| # taz.de -- Rechte Prepper in Mecklenburg-Vorpommern: Die Privatwaffe des Loren… | |
| > Herr Innenminister, haben Sie bei einem Ex-Nordkreuz-Mitglied eine Waffe | |
| > erworben? Seit neun Monaten versuchen wir, eine Antwort zu bekommen. | |
| Bild: Will sich nicht zu seiner privaten Waffe äußern: Lorenz Caffier, Innenm… | |
| Es gibt da ein Gerücht in Mecklenburg-Vorpommern, aber Journalist*innen | |
| veröffentlichen keine Gerüchte, sie recherchieren, ob sie stimmen. | |
| Am 23. März 2020 schicken wir mehrere Fragen an das Innenministerium des | |
| Landes. Wir möchten wissen, ob Innenminister Lorenz Caffier (CDU) bei einem | |
| Mann das Schießen trainiert hat, der Mitglied eines [1][Netzwerks namens | |
| Nordkreuz] war. Und wir möchten wissen, ob Caffier von diesem Mann eine | |
| Waffe gekauft hat. | |
| Nordkreuz ist der größte [2][Rechtsextremismus-Skandal] | |
| Mecklenburg-Vorpommerns, seine Bedeutung reicht weit über die Landesgrenzen | |
| hinaus. Es geht um eine Gruppe von Menschen, die sich auf einen Tag X | |
| vorbereiten. Manche von ihnen bauten sich Bunker in den Garten, andere | |
| legten Munitionsverstecke an. Wieder andere bestellten Leichensäcke. Zwei | |
| Mitglieder der Gruppe, darunter ein Kriminalpolizist, sollen Feindeslisten | |
| mit Privatdaten politischer Gegner angelegt haben, um sie an jenem Tag X | |
| töten zu können. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt wegen | |
| rechtsextremen Terrorismus. | |
| Anfangs waren es die taz und wenige anderen Medien, die Stück für Stück | |
| darlegten, dass Nordkreuz Teil eines bundesweiten Geflechts aus aktiven und | |
| ehemaligen Soldaten, Polizisten und Sicherheitskräften ist, das sich über | |
| die gesamte Bundesrepublik erstreckt, dem [3][Hannibal-Netzwerk]. | |
| Inzwischen beschäftigen sich zahlreiche Sicherheitsbehörden mit Mitgliedern | |
| und Untergruppen, wegen eines paramilitärischen Trainings, wegen illegalen | |
| Waffenbesitzes, wegen des Diebstahls von Bundeswehrbeständen. Auch Franco | |
| A. bewegte sich in diesem Netzwerk, der Bundeswehroffizier, der sich als | |
| Geflüchteter ausgegeben hat und dem die Bundesanwaltschaft vorwirft, einen | |
| oder mehrere Anschläge geplant zu haben. Die Behörden stufen A. als | |
| gefährlichen Rechtsextremisten ein. | |
| Lorenz Caffier und sein Ministerium äußern sich nicht gern zu Nordkreuz. | |
| Meistens verweisen sie in Schwerin auf die laufenden Ermittlungen der | |
| Bundesanwaltschaft. Und wenn sie doch einmal etwas sagen, dann spielen sie | |
| die Gefahr des Netzwerks herunter. Über die Feindesliste schreibt das | |
| Innenministerium einmal, das Sammeln von Informationen über Privatpersonen | |
| „im Bereich der politischen Auseinandersetzung, insbesondere im rechts- und | |
| linksextremistischen Bereich“ sei nicht unüblich und in der Regel auch | |
| nicht gefährlich. Zwei Jahre lang weigerte sich Caffier, die Menschen zu | |
| informieren, deren Namen auf der Nordkreuz-Liste stehen. | |
| Frank T. ist der Mann mit der besonderen Vita | |
| Zugleich passierte etwas, das Zweifel an der Integrität von Caffiers | |
| Behörden aufkommen lässt: Ein Mann hatte sich wegen Todesdrohungen an die | |
| Polizei gewandt. Der Staatsschutz fertigt eine Zeichnung des Grundrisses | |
| der Wohnung dieses Mannes an. Später taucht diese Zeichnung in der | |
