Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rechte Prepper-Gruppe „Nordkreuz“: Betroffene tappen weiter im …
> Nach zwei Jahren werden Personen auf der „Nordkreuz“-Feindesliste nun
> doch benachrichtigt. Mit einem rätselhaften Schreiben.
Bild: Der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier, äußert sich …
Seinen Sinneswandel verkündete Lorenz Caffier (CDU), der Innenminister von
Mecklenburg-Vorpommern, per Pressemitteilung. Sein Landeskriminalamt werde
nun „Personen aus Asservaten des GBA-Verfahrens“ informieren, heißt es
darin. Das Landeskriminalamt habe die ersten Schreiben an rund 1.200
Personen und Institutionen „aufgrund des offenbar mittlerweile entstandenen
öffentlichen Informationsbedürfnisses“ versandt. Was er mit dieser
sperrigen Meldung meint, die Caffier am Montag verschicken ließ: das
Verfahren gegen Mitglieder der [1][rechten Prepper-Gruppe „Nordkreuz“].
Als die Briefe (eine pdf-Datei des Schreibens finden Sie [2][hier]) bei den
Betroffenen eintreffen, erreicht die taz ein Anruf aus Rostock. Der
Empfänger eines Briefs fragt: Was haben diese Beschuldigten über mich
gesammelt? Und: Bin ich in Gefahr? Er wendet sich nicht an die taz, damit
wir berichten können. Er weiß nur nicht, wohin sonst mit seinen Fragen.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt seit knapp zwei Jahren gegen einen
Kriminalpolizisten und einen Anwalt aus Mecklenburg-Vorpommern, die geplant
haben sollen, Politiker, Aktivisten und Engagierte aus dem linken Spektrum
zu töten. Es geht um rechtsextremen Terror. Die taz berichtet seither über
die Beschuldigten und ihr Netzwerk aus Preppern, die sich auf den Tag X
vorbereiten. Sie hatten sich unter anderem in Chatgruppen organisiert. Bei
den Ermittlungen wurde auch eine Materialliste gefunden, darauf:
Leichensäcke und Ätzkalk. Auch gegen den Gründer dieser Gruppen wird
ermittelt, in einem gesonderten Verfahren. Derzeit sitzt er in
Untersuchungshaft, weil er mehr als 60.000 Schuss Munition und mindestens
eine illegale Waffe gehortet hat.
Bei Razzien im August 2017 hatten die Ermittler der Bundesanwaltschaft zwei
Ordner gefunden, darin hatten der beschuldigte Anwalt und der
Kriminalpolizist Ausdrucke von Webseiten gesammelt, Personen recherchiert.
Die Ermittler hatten bereits damals empfohlen, die Betroffenen zu
informieren.
## Daten von rund 25.000 Personen
Wie geht man mit den Betroffenen um, deren persönliche Daten auf
Feindeslisten stehen? Das NSU-Kerntrio hatte eine Liste mit Feinden
angelegt. Franco A., der Bundeswehrsoldat, der, als syrischer Flüchtling
getarnt, geplant haben soll, Anschläge zu verüben, soll eine erstellt
haben. Auch der Name des ermordeten CDU-Politiker Walter Lübcke wurde auf
einer Liste gefunden.
Sollten Betroffene darüber informiert werden oder verunsichert das unnötig?
Wer könnte eine solche Aufgabe übernehmen?
Insgesamt wurden bei den „Nordkreuz“-Beschuldigten Daten von rund 25.000
Personen gefunden. Der Großteil davon stammt aus dem Hack eines
Onlineversandhandels, der vielerorts kursiert. Nach taz-Informationen haben
die Beschuldigten zu einer dreistelligen Zahl an Personen selbst Daten
gesammelt. Sie stammen aus ihrem direkten Umfeld. 29 dieser Personen aus
Mecklenburg-Vorpommern wurden vor wenigen Wochen vom Bundeskriminalamt als
Zeugen befragt, darunter sind Landtagsabgeordnete und Menschen, die sich
für Geflüchtete engagieren. Von ihnen wurden zu Informationen aus dem
Internet weitere Daten handschriftlich hinzugefügt, etwa Geburtsdaten oder
Meldeadressen.
Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag Konstantin von Notz [3][schlug
schon vor zwei Wochen in der taz ein Hilfsangebot für Betroffene vor].
Jetzt konkretisiert er: „Das Bundesinnenministerium muss endlich
dokumentieren, dass es die enormen Herausforderungen durch militanten
Rechtsextremismus ernst nimmt und entschlossen bekämpft.“ Er spricht von
einer Task Force, die im Bundesinnenministerium angesiedelt sein sollte.
Dort sollten alle Informationen, auch die aus den Ländern, zusammenlaufen.
Lorenz Caffier, der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, geht mit den
Briefen an Betroffene also genau jenen Schritt, er informiert, um
Verunsicherung zu nehmen. Er könnte damit ein Exempel statuieren.
## Informationspolitik ein „schlechter Scherz“
Der Brief, der im Namen des LKA-Direktors Ingolf Mager verschickt wird,
liest sich allerdings sperrig und verklausuliert. Im Rahmen eines
Ermittlungsverfahrens des Generalbundesanwalts gegen zwei Beschuldigte aus
Mecklenburg-Vorpommern seien „Materialsammlungen“ zu Personen und
Institutionen gefunden worden. „Darunter auch personenbezogene Daten zu
Ihrer Person.“ Die Beschuldigten seien „der Vorbereitung einer schweren
staatsgefährdenden Gewalttat“ verdächtig, erfährt man außerdem.
Später heißt es noch: „Zum jetzigen Ermittlungsstand sind (…) keine
Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass konkrete Straftaten gegen Sie geplant
waren oder sind.“ Es fällt allerdings kein Wort darüber, um welches
Ermittlungsverfahren es sich handelt, genauso wenig wie darüber, wer die
Beschuldigten sind. Wer also nicht zufällig die Medienberichte zu den
„Nordkreuz“-Preppern, dem „Hannibal“-Netzwerk und den kürzlich gefunden
Munitionsdepots verfolgt hat, bekommt keinen Anhaltspunkt, in welchem
Kontext über ihn Daten gesammelt wurden. Und welche.
Es wird nicht erwähnt, dass die Beschuldigten bei anderen Betroffenen
bereits Adressen recherchiert hatten. taz-Recherchen hatten sogar ergeben,
dass ein Grundriss einer Privatwohnung in der Sammlung auftaucht, die der
polizeiliche Staatsschutz vor Jahren angefertigt hatte. Es ist die Wohnung
eines Mannes, der wegen einer Morddrohung 2015 kurzzeitig unter
Polizeischutz stand. Solche sensiblen Daten finden die Ermittler. Aus
diesem Gesamtkontext heraus bezeichnet auch die taz die Sammlung als
Feindesliste. Der Chef des LKA zitiert im Brief stattdessen das
Bundeskriminalamt: „Der derzeit in der medialen und öffentlichen Diskussion
verbreitete Begriff der „Feindes-“ oder gar „Todesliste“ ist daher
konsequent zurückzuweisen.“
Auch der Landtagsabgeordnete Peter Ritter von der Linkspartei erhielt den
Brief vom LKA. Er nennt die Informationspolitik des Innenministers einen
„schlechten Scherz“ und ein „völliges Desaster“. Zeitgleich mit den Br…
hat das Innenministerium auch die Antwort auf eine Kleine Anfrage Ritters
zu den Feindeslisten verschickt. Sie liegt der taz vor.
## Caffier sieht keinen Grund zur Beunruhigung
Darin informiert das Landesinnenministerium, dass einer der beiden
Tatverdächtigen „in den Monaten Februar und März 2017 entsprechende
Abfragen im Einwohnermeldesystem des Landes Mecklenburg-Vorpommern
tätigte“. Es ist der beschuldigte Kriminalpolizist, der seinen
Dienstrechner für diese Abfragen genutzt haben soll. Das Innenministerium
teilt mit, dass „Gefährdungsaspekte eher ausgeschlossen“ wurden. Es
bestätigt aber auch, dass das ermittelnde Bundeskriminalamt nur Tage,
nachdem die Feindeslisten gefunden wurden, angeregt hatte, die Betroffenen
zu informieren. Das war vor zwei Jahren.
