# taz.de -- Rechtsextreme Soldaten: Geheimdienste schauten weg | |
> Rechtsextreme Soldaten und Polizisten konnten sich bewaffnen und | |
> vernetzen. Ein Bundestagsgremium kritisiert die Geheimdienste nun scharf. | |
Bild: Das Kommando Spezialkräfte KSK der Bundeswehr bei einer Vorführung in e… | |
BERLIN taz | Seit zwei Jahren untersucht das Parlamentarische | |
Kontrollgremium (PKGr) im Bundestag, warum sich über Jahre hinweg | |
Rechtsextremisten bewaffnen, Straftaten planen und dafür ihren Status als | |
Soldaten oder Polizisten nutzen konnten. Jetzt liegt intern ein Entwurf der | |
zusammengefassten Ergebnisse vor. | |
Darin stellt der ständige Bevollmächtigte des Gremiums kein gutes Zeugnis | |
aus: Nach taz-Informationen sieht das Geheimdienstgremium erhebliche Mängel | |
bei der Aufklärung rechtsextremistischer Tendenzen in Sicherheitsbehörden | |
und der Bundeswehr und fordert die Nachrichtendienste auf, enger | |
zusammenzuarbeiten. | |
Anlass der Untersuchung waren Franco A. und die Preppergruppe Nordkreuz. | |
Franco A. ist der Bundeswehrsoldat, der im Verdacht steht, als syrischer | |
Flüchtling getarnt Attentate geplant zu haben. Zwei Nordkreuz-Mitglieder | |
sollen mutmaßlich Feindeslisten geschrieben haben, um am Tag X zu töten. | |
Die taz und andere Medien hatten nach [1][langwierigen Recherchen] | |
berichtet, dass die Fälle Teil eines rechten Netzwerks sind. Darin trafen | |
sich Spezialkräfte aus Bundeswehr, Polizei und privaten | |
Sicherheitsdiensten, mal persönlich für Waffentrainings oder virtuell über | |
Chatgruppen. Sie agierten mal konspirativ, mal öffentlich, etwa als | |
Mitglieder des Vereins Uniter. Kopf des Netzwerks ist André S., ein | |
inzwischen ehemaliger Soldat des Kommandos Spezialkräfte. Er nennt sich | |
selbst „Hannibal“. | |
## Erhebliche Mängel bei der Aufklärung | |
Der Bericht beschreibt, wie Mitglieder der norddeutschen Gruppe Nordkreuz | |
sich auf den Zusammenbruch staatlicher Strukturen vorbereiteten. Gemeint | |
sind festgelegte Zufluchtsorte, Depots, Waffenlager, und Fluchtpläne. Der | |
Bericht findet für die Vorgänge einen starken Begriff: „rechtsextreme | |
Siedlungspläne“. | |
Gewicht bekommen diese Siedlungspläne durch eine weitere Feststellung: | |
Sowohl in der Bundeswehr als auch in Sicherheitsbehörden von Bund und | |
Ländern sind „trotz bestehender Sicherheitsüberprüfungen“ [2][Beschäfti… | |
mit rechtsextremistischen und gewaltorientiertem Gedankengut] tätig. | |
Auch im Falle des Vereins Uniter ist die Einschätzung inzwischen deutlich: | |
Er wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. | |
Neu ist, dass es laut Bericht auch Anhaltspunkte für rechtsextreme | |
Bestrebungen beim Vereinsgründer und Kopf des Netzwerks, André S., selbst | |
gibt. | |
Lange hatten es die Nachrichtendienste abgelehnt, die einzeln | |
bekanntgewordenen Fälle als „Netzwerk“ zu betrachten. Mal weil sie nicht | |
ausreichend kooperierten. Aber auch, so stellt es der Bericht fest, weil | |
Sicherheitsbehörden keine einheitliche Definition für den Begriff | |
„Netzwerk“ hatten. Inzwischen ist unstrittig, dass Verbindungen zwischen | |
den einzelnen Fällen bestehen. | |
## Viele Rechtsextreme, aber ab wann ist das ein Netzwerk? | |
Laut Bericht stehen eine „Vielzahl handelnder Personen“ aus dem Komplex in | |
Verbindung zu rechtsextremistischen Bestrebungen, wie etwa der Identitären | |
Bewegung, dem „Flügel“ der AfD, der NPD oder Kameradschaften. | |
Antisemitismus trete „an vielen Stellen zutage“. | |
Mehrmals hat das PKGr den Untersuchungsgegenstand ausgeweitet. So | |
untersucht der Ständige Bevollmächtigte auch, ob Informationen über den | |
mutmaßlichen Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke vom Verfassungsschutz | |
ausreichend verarbeitet wurden. Zudem möchte das Gremium wissen, wieso | |
Munition und Waffen aus Bundeswehrbeständen verschwinden können. | |
Dem Bericht liegen aufwendige Recherchearbeiten zugrunde: Zahlreiche | |
Befragungen, Aktenstudien und viele geheime Details flossen in die Analyse. | |
Auch mit Verweis auf laufende Strafverfahren werden die allermeisten | |
Erkenntnisse nicht veröffentlicht werden. Am Mittwoch stand die Beratung | |
über den Entwurf des Kurzberichts auf der Tagesordnung des geheim tagenden | |
PKGr. | |
## „Mängel in der professionellen Distanz“ | |
Streckenweise liest sich der Bericht wie ein grundsätzlicher Tadel des | |
Bundeswehrgeheimdienstes MAD. „Das BAMAD ist Teil der | |
Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland und muss diese | |
Aufgabe auch praktisch wahrnehmen.“ | |
Einerseits wird der MAD aufgefordert, Informationsflüsse zu | |
Verfassungsschutz und polizeilichen Ermittlern zu verbessern. Andererseits | |
attestiert der Bericht „Mängel in der professionellen Distanz“, etwa weil | |
Informationen über Ermittlungen gegen einen KSK-Soldaten vom MAD an | |
Kameraden des Beschuldigten abgeflossen waren. | |
Mehrfach kommt der Bericht zu dem Schluss, dass Nachrichtendienste sich | |
damit begnügten, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu unterstützen statt | |
strategische Aufklärung zu leisten. Bislang seien Nachrichtendienste und | |
Ermittler*innen „nicht befriedigend abgestimmt“. Daraus folgt der Appell, | |
die „in der Realwelt stetig zunehmende Netzwerkbildung im | |
Rechtsextremismus“ verstärkt zu betrachten und „herausragende | |
Einzelpersonen“ mehr in den Fokus zu rücken. | |
25 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christina Schmidt | |
Sebastian Erb | |
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