| Feindesliste auf. Einer der beschuldigten Terrorverdächtigen ist selbst | |
| Polizist. | |
| Zurück zum März 2020. Nach zwei Nachfragen erhalten wir eine Antwortmail | |
| aus dem Innenministerium: „Die Fragen 2a bis d werden zusammenhängend | |
| beantwortet. In den Jahren 2011 bis 2018 hat der Innenminister Lorenz | |
| Caffier die Schirmherrschaft über den Special Forces Workshop übernommen | |
| und in der Regel die Eröffnung durchgeführt.“ | |
| Mehr steht dort nicht. Nichts zu unserer Frage, ob Lorenz Caffier bei einem | |
| Nordkreuz-Mitglied schießen gelernt hat. Nichts dazu, ob der Minister von | |
| diesem Mann eine Waffe gekauft hat. Wir bitten, die Antwort nachzureichen. | |
| Sie kommt nicht. | |
| Der Mann, um den es in unseren Fragen geht, heißt Frank T. Er hat eine | |
| besondere Vita. Er ist mehrfacher deutscher Meister mit der Kurzwaffe. Bei | |
| seiner Firma Baltic Shooters in Güstrow üben die besten Berufsschützen, | |
| große Rüstungsfirmen stellen dort ihre Produkte vor: Heckler & Koch, | |
| Rheinmetall, Schmeisser Waffen, Sig Sauer, Ruag, MEN. Frank T.s | |
| renommierteste Veranstaltung ist der „Special Forces Workshop“. | |
| Mitveranstalter war bis 2018 das Landeskriminalamt. Innenminister Lorenz | |
| Caffier schaute als Schirmherr meist selbst vorbei. Der Minister ließ seine | |
| Spezialkräfte bei T. trainieren. Andere Bundesländer folgten diesem | |
| Beispiel, ebenso einige Bundesbehörden. | |
| 2019 durchsuchen Ermittler Frank T. und den Schießstand. Erst dann kündigt | |
| das Innenministerium die Zusammenarbeit auf. Zu diesem Zeitpunkt muss | |
| Caffier schon fast zwei Jahre von Frank T.s Verbindung zu Nordkreuz gewusst | |
| haben. | |
| Es gibt zwei Gründe, warum uns die Waffe so interessiert | |
| T. ist früher als andere bei Nordkreuz ausgetreten, er blieb der Gruppe | |
| aber als Unterstützer verbunden. Sie gingen bei ihm schießen, manchen | |
| verkaufte er Waffen und Munition, das belegen Dokumente, die die taz | |
| einsehen konnte. Den Administrator der Gruppe, Marko G, beschäftigte er | |
| sogar als Schießtrainer. Als wir T. im Frühjahr am Telefon um ein Gespräch | |
| bitten, sagt er, er werde es sich überlegen. Dann ist er nicht mehr für uns | |
| zu erreichen. | |
| Der ehemalige SEK-Polizist Marko G., sagt das Bundesamt für | |
| Verfassungsschutz, gehört zum rechtsextremen Kern der Nordkreuz-Gruppe. | |
| Einmal sollen sie zu viert an einem Landstraßenimbiss darüber beraten | |
| haben, ob man nicht Bundeswehr-Lkws entwenden könnte, um am Tag X Leute | |
| abzutransportieren. 2017 durchsuchen Ermittler ihn noch als Zeugen, 2019 | |
| als Beschuldigten. In G.s Wohnhaus und einem Gartengrundstück finden sie | |
| fast 55.000 Schuss Munition und Waffen. Vieles stammt aus Beständen von | |
| Bundeswehr und von Polizeidienststellen in ganz Deutschland. Genau diese | |
| Waffen und Patronen verbinden Nordkreuz, den Schießstand in Güstrow und | |
| Lorenz Caffier miteinander. | |
| Es gibt also zwei Gründe, warum uns so sehr interessiert, ob Lorenz Caffier | |
| bei Frank T. eine Waffe gekauft hat und ob er bei ihm das Schießen gelernt | |
| hat: T. ist oder war eine zentrale Figur bei Nordkreuz. Und der Schießplatz | |
| ist nach unseren Recherchen ein zentraler Ort für die Aktivitäten der | |
| Gruppe. | |
| Wir haben recherchiert, dass Marko G. höchstwahrscheinlich über den | |
