# taz.de -- Rechter Terror in Deutschland: Auf der Feindesliste | |
> Mitglieder der Preppergruppe Nordkreuz sollen geplant haben, politische | |
> Gegner zu töten. Was tut der Staat gegen rechten Terror? | |
Bild: Rechte Prepper gibt es auch in der Bundeswehr | |
Rostock/Schwerin/Ludwigslust/Berlin taz | Als Heiko Böhringer Hilfe | |
braucht, wendet er sich an die Polizei. Er hat einen Brief erhalten, am | |
Computer getippt, per Post verschickt. Eine anonyme Morddrohung. Böhringer | |
lebt im mecklenburgischen Ludwigslust, er ist Ingenieur, Lokalpolitiker und | |
in einem Bündnis für Windkraftausbau aktiv. | |
Nicht nur er bekommt so einen Drohbrief, sondern auch ein Landrat und der | |
Energieminister des Landes. Der Staatsschutz übernimmt. Ein paar Tage lang | |
erhält Böhringer Polizeischutz, die Familie des Ministers auch, aber der | |
Absender der Briefe wird nicht gefunden. Das war 2015. Böhringer hatte viel | |
zu tun, das mit der Morddrohung hatte er schon fast vergessen. Bis ihn das | |
Bundeskriminalamt daran erinnert. | |
Am Montag vor einer Woche haben BKA-Ermittler ihn als Zeugen zur | |
Kriminalinspektion nach Schwerin gebeten, danach wird er der taz von dem | |
Termin berichten. Die Beamten zeigen ihm Ausdrucke mit Fotos und | |
Informationen über ihn, aber auch über andere Personen. Auf manchen | |
Dokumenten sind handschriftliche Notizen. | |
Bei den Betroffenen handelt es sich um Politiker von der Linken, von den | |
Grünen und der SPD sowie Aktivisten aus der Zivilgesellschaft. Viele haben | |
sich für Flüchtlinge engagiert. Der Verdacht der Ermittler: Diese | |
Datensammlung, die sie bei Razzien in einem gelben Ordner und einem | |
Umschlag gefunden haben, [1][sind eine Feindesliste]. Angelegt von zwei | |
Männern, die geplant haben sollen, politische Gegner umzubringen. | |
Die Ermittler zeigen Böhringer eine Skizze. Es ist der Grundriss seiner | |
Wohnung. Der Staatsschutz hatte sie angefertigt, damals, nach den | |
Morddrohungen. Jetzt ist sie in die Hände von zwei Männern geraten, die das | |
BKA für rechtsextreme Terroristen hält. | |
## Schützt der Staat die Bedrohten | |
Es ist ein ungeheuerlicher Verdacht, dem die Bundesanwaltschaft seit nun | |
fast zwei Jahren nachgeht: Zwei Männer in Mecklenburg-Vorpommern sollen | |
geplant haben, Personen aus dem „politisch linken Spektrum“ zu töten. Der | |
eine Beschuldigte, Jan Hendrik H., ist Anwalt aus Rostock und war bis vor | |
Kurzem Lokalpolitiker. Der andere, Haik J., arbeitete bis zu den | |
Ermittlungen bei der Kriminalpolizei in Ludwigslust. „Vorbereitung einer | |
schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ lautet der Vorwurf im | |
Juristendeutsch und meint: Terror. | |
Wenige Wochen ist der [2][Mord an Walter Lübcke] nun her, der erste | |
mutmaßlich rechtsextreme Mord an einem Politiker in Deutschland seit 1945. | |
Alte Fragen stellen sich jetzt noch dringlicher: Wie schützt der Staat die | |
Bedrohten? Kann er das überhaupt? | |
Seit zwei Jahren recherchiert ein Team der taz zu rechten Netzwerken in | |
Mecklenburg und in ganz Deutschland. Wir haben mit vielen Beteiligten | |
gesprochen, mit Quellen in Behörden und in der Politik, wir konnten | |
Ermittlungsunterlagen und andere Dokumente einsehen. Damals schon schrieben | |
wir von einem radikalen Netzwerk, jetzt können wir detaillierter | |
