# taz.de -- Franco A. und seine Verbindungen: Tief in Hannibals Netz | |
> Der rechtsextreme Soldat Franco A. steht vor Gericht. Nach langen | |
> Recherchen zum Netzwerk, zu dem er gehört: Ein Überblick in 300 | |
> Verknüpfungen. | |
Man kann sich dem Netzwerk von Süden nähern. Als der rechtsextreme | |
Bundeswehroffizier Franco A. Anfang 2017 festgenommen wird, stellen die | |
Ermittler*innen sein Handy sicher und finden darauf Kontakte und Chats. | |
Darunter: eine Telegram-Chatgruppe „Süd“, in der ein mysteriöser „Hanni… | |
auftaucht. | |
Oder von Norden, wo der Generalbundesanwalt im September 2017 bei zwei | |
Beschuldigten und einer Handvoll Zeugen in Mecklenburg-Vorpommern | |
durchsuchen lässt. Es geht um [1][Prepper mit Feindeslisten und | |
Tötungsphantasien an einem „Tag X“]. | |
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco | |
A. die mutmaßlichen Rechtsterroristen von Nordkreuz kannte. Aber die beiden | |
Fälle haben eine Verbindung, nicht nur, was den ideologischen Hintergrund | |
angeht. Sie sind beide Teil eines größeren Geflechts. | |
Nach fast vier Jahren taz-Recherchen und dutzenden Texten haben wir jetzt | |
das gesamte Netzwerk, soweit wir es kennen, in einer Online-Grafik | |
aufgearbeitet, die man per Klick erkunden kann. | |
Bei dem Netzwerk handelt es sich nicht um etwas Statisches. Es hat keine | |
zentrale Führung und nicht jeder bemerkt, was der andere tut. Manche | |
Verbindungen sind fester, manche lockerer, manche vielleicht schon wieder | |
gekappt. Wir blicken hier in erster Linie auf die Jahre 2015 bis 2018. Denn | |
seit Herbst 2018 schauen die Behörden und die Öffentlichkeit kritischer auf | |
die Verbindungen, nachdem sie Stück für Stück von der taz und anderen | |
Medien aufgedeckt worden sind. Das mag für Beteiligte ein Grund gewesen | |
sein, Beziehungen zu beenden oder fortan zu verheimlichen. | |
Was auffällt: Im Netz sind viele Männer, die eigentlich den Staat schützen | |
sollen – dann aber selbst zur Gefahr geworden sind. Ein Überblick der | |
wichtigsten Protagonisten – es sind ausschließlich Männer – und | |
Verbindungen. | |
## Franco A. | |
Franco A., der [2][Oberleutnant der Bundeswehr aus Offenbach], steht kurz | |
vor seiner Verwendung im französischen Illkirch, als er Teil der | |
Preppergruppe „Süd“ wird, an Treffen von deren Mitgliedern teilnimmt – a… | |
bei Hannibal zuhause – und einen Abzeichen des Vereins Uniter bekommt als | |
Erkennungszeichen für den Tag X. | |
Einige seiner Vertrauten sind enger mit dem Netzwerk und seinen wichtigen | |
Figuren verbunden. A.s Offizierskamerad Marcel G. ist ein langjähriger | |
Vertrauter eines Kommandosoldaten, der sich Hannibal nennt. Zwei Mal | |
gründet dieser Soldat einen Verein namens Uniter und G. ist beide Male | |
dabei. Ein anderer Kamerad von Franco A. galt zwischenzeitlich als | |
Terrorverdächtiger und war im Prepperchat „Ost“. | |
Franco A. bewegt sich in Kreisen, in denen sich Menschen auf eine | |
Katastrophe vorbereiten, den Tag X. Diese Leute bringen den Tag X oft mit | |
Geflüchteten in Verbindung, die angeblich das Land überrennen. Franco A. | |
selbst hat sich als syrischer Flüchtling ausgegeben. Er sagt, er wollte die | |
