| # taz.de -- Kommission zur rechten Prepperszene: Schlecht prepperiert | |
| > 2017 geraten „Prepper“ in Mecklenburg-Vorpommern unter Terrorverdacht. | |
| > Sind sie gefährlich? Die taz wertet interne Unterlagen aus. | |
| Bild: Lorenz Caffier (CDU), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, richtete … | |
| Berlin taz | Lorenz Caffier, der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, | |
| CDU, reagierte schnell, als Ende August 2017 der Generalbundesanwalt in | |
| seinem Bundesland ermittelte. Terrorverdacht: Ein Anwalt und ein Polizist | |
| sollen Feindeslisten angelegt und geplant haben, [1][an einem „Tag X“ | |
| politische Gegner umzubringen]. Die beiden sind Mitglied einer Chatgruppe | |
| namens „Nordkreuz“. Sie sind rechtsextreme Prepper, die sich auf eine | |
| drohende Katastrophe vorbereiten. | |
| Aber was sind Prepper überhaupt genau? Gibt es gefährliche Prepper im Land, | |
| und wenn ja, wie viele? Wie kann man ihnen begegnen? | |
| Um solchen Fragen nachzugehen, bildet Innenminister Caffier Mitte September | |
| 2017 eine „Kommission zur Beleuchtung der Prepper-Szene in | |
| Mecklenburg-Vorpommern“. Dazu lädt er ein: Beamte aus dem Innenministerium | |
| und der Polizei (einer ihrer Kollegen steht unter Terrorverdacht, ein | |
| weiterer wird später angeklagt). Den Verfassungsschutz (der hat die | |
| Vernetzung rechter Prepper übersehen). Vertreter des Landeskommandos der | |
| Bundeswehr (das hatte einen der Prepper zum Chef einer Reservistenkompanie | |
| gemacht, der später mit Reichsbürger-Äußerungen auffiel) und Vertreter der | |
| Landeszentrale für politische Bildung. Dazu zwei Sozialwissenschaftler. Die | |
| Leitung wird dem Inspekteur der Landespolizei übertragen. | |
| Am 1. November 2017 tagt die Kommission zum ersten Mal. Bis Mitte 2018 | |
| sollte eigentlich der Abschlussbericht vorliegen. Er wurde aber bis heute | |
| nicht veröffentlicht. Warum nicht? | |
| ## Interne Unterlagen | |
| Die Transparenzinitiative „Frag Den Staat“ hat das Landesinnenministerium | |
| auf Herausgabe des Berichts nach dem Informationsfreiheitsgesetz verklagt. | |
| Der Prozess ist noch anhängig. Bekannt geworden sind bereits | |
| Arbeitsdokumente. Die Protokolle, Präsentationen, E-Mails und Briefe, die | |
| die taz einsehen konnte, geben einen Überblick darüber, was die | |
| Prepper-Kommission in den vergangenen zwei Jahren gemacht und | |
| herausgefunden hat. Und vor allem: was nicht. | |
| Eine Frage zieht sich durch: Wie soll man sie am besten nennen, die | |
| „Personen mit Vorsorgetendenzen“? Wichtig sei, dass „keine negative | |
| Verstärkung des Begriffes Prepper erfolgt“. Im Gegenteil: „Das Preppern im | |
| Sinne der BBK-Empfehlungen muss in der Öffentlichkeit deutlich positiver | |
| und aktiver als bislang beworben werden, um die Grenzüberschreitung zum | |
| ,Preppern plus' für jedermann sichtbar zu machen.“ | |
| „Prepper plus“? | |
| Das ist der erste Vorschlag für die Benennung jener Prepper, die nicht nur | |
| Wasserkanister, Konservendosen und Batterien im Keller lagern, so wie es | |
| das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfiehlt. | |
| Sondern auch Waffen und Munition für den „Tag X“. | |
| Weil aber „Prepper+“ dann vielleicht doch zu positiv klingen könnte, werden | |
| andere Begriffe diskutiert. Sollte man die radikalisierten Prepper nicht | |
| „Black Prepper“ nennen, in Abgrenzung zu den harmlosen „White Prepper“? | |
| Oder „Doomer“? | |
| Ein Wissenschaftler der Polizeihochschule äußert seine Zweifel: „Wir sind | |
| der Auffassung, dass eine Definition, welche auf zweiwertigen Logiken | |
| basiert (Schwarz/Weiß, Gut/Böse, Plus/Minus) unbedingt vermieden werden | |