beschreiben, wie die Pläne aussahen und wer die Opfer sein sollten. | |
Es geht um Elitepolizisten, die Munition klauen und horten. Um Löschkalk | |
und Leichensäcke. Um einen Landesinnenminister, der wenig weiß oder das | |
vorgibt. Und um die Bundesanwaltschaft, die bislang nicht wegen Bildung | |
einer terroristischen Vereinigung ermittelt. | |
## Vorbereitung auf „Tag X“ | |
Um zu verstehen, wie groß die Gefahr für Heiko Böhringer und die anderen | |
Menschen [3][auf der Nordkreuz-Liste] ist, muss man zwei Jahre zurückgehen. | |
Am 28. August 2017 durchsucht das BKA Wohnungen und Büros von Jan Hendrik | |
H., Haik J. und mehreren Zeugen in Mecklenburg-Vorpommern, im April 2018 | |
rücken sie noch einmal aus, um bei acht Zeugen zu durchsuchen. Inhaftiert | |
ist bislang keiner der Beschuldigten. | |
Die Ermittler gehen vorsichtig vor. Die Bundesanwaltschaft misstraut den | |
örtlichen Polizeikräften, informiert sogar den Landesinnenminister im | |
August 2017 erst unmittelbar vor den ersten Durchsuchungen. Denn die beiden | |
Verdächtigen verfügen über gute Kontakte: Sie sind Teil der rund | |
30-köpfigen Gruppe Nordkreuz. Unter den Mitgliedern sind nicht nur | |
Polizisten, sondern auch Anwälte, ein Malermeister, ein Kampfsportlehrer, | |
Sportschützen, Reservisten. | |
Die Menschen in der Gruppe bereiten [4][sich auf einen „Tag X“] vor, einen | |
Sturm oder einen Stromausfall, das sind die Szenarien, die ehemalige | |
Gruppenmitglieder beschreiben. Sie erzählen davon, dass sie | |
Trinkwasseraufbereitung üben, sich von Türmen abseilen und einander warnen, | |
wenn Impfstoff in einem Krankenhaus knapp wird. Sie sind Prepper. Das ist | |
nicht strafbar. | |
Unsere Recherchen haben aber auch ergeben: Die Mitglieder dieser Gruppe, | |
die sich um 2015 herum gegründet hat, halten es für möglich, dass die | |
öffentliche Ordnung zusammenbricht, weil Flüchtlinge nach Deutschland | |
kommen. Sie misstrauen dem Staat und bezweifeln, dass er die öffentliche | |
Sicherheit aufrechterhalten kann. Es ist die Aufgabe von Polizisten, | |
Soldaten und Reservisten, Sicherheit herzustellen. Stattdessen haben | |
Mitglieder von Nordkreuz das Gegenteil vor. Das Bundesamt für | |
Verfassungsschutz beobachtet Nordkreuz nach eigenen Angaben bereits seit | |
Herbst 2016 mit „vollem“ Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. | |
## Aufrufe zu „inneren Unruhen“ | |
Die Geschehnisse in Mecklenburg lassen sich nicht als Einzelfall mit zwei | |
mutmaßlichen Straftätern abtun, die in sich in einer Gruppe bewegen, sich | |
radikalisierten. Nordkreuz ist keine isolierte Gruppe und eingebettet in | |
ein weit größeres Netzwerk. Das können wir längst belegen. Die meisten | |
Mitglieder sind auch Teil weiterer Telegram-Gruppen wie Nord.com und Nord. | |
Daneben gibt es die Gruppen West, Ost und Süd. Was sie vereint, ist ihr | |
Gründer, er nennt sich Hannibal. Sein bürgerlicher Name ist André S. Neben | |
den Prepperchats führt er den Verein Uniter, der sich in sein Netz einfügt, | |
in Süddeutschland sogar mit der Preppergruppe verschmolzen ist. | |
Als André S. die Gruppen und den Verein gründet, ist er Soldat beim | |
Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr. Eine Eliteeinheit, deren Aufgabe | |
auch ist, Terror im Ausland zu bekämpfen. Also: den Staat zu schützen. Doch | |
André S. bereitet sich auf dessen Zusammenbruch vor. In einer internen | |
