# taz.de -- Nachruf auf Bernhard Vogel: Einer, der auf Macht aus war | |
> Bernhard Vogel war ein Vertreter der alten Christdemokratie. 23 Jahre war | |
> er Ministerpräsident, erst von Rheinland-Pfalz, später von Thüringen. | |
Bild: Bernhard Vogel, 1932-2025 | |
Berlin taz | Schaut man sich Biografien wie die von Bernhard Vogel an, | |
erscheint einem deren alte Welt geruhsam und vor allem übersichtlich, bar | |
aller Aufgeregtheiten, wie sie heutiges Spitzenpersonal in der politischen | |
Sphäre verströmt: Dieser Mann, 1932 in Göttingen als Sohn einer | |
bürgerlichen Familie geboren, ging zur Schule, studierte und hatte mit dem | |
Doktorgrad ein Eintrittsbillett in die junge Elite der Bundesrepublik | |
Deutschland. | |
1960, als später Twen wesentlich später als sein älterer, nicht weniger | |
prominenter Bruder [1][Hans-Jochen Vogel], den es als Frühzwanziger in die | |
SPD zog, trat Bernhard Vogel der CDU bei. Aus Überzeugung, als gläubiger | |
Katholik, als bekennend Distanzierter zu allen christlichen Ansprüchen, das | |
sittliche Gefüge der jungen Nation allein zu definieren. | |
Vogel machte rasch Karriere, in ihm und seiner Umsichtigkeit, Politisches | |
in alle Ecken der Gesellschaft zu vermitteln, erkannten sich viele | |
Rheinland-Pfälzer wieder. Und das konnte bei seinem diplomatischen | |
Geschick, bei seinem Gemüt auch gar nicht anders sein. Persönlich, so sagen | |
es WeggefährtInnen, bestach er durch keineswegs überbordende Leutseligkeit, | |
aber er vermittelte seinen WählerInnen das Gefühl, ruhig und ohne | |
aufbrausend verformte Hektik sein Regieren anzulegen. | |
Mithin verkörperte er, ein Kommilitone des späteren Bundeskanzlers Helmut | |
Kohl, diese gewisse Atmosphäre, die Unionsmenschen irgendwie eigen zu sein | |
schien, perfekt: ein Einflusssucher, der auf Macht aus ist. Auf | |
demokratische, die sich des Mitnehmens und Abholens, wie man heute | |
formulieren würde, verpflichtet sah. | |
Dieses Talent zur beinah mentalitätsüberwölbenden Art, Politisches zu | |
begreifen, fast nie in Feindschaft, nie auf Disruption, als gewollte Brüche | |
geeicht, brachte ihn am Ende 23 Jahre in die Position des | |
Ministerpräsidenten. Zunächst, bis kurz vor dem Fall des Eisernen Vorhangs | |
zur DDR, in Rheinland-Pfalz, schließlich, nach einem kurzen Wirken als Chef | |
der Konrad-Adenauer-Stiftung, als solcher in Thüringen, wo er 1999 mit | |
seiner Union die absolute Mehrheit holte. | |
## Prinzipielle Ferne zu AfD und Linkspartei | |
Bernhard Vogel, der im Dezember sein 92. Lebensjahr vollendete und diesen | |
Geburtstag selbstbestimmt in seinem Wohnort Speyer eher ruhig feierte, | |
blieb auch in seinen letzten Lebensjahren wach und fern gewisser | |
Vertüddeltheit. | |
Georg Löwisch, dem Besucher von der Zeit, [2][versicherte er in einem vor | |
knapp einem Jahr geführten Gespräch,] dass er für allerschroffste Distanz | |
zur AfD plädiert, dass er aber, ohne sie dämonisieren zu wollen, auch für | |
fast prinzipielle Ferne zur Linkspartei ist – selbst wenn diese durch einen | |
ja alles in allem sehr sozialdemokratischen Politiker wie Bodo Ramelow | |
repräsentiert wird. | |
Sonntagabend ist er gestorben. Die Zeit fragte ihn: „Wie sehen Sie den | |
Tod?“ – und Vogel antwortete: „Ich weiß, dass er nicht mehr lange wartet… | |
Und was danach komme, sah er so: „Nach meinem Verstand die Gefahr, dass es | |
zu Ende ist. Nach meinem Glauben das ewige Leben.“ | |
Wo auch immer er nun tatsächlich ist: Die politische Welt der | |
Bundesrepublik, besonders der alten Christdemokratie, trauert um ihn – und | |
viele andere, die ihn kannten und kennenlernten, auch, Sozialdemokraten, | |
Grüne, auch Linke. Er verbreitete, so lassen sich die Kondolenzbekundungen | |
deuten, keinen Hass. Das wäre in seiner Zeit auch ganz unüblich gewesen – | |
schon gar durch einen wie ihn. | |
3 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Nachruf-auf-Hans-Jochen-Vogel/!5699107 | |
[2] https://www.zeit.de/2024/16/bernhard-vogel-cdu-friedrich-merz-afd/kompletta… | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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