| # taz.de -- Regierungsbildung von Schwarz-Rot: Noch lange nicht ausverhandelt | |
| > Am Freitag übernimmt die Hauptverhandlungsgruppe die | |
| > Koalitionsgespräche. Viele Streitpunkte sind offen, der Zeitplan wackelt. | |
| Bild: Jetzt wird's ernst | |
| Fraglich ist, ob das ursprüngliche Ziel von CDU-Chef Friedrich Merz, | |
| [1][die Regierungsbildung bis Ostern abzuschließen], noch erreicht wird. | |
| Nur noch drei Wochen bleiben bis dahin, doch mittlerweile ist von der Frist | |
| keine Rede mehr. In der Mitteilung der Generalsekretäre fehlt jegliche | |
| Zeitangabe. | |
| CSU-Chef Markus Söder hatte am Dienstag gesagt: „Es dauert so lange, wie es | |
| dauert, bis es gut wird. Endlos wird es auf keinen Fall.“ Auch Merz will | |
| sich nicht mehr auf Ostern festlegen. Nach der Aushandlung des | |
| Koalitionsvertrags müssen die zuständigen Parteigremien dem Entwurf noch | |
| zustimmen, und die SPD wird dazu eine Mitgliederbefragung durchführen. | |
| Am Freitag beginnt dann die nächste Runde. Wie die Generalsekretäre von | |
| CDU, CSU und SPD am Mittwoch bekanntgegeben haben, übernimmt dann in den | |
| Gesprächen zum schwarz-roten Koalitionsvertrag die sogenannte | |
| Hauptverhandlungsgruppe. Ihr gehören die Parteivorsitzenden und weitere | |
| Spitzenvertreter*innen an. „Die Gespräche sollen vertraulich und im | |
| Wechsel im Konrad-Adenauer-Haus, im Willy-Brandt-Haus und in der | |
| Landesvertretung des Freistaats Bayern stattfinden“, heißt es in einer | |
| gemeinsamen Mitteilung. | |
| Wobei es mit der Vertraulichkeit so eine Sache ist: Bis Montagabend mussten | |
| [2][Fachpolitiker*innen in 16 Arbeitsgruppen] ihre Vorarbeiten | |
| abschließen und Ergebnispapiere abliefern. Viele dieser Papiere blieben | |
| danach entgegen den Absprachen nicht intern, sondern kursieren seit | |
| Dienstag in Berlin. | |
| Darin zu sehen: Viele rot und blau markierte Passagen in Klammern – Inhalte | |
| also, über die es noch keine Einigung gibt, sondern bei denen | |
| Wunschformulierungen von SPD und Union nebeneinander stehen. „In den | |
| vergangenen Wochen wurde intensiv, konstruktiv und mit großem | |
| Verantwortungsbewusstsein verhandelt“, heißt es in der Erklärung der | |
| Generalsekretäre über die erste Verhandlungsphase. Tatsächlich bleibt für | |
| die nächste Runde aber noch reichlich Arbeit übrig. Es geht um mehr als | |
| „letzte Uneinigkeiten und unklare Formulierungen“, wie es die Union für | |
| diese Phase ursprünglich angekündigt hatte. | |
| [3][Die verbliebenen Ampelminister und Nochkanzler Olaf Scholz] werden | |
| womöglich noch etwas länger im Amt bleiben als gedacht. Sie erhielten am | |
| Dienstag zwar schon ihre Entlassungsurkunden vom Bundespräsidenten. Das | |
| sieht das Grundgesetz für den Tag, an dem ein neuer Bundestag | |
| zusammentritt, zwingend vor. Bis das neue Kabinett ernannt ist, wird das | |
| alte die Geschäfte aber weiter führen. Tobias Schulze | |
| Migration: Es geht immer noch restriktiver | |
| [4][In der Migrationspolitik haben sich die Koalitionäre bereits auf | |
| massive Verschärfungen verständigt]. Die SPD stemmt sich nur noch gegen die | |
| radikalsten Pläne der Union. | |
| Beschlossen ist, dass Asylbewerber*innen an den deutschen Grenzen | |
| zurückgewiesen werden sollen. Das verstößt gegen Europarecht, auch wenn die | |
| Rückweisungen „in Abstimmung“ mit Nachbarstaaten stattfinden sollen, wie es | |