| sollte“, schreibt er. „Die Übergänge zwischen ‚gewolltem‘ Preppen und | |
| solchem, welches sich gegen die FDGO (freiheitlich-demokratische | |
| Grundordnung, d. Red.) richtet, dürfte zweifelsohne fließend sein.“ Der | |
| Einwand findet kein Gehör. | |
| 31. Januar 2018. Der Vorsitzende weist darauf hin, dass die Recherche sehr | |
| aufwendig sei, da es keine systematische Suche nach Schlagwörtern in | |
| polizeilichen Systemen gebe. Zumal ja „Prepper“ gar nicht erfasst werden. | |
| Den Fall, der Anlass für die Kommission war, blendet sie weitgehend aus, | |
| wegen des laufenden Verfahrens. Ähnlich schwierig ist die wissenschaftliche | |
| Betrachtung: Es gibt so gut wie keine Daten, und eine eigene Befragung, wie | |
| zunächst angedacht, wäre zu aufwendig. Was also tun? | |
| ## Recherche bei „Spiegel Online“ | |
| „Herr S. macht den Vorschlag, die Prepper-Szene selbst in die Erstellung | |
| eines Lagebilds einzubinden.“ Zustimmung. Eingeladen wird später ein | |
| Vertreter der „Prepper Gemeinschaft Deutschland“, von ihm hatten sie bei | |
| Spiegel Online gelesen. | |
| Es gibt eine Besprechung mit dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für | |
| Verfassungsschutz. Ebenso ist eine Kontaktaufnahme mit dem Militärischen | |
| Abschirmdienst geplant. | |
| Ein Verfassungsschutzbeamter präsentiert seine Onlinerecherche: „sechs | |
| Internetforen bislang bekannt, teilweise bis zu 3.000 Benutzer / bei den | |
| sozialen Medien wird vorrangig ,facebook' genutzt“. | |
| Zu diesem Zeitpunkt stand längst in den Zeitungen, dass die Prepper in | |
| Mecklenburg-Vorpommern konspirativ in Telegram-Chatgruppen kommunizieren. | |
| 11. April 2018. Der Verfassungsschutzmitarbeiter führt weiter aus: Die | |
| offene Prepper-Szene im Netz sei unpolitisch, es könne aber nicht | |
| ausgeschlossen werden, „dass entsprechendes Klientel geschlossene bzw. | |
| nicht offene Foren und Gruppen nutzt“. Müsste man also nicht versuchen, | |
| etwas aus den geschlossenen Gruppen zu erfahren? Nicht der | |
| Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern: „Aufwand der Recherche in diesem | |
| Bereich steht nicht im Verhältnis zum erhofften Erkenntnisgewinn“. | |
| Warum werden Menschen überhaupt zu Preppern? Gute Frage, findet die | |
| Kommission. Die „Gründe und die Motivation für das Nutzen der Technik des | |
| ,Preppens‘ “ habe „maßgeblichen Einfluss für eine Gefährdungsbewertung… | |
| Sechs Wochen später: „Inhaltlich wird aufgrund fehlender Datenlage nichts | |
| zur Motivation der Prepper gesagt“. | |
| ## Rechte neigen zum Preppen | |
| 28. Mai 2018. Die Kommission ist trotzdem zuversichtlich, bald ihren | |
| Bericht vorlegen zu können, in dem sie eine Aufklärungskampagne und | |
| Beratungsangebote vorschlagen will. Die Erhebung des Lagebilds sei nahezu | |
| abgeschlossen. Die Kommission vermutet inzwischen, dass Rechtsextreme eher | |
| „als andere Phänomenbereiche“ zum Preppen neigen. „Keine weiteren | |
| erheblichen Erkenntnisgewinne zu erwarten“. | |
| Der Generalbundesanwalt hat in der Zwischenzeit noch mal Häuser in | |
| Mecklenburg-Vorpommern durchsuchen lassen. Es wurden Computer und Handys | |
| sichergestellt, die Ermittler wollen Chatverläufe nachvollziehen. | |
| 27. August 2018. Die Chats der „Nordkreuz“-Prepper kennen die | |
| Kommissionsmitglieder nicht, als sie abschließend über ihren Bericht | |
| diskutieren. Einige der 17 Anwesenden sind nicht so richtig zufrieden. | |
| Im Protokoll wird festgehalten: | |
| „Auftrag war anders formuliert.“ | |
| „Problem: keine Ergebnisse bzw. Lageerkenntnisse.“ | |
| „Bericht enthält keine Aussage zu den Namenslisten –> | |
