schrieb CSU-Chef Markus Söder in den | |
| sozialen Medien. Das Foto dazu: Die Spitzen von CDU und CSU, sechs | |
| grinsende Männer. „Mäuschen, magst Du uns mal nen Kaffee holen?“, heißt … | |
| in den Kommentaren, oder: „Auf diesem Bild sind mehr Türen als Frauen.“ (Im | |
| Bild ist eine einzige Tür.) | |
| Entsprechend wird die Legislatur kaum im Zeichen der | |
| Geschlechtergerechtigkeit stehen. Die SPD hat einiges versprochen. Was sie | |
| durchsetzen kann – und mit wie viel Elan sie es versuchen wird – ist die | |
| Frage. Die SPD will Anreize schaffen, damit Väter mehr Elternzeit nehmen. | |
| Die Union „bekennt“ sich zur Elternzeit und dem Elterngeld und will | |
| letzteres „verbessern“ – was das heißt, erklärt sie nicht. | |
| Die SPD will die Diskriminierung queerer Familien im Abstammungsrecht | |
| beenden – was schon die Ampel tun wollte. Die Union erklärt, sie wolle | |
| „unterschiedliche Lebensentwürfe respektieren“. Trans Personen meint sie | |
| damit nicht: Der Wechsel des Geschlechtseintrags dürfe „nicht der | |
| Beliebigkeit hingegeben werden“, heißt es im Programm – ein klarer Angriff | |
| auf das von der Ampel verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz.Das | |
| SPD-Programm dazu: „Ein Zurück wird es mit uns nicht geben.“ | |
| [4][Die SPD will Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren.] Die Union | |
| erklärt: „Paragraf 218 bleibt.“ Das könnte Streit bedeuten – allerdings… | |
| sich die SPD in der Vergangenheit beim Thema Abtreibung nicht verkämpft. | |
| Die SPD will Mutterschutz für Selbstständige und eine Familienstartzeit. | |
| Außerdem will sie Parität in Parlamenten, Aufsichtsräten und Vorständen. | |
| Bei der Union kommen die Worte „Parität“ oder „Gleichstellung“ nicht v… | |
| Damit ist der Ton gesetzt. Dinah Riese | |
| Klima | |
| [5][Anderthalb Jahre hat die nächste Bundesregierung.] Dann tritt der | |
| europäische CO2-Handel für die Sektoren Verkehr und Gebäude in Kraft, der | |
| gefährlichste Schritt der EU-Klimapolitik. Wer am 1. Januar 2027 noch | |
| Verbrenner fährt oder mit Gas oder Öl heizt, wird sehr viel mehr bezahlen | |
| müssen: Heizkosten könnten um ein Drittel steigen, Benzin 38 Cent mehr pro | |
| Liter kosten. | |
| Ob es so kommt. hängt maßgeblich davon ab, was die Bundesregierung macht: | |
| Schafft sie es, Gebäude und Verkehr klimafreundlicher zu machen? Dann sinkt | |
| der CO2-Preis in ganz Europa, weil Deutschland für ein Viertel der | |
| Emissionen in den Sektoren verantwortlich ist. | |
| Im Verkehrssektor ist weder von CDU noch SPD viel zu erwarten. Die Bahn ist | |
| nicht kurzfristig zu retten, außerdem wollen beide Parteien den | |
| angeschlagenen deutschen Verbrenner mit dubiosen Steroiden möglichst lang | |
| am Leben halten. Ein Tempolimit, wie es die SPD fordert, wird mit der CDU | |
| wohl nicht zu machen sein. Immerhin scheinen beide Parteien ein | |
| Social-Leasing-Modell für sinnvoll zu halten, bei dem je nach Einkommen das | |
| Leasen eines E-Autos gefördert wird. | |
| Beim Heizen hat sich die CDU in eine Ecke gepinselt, weil sie unbedingt das | |
| Heizungsgesetz abschaffen will, mit dem Wärmepumpen gefördert werden. Die | |
| sind aber gerade auf dem Land oft die beste Lösung. Friedrich Merz scheint | |
| zu glauben, dass sich mit einem Klimageld alles lösen lässt. Die Idee ist, | |
| dass die Einnahmen aus dem CO2-Handel an alle ausgeschüttet werden. | |
| Arme Menschen stoßen weniger CO2 aus, deswegen bekommen sie mehr, als sie | |
| für den CO2-Preis ausgegeben haben. Große Beträge kommen dabei aber erstmal | |
| nicht rum. Und wer in einem schlecht sanierten Haus lebt und auf seinen | |
| Verbrenner angewiesen ist, wird wahrscheinlich trotz Klimageld im Minus | |
| landen. Jonas Waack | |