| im Papier heißt. Ohnehin ist unklar, was genau die Formulierung bedeutet. | |
| Ebenfalls geeinigt haben sich Union und SPD darauf, dass Geflüchtete mit | |
| subsidiärem Schutz ihre Familie vorerst nicht mehr herholen dürfen. Auch | |
| die Einstufung weiterer sicherer Herkunftsländer ist Konsens, etwa der | |
| Maghrebstaaten oder Indien. Darüber soll die Bundesregierung ohne Bundestag | |
| und Bundesrat entscheiden dürfen. Wer aus so eingestuften Ländern kommt, | |
| erhält fast nie Asyl in Deutschland. | |
| Abschiebungen nach Afghanistan sollen weiterlaufen, die nach Syrien wieder | |
| aufgenommen werden, „beginnend mit Straftätern“ – es dürfte bald also a… | |
| Unbescholtene treffen. Auch das Aufnahmeprogramm für afghanische | |
| Menschenrechtler*innen wird beendet. Und der gerade erst eingeführte | |
| Rechtsbeistand für Abzuschiebende wird wieder gestrichen. | |
| Uneinig sind sich SPD und Union dagegen bei der Frage, ob Asylverfahren in | |
| Drittstaaten ausgelagert werden. Die Union ist dafür und will, dass | |
| Geflüchtete selbst bei positiven Asylentscheiden dort bleiben. Ohnehin gibt | |
| es aber Zweifel, ob das Modell umsetzbar ist. Auch bei der grundlegenden | |
| Funktionsweise der Asylverfahren gibt es Dissens. Die Union möchte im | |
| Gegensatz zur SPD den Amtsermittlungsgrundsatz aufheben, der die Behörden | |
| verpflichtet, Infos zu beschaffen. Stattdessen sollen die Geflüchteten | |
| selbst Beweise liefern, dass ihnen im Herkunftsland Gefahr droht. Das wäre | |
| in vielen Fällen wohl unmöglich. | |
| Beim Staatsbürgerrecht fordert die Union zwar nicht mehr, die Reform von | |
| 2024 zurückzunehmen. Sie will aber Doppelstaatsbürgern den deutschen Pass | |
| entziehen, wenn sie „Terrorunterstützer, Antisemiten und Extremisten“ sind. | |
| Die SPD ist dagegen, genauso wie gegen die leichtere Ausweisung von | |
| Ausländer*innen. Außerdem lehnt die SPD die Forderung ab, Zeit im | |
| humanitären Aufenthalt nicht mehr bei der Einbürgerung zu berücksichtigen. | |
| Geflüchtete Ukrainer*innen könnten sich dann etwa nicht nach den fünf | |
| Jahren Aufenthalt in Deutschland einbürgern lassen, die dafür sonst nötig | |
| sind. Streit gibt es auch noch bei den Möglichkeiten für Geduldete, einen | |
| Aufenthaltstitel zu erlangen. Während die SPD dafür das | |
| Chancenaufenthaltsrecht verlängern will, ist die Union für dessen Ende. | |
| Frederik Eikmanns | |
| Innere Sicherheit: Horst Seehofer lässt grüßen | |
| Zur inneren Sicherheit enthält das der taz vorliegende Arbeitspapier schon | |
| einige Einigungen unter dem Stichwort „Zeitenwende in der Inneren | |
| Sicherheit“. Die Koalition wolle für eine „Sicherheitsoffensive“ die | |
| „europa- und verfassungsrechtlichen Spielräume ausschöpfen“, wobei auch KI | |
| helfen soll. [5][Der biometrische Abgleich mit zugänglichen Internetdaten | |
| soll ermöglicht], der Datenaustausch von Sicherheitsbehörden verbessert | |
| werden. Kritisch aufhorchen lässt, dass man „Risikopotentiale bei Personen | |
| mit psychischen Auffälligkeiten“ frühzeitig erkennen will. Gegen hybride | |
| Bedrohungen soll es eine „Nationale Cybersicherheitsstrategie“ geben, | |
| Zivil- und Katastrophenschutz sollen gestärkt und kritische Infrastruktur | |
| soll besser geschützt werden. | |
| Besonders noch strittige Vorstöße der Union erinnern an | |