E-Mail riet er etwa, sich auf „innere Unruhen“ oder „Krisen an den Grenze… | |
vorzubereiten. | |
In Chats und bei Treffen sprachen sie über Fluchtrouten, sichere | |
Treffpunkte, Depots. André S. ist nicht mehr beim KSK, es läuft ein | |
Disziplinarverfahren gegen ihn, auch die Staatsanwaltschaft ermittelt, weil | |
bei einer Durchsuchung seines Elternhauses Zünder von Übungshandgranaten | |
gefunden wurden. Ob er über die Pläne der Prepper im Norden informiert war, | |
ist unklar. Unter Terrorverdacht steht er nicht. | |
Von dem großen Netzwerk und seinem Strippenzieher weiß Heiko Böhringer | |
nichts, als er im Juni 2019 in Schwerin beim BKA sitzt. Die Sache mit | |
Nordkreuz kennt er aus der Zeitung, die beiden Beschuldigten Jan Hendrik H. | |
und Haik J. glaubt er nie getroffen zu haben. | |
Er selbst hatte nach den Morddrohungen nie eine Rückmeldung von den | |
Ermittlern bekommen. Auch nicht, als sein Wohnungsgrundriss bei den Razzien | |
gefunden wurde. Hatte der Kriminalpolizist Haik J. damals mit den | |
Ermittlungen zu tun oder geht der Staatsschutz so schlampig mit | |
anvertrauten Daten um, dass andere Polizisten darauf zugreifen können? Das | |
Innenministerium in Schwerin will dazu auf taz-Anfrage nichts sagen. | |
## Der Begriff „Todesliste“ fiel im Bundestag | |
Ohnehin erklärt das Ministerium seit zwei Jahren wenig. Zwar setzte | |
Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eine Prepper-Kommission ein, ihr Bericht | |
ist jedoch bis heute nicht veröffentlicht. Informationen fließen spärlich. | |
Oder sind unwahr. | |
Im Innenausschuss des Landtages erklärt ein Staatssekretär noch im Januar: | |
Selbst wisse man nicht viel, weil die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen | |
führt. Aber auch diese habe im Dezember 2018 im Innenausschuss des | |
Bundestages nicht von einer Namensliste gesprochen, sagt er laut Protokoll | |
und legt sich fest: Entsprechende Medienberichte müssten „schlicht falsch“ | |
sein. Aber das stimmt nicht. Der taz liegt das Protokoll dieser | |
nichtöffentlichen Sitzung vor. Darin ist mehrfach explizit der Begriff | |
„Todesliste“ zu finden. | |
Nach Heiko Böhringers Befragung reisen die Ermittler vom BKA weiter nach | |
Rostock. Sie befragen insgesamt 29 Zeugen. Wir konnten mit einigen von | |
ihnen sprechen. | |
Daten von rund 25.000 Personen haben die Ermittler sichergestellt, der | |
größte Teil stammt aus dem Hack eines Versandhandels, der seit Jahren im | |
Internet kursiert. Was die 29 Personen verbindet, die als Zeugen geladen | |
wurden: In ihren Fällen wurden Meldeadressen oder Geburtsdaten ergänzt. Die | |
Ermittler denken, dass Haik J. seinen Zugang als Kriminalpolizist genutzt | |
hat, um solche Details herauszufinden. | |
Am Ende der Befragungen haben die Ermittler einen Querschnitt der Rostocker | |
Zivilgesellschaft getroffen: Ein hochrangiger Gewerkschaftsfunktionär ist | |
dabei. Landtagsabgeordnete, die ihren Wahlkreis in der größten Stadt des | |
Bundeslandes haben. Eine Reihe von Abgeordneten aus der Rostocker | |
Bürgerschaft, der Kommunalvertretung. Dort hatte auch Jan Hendrik H. ein | |
Mandat, der beschuldigte Rechtsanwalt. Obwohl es mehrmals Anträge gab, | |
wurde Jan Hendrik H. nicht aus Gremien ausgeschlossen. Es gelte die | |
Unschuldsvermutung, sagten die Abgeordneten damals. | |
Jetzt erfahren einige von ihnen, dass Jan Hendrik H. Dossiers über sie | |