| Gefährdungssituation.“ | |
| Und müsste man nicht darauf eingehen, „ob Polizei/Bundeswehr (aktiv oder | |
| Reservisten) besonders anfällig sind für das Phänomen Preppen“? Die Frage | |
| hat sich die Kommission gestellt. Aber keine Antwort gefunden. | |
| Die Mitglieder einigen sich nun zumindest auf den Begriff, wie sie die | |
| Problem-Prepper nennen wollen: „RadiPre“. | |
| Der Abschlussbericht soll am 22. November 2018 intern vorgestellt werden, | |
| am 6. Dezember dann im Landtag und bei einem „Hintergrundgespräch mit | |
| Pressevertreten“. Dass es dazu nicht kommt, liegt an einer Focus-Meldung, | |
| die Caffiers Sprecher am 9. November herumschickt: „BKA hat Hinweise auf | |
| Netzwerk innerhalb der Bundeswehr.“ Und zwar ein konspiratives Netzwerk von | |
| radikalen Preppern. | |
| Der Polizeiinspekteur antwortet: „Das passt ja derzeit gar nicht zu der | |
| geplanten Vorlage zum Vorläufigen Abschlussbericht der Kommission Prepper. | |
| Aus meiner Sicht bestehen erhebliche Bedenken bzgl der Akzeptanz zum | |
| Bericht bei dieser neuen Erkenntnislage.“ | |
| Innenminister Caffier: „Das kann ich verstehen, aber ich habe nicht mehr | |
| Zeit lange zu schieben.“ | |
| Innenstaatssekretär Thomas Lenz schreibt: „Na super. Und der GBA lässt sich | |
| weiter Zeit, übers BKA tauchen Ermittlungsakten auf, weil das ja alles so | |
| spannend ist, und uns lässt man schön im Dunkeln tappen. (…) Ich bin jetzt | |
| der Überzeugung, dass wir unseren Bericht erst präsentieren können, wenn | |
| der GBA seine Erkenntnisse offiziell präsentiert hat.“ | |
| ## Erhebliche Mängel im Bericht | |
| Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts (GBA) sind bis heute nicht | |
| abgeschlossen. Die taz und andere Medien berichten, dass die | |
| „Nordkreuz“-Gruppe [2][in das „Hannibal“-Netzwerk eingebunden] ist, mit | |
| weiteren Mitgliedern in Bundeswehr, Polizei und Verfassungsschutz. Der | |
| Bundestag zitiert deshalb die Nachrichtendienste in Ausschüsse, das | |
| Parlamentarische Kontrollgremium lässt sich Ermittlungsakten kommen. | |
| Abgeordnete im Schweriner Landtag stellen Fragen. Und die | |
| Prepper-Kommission? Macht Pause. | |
| Am 12. Juni 2019 nimmt das Landeskriminalamt einen ihrer Kollegen fest, | |
| Marko G., den „Nordkreuz“-Administrator. Bei ihm haben Ermittler insgesamt | |
| knapp 60.000 Schuss Munition sichergestellt, die drei weitere SEK-Beamte | |
| zumindest teilweise aus Polizeibeständen geklaut haben sollen. [3][Marko G. | |
| wird wenig später angeklagt], ab Ende November wird er in Schwerin vor | |
| Gericht stehen. | |
| 8. August 2019. Die Kommission tagt wieder, das achte Mal, in kleiner | |
| Runde. Sie will den Bericht trotz der neuen Lage „schnellstmöglich“ | |
| veröffentlichen. Für Innenminister Caffier wird eine Ministervorlage | |
| erstellt. | |
| Die Rückmeldung ist negativ, handschriftlich auf der Vorlage vermerkt: „Der | |
| Bericht hat erhebliche Mängel, da er die Erkenntnisse aus den | |
| Strafverfahren des GBA und der StA Schwerin (Staatsanwaltschaft, d. Red.) | |
| nicht berücksichtigt und daher vermutlich ein falsches Lagebild über die | |
| Prepper-Szene in MV darstellt. Dieses würde den Wert der Kommissionsarbeit | |
| zunichte machen und würde in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stoßen.“ | |
| Die Prepper-Kommission tagt das nächste Mal am 15. November. | |
| 7 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261 | |
| [2] /Rechtes-Netzwerk-in-der-Bundeswehr/!5548926 | |
| [3] /Ermittlungen-zum-Hannibal-Komplex/!5627613 | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Schmidt | |
| Sebastian Erb | |
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