| Law-and-Order-Hardliner wie Horst Seehofer: Dystopisch mutet etwa der | |
| Vorschlag an, automatische Gesichtserkennung an Bahnhöfen, Flughäfen und | |
| „Kriminalitäts-Hotspots“ einzuführen. Damit will die Union „schwere | |
| Straftäter“ identifizieren, betroffen wären davon bei automatischer | |
| Gesichtserkennung aber natürlich alle. Datenschützer*innen dürften im | |
| Dreieck springen, die SPD will das nicht mittragen. | |
| Ebenso strittig: Die Union will digitale Kommunikationsdienste „im | |
| Einzelfall“ verpflichten, verschlüsselte Inhalte zu entschlüsseln und an | |
| Sicherheitsbehörden weiterzugeben. Auch das wäre ein neues Einfallstor für | |
| flächendeckende Überwachung. Ebenso ist die Vorratsdatenspeicherung nicht | |
| totzukriegen: Nicht einig ist man sich da allerdings lediglich bei der | |
| Dauer der Speicherung von IP-Adressen. Die Union schlägt laut Papier 6 | |
| Monate vor, der SPD vermerkt „noch nicht geeint“. | |
| Deutlicher clasht es beim Bundespolizeibeauftragten, den die Union am | |
| liebsten wieder abschaffen würde. Die SPD würde die Befugnisse für die | |
| parlamentarische Kontrollinstanz der Polizei hingegen gerne ausbauen – der | |
| Polizeibeauftragte soll künftig auch beim Zoll für „Transparenz“ sorgen u… | |
| das Vertrauen in der Bevölkerung stärken. Vertrauen verspielt hatten die | |
| Sicherheitsbehörden auch bei der bis heute nicht restlos aufgeklärten | |
| rechten Terrorserie des NSU. Die Union sperrt sich trotzdem gegen ein | |
| NSU-Dokumentationszentrum. Gareth Joswig | |
| Zivilgesellschaft: Union verprellt munter weiter | |
| Mit ihrer [6][umstrittenen kleinen Anfrage] zur „politischen Neutralität“ | |
| von NGOs hat die Union viele Träger der politischen Bildung verunsichert. | |
| Nun senden CDU und CSU während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD ein | |
| weiteres Signal, die Demokratieförderung auf Linie bringen zu wollen. Wie | |
| die Arbeitsgruppe Innen, Recht, Migration und Integration in ihrem | |
| Abschlusspapier festhält, will die Union das Bundesprogramm „Demokratie | |
| Leben!“ künftig im Bundesinnenministerium (BMI) ansiedeln. Viel spricht | |
| dafür, dass die Union dieses Ministerium für sich beanspruchen wird. Bisher | |
| ist das Förderprogramm im Bundesfamilienministerium angelegt. | |
| In der Zivilgesellschaft stößt die Idee auf Skepsis. „Es gibt keinen | |
| inhaltlichen Grund für diesen Wechsel“, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu | |
| Antonio Stiftung zur taz. Im Gegenteil befürchtet Reinfrank eine stärkere | |
| Kontrolle und Auslese bei vermeintlich zu linken Trägern. „Wer sich gegen | |
| Rechtsextremismus engagiert wie wir, ist für Menschenrechte“, so Reinfrank. | |
| Das sollte ein Anliegen auch der Union sein. Zudem warnt er vor einer | |
| inhaltlichen Verschiebung bei den geförderten Projekten. Es bestehe die | |
| Gefahr, dass politische Bildung noch stärker als bisher an das Ziel | |
| Extremismusprävention gekoppelt werde. [7][Seit Jahren kritisieren Träger, | |
| wie sehr die Politik Bildungsarbeit auf Prävention verengt.] Heike Kleffner | |
| vom Bundesverband Opferberatungsstellen warnt vor „einer katastrophalen | |
| Botschaft für die vielen zivilgesellschaftlichen Träger und Bündnisse“, | |
| sollte die SPD in diesem zentralen Punkt nachgeben. Seit Jahren | |
| verteidigten diese Träger Demokratie und Menschenrechte und stünden „oft | |