Unzulänglichkeiten im deutschen Asylsystem aufdecken. Der | |
Generalbundesanwalt glaubt, Franco A. wollte diese Identität für einen | |
Anschlag nutzen. Sollte der Tag X herbeigeführt werden? | |
## Hannibal, das KSK und Uniter | |
André S., der aus Halle an der Saale stammt, war Soldat beim Kommando | |
Spezialkräfte der Bundeswehr. Das ist die Einheit für die härtesten | |
Einsätze, ihr Standort ist Calw in Baden-Württemberg. Das KSK agiert | |
weitgehend geheim und ist zuletzt durch mehrere Vorfälle mit rechtsextremen | |
Soldaten aufgefallen. André S. zeichnet eine Liebe zu allem aus, was | |
geheimnisvoll ist: Freimaurer, Ritterorden, konspirative Zirkel. Ende 2015 | |
gründet er mit anderen Preppern mehrere Chatgruppen, um sich auf einen Tag | |
X vorzubereiten. Die Gruppen bei Telegram sind geographisch eingeteilt, in | |
Süd, Ost, West, Nord. André S.’ Spitzname in den Chats: Hannibal. | |
Hannibals Mitstreiter sind zu Beginn Männer, die er persönlich kennt, viele | |
von ihnen sind Soldaten. Hannibal ist ein ausgewiesener Netzwerker mit Hang | |
zum Größenwahn. Er rekrutiert gezielt neue Mitglieder für seine Gruppen, | |
Waffenhändler etwa oder Polizisten. Als Franco A. festgenommen wird, ordnet | |
er an, dass die Prepperchatgruppen gelöscht werden. Aber Hannibal macht | |
weiter. | |
Als Hannibal die Chatgruppen gründete, hatte er bereits seit Jahren am | |
[3][Aufbau einer anderen Organisation gearbeitet: Uniter]. Das erste Mal | |
schart er 2012 in Halle einige KSK-Kameraden um sich und Männer, die er | |
über seine Freimaurerloge kennt. Uniter e. V. ist offiziell ein Verein, der | |
aktive und ehemalige Spezialkräfte vernetzt und ihnen besseren | |
Versicherungsschutz gewährleisten soll. Schnell gibt es Streit. | |
Im Juni 2016 gründet Hannibal Uniter e. V. erneut, dieses Mal in Stuttgart. | |
Wieder holt er Freimaurer in den Vorstand, darunter den damaligen | |
Verfassungsschutzmitarbeiter Ringo M. Zu dieser Zeit gibt es große | |
Überschneidungen zwischen der Prepperchatgruppe „Süd“ und dem Verein | |
Uniter. | |
Nachdem er die Prepperchatgruppen aufgelöst hat, konzentriert sich Hannibal | |
auf Uniter. Mit anderen zusammen erarbeitet er komplexe Strukturen und ein | |
aufwändiges Regelwerk mit Ritualen: So sollte bei der Aufnahme in einen | |
höheren Grad bei Fackelschein [4][Rotwein aus einem menschlichen Schädel] | |
getrunken werden. Alles läuft hierarchisch und sehr konspirativ ab. | |
Uniter arbeitet am Aufbau einer bewaffneten „Defence“-Einheit. Analog zum | |
KSK sollen in einer „Kommandopipeline“ Zivilisten als „Infanteristen“ | |
ausgebildet werden. Am Ende sollen sie gefechtsbereit sein, wie es in einem | |
internen Konzept heißt. Die taz machte ein frühes dieser paramilitärischen | |
Trainings öffentlich. Einige Monate später ermittelt deswegen eine | |
Staatsanwaltschaft gegen eine Handvoll Beschuldigte. Es geht dabei | |
lediglich um Feinheiten des Waffenrechts. Hannibal und ein Organisator | |
bekommen eine Geldstrafe, die Verurteilung ist noch nicht rechtskräftig. | |
## Die Preppergruppe Nordkreuz | |
Die Gruppe Nordkreuz ist sozusagen eine Ausgründung von Hannibals | |
ursprünglichen Prepperchats. Der Nordkreuz-Admin Marko G., ein ehemaliger | |
