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# taz.de -- Rechtsextreme Netzwerke in Deutschland: Ein deutscher Soldat
> Er gab sich als Flüchtling aus und soll Anschläge geplant haben. Bald
> beginnt der Prozess gegen den Bundeswehroffizier Franco A. Wer ist dieser
> Mann?
Bild: Franco A. in seiner Offenbacher Wohnung bei einem Interview mit der „Ne…
Am Abend des 3. Februar 2017 nehmen Polizist*innen im Flughafen
Wien-Schwechat einen deutschen Staatsbürger fest. Er hat versucht, eine
Pistole aus einem Versteck in einem Behinderten-WC zu holen. Dort hatte er
sie zwei Wochen zuvor deponiert. Eine Putzkraft entdeckte die Waffe jedoch,
und die österreichische Polizei installierte eine Falle.
Der Festgenommene heißt Franco A., er ist gerade 28 Jahre alt geworden und
Oberleutnant der Bundeswehr, stationiert beim Jägerbataillon 291 im
französischen Illkirch.
Seine Vernehmung beginnt laut Protokoll um 23 Uhr 33. Zugleich beginnt auch
einer der aufsehenerregendsten Fälle der bundesdeutschen
Kriminalgeschichte. Das Land kennt Franco A. heute als falschen Syrer und
als mutmaßlichen Rechtsterroristen, ab Donnerstag steht er deswegen in
Frankfurt am Main vor Gericht.
Den Wiener Vernehmer*innen erzählt Franco A. 2017, dass er mit
Kameraden den „Ball der Offiziere“ in der Hofburg besucht habe. Am nächsten
Tag sei er noch betrunken gewesen, er habe die Waffe beim Pinkeln in einem
Busch gefunden, sie eingesteckt und vergessen. Erst am Flughafen sei ihm
wieder aufgefallen, was er da mit sich herumtrage, und er habe die Pistole
in der Toilette versteckt. Zwei Wochen später wollte er sie wieder holen
und angeblich der Wiener Polizei übergeben.
Knapp drei Stunden dauert die Vernehmung. Franco A. rückt sein Handy samt
PIN heraus, dann darf er gehen. Vorerst.
Die deutsche Polizei findet später heraus, dass Franco A. die Pistole wohl
bereits im Juli 2016 in Paris gekauft hat. Es handelt sich um eine Waffe
des Herstellers M.A.P.F., Modell 17, Kaliber 7,65 mm. Solche Waffen haben
Wehrmachtsoffiziere im besetzten Frankreich benutzt. Die von Franco A. ist
geladen mit sechs Patronen.
Auf seinem Smartphone finden die Ermittler*innen Sprachaufnahmen und
Fotos, auch von einem mutmaßlichen Anschlagsziel. Sie finden Chatgruppen,
darunter eine, in der sich Prepper auf einen „Tag X“ vorbereiten. Mit
Franco A.s Fingerabdrücken ist außerdem ein Asylbewerber namens David
Benjamin registriert, angeblich ein französischsprachiger Christ, der aus
Syrien geflohen ist.
Franco A. muss in Untersuchungshaft, der Generalbundesanwalt übernimmt die
Ermittlungen. Auf Notizzetteln, die bei Franco A. sichergestellt werden,
sind Waffen erwähnt. Außerdem eine Art Reiseplan mit Motorrad, Zug und
Auto. Die Stationen: Offenbach, Berlin, Straßburg, Bayreuth, Erding.
Daneben steht das Wort „Schrotflinte“.
In den Notizen stehen konkrete Namen, [1][der Generalbundesanwalt glaubt],
dass Franco A. Anschläge auf bekannte Politiker*innen und
Aktivist*nnen verüben wollte: auf den damaligen Justiz- und heutigen
Außenminister Heiko Maas (SPD), die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth
von den Grünen und Anetta Kahane, die Vorsitzende der
Amadeu-Antonio-Stiftung. Alle drei sind Hassfiguren der rechten Szene. Zum
Gebäude der Amadeu-Antonio-Stiftung hat Franco A. eine Lageskizze
angefertigt und in der Tiefgarage Fotos gemacht. Womöglich wollte er die
Anschläge getarnt als Syrer verüben, um rassistischen Hass gegen
Geflüchtete zu schüren.