| mit dem Rücken zur Wand“. | |
| Offen ist allerdings, ob die SPD bei der Rochade mitspielt. Der zuständige | |
| Chefverhandler Dirk Wiese äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht auf | |
| taz-Anfrage. Interessant ist: In der Koa-Arbeitsgruppe zu Familie, Frauen, | |
| Jugend, Senioren und Demokratie war der Umzug von „Demokratie Leben!“ ins | |
| Innenministerium offenbar kein Thema. Die Kernbotschaft der Union ist aber | |
| auch dort zu finden: „Wir stellen weiterhin die Verfassungstreue | |
| geförderter Projekte sicher.“ | |
| Das Programm „Demokratie Leben!“ läuft seit 2015. In der aktuellen | |
| Förderperiode (2025–32) werden unter anderem 333 Patenschaften für | |
| Demokratie, 125 Innovationsprojekte und 16 Landesdemokratiezentren | |
| gefördert. In diesem Jahr stehen rund 180 Millionen Euro dafür bereit. | |
| Verbände fordern eine Verdoppelung der Mittel. Das Programm „Zusammenhalt | |
| durch Teilhabe“ hingegen liegt bereits beim BMI. Ziel ist, den ländlichen | |
| und strukturschwachen Raum zu stärken. Ralf Pauli | |
| Klimaschädlich heizen, Strom verbilligen | |
| Wie genau die künftige Regierung mit dem umstrittensten Projekt der Ampel, | |
| dem Heizungsgesetz, umgehen wird, ist noch offen. Dem Abschlusspapier der | |
| Arbeitsgruppe „Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ zufolge soll | |
| das Heizungsgesetz abgeschafft, die Heizungsförderung aber beibehalten | |
| werden. Die Arbeitsgruppe „Klima und Energie“ dagegen hat in der Frage des | |
| Gebäudeenergiegesetzes – wie das Heizungsgesetz offiziell heißt – einen | |
| Dissens zwischen Union und SPD festgehalten. | |
| Wahrscheinlich ist, dass die neue Koalition die Vorgaben für | |
| klimafreundliches Heizen und die Wärmeeffizienz für Gebäude aufweichen | |
| wird. Nach Ansicht der Naturschutzorganisation BUND wäre das ein großer | |
| Rückschritt für den Klimaschutz, denn Gebäude sind für rund ein Drittel des | |
| Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich. Drei Viertel werden noch | |
| mit den Klimakillern Öl und Gas beheizt. „Schon heute reichen die | |
| bestehenden Maßnahmen nicht aus, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu | |
| erreichen – eine Rolle rückwärts können wir uns schlicht nicht leisten“, | |
| sagt Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. | |
| Die Verhandler:innen der Arbeitsgruppe Klima und Energie bekennen sich | |
| zu den deutschen Klimazielen, einem entschlossenen Ausbau der Erneuerbaren | |
| Energien und dem [8][Kohleausstieg bis spätestens 2038]. Am Ziel, zwei | |
| Prozent der Fläche in den Bundesländern für Windenergie bereitzustellen, | |
| will die SPD festhalten, die Union nicht. Die Christdemokrat:innen | |
| wollen, dass die 2-Prozent-Vorgabe durch ein Ökostromziel ersetzt werden | |
| kann. Die Union fordert außerdem „Potenziale konventioneller Gasförderung | |
| im Inland“ zu nutzen, die SPD nicht. | |
| Beim Thema Atomkraft konnten sich die Verhandler:innen nicht auf eine | |
| gemeinsame Haltung verständigen. Die Union will festhalten, dass die | |
| Atomkraft mit Blick auf den Klimaschutz eine bedeutende Rolle spielen kann. | |
| Außerdem will sie eine „fachliche Bestandsaufnahme“, ob ein | |
| [9][Wiederbetrieb der abgeschalteten deutschen Akw] möglich und | |
| wirtschaftlich vertretbar ist. Da zurzeit kein Betreiber in Sicht ist, ist | |
| das vor allem symbolisch. | |