| [4][Schießplatz in Güstrow] an die Behördenmunition gekommen ist. Dorthin | |
| brachten Polizeieinheiten und Soldaten stets Patronen mit. Wer wie viel | |
| dieser Munition verschossen hat, wurde nur unzureichend kontrolliert. | |
| Später tauchen solche Patronen in verschiedenen Lagern von Marko G. auf. | |
| Mit ihnen wollte er wohl die Nordkreuz-Mitglieder versorgen. | |
| Seit mehr als drei Jahren recherchieren wir zu Nordkreuz. Wir bitten Lorenz | |
| Caffier mehrfach um Interviews, auch um ein Hintergrundgespräch, ein | |
| vertrauliches Treffen also, in der die Beteiligten offen miteinander reden, | |
| ohne dass davon später Zitate in der Zeitung stehen. Solche Termine | |
| bekommen wir beim Geheimdienst der Bundeswehr, beim Bundesamt für | |
| Verfassungsschutz, im Verteidigungsministerium, bei einem Gericht. Die | |
| Pressestelle des Innenministeriums in Mecklenburg-Vorpommern sagt uns ab. | |
| Nur einmal, ganz am Anfang unserer Recherche, vereinbaren wir einen Termin, | |
| gemeinsam mit dem NDR. Und werden dann wieder ausgeladen. Nicht einmal die | |
| Pressesprecherin ist bereit, mit uns, Pressevertreter*innen, ausführlich zu | |
| sprechen. | |
| Man bitte um Verständnis, die Antwort werde noch dauern | |
| Je weniger sich Lorenz Caffier öffentlich zu Nordkreuz äußert, desto enger | |
| bindet er die Kommunikation darüber an sein Haus. | |
| Immer wieder recherchieren wir zu neuen rechten Vorfällen in der Polizei, | |
| zu merkwürdigen Personalien im Verfassungsschutz. Wo wir auch Fragen | |
| stellen, das Innenministerium erklärt sich für zuständig. Die Antworten | |
| sind jedoch oft lückenhaft, verweisen auf frühere wenig erhellende Mails | |
| oder sie kommen gar nicht. | |
| 21. September 2020. E-Mail an das Innenministerium: Wir haben Nachfragen zu | |
| vier Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern, gegen die wegen rechtsextremer | |
| Äußerungen Disziplinarermittlungen eingeleitet wurden. Und schreiben dazu: | |
| “Und da Herr Minister Caffier weitere Aufklärung versprochen hat, habe ich | |
| noch folgende Fragen, die bislang nicht beantwortet wurden: Trifft es zu, | |
| dass Lorenz Caffier als Innenminister oder als Privatperson ein | |
| Schießtraining auf dem Gelände Baltic Shooters/Großer Bockhorst absolviert | |
| hat? Wenn ja: Wann war das, in welchem Rahmen und wer war der Trainer?“ | |
| Und: “Trifft es zu, dass Lorenz Caffier als Innenminister oder als | |
| Privatperson eine Waffe bei oder über Frank T. bzw. der Firma Baltic | |
| Shooters/Baltic Defence gekauft hat?“ | |
| 22. September 2020: Antwort aus dem Innenministerium: Man bittet um | |
| Verständnis dafür, dass die Antwort noch etwas dauern werde. | |
| 25. September 2020: Antwort aus dem Innenministerium: Man verweist | |
| bezüglich der Frage nach dem Waffenkauf und dem Schießtraining “auf | |
| Antworten an Ihre Kollegin Christina Schmidt, der wir im März 2020 | |
| geantwortet hatten, dass Innenminister Lorenz Caffier in den Jahren 2011 | |
| bis 2018 die Schirmherrschaft über den Special Forces Workshop übernommen | |
| hatte“. | |
| Das war ja aber gar nicht die Frage, wieder eine Mail ans Innenministerium. | |
| 30. September 2020: Antwort aus dem Innenministerium: “Der Minister hat | |
| weder eine Dienstwaffe erhalten noch erworben und auch an keinem | |
| Schießtraining teilgenommen.“ | |