Der Fall Franco A. setzt Bundeswehr und Politik unter Druck. Die damalige
Verteidigungsministerin unterstellt der Armee ein Haltungsproblem und lässt
Kasernen auf Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen. Durch journalistische
Recherchen entsteht der Verdacht, dass Soldaten und andere
Sicherheitskräfte rechtsextreme Netzwerke gebildet haben. Die Behörden
versuchen, das kleinzuhalten, doch die taz und andere Medien fördern immer
mehr Belege zutage. Jetzt steht dennoch nur ein Angeklagter wegen
„Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ vor Gericht:
Franco A. Er ist längst aus der Untersuchungshaft entlassen und von der
Bundeswehr suspendiert.
Um ein möglichst genaues Bild von dem Soldaten und dem Netzwerk um ihn
herum zu zeichnen, haben wir Ermittlungsunterlagen ausgewertet, außerdem
Urteile und Gerichtsbeschlüsse, Papiere des Verteidigungsministeriums und
interne Unterlagen aus den Organisationen, mit denen Franco A. zu tun
hatte. Wir konnten geheime Chatgruppen einsehen und mit Menschen aus seinem
Umfeld sprechen. Und mit Personen, die mit dem Fall beruflich befasst sind.
Im Jahr 2019 haben wir auch mit Franco A. gesprochen. Mehrere Stunden lang,
zitieren dürfen wir ihn nicht. Auf eine erneute Anfrage hat er nicht
geantwortet.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat zunächst zwölf Verhandlungstage
angesetzt, um die Frage zu beantworten, ob Franco A. ein Terrorist ist. Was
sich jetzt schon sagen lässt: Er hat gezielt die Nähe zu neurechten
Organisationen gesucht und war tief in die rechtsextreme Szene verstrickt.
Er scheint ideologisch gefestigt zu sein, lange schon. Nationalistisch,
völkisch, antisemitisch.
## Der Soldat
Franco A. ist in der siebten Klasse, als der Soldat in ihm erwacht. So
steht es tatsächlich in der Zeitung seiner Offenbacher Schule. Während
einer Nachtwanderung glauben die Schüler*innen, eine Gestalt zu sehen, und
kriegen Angst. „Franco, einer der Jungen, näherte sich heldenhaft
der,Leiche', die da im Wald stand“, hieß es in der Zeitung. „Der Soldat in
ihm erwachte.“ Die Gestalt stellt sich als altes Schild heraus.
Als „loyal, einfühlsam, ehrlich“ beschreibt sich Franco A. in seinem
Abibuch selbst. Olympiasieger für Deutschland möchte er werden, Traumjob
Soldat, der Beruf, der ihn am meisten abschrecke: „Finanzbanker,
Devisenhändler, Spekulant“.
Franco A. wächst in Offenbach auf. Seine Mutter zieht ihn und seinen Bruder
neben ihrer Arbeit als Personalsachbearbeiterin groß. Zum Vater, einem
italienischen Gastarbeiter, hat er keinen Kontakt. Im Haus wohnen auch
seine Großeltern und sein Onkel.
Der Onkel ist Dachdecker und zieht später mit seiner Firma von Offenbach
nach Weinböhla, in der Nähe von Dresden. Ein Teil der Familie wohnte schon
zu DDR-Zeiten dort. Dem Onkel gefallen auf Facebook Seiten der AfD und von
rechtsextremen Organisationen. Franco A. ist schon als Kind und
Jugendlicher regelmäßig in Weinböhla zu Besuch. Das letzte Mal soll im
Frühjahr 2018 gewesen sein, da hatte ihn der Generalbundesanwalt gerade
angeklagt.
Der Onkel will nicht mit uns sprechen, aber ein Cousin von Franco A.s
Mutter, der auch in Weinböhla lebt. Er sagt: Die Vorwürfe gegen Franco
seien absurd. Dass er gegen Menschen mit Migrationshintergrund sei, könne
gar nicht sein. „Er ist ja selbst Halbitaliener.“ Franco sei zu intelligent
für bizarre Anschlagspläne, sich als Syrer auszugeben – eine Schnapsidee.