| Die Arbeitsgruppe will niedrigere Strompreise. Unternehmen und | |
| Privatverbraucher:innen sollen um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde | |
| Strom entlastet werden. Dazu sollen Stromsteuer, Umlagen und Abgaben | |
| gedrückt werden. Zudem soll ein Industriestrompreis kommen. Anja Krüger | |
| ÖPNV wird teurer, Fliegen günstiger | |
| Das [10][Deutschlandticket] soll erhalten bleiben, aber ab 2027 teurer | |
| werden – zumindest wenn es nach den Verhandler:innen der Arbeitsgruppe | |
| „Verkehr und Infrastruktur, Bauen und Wohnen“ geht. Das bundesweit im ÖPNV | |
| geltende Ticket kostet zurzeit 58 Euro im Monat. Eingeführt hatte es die | |
| rot-grün-gelbe Bundesregierung. Es wird je zur Hälfte mit 1,5 Milliarden | |
| Euro vom Bund und den Ländern finanziert. Die CSU hatte den Fortbestand mit | |
| der Behauptung infrage gestellt, das Ticket nutze Bürger:innen auf dem | |
| Land nichts. Im Abschlusspapier der Arbeitsgruppe heißt es, der Anteil der | |
| Nutzerfinanzierung werde „ab 2027 schrittweise und sozialverträglich | |
| erhöht“. | |
| Mittelfristig will die Arbeitsgruppe, dass die neue Bundesregierung die | |
| Konzernstruktur der Deutschen Bahn reformiert. Die Ampel hatte den | |
| schwerfälligen Konzern, der zu 100 Prozent in Besitz des Bundes ist, unter | |
| einem gemeinsamen Dach in zwei Teile gespalten. Die Gesellschaft InfraGo | |
| ist für die Infrastruktur zuständig, der andere für den Betrieb. Viel mehr | |
| als das Austauschen der Türschilder ist damit nicht erreicht worden, | |
| monieren Kritiker:innen. Das könnte sich ändern. Beide Teile sollen weiter | |
| entflechtet werden. | |
| „Sowohl beim DB Konzern als auch bei der InfraGO soll eine Neuaufstellung | |
| von Aufsichtsrat und Vorstand erfolgen, mit dem Ziel, mehr Fachkompetenz | |
| abzubilden und eine Verschlankung zu erreichen“, heißt es in dem Papier. | |
| Investitionen in das Schienennetz sollen gesteigert werden. Ob sie höher | |
| ausfallen als die bisherige Regierung geplant hat, ist unklar. Die | |
| Digitalisierung und Elektrifizierung von Strecken sollen aus dem Klima- und | |
| Transformationsfonds finanziert werden. Die Sanierung von Wasserstraßen | |
| auch. | |
| Über die Einführung eines [11][Tempolimits auf Autobahnen] hat die | |
| Arbeitsgruppe offenbar immerhin gesprochen. Die Union ist generell dagegen, | |
| die SPD für ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde. | |
| Impulse für bessere Radwege oder Fußgängerbereiche sind von der künftigen | |
| Regierung nicht zu erwarten. „Der Fuß- und Radverkehr wir im Papier | |
| stiefmütterlich behandelt“, kritisiert die Vorsitzende des ökologischen | |
| Verkehrsclubs Deutschland (VCD) Kerstin Haarmann. | |
| Ein großer Schritt rückwärts ist im Luftverkehr zu erwarten. Hier sollen | |
| Steuern, Gebühren und Abgaben sinken. Als erstes soll die 2024 erfolgte | |
| Erhöhung der Luftverkehrssteuer kassiert werden. Anja Krüger | |
| Weniger Trump, weniger Schutz und mehr Datennutzung | |
| „Wir wollen ein digital souveränes Deutschland“, heißt es im Einstieg des | |
| Papiers der Koalitionsarbeitsgruppe Digitales. Abhängigkeiten sollen | |
| abgebaut werden, Schlüsseltechnologien entwickelt und resiliente | |
| Produktionsketten für wichtige Industrien aufgebaut werden, etwa für die | |
| Produktion von Chips. Das Bekenntnis zu digitaler Souveränität dürfte sich | |