| Rechtsextremismus | |
| Einen Kampf gegen Rechts wird es mit der CDU wohl kaum geben, weil sie | |
| selbst mittlerweile weit rechts steht. [6][Mit ihrem | |
| verschwörungsideologischen Fragenkatalog] gegen zivilgesellschaftliche | |
| Organisationen macht sie deutlich, dass sie das Problem und die tiefe | |
| Demokratiekrise nicht verstanden hat. Vielmehr geht sie selbst autoritär | |
| gegen jene vor, die sich der Normalisierung der AfD und des | |
| Rechtsextremismus noch in den Weg stellen. Die SPD wird sich hier auf die | |
| Hinterbeine stellen müssen, um das Schlimmste zu verhindern. | |
| Denn neben Wirtschaftskrise und der gescheiterten Ampel ist die von Merz | |
| nach rechts geruckte Union ein Haupttreiber für die Normalisierung der AfD. | |
| Merz war mal angetreten, um die AfD zu halbieren, und wollte einst jegliche | |
| Zusammenarbeit mit dem Ausschluss sanktionieren. Heute ist die AfD stärker | |
| denn je. | |
| Mit unrechtsstaatlichen Forderungen in der Migrationspolitik muss Schluss | |
| sein. Es bleibt die vage Hoffnung, dass Merz in Regierungsverantwortung | |
| versteht, bei wem solche Diskurse einzahlen. Er müsste zur Mitte hin | |
| integrieren und sie nicht zum Resonanzraum für rassistische Forderungen und | |
| autoritäres Handeln machen, sonst verrohen die Verhältnisse weiter. Das zu | |
| begreifen, ist für die CDU existentiell. Das taktische Hauptziel der AfD | |
| ist die Zerstörung der Union. Wenn die Union diese Isolation nicht aufrecht | |
| erhält, droht sie selbst unterzugehen. Gareth Joswig | |
| Wohnungspolitik | |
| Die drängendste Frage ist: Wird sich die Union breitschlagen lassen, die | |
| Mietpreisbremse zu verlängern? Diese gilt noch bis Ende 2025. Läuft sie | |
| aus, können sich Mieter*innen auf einen noch größeren Mietenanstieg | |
| gefasst machen. Eigentlich wollte schon die Ampel-Regierung die | |
| Mietpreisbremse verlängern, aber das Vorhaben scheiterte an der FDP. Ob die | |
| SPD nun mehr Glück hat? Unklar. Auch die Union steht der Mietpreisbremse | |
| skeptisch gegenüber – auch wenn sie die 2015 mit eingeführt hat. Jan-Marco | |
| Luczak (CDU), baupolitscher Sprecher der Union, hält die Bremse zum | |
| Beispiel für „nicht zielgenau und sozial ungerecht.“ [7][Es würden zu vie… | |
| Menschen davon profitieren, die genug Geld haben.] | |
| Trotzdem besteht Hoffnung: [8][So hat der Bundesrat Mitte Februar einen | |
| eigenen Gesetzentwurf für eine Verlängerung der Mietpreisbremse in den | |
| Bundestag eingebracht.] Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner | |
| (CDU) ist ein Befürworter. Falls sich SPD und Union auf eine Verlängerung | |
| einigen können, kommt es auf die Details an – momentan gibt es viele | |
| Schlupflöcher. | |
| Egal ob es um den Kündigungsschutz, sozialen Ausgleich bei der Wärmewende | |
| oder eine Wiederherstellung des kommunalen Vorkaufsrechts geht, die | |
| Auseinandersetzungen in der Wohnungspolitik werden hart, Union und SPD | |
| haben sehr unterschiedliche Vorstellungen. Aber: Es kann nicht schlimmer | |
| werden als mit der FDP. [9][Vielleicht wagen sich ja ein paar | |
| Politiker*innen aus der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft | |
| aus der Deckung.] | |
| Interessant wird auch, ob das unter der Ampel eingeführte Bauministerium | |
| bestehen bleibt. In der Baupolitik sind Auseinandersetzungen bei | |
| Fördergeldern und Programmen zu erwarten. Etwa: Wie viel Geld soll in den | |
| Sozialen Wohnungsbau gesteckt werden, wie viel in die Eigentumsförderung? | |
| Jasmin Kalarickal | |
| 3 Mar 2025 | |
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| [8] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-02/mietpreisbremse-laender-bun… | |
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