Zum Großvater hatte Franco A. ein enges Verhältnis. Das zeigt unter anderem
eine Sprachaufnahme, die A. vor ein paar Jahren an dessen Grab in Offenbach
aufgenommen hat. Er spricht in sein Handy, wie dankbar er seinem Großvater
sei, weil der ihn geleitet habe. Auf dem Grabstein ist vor dem Geburts- und
Sterbedatum jeweils eine germanische Rune. Die Nationalsozialisten haben
diese beiden Buchstaben umgewidmet in Zeichen für Leben und Tod. Der
Großvater sei bei der Kriegsmarine gewesen, sagt der Cousin von A.s Mutter.
„Ich glaube, Francos ganze Einstellung stammt von ihm.“
Franco A. habe immer ein besserer Deutscher sein wollen „als die Deutschen
selbst“, sagt sein Großcousin. A. sei auch gewiss kein Freund des Islams.
Und ja, seine Abschlussarbeit, die sei sicher tendenziös gewesen.
„Politischer Wandel und Subversionsstrategie“ lautet der Titel der
Masterarbeit von Franco A., er hat sie 2013 an der französischen
Militärakademie Saint-Cyr geschrieben. Er setzt darin Einwanderung mit
einem Genozid gleich und rechtfertigt Gewalt, da das Volk vor
„ausländischen Elementen“ geschützt werden müsse. Ein Gutachter nennt die
Arbeit „einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell“. Franco A.
wird ermahnt und darf eine neue Arbeit schreiben. Mehr passiert damals
nicht.
## Der Kamerad
Die Ermittler*innen haben nicht nur Franco A. nachgespürt, sondern auch
mutmaßlichen Mittätern. Ein Bundeswehrkamerad und ein alter Freund aus dem
Ruderverein saßen mehrere Monate in Untersuchungshaft. Mindestens neun
Soldaten, die privat oder dienstlich mit Franco A. zu tun hatten oder
haben, hat der Bundeswehrgeheimdienst MAD unter Rechtsextremismusverdacht
gestellt.
Mathias F., der Ruderkumpel, hat für Franco A. Munition aufbewahrt, als der
wegen der Ermittlungen nervös wurde. Mehr als 1.000 Patronen, darunter
welche für Sturmgewehre der Bundeswehr. Wegen Verstoßes gegen das
Kriegswaffenkontrollgesetz wurde Mathias F. zu einem Jahr auf Bewährung
verurteilt. Er wusste von Franco A.s Doppelleben als Flüchtling und er
bekam von ihm auch mal Waffen gezeigt. Die Geheimdienste wussten von beidem
nichts.
[2][Der Soldat Maximilian T.] war mit Franco A. am Abend vor dessen
Festnahme in Wien unterwegs. Von der Pistole aus dem Busch will er nichts
mitbekommen haben. Bei ihm finden die Ermittler*innen handschriftliche
Notizen. Unter der Überschrift „Politik und Medien“ stehen Namen, Kategorie
A bis D. Nicht alle sind prominent.
Die Ermittlungen gegen Maximilian T. werden im Herbst 2018 eingestellt. Da
hat er schon einen Nebenjob im Bundestag angetreten, für einen
AfD-Abgeordneten. Der nimmt ihn in Schutz und behauptet, T. habe die
Namensliste für sein Studium gebraucht. In Sachsen-Anhalt ließ sich
Maximilian T. in den Landesvorstand der Jungen Alternative wählen und
kandidiert bei der Landtagswahl im Juni für die AfD.
Und welche Rolle spielte Josef R., ein Oberleutnant, der als Ingenieur bei
der Bundeswehr arbeitet? Franco A. und er kennen sich aus der
Offiziersausbildung. In einer Chatnachricht hat R. Franco A. „was Leckeres“
angeboten. Ein Code für Munition?
Josef R. wohnt in einer hessischen Kleinstadt, wo er im März für die AfD
bei den Kommunalwahlen kandidierte. Wir klingeln bei ihm. Er will nichts
sagen, sein Verfahren laufe schließlich noch. Warum habe er Franco A. „was
Leckeres“ angeboten? Das habe mit dem Verfahren nichts zu tun, sagt er.