| vor allem aus den jüngsten Entwicklungen in den USA speisen: [12][Unter | |
| Trump] ist mehr denn je unklar, wie verlässlich digitale Infrastruktur, | |
| Software und Dienste made in USA sind. Wenn die künftige Koalition diesen | |
| Grundsatz ernst nehmen will, müsste sie aber auch dort hinschauen, wo es | |
| weh tut, und die Nutzung von Produkten von US-Anbietern wie Microsoft in | |
| staatlichen Institutionen abbauen. | |
| Einen Konflikt zwischen den Verhandlern gibt es beim Thema Verschlüsselung. | |
| Die SPD wünscht sich laut dem Papier eine Ergänzung, die klarstellt, dass | |
| die künftige Koalition eine Beschränkung von Verschlüsselung und den | |
| verpflichtenden Einbau von Hintertüren ablehnt. Verschlüsselung ist | |
| mittlerweile etwa bei Messengerdiensten Standard, und Hintertüren würden | |
| diese schwächen. Darauf will die Union sich anscheinend nicht festlegen, | |
| ebenso wenig darauf, dass IT-Schwachstellen schnellstens geschlossen werden | |
| sollen und Anonymität im Internet weiterhin möglich sein soll. | |
| Die Verhandler:innen wollen die „vorhandenen Spielräume“ der | |
| [13][Datenschutz-Grundverordnung] nutzen. Das darf wohl als Ansage | |
| verstanden werden, bestehende Regeln zum Schutz der Privatsphäre zu | |
| schwächen. Dazu passt, dass „Datenschätze“ gehoben werden sollen und eine | |
| „Datenökonomie“ entstehen soll. Das könnte etwa bei Mobilitäts- und | |
| Gesundheitsdaten relevant werden. Die Union will laut dem Papier die | |
| Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) in „Beauftragte für Datennutzung, | |
| Datenschutz und Informationsfreiheit“ umbenennen. In der Diskussion ist | |
| zudem, den Landesdatenschutzbehörden die Aufsicht über die Wirtschaft zu | |
| entziehen und bei der, dann womöglich auf wirtschaftsfreundlich getrimmten, | |
| Bundesbeauftragten anzudocken. Hier soll nun die Steuerungsgruppe | |
| entscheiden. Svenja Bergt | |
| Interessen vor Entwicklung | |
| Großes Streitthema ist die Zukunft des Entwicklungsministeriums. Die Union | |
| will es ins Auswärtige Amt eingliedern, die SPD ist strikt dagegen. CDU/CSU | |
| argumentieren, die Zusammenführung erhöhe die Effizienz. Sozialdemokraten | |
| und auch Entwicklungsorganisationen fürchten, der | |
| Entwicklungszusammenarbeit werde weniger Bedeutung zugemessen, während viel | |
| Zeit für die Neuordnung verloren gehe. Die Entwicklungsexperten | |
| Stephan Klingebiel und Jörg Faust bezweifeln, dass eine Zusammenführung zu | |
| mehr Effizienz führe. Sie fordern stattdessen eine bessere Koordination der | |
| Ministerien. Das wollen beide Parteien auch in der Einrichtung eines | |
| Nationalen Sicherheitsrats erreichen. | |
| Zweiter Streitpunkt ist das Geld. Die SPD will mindestens die international | |
| vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufwenden, die Union | |
| will eine Absenkung des derzeitigen Niveaus. Zahlreiche | |
| Entwicklungsorganisationen schlugen am Mittwoch Alarm, dass weitere | |
| Kürzungen im Entwicklungsetat angesichts eines weltweiten Rückzugs, allen | |
| voran von den USA und Großbritannien, fatale Auswirkungen habe. | |
| Menschenleben stünden schon jetzt auf dem Spiel. | |
| Vor diesem Hintergrund bleibt der Kompromiss, die Entwicklungspolitik solle | |
| „zugleich werte- und interessengeleitet“ sein, eine Worthülse. Die | |
| gemeinsamen Schwerpunkte des Papiers der Arbeitsgruppe 12 zu | |