angelegt hat. Auch ein ehemaliger Mitbewohner von Haik J. aus Studientagen | |
ist in der Sammlung vermerkt, ein Mitglied der Linkspartei. Neben seinem | |
Namen steht sinngemäß: Kenne ich. Kommen gut klar. Aus dem konnte ja nichts | |
werden. | |
Was sich anhand der Zeugenliste zeigt: Die Beschuldigten haben es nicht auf | |
radikale Linke abgesehen, nicht auf Spitzenpolitiker im fernen Berlin. Sie | |
spähten Menschen in der Mitte der Gesellschaft aus. Ihre Nachbarn. | |
Was das BKA ihnen gesagt hat, das berichten mehrere Befragte unabhängig | |
voneinander: Das BKA habe direkt nach den Durchsuchungen im August 2017 die | |
Einschätzung getroffen, dass eher keine Gefährdung vorliege. Das sei an das | |
LKA in Mecklenburg-Vorpommern gegangen mit der Bitte: die Betroffenen zu | |
sensibilisieren. Sprich: sie zu informieren, dass sie auf der Liste stehen. | |
Innenminister Caffier sagte hingegen im Landtag: Er habe nicht in die | |
Öffentlichkeit gehen können und von Todeslisten sprechen. „Und genauso | |
schwer fällt es mir, das LKA anzuweisen, die 29 Personen zu informieren, | |
obwohl doch gar keine Gefährdung vorliegt.“ Nicht einmal seine Kollegen im | |
Landtag hat er informiert, die ihn mehrfach explizit um Auskunft baten. | |
Inzwischen beschäftigten mehr als ein Dutzend parlamentarische Anfragen zur | |
Nordkreuz-Gruppe und dem Hannibal-Netzwerk die Bundesregierung. | |
Landtagsabgeordnete fragten nach, die Chefs der Nachrichtendienste wurden | |
in Ausschüsse und Gremien bestellt. Auch dort heißt es immer wieder, es | |
gebe Ermittlungen. Aber ein konspiratives Netzwerk mit dem Ziel, die | |
freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen? | |
Vergangene Woche wurde bekannt, dass bei den Ermittlungen auch eine Art | |
Materialliste gefunden worden ist, handgeschrieben. Darauf nach | |
taz-Informationen verzeichnet: Leichensäcke und Löschkalk, den man in | |
Massengräber schüttet, um die Verwesung zu beschleunigen. Darüber | |
berichtete zuerst das Redaktionsnetzwerk Deutschland. | |
Bei welchem Sturm, welchem Stromausfall sollte jemand Leichensäcke in | |
großer Stückzahl benötigen? Langsam scheint der Öffentlichkeit bewusst zu | |
werden: Das sind keine harmlosen Prepper. | |
Die Bundesanwaltschaft ermittelt bislang im Norden lediglich gegen Haik J. | |
und Jan Hendrik H. wegen Terrorvorwürfen. Alle anderen aus dem Netzwerk | |
gelten als Zeugen. Dabei müsste den Ermittlern längst bewusst sein, dass | |
nicht nur diese zwei Männer Tötungsabsichten hatten. | |
In der Nordkreuz-Gruppe habe man davon gesprochen, gegen die als | |
„Invasoren“ bezeichneten Flüchtlinge vorzugehen, notfalls mit Waffengewalt. | |
So haben es die BKA-Beamten jetzt den 29 Befragten erklärt. Und es habe | |
einen kleineren Personenkreis gegeben, der auch gegen diejenigen vorgehen | |
wollte, die sie für das angebliche Problem verantwortlich machen. | |
Was sie offenbar vorhatten, wird in dieser Szene deutlich: An einem Abend | |
Anfang 2017 treffen sich vier Männer aus der Nordkreuz-Gruppe an einem | |
Stehimbiss in Mecklenburg-Vorpommern. Sie fragen sich: Wenn der „Tag X“ | |
kommt und Chaos ausbricht, könnte man nicht Bundeswehr-Lkws organisieren, | |
um Menschen abzutransportieren? Von Erschießungen soll die Rede gewesen | |
sein. So sagen es Personen, die mit den Vorgängen betraut sind. | |