Gegen Josef R. hat der Generalbundesanwalt nach taz-Informationen wegen der
Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat
ermittelt, den Vorwurf aber fallen gelassen. Der Fall liegt jetzt bei der
örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft. Es geht allerdings nur noch darum,
dass die Ermittler*innen bei R. unter anderem eine Nebelhandgranate der
Bundeswehr gefunden haben.
## Der Prepper
Franco A. hat sich auf eine Katastrophe vorbereitet. Im Keller seiner
Mutter hat er Notfallnahrung gelagert, Benzinkanister, Tabak und Schnaps.
Das machen viele sogenannte Prepper, sie wollen vorbereitet sein, wenn der
Staat und die Infrastruktur zusammenbrechen. Franco A. lagert dazu noch
Munition ein sowie Nebel- und Übungshandgranaten.
Ein Bundeswehrkamerad lädt ihn Ende 2015 in eine Telegram-Gruppe ein. Sie
nennt sich schlicht „Süd“. Franco A. ist dort als „Franki“ unterwegs.
Gleich zu Beginn wird der Chat gelöscht und wieder neu aufgemacht. Einer
der Wortführer begründet das mit zuvor geposteten „Gedanken und Bildern“.
Man müsse verhindern, dass der Chat „aus Sicht außenstehender als
regierungsfeindlich, rechtsextrem, putschistisch oder sonst wie eingestuft
wird“. Ab jetzt sollen nur noch die Chefs senden, die anderen empfangen.
Interessant ist, was die Männer in der Chatgruppe „Süd“ als problematisch
ansehen und was nicht. Szenarien, in denen Geflüchtete aus Syrien gemeinsam
mit US-Söldnern und Kämpfern der französischen Fremdenlegion Deutschland in
eine Apokalypse stürzen, gehen als Fakten durch. Erst als ein Mitglied eine
E-Mail postet, die auf „DEUTSCHLAND ERWACHE! HEIL, SEGEN UND SIEG“ endet,
mischt sich jemand ein.
Verteidigt wird die Sieg-Mail ausgerechnet von „Franki“: „Moralisierungen,
wie sie hier von dir betrieben werden, sind immer wieder aufs neue Grund
für beklemmten und unfreien Austausch“, schreibt er. „Davon sollte unsere
Gruppe frei bleiben.“
Die Gruppe „Süd“ ist Teil eines Netzwerks, [3][es gibt ähnliche Chats in
anderen Teilen Deutschlands], in Österreich und der Schweiz. Ins Leben
gerufen wurde das Netzwerk von André S., einem Soldaten des Kommandos
Spezialkräfte der Bundeswehr, der Einheit für die härtesten Einsätze.
Dieser KSK-Soldat nennt sich selbst [4][Hannibal].
Er versorgt seine Mitstreiter mit angeblich geheimen Informationen:
Islamisten planten, Kasernen anzugreifen. „Man darf den Gegner nie
unterschätzen“, schreibt er. Es geht auch um Sammelpunkte und Safe Houses,
also sichere Rückzugsorte für den Tag X.
Als einen solchen Ort gibt Hannibal im Chat die Kaserne in Calw an, die
offenbar übernommen werden sollte. Dort ist das KSK stationiert. Bei einem
der persönlichen Treffen sprechen Mitglieder der Chatgruppe darüber, ob die
Soldaten unter ihnen im Ernstfall die Kasernen aufmachen würden. Damit sie
an Waffen, Munition und Fahrzeuge kommen. So berichtet es einer, der dabei
war.
Auch Franco A. nimmt an diesem Treffen am 31. Januar 2016 teil, er ist
inzwischen als syrischer Flüchtling dem Landkreis Erding zugewiesen. Das
Treffen findet im Schützenhaus in Albstadt statt, im Süden
Baden-Württembergs. Per Nachricht hat André S. alias Hannibal vorher
befohlen: „Handys im Auto lassen.“ Mindestens einmal ist Franco A. auch in
André S.’ Wohnung in Sindelfingen.
Für Szenarien wie die Übernahme einer Kaserne wären Verbündete hilfreich.
Mehrere KSK-Soldaten hätten Franco A. gekannt, sagt ein Mann mit dem
Chatnamen Petrus den Ermittler*innen. Auch Petrus ist beim KSK, genau wie
André S. alias Hannibal. Er half Hannibal beim Organisieren der Chatgruppen
und sagt, es sei in Calw bekannt gewesen, dass Franco A. sehr intelligent
sei.
