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# taz.de -- Prozess im Hannibal-Komplex: Leidenschaft? Maschinenpistole!
> In Schwerin beginnt der Prozess gegen den Ex-Elite-Polizisten Marko G. Er
> war eine Schlüsselfigur des Hannibal-Netzwerks.
Bild: Hat eine „kleine“ Passion für Waffen: Der in Schwerin angeklagte Ex-…
Schwerin taz | Eine Maschinenpistole, Pistolen, Gewehre,
Vollmantelgeschosse, Doppelkerngeschosse, eine Streitaxt, vier Messer,
drei Teleskopschlagstöcke. Geschlagene 42 Minuten braucht die
Staatsanwältin, um die Liste der Waffen, Patronen und Sprengkörper
vorzulesen, die Marko G. bei sich gehortet haben soll, darunter 55.000
Schuss Munition.
Der ehemalige Beamte des Spezialeinsatzkommandos Mecklenburg-Vorpommern
steht seit Mittwoch vor dem Landgericht Schwerin. Die Anklage der
Staatsanwaltschaft lautet auf Verstöße gegen das Waffengesetz, das
Sprengstoffgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. G. soll
widerrechtlich Waffen und Munition beschafft und gelagert haben. Es ist der
Auftakt zu einem der bisher größten Prozesse zum Hannibal-Netzwerk mit
rechtsextremen Mitgliedern aus Polizei, Armee und anderen Behörden.
Laut Recherchen der taz und anderer Medien ist Marko G. eine der
Schlüsselfiguren des Hannibal-Netzwerks, bestehend aus mehreren
Chatgruppen, [1][die von einem ehemaligen Soldaten des Kommandos
Spezialkräfte ins Leben gerufen wurden], um sich auf einen „Tag X“
vorzubereiten. Für manche war das eine Naturkatastrophe, andere fürchteten
sich vor zu vielen Einwanderern. Das Hannibal-Netzwerk hatte
deutschlandweit Ableger im Süden, Westen, Osten und im Norden. Marko G.
administrierte die Gruppen Nordkreuz und Nord.com im Netzwerk.
Seine Verstrickungen in das Netzwerk und seine politischen Ansichten sind
nicht Gegenstand des Verfahrens in Schwerin. Zwar ermittelt die
Bundesanwaltschaft gegen Mitglieder des Nordkreuz-Netzwerks wegen
Terrorverdacht, aber Marko G. zählt für die Ermittler*innen in Karlsruhe
bisher nicht als Tatverdächtiger. Die Staatsanwaltschaft Schwerin sieht
das Waffensammeln und -horten allerdings vor dem Hintergrund der Rolle, die
Marko G. bei Nordkreuz und Nord.com spielte.
## Doch „einer der Guten“? Eher nicht.
Zweimal durchsuchten Polizist*innen Grundstück, Häuser und Fahrzeug des
ehemaligen Elite-Polizisten. Sie fanden die Waffen und die Munition
überall: im Gewächshaus, im Flur des Wohnhauses, im Arbeitszimmer, auf dem
Küchenschrank, in der Seitentasche der Fahrertür von G.s Auto. Sie sollen
aus Beständen der Bundeswehr und aus Polizeibeständen in
Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und
Nordbayern, aus Hessen und Schleswig-Holstein stammen.
Die Verteidigung widersprach den Annahmen der Staatsanwaltschaft, Marko G.
habe Waffen und Munition für eine politische Gruppe besorgt. Vielmehr habe
er als Polizist und als Präzisionsschütze viel mit Waffen zu tun gehabt,
dabei seien die Grenzen zwischen legalem und illegalem Handeln verwischt.
Die Waffen seien nur G. zugänglich gewesen.
Einer der Verteidiger verlas eine Erklärung: G. gibt unter anderem zu, eine
Maschinenpistole besessen zu haben, die in den 90er Jahren aus
Bundeswehrbeständen gestohlen wurde. Er habe sie 2009 oder 2010 nach einer
Waffenmesse auf einem dunklen Parkplatz gekauft. Hier habe die
Abenteuerlust über die Vernunft gesiegt.
Regeln seien laut G. dazu da, die Bösen einzuschränken. Er selbst habe sich
stets als einen der Guten gesehen, da er seinem Land gedient habe. Er
bereue heute seine Taten und stelle sich seiner Verantwortung. Die
Chatgruppen seien nicht politisch gewesen. Mögliche nationalistische oder
rechte Tendenzen seien ihm nicht aufgefallen. [2][Vielleicht hätte er
genauer hinsehen müssen.]
Die Verhandlung ist auf acht Prozesstage angesetzt, sie soll bis Anfang
Januar dauern.
20 Nov 2019
## LINKS
[1] /Rechtes-Netzwerk-in-Sicherheitsbehoerden/!5629140
[2] /Essay-rechte-Netzwerke/!5602141
## AUTOREN
Daniel Schulz
Pia Stendera
## TAGS
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