Noch im Januar hatte ein Staatssekretär Caffiers im Innenausschuss in
Schwerin gesagt, Medienberichte über etwaige Namenslisten müssten
„nichtzutreffend und schlicht falsch“ sein.
Auch jetzt sieht Caffier keine Anlass für Beunruhigung. In der Antwort auf
die Kleine Anfrage schreibt sein Ministerium, solche Sammlungen seien ein
normaler Vorgang: „Es gibt die weitgehend einheitliche Einschätzung, dass
das (reine) Sammeln von Informationen zu politisch anders Denkenden im
Bereich der politischen Auseinandersetzung, insbesondere im rechts- und
linksextremistischen Bereich, nicht unüblich ist. Dies geht in der Regel
nicht mit einer unmittelbaren Gefährdungslage einher.“
Die Personen, die nun erfahren, dass sie in einer Datensammlung von Rechten
wiederfinden, haben sich größtenteils zivilgesellschaftlich engagiert. In
Vereinen, Parteien, bei Sozialträgern. Für Lorenz Caffier ist das
offenbar eine „politische Auseinandersetzung“ von links und rechts.
25 Jul 2019
## LINKS
[1] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261
[2] /pdf/taz_Schreiben_Nordkreuz.pdf
[3] /Nach-Enthuellung-zu-rechtsextremem-Netz/!5605877/
## AUTOREN
Christina Schmidt
Sebastian Erb
## TAGS
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Schwerpunkt Rechter Terror
Nordkreuz
Mecklenburg-Vorpommern
Prepper
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Nordkreuz
Rechte Gewalt
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Mordfall Walter Lübcke
Bundesamt für Verfassungsschutz
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ermittlungen zum Hannibal-Komplex: Anklage gegen „Nordkreuz“-Gründer
Ein Ex-Polizist soll massenhaft Munition gehortet haben. Was er damit
vorhatte, spielt juristisch keine Rolle.
Rechtes Netzwerk in Sicherheitsbehörden: Ein Kumpel wie jeder andere
Der erste Prozess im Komplex Franco A. ist gestartet. Ein Freund hat Waffen
und Munition für den rechtsradikalen Soldaten gelagert.
Offener Brief an Horst Seehofer: Journalist*innen wollen Klarheit
Sechs Medienorganisationen appellieren an Horst Seehofer. Sie wollen
wissen, ob alle auf den „Todeslisten“ Genannten informiert werden.
FragDenStaat scheitert mit Klage: Rechte Namensliste bleibt geheim
Die Transparenz-Aktivisten von FragDenStaat hatten geklagt, dass das BKA
rechte Namenssammlungen veröffentlicht. Nun sind sie gescheitert.
„Feindesliste“ der rechten Szene: Sorglose Behörde
Auf der „Feindesliste“ des rechten Bündnisses „Nordkreuz“ stehen 236
Personen aus Hamburg. Die dortigen Behörden informieren die Betroffenen
nicht.
Nach rechtem Anschlag in Wächtersbach: Solidarität gegen die Angst
Nach dem Anschlag im hessischen Wächtersbach demonstrieren dort rund 250
Menschen gegen Rassismus. Nicht allen im Ort gefällt das.
Neben Ermittlungen zum Fall Lübcke: Medienbericht zu Hausdurchsuchung
Laut einem „SPON“-Bericht hat die Polizei das Haus des mutmaßlichen
Lübcke-Mörders bei Kassel durchsucht. Ermittler prüfen eine Spur zu einem
Altfall.
Nach Enthüllung zu rechtsextremem Netz: Hilfe für Bedrohte gefordert
Politiker fordern Unterstützung für Menschen, die auf rechten Todeslisten
stehen. Mit Einzeltäter-Theorien müsse Schluss sein.
Rechter Terror in Deutschland: Auf der Feindesliste
Mitglieder der Preppergruppe Nordkreuz sollen geplant haben, politische
Gegner zu töten. Was tut der Staat gegen rechten Terror?
Prepper-Netzwerk mit Feindesliste: Betroffene werden informiert
Ein Polizist und ein Anwalt aus Mecklenburg-Vorpommern sollen Todeslisten
ausgestellt haben. Jetzt werden die ersten Betroffenen davon in Kenntnis
gesetzt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.