Hannibal postet in der „Süd“-Gruppe immer wieder zu einem Verein namens
Uniter, etwa die Einladung zur Jahresfeier. Uniter hat er mit Weggefährten
gegründet, darunter Soldaten, Polizisten und ein Mitarbeiter des
Verfassungsschutzes Baden-Württemberg. [5][Recherchen der taz haben
ergeben, dass der Verein sektenartig geführt wurde,] der Verfassungsschutz
stuft ihn inzwischen als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Uniter arbeitete
konspirativ am Aufbau einer bewaffneten Einheit. Angeblich sollte diese
Rettungseinsätze im Ausland absichern. Denkbar ist aber auch, dass sie in
Deutschland zum Einsatz kommen sollte – gegen die Feinde, die Hannibal und
seine Chatgenossen ausgemacht hatten.
Dass Hannibal den Ernstfall gut vorbereitet wissen wollte, zeigt unter
anderem eine Nachricht in der „Süd“-Chatgruppe, laut der „Patches als
Erkennungszeichen“ ausgeteilt worden seien. Ein Patch ist ein Aufnäher. Die
Patches von Uniter zeigen das Logo des Vereins: ein Schwert, dahinter ein
blaues T auf schwarzem Grund. 100 solcher Aufnäher hat der Verein fertigen
lassen, zusätzlich 25 in Camouflage. Es sind keine Fan-Artikel, die einfach
verteilt oder verkauft werden. Die Patches dienen dazu, am Tag X zu wissen,
wer Freund ist und wer Feind. Zwei Uniter-Patches werden bei Franco A.
gefunden.
Dass man am Tag X so die Guten von den Bösen unterscheiden soll, davon hat
Franco A. auch einem Waffenhändler aus der Oberpfalz erzählt, den er für
Uniter werben wollte und zur Gruppe „Süd“ einlud. So hat es der
Waffenhändler ausgesagt. Ihm hat Franco A. demnach von seinem
G3-Sturmgewehr erzählt, er soll es im Juli 2016 auf dem Schießstand des
Waffenhändlers eingeschossen haben. Gefunden wurden die Waffen, die A.
neben der Pistole vom Wiener Flughafen besessen haben soll, jedoch nie.
Franco A. sei nie offizielles Mitglied von Uniter gewesen, so verteidigt
sich Hannibal später. Aber das ist gar nicht entscheidend: Der Chat und
Uniter gingen ineinander über, bis Anfang 2017, als der Chat gelöscht
wurde.
Hannibal und Franco A. glauben beide, dass Deutschland von Geflüchteten
Gefahr droht, sie teilen rechtsextremes und rassistisches Gedankengut.
Beide sind von Geheimbünden und Rittergesellschaften fasziniert. Sie halten
sich für die Guten, vielleicht sogar für Retter.
„Ihr glaubt immer noch, Teil dieses Staates zu sein“, sagt Franco A. in
einer Sprachaufnahme auf seinem Handy vom 18. Januar 2016. Man müsse sich
aber davon befreien, den bestehenden Staat aufrechtzuerhalten. „Jeder, der
dazu beiträgt, dass dieses Konstrukt kaputt geht, tut Gutes.“
## Der Redner
Spätestens 2014 beginnt Franco A., solche Sprachaufnahmen zu machen.
Gedankenfetzen, Notizen, Dialoge. Mehr als 100 dieser Aufnahmen haben die
Ermittler*innen gesichert. Wir konnten Abschriften davon einsehen.
Franco sinniert über Leben, Liebe und Selbstzweifel. Mal macht er eine
Ansprache an seinen Gruppenführer, mal bezeichnet er seine politischen
Gegner als Schweine. Er erwähnt einen drohenden dritten Weltkrieg. Er sagt:
Alles, was Hitler schlecht mache, sei eine Lüge. Ob er diese Aufnahmen
verschickt hat und wenn ja, an wen, wissen wir nicht.
Anfang 2016 spricht er eine Rede über die „Diaspora im eigenen Lande“ ein.