Die vier Männer tauschen sich in einer eigenen Telegram-Chatgruppe aus, sie | |
heißt „Vier gewinnt“. Laut Bundesregierung manifestiert sich bei den | |
Mitgliedern dieser Gruppe „eine gefestigte rechtsextremistische | |
Einstellung“. Mit dabei: ein Versicherungsvertreter aus Rostock; der | |
damalige Chef einer Reservistenkompanie der Bundeswehr; Haik J., der | |
beschuldigte Kriminalpolizist. Und Marko G., ein ehemaliger SEK-Beamter. | |
## Ein Präzisionsschütze, der Waffen hortete | |
Marko G. hat die Nordkreuz-Gruppe gegründet und geleitet, er ist die | |
Verbindungsperson zu Hannibal, dem zentralen Chatgruppen-Administrator. Und | |
er sitzt seit Mitte Juni in Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Verstoß gegen | |
das Waffenrecht, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz. | |
In diesem Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft in Schwerin. | |
Marko G. war früher Fernspäher, einer derjenigen, die man hinter der | |
feindlichen Linie abwerfen konnte und die trotzdem überlebten. Dann ging er | |
zum Spezialeinsatzkommando der Polizei, die Einheit für harte Fälle, | |
Festnahme von Schwerverbrechern, Geiselbefreiung. Er ist Präzisionsschütze. | |
Im Terrorverfahren des Generalbundesanwaltes gilt Marko G. als Zeuge, | |
deshalb befragten ihn die Ermittler damals und durchsuchten sein Haus. Für | |
die taz ist er nicht zu sprechen, auch nicht, als er im April bei einer | |
Podiumsdiskussion in Rostock zum Thema Nordkreuz als Zuhörer erscheint. | |
Die Nordkreuz-Gruppe hatte, das geht aus Ermittlungsunterlagen vor, für | |
„Tag X“ vorgesorgt und geheime Depots angelegt, mit Treibstoff und | |
Nahrungsmitteln. Jeder von ihnen hatte dafür 600 Euro gezahlt – an Marko G. | |
Jetzt wird bekannt: Schon bei der Durchsuchung 2017 haben die Beamten bei | |
ihm mehrere zehntausend Schuss Munition und eine Vielzahl von Waffen | |
gefunden. Anfang Juni stießen sie erneut auf eine so hohe Anzahl Munition. | |
Insgesamt handelt es sich um mindestens 60.000 Schuss. Auch eine | |
Uzi-Maschinenpistole und ein Schalldämpfer wurden sichergestellt, beides | |
besaß er illegal. | |
Die Ermittler haben herausgefunden, dass seit 2012 Munition aus | |
Polizeibeständen geklaut wurde. Doch soll es sich dabei nur um einen | |
geringen Anteil der gefundenen Munition handeln. Wo der Rest herkam? | |
Unklar. | |
Beschuldigt, die Munition geklaut zu haben sind neben Marko G. drei aktive | |
und ehemalige Beamte des SEK, einer ist schon kein Polizist mehr, die | |
anderen sind suspendiert und sollen aus dem Dienst entfernt werden. Zwei | |
von ihnen sitzen wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. In Chats sollen | |
die vier „rechtsextremistisches Gedankengut“ ausgetauscht haben. Zwei der | |
vier sind ehemalige Fallschirmjäger. Ob auch sie direkten Kontakt zu | |
Nordkreuz oder dem weiteren Hannibal-Netzwerk hatten, ist nicht bekannt. | |
## Warum sehen Ermittler Einzelpersonen? | |
Jetzt muss die Bundesanwaltschaft sich fragen lassen: Warum werden die | |
beiden Verfahren getrennt behandelt? Ein Kriminalpolizist und ein Anwalt | |
legen Todeslisten an. Sie sind Teil einer Gruppe, deren Leiter illegal | |
Munition und Waffen hortet. Auf Landesebene und im Bundestag wundern sich | |
Politiker: Warum sehen die Ermittler noch immer nur Einzelpersonen und | |
keine terroristische Vereinigung? Also mindestens drei Personen, die | |