| Entwicklungspolitik sind Rohstoffsicherung, Energiepartnerschaften und | |
| wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch der Fokus auf Bedingungen, etwa dass | |
| Empfängerländer Geflüchtete zurücknehmen und Migration bekämpfen, stellt | |
| deutsche Interessen in den Vordergrund. Hinzu kommt: Die Förderung von | |
| Unternehmen im Export und bei Investitionen im Globalen Süden erlebt ein | |
| Revival. Leila van Rinsum | |
| Keine Katastrophe bei Tierschutz und Landwirtschaft | |
| „Eine Vollkatastrophe ist das nicht“, sagt die Grünen-Abgeordnete Zoe Mayer | |
| der taz über die Zwischenergebnisse der Koalitionsgespräche von | |
| [14][CDU/CSU] und SPD zu Landwirtschaft und Ernährung. Aber die kommende | |
| Bundesregierung zeige sich „atemberaubend ambitionslos“. Das klingt aus dem | |
| Mund einer Oppositionspolitikerin doch fast wie ein Kompliment. Positiv aus | |
| Sicht von [15][Umwelt- und Tierschützern] ist, dass die | |
| Möchte-gern-Koalitionäre die verpflichtende staatliche Kennzeichnung der | |
| Tierhaltungsform von Fleisch nicht abschaffen, sondern zum Beispiel auf | |
| weitere Tierarten und Lebensphasen des Viehs ausweiten wollen. Sie | |
| beabsichtigen auch, „den tierwohlgerechten Stallbau“ auf Grundlage | |
| staatlicher Verträge dauerhaft finanzieren. „Wir führen ein Prüf- und | |
| Zulassungsverfahren für Stallsysteme ein“, ergänzen die Verhandler. | |
| Tierschützer fordern seit langem so einen „Tierschutz-TÜV“. | |
| Aber es findet sich im der taz vorliegenden Verhandlungspapier kein Wort | |
| dazu, den klimaschädlichen Fleischkonsum auf das gesundheitlich vertretbare | |
| Maß zu verringern. Auch nicht dazu, die Anbindehaltung von Rindern zu | |
| verbieten, bei der die Tiere dauerhaft etwa mit Ketten oder Metallrahmen | |
| fixiert werden. Die Stiftung Vier Pfoten etwa vermisst unter anderem | |
| Beschränkungen von Tiertransporten. | |
| Das Papier sieht auch Rückschritte vor. Zum Beispiel wollen Union und SPD | |
| die Stoffstrombilanz im Düngerecht abschaffen, mit der die Menge von | |
| Pflanzennährstoffen wie Stickstoff berechnet wird, die die Höfe in die | |
| Umwelt abgeben. Zu hohe Mengen könnten nach entsprechenden | |
| Gesetzesänderungen sanktioniert werden. Es ist klar, dass zu viel Nährstoff | |
| schädlich für Klima, Grundwasser und Artenvielfalt ist. Aber die | |
| voraussichtlich künftigen Koalitionäre haben offenbar dem Bauernverband | |
| nachgegeben, der Betriebe mit schlechten Bilanzen schützen will. | |
| „Wir werden die Agrardiesel-Rückvergütung vollständig wieder einführen“, | |
| schreiben die Unterhändler weiter. Das war die prominenteste Forderung der | |
| Bauernproteste 2023/24. Die Landwirte sollen auch weiterhin rund 450 | |
| Millionen Euro jährlich an Energiesteuer auf den Diesel für Traktoren und | |
| andere Landmaschinen erstattet bekommen. Einen fossilen Kraftstoff zu | |
| subventionieren, wird mit Blick auf den Klimaschutz kritisiert. Der Anreiz, | |
| treibhausgasintensiven Sprit einzusparen, fiele weg. Für Klima und Natur | |
| wären aber zum Beispiel mehr Traktoren mit Anlagen sinnvoll, die den | |
| Reifendruck so regeln, dass der Verbrauch sinkt. Auch Elektromotoren für | |
| kleinere Maschinen würden ohne Dieselsubventionen deutlich | |
| wettbewerbsfähiger. Jost Maurin | |
| 26 Mar 2025 | |
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