| 15. Oktober 2020: E-Mail an das Innenministerium: “Zu Frage 7 habe ich eine | |
| Nachfrage, da Sie in der Antwort auf „Dienstwaffe“ spezifizieren: Trifft es | |
| also zu, dass Herr Caffier als Privatperson eine Waffe bei oder über Frank | |
| T. bzw. der Firma Baltic Shooters/Baltic Defence gekauft hat?“ | |
| 22. Oktober 2020: E-Mail aus dem Innenministerium: “Auf Ihre weitere | |
| Anfrage hatten wir bereits geantwortet.“ | |
| Was ist von einem Minister zu halten, der keine Worte findet? | |
| Es ist ja nicht so, dass ein solcher Waffenkauf per se und in jedem Fall | |
| bedenklich sein müsste. Frank T. darf Waffen verkaufen, Lorenz Caffier sie | |
| besitzen. Doch reichen die Verbindungen eines Innenministers in ein rechtes | |
| Netzwerk hinein, muss er sie erklären. Sind sie Zufall, ein Versehen oder | |
| Absicht? Hat er damals schon von Nordkreuz und dem Schießstand gewusst, | |
| hätte er mehr wissen können? | |
| Es geht um die Frage: Was ist von einem Innenminister zu halten, der im | |
| Zweifel keine Worte findet, um sein eigenes Verhalten zu reflektieren? | |
| 12. November 2020: [5][Pressekonferenz im Innenministerium]. 2019 war ein | |
| Jahr, das gezeigt hat, wie Rechtsextremismus in Deutschland die | |
| freiheitliche demokratische Grundordnung bedroht. Der Innenminister des | |
| Landes Mecklenburg-Vorpommerns nimmt sich 28 Minuten Zeit dafür. Neben ihm | |
| steht der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz, aber Lorenz Caffier | |
| stellt den jährlichen Verfassungsschutzbericht selbst vor. | |
| Der Minister erwähnt die Nordkreuz-Gruppe mit keinem Wort. Er sagt nichts | |
| dazu, wie Marko G. an Behördenmunition seiner Polizei gekommen ist. Oder | |
| wie künftig verhindert werden soll, dass noch mal ein privater | |
| Schießplatzbetreiber genaue Einblicke in polizeiliche Interna erlangt. Das | |
| hat im Fall Frank T. eine Expertenkommission gerügt, die auch festgestellt | |
| hat, dass vergaberechtliche Vorgaben nicht beachtet und waffenrechtliche | |
| Besonderheiten nicht genügend berücksichtigt worden seien – die | |
| Verantwortung dafür trägt das von Lorenz Caffier geführte Innenministerium. | |
| Caffier sagt auch nichts dazu, wie er Nordkreuz heute einschätzt. Marko G. | |
| hatte vor einigen Monaten der New York Times gesagt, Nordkreuz sei | |
| unverändert aktiv. | |
| Wir nutzen die Pressekonferenz, um unsere Frage noch einmal zu stellen: | |
| Herr Caffier, haben Sie eine Waffe beim ehemaligen Nordkreuz-Mitglied Frank | |
| T. gekauft oder bei ihm ein Schießtraining absolviert? | |
| Er antwortet: “Zum Privatleben können Sie mich gerne anfragen privat. Alles | |
| andere bleibt im Privatbereich. Dazu gibt es an der Stelle keine | |
| Äußerungen.“ | |
| Wir fragen, wie wir ihn privat anfragen können. Caffier antwortet: Wir | |
| könnten ja einen Brief schreiben. “Aber wissen Sie, Privatbereich bleibt | |
| Privatbereich. Auch in Zukunft.“ | |
| 13 Nov 2020 | |
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| [1] /Verfassungsschutz-ignoriert-Hinweise-zu-rechtem-Netzwerk/!5704654 | |
| [2] /Kommission-zur-rechten-Prepperszene/!5636747 | |
| [3] /Rechtes-Netzwerk-um-Hannibal/!5724060 | |
| [4] /Rechte-Preppergruppe-Nordkreuz/!5697362 | |
| [5] https://www.facebook.com/watch/live/?v=424065055270643&ref=watch_permal… | |
| ## AUTOREN | |
| Christina Schmidt | |
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