SEK-Polizist in Mecklenburg-Vorpommern, ist Mitglied der Chatgruppe „Nord“, | |
als er Ende 2015 mit Nordkreuz seine eigene Gruppe aufmacht. Einige | |
Mitglieder treffen sich regelmäßig persönlich, um über ihre Vorbereitungen | |
auf den Tag X zu sprechen und gemeinsam Schießen zu üben. | |
Nordkreuz rekrutiert viele Mitstreiter über den Reservistenverband | |
Mecklenburg-Vorpommern. Auch Polizeikontakte von Marko G. spielen eine | |
wichtige Rolle. Er soll von anderen SEK-Beamten [5][illegal Munition | |
bekommen haben]. Wegen des unerlaubten Besitzes von Waffen und Munition ist | |
Marko G. inzwischen verurteilt. Die Behörden stufen die maßgeblichen | |
Nordkreuz-Akteure heute als rechtsextrem ein. Das sind etwa die Männer, die | |
sich in der noch konspirativeren Chatgruppe „Vier gewinnt“ austauschen. | |
Unter ihnen sind der Kriminalpolizist und spätere AfD-Funktionär Haik J. | |
und der Anwalt Jan Hendrik H., die Feindeslisten angelegt haben sollen, um | |
am Tag X politische Gegner*innen zu töten. Gegen beide ermittelt nach | |
wie vor der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts der Vorbereitung einer | |
schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Anhaltspunkte für eine | |
terroristische Vereinigung sieht er nicht. | |
Auch eine private Firma spielt bei Nordkreuz eine wichtige Rolle: Baltic | |
Shooters aus Güstrow mit ihrem Geschäftsführer [6][Frank T., einem | |
renommierten Schießtrainer]. Bei ihm üben Spezialkräfte aus ganz | |
Deutschland, auch das KSK. Er ist – wie auch zwei seiner Mitarbeiter – | |
zumindest eine Zeit lang Teil von Nordkreuz. Und er hat die sogenannten | |
SOP-Kurzfassungen (Standard Operating Procedure) formuliert, Regeln für die | |
Chats: „Desto besser die Kommunikation, umso einfacher ist die Organisation | |
und das Sammeln untereinander am Tag X. Doch bis dahin gilt es für jeden | |
von UNS, so wenig wie möglich aufzufallen.“ | |
Die Behörden haben sich lange sehr schwer getan, sich adäquat mit dem | |
Netzwerk zu beschäftigen. Politisch motivierte Gewaltbereitschaft spiele in | |
der Bundeswehr keine Rolle, sagt der damalige Chef des | |
Bundeswehr-Geheimdienstes Christof Gramm im November 2018, just zu dem | |
Zeitpunkt, als Focus und taz zum ersten Mal über Hannibals Netzwerk | |
berichten. „Insbesondere haben wir bisher keine extremistischen Netzwerke | |
entdeckt.“ Die Sachlage hat sich seither kaum geändert, wohl aber die | |
Einschätzung. Im Herbst 2019 antwortete Gramm „Jein“ auf die Frage nach | |
rechtsextremen Netzwerken und im Juni 2020: Man finde sehr wohl | |
problematische „Netzwerke und Strukturen“. | |
## Das Netzwerk | |
Bei der juristischen Aufarbeitung zerfällt das Netzwerk aber wieder in | |
viele einzelne Fälle, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. | |
Doch wer hinsieht, kann die Strukturen erkennen. Die taz-Grafik zeigt über | |
300 Verbindungen in und um das Hannibal-Netzwerk. Sie verknüpft mehr als 90 | |
Personen, Gruppen und Institutionen. Und wir arbeiten daran, noch weitere | |
aufzuspüren. | |
19 May 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
Daniel Schulz | |
Luise Strothmann | |
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