schwere Straftaten begehen wollen, Schrecken verbreiten, mit einem | |
politischen Ziel? Auf Anfrage der taz äußert sich die Bundesanwaltschaft | |
nicht. | |
Nachdem Ermittler, Bundestag und Nachrichtendienste sich seit zwei Jahren | |
an der Nordkreuz-Causa abarbeiten, nachdem ein CDU-Politiker in der | |
hessischen Provinz mutmaßlich von einem Rechtsextremen ermordet wurde, hat | |
nun Innenminister Caffier Konsequenzen angekündigt. Dem Betreiber eines | |
Schießplatzes in Güstrow wurde gekündigt, dort hatten Polizisten aus | |
Mecklenburg-Vorpommern trainiert – aber auch welche aus anderen | |
Bundesländern und auch die Nordkreuz-Mitglieder schossen dort regelmäßig. | |
Der Betreiber war selbst Teil der Chatgruppe, ist dann aber ausgetreten. | |
Vier weitere Beamte hat Caffier vorsorglich aus dem SEK versetzen lassen, | |
weil sie über Chats intensiven Kontakt zu Marko G. und den anderen | |
SEK-Beamten hatten. Er hat die Schießtrainings neu organisieren lassen, um | |
den Diebstahl von Munition zu verhindern. Alle Bewerber der Landespolizei | |
sollen künftig vom Verfassungsschutz überprüft werden, Beamte maximal zehn | |
Jahre beim SEK bleiben. Eine dreiköpfige Expertenkommission wurde | |
beauftragt, die Spezialeinheiten des Landes bis Ende Oktober „gründlich zu | |
untersuchen“. | |
Während der mutmaßliche Rechtsterrorist von Kassel enge Verbindungen in die | |
klassische Neonaziszene hat, reichen die Kontakte von Nordkreuz bis in den | |
parlamentarischen Raum. Mehr noch: Auch nachdem die Vorwürfe gegen die | |
Mitglieder bekannt wurden, drängen sie in politische Ämter. Es taucht | |
beispielsweise der Name eines AfD-Kommunalpolitikers als Nordkreuz-Mitglied | |
in den Ermittlungsunterlagen auf, auf Anfrage verneint dieser, im Chat | |
gewesen zu sein. Auch Marko G. ist AfD-Mitglied. | |
## „Ich will ihn hängen sehen“ | |
Der Kriminalpolizist Haik J. wurde in eine Partei-Arbeitsgruppe zur inneren | |
Sicherheit berufen, da waren die Vorwürfe gegen ihn schon bekannt. Er | |
arbeitete als Wahlkreismitarbeiter für den AfD-Landtagsabgeordneten Holger | |
Arppe, zu dem auch der beschuldigte Anwalt Jan Hendrik H. guten Kontakt | |
pflegte. Arppe wurde Anfang 2018 aus der Partei ausgeschlossen, nachdem die | |
taz aus internen Chats zitiert hatte, in denen er von der Hinrichtung | |
politischer Gegner sprach. „Ich will sie hängen sehen“, schrieb er. „Gru… | |
ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.“ | |
Auch Arppe wurde 2018 während der Nordkreuz-Ermittlungen als Zeuge | |
durchsucht. Es gibt keinen Hinweis, dass er selbst Teil von Nordkreuz war. | |
Doch egal wie eng der Kontakt zwischen der Gruppe und AfD-Vertretern ist: | |
Die Ideologie und die Gedankenspiele sind teils sehr ähnlich. | |
Am 21. Mai 2015 zieht Holger Arppe in seinem Chat mit anderen | |
AfD-Mitgliedern über einen Mann von den Grünen her, der sich gegen | |
Rechtsextremismus engagiert. „Brauchen wir seine Adresse?“, fragt einer. | |
„Da muss ich heute Nacht mal gleich meinen Dienstrechner mit seinen Daten | |
füttern.“ Der Mann, über den sie sprechen, lebt in Rostock und saß in der | |
Bürgerschaft. Sein Name steht auf der Feindesliste, darüber wurde er | |
vergangene Woche vom BKA informiert. Auch seine Privatadresse steht dabei, | |
handschriftlich notiert. | |
6 Jul 2019 | |
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