Es drohe die systematische Zerstörung Deutschlands und der gesamten
Menschheit. Er spricht über einen gesteuerten Bevölkerungsaustausch und
davon, dass die Zionisten versuchten, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Im Dezember 2016 hält er eine Rede mit ähnlichem Inhalt. Dieses Mal vor
Publikum, beim „Preußenabend“ in München. Man kommt nur mit Einladung
hinein und das Spektrum, an das die Organisatoren des Preußenabends ihre
Einladungen verschicken, reicht bis weit rechts außen. Holocaust-Leugner
haben dort geredet, darunter Bernhard Schaub von der Europäischen Aktion.
Frühere Mitglieder dieser Organisation wurden in Österreich jüngst wegen
nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt.
Wir treffen den Organisator des Preußenabends im April 2021 in einem
Münchener Vorort. Er sitzt in einem Rollstuhl auf der Terrasse seines
Hauses, die weißen Haare zurückgekämmt, die Beine sind mit zwei Wolldecken
bedeckt. Er ist 96 Jahre alt. Ja, sagt er, er habe Franco A. als Redner
eingeladen. Es seien aber nur wenige Leute da gewesen, er selbst jedenfalls
nicht.
Franco A. sei ein ganz ordentlicher Typ, korrekt, höflich. Und dann: „Jetzt
stell ich mal eine Frage: Ist es denn Unrecht, wenn jemand in der
Vergangenheit forscht?“
Der Mann sagt, er habe Franco A. bei einer anderen verschwiegenen
Gesellschaft kennengelernt: dem rechtskonservativen Jagsthausener Kreis.
Das ist ein Zirkel, in dem sich seit Jahrzehnten unter anderem Militärs,
Geheimdienstler, Beamte und Wirtschaftsleute aus deutschsprachigen Ländern
treffen. Im Herbst 2016 standen als Redner unter anderem auf dem
Tagungsprogramm: der AfD-Politiker Alexander Gauland und der neurechte
Publizist Bruno Bandulet. Einer der führenden Köpfe des Jagsthausener
Kreises, ein Ingenieur aus Salzburg, erinnert sich gut an Franco A., wie er
am Telefon sagt. A. habe sich rege an der Diskussion beteiligt.
Beim Preußenabend in München lautet der Titel von Franco A.s Vortrag: „Das
neue Selbstverständnis der deutschen Konservativen als Zentralrat der
Deutschen oder: Deutsche Konservative, die Diaspora im eigenen Land“. Die
Idee eines Zentralrats geistert seit Jahren durch die rechtsextreme Szene.
Die Ziele, die Franco A. damit verfolgte, waren laut Ermittler*innen
radikal: „Angriffe durch die Antifa inszenieren / Verrätern das Handwerk
legen.“ Und: „System zu unseren Gunsten ausnutzen / Schlüsselpositionen
ausschalten oder es infiltrieren oder das ganze System zerreißen.“
Der taz liegt Franco A.s Redemanuskript vor, [6][über das der BR zuerst
berichtet hat.] Darin ist vom „absoluten Triumph der Liebe über dieses
Teuflische“ zu lesen und von seinem Bekenntnis, Antisemit zu sein, da er
nicht toleriere, „dass eine Gruppe die Opferrolle für ewig gepachtet hat“.
Es geht Franco A. darum, das System zu ändern, das zulasse, „dass die
autochthone Mehrheit völlig untergebuttert wird“. Im Redetext schwört A.
das Publikum auf einen Kampf ein: „Wir müssen selbst Hand anlegen und dazu
haben wir jedes gottgegebene Recht.“
Einen Tag nach diesem Vortrag bekommt Franco A. als Flüchtling David
Benjamin in Bayern „subsidiären Schutz“ zuerkannt. Fünf Wochen später
versteckt er die Pistole im Wiener Flughafen.
16 May 2021
## LINKS
[1] /Mutmasslicher-Rechtsterrorist/!5640312
[2] /taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5634114
[3] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261
[4] /Rechtsextreme-in-Bundeswehr/!5693515
[5] /Interne-Dokumente-des-Vereins-Uniter/!5664632
[6] https://www.br.de/nachrichten/bayern/rechtsextremismus-warb-franco-a-in-bay…
## AUTOREN
Sebastian Erb
Daniel Schulz
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