# taz.de -- Rechtsextreme Netzwerke in Deutschland: Ein deutscher Soldat | |
> Er gab sich als Flüchtling aus und soll Anschläge geplant haben. Bald | |
> beginnt der Prozess gegen den Bundeswehroffizier Franco A. Wer ist dieser | |
> Mann? | |
Bild: Franco A. in seiner Offenbacher Wohnung bei einem Interview mit der „Ne… | |
Am Abend des 3. Februar 2017 nehmen Polizist*innen im Flughafen | |
Wien-Schwechat einen deutschen Staatsbürger fest. Er hat versucht, eine | |
Pistole aus einem Versteck in einem Behinderten-WC zu holen. Dort hatte er | |
sie zwei Wochen zuvor deponiert. Eine Putzkraft entdeckte die Waffe jedoch, | |
und die österreichische Polizei installierte eine Falle. | |
Der Festgenommene heißt Franco A., er ist gerade 28 Jahre alt geworden und | |
Oberleutnant der Bundeswehr, stationiert beim Jägerbataillon 291 im | |
französischen Illkirch. | |
Seine Vernehmung beginnt laut Protokoll um 23 Uhr 33. Zugleich beginnt auch | |
einer der aufsehenerregendsten Fälle der bundesdeutschen | |
Kriminalgeschichte. Das Land kennt Franco A. heute als falschen Syrer und | |
als mutmaßlichen Rechtsterroristen, ab Donnerstag steht er deswegen in | |
Frankfurt am Main vor Gericht. | |
Den Wiener Vernehmer*innen erzählt Franco A. 2017, dass er mit | |
Kameraden den „Ball der Offiziere“ in der Hofburg besucht habe. Am nächsten | |
Tag sei er noch betrunken gewesen, er habe die Waffe beim Pinkeln in einem | |
Busch gefunden, sie eingesteckt und vergessen. Erst am Flughafen sei ihm | |
wieder aufgefallen, was er da mit sich herumtrage, und er habe die Pistole | |
in der Toilette versteckt. Zwei Wochen später wollte er sie wieder holen | |
und angeblich der Wiener Polizei übergeben. | |
Knapp drei Stunden dauert die Vernehmung. Franco A. rückt sein Handy samt | |
PIN heraus, dann darf er gehen. Vorerst. | |
Die deutsche Polizei findet später heraus, dass Franco A. die Pistole wohl | |
bereits im Juli 2016 in Paris gekauft hat. Es handelt sich um eine Waffe | |
des Herstellers M.A.P.F., Modell 17, Kaliber 7,65 mm. Solche Waffen haben | |
Wehrmachtsoffiziere im besetzten Frankreich benutzt. Die von Franco A. ist | |
geladen mit sechs Patronen. | |
Auf seinem Smartphone finden die Ermittler*innen Sprachaufnahmen und | |
Fotos, auch von einem mutmaßlichen Anschlagsziel. Sie finden Chatgruppen, | |
darunter eine, in der sich Prepper auf einen „Tag X“ vorbereiten. Mit | |
Franco A.s Fingerabdrücken ist außerdem ein Asylbewerber namens David | |
Benjamin registriert, angeblich ein französischsprachiger Christ, der aus | |
Syrien geflohen ist. | |
Franco A. muss in Untersuchungshaft, der Generalbundesanwalt übernimmt die | |
Ermittlungen. Auf Notizzetteln, die bei Franco A. sichergestellt werden, | |
sind Waffen erwähnt. Außerdem eine Art Reiseplan mit Motorrad, Zug und | |
Auto. Die Stationen: Offenbach, Berlin, Straßburg, Bayreuth, Erding. | |
Daneben steht das Wort „Schrotflinte“. | |
In den Notizen stehen konkrete Namen, [1][der Generalbundesanwalt glaubt], | |
dass Franco A. Anschläge auf bekannte Politiker*innen und | |
Aktivist*nnen verüben wollte: auf den damaligen Justiz- und heutigen | |
Außenminister Heiko Maas (SPD), die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth | |
von den Grünen und Anetta Kahane, die Vorsitzende der | |
Amadeu-Antonio-Stiftung. Alle drei sind Hassfiguren der rechten Szene. Zum | |
Gebäude der Amadeu-Antonio-Stiftung hat Franco A. eine Lageskizze | |
angefertigt und in der Tiefgarage Fotos gemacht. Womöglich wollte er die | |
Anschläge getarnt als Syrer verüben, um rassistischen Hass gegen | |
Geflüchtete zu schüren. | |
Der Fall Franco A. setzt Bundeswehr und Politik unter Druck. Die damalige | |
Verteidigungsministerin unterstellt der Armee ein Haltungsproblem und lässt | |
Kasernen auf Wehrmachtsdevotionalien durchsuchen. Durch journalistische | |
Recherchen entsteht der Verdacht, dass Soldaten und andere | |
Sicherheitskräfte rechtsextreme Netzwerke gebildet haben. Die Behörden | |
versuchen, das kleinzuhalten, doch die taz und andere Medien fördern immer | |
mehr Belege zutage. Jetzt steht dennoch nur ein Angeklagter wegen | |
„Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ vor Gericht: | |
Franco A. Er ist längst aus der Untersuchungshaft entlassen und von der | |
Bundeswehr suspendiert. | |
Um ein möglichst genaues Bild von dem Soldaten und dem Netzwerk um ihn | |
herum zu zeichnen, haben wir Ermittlungsunterlagen ausgewertet, außerdem | |
Urteile und Gerichtsbeschlüsse, Papiere des Verteidigungsministeriums und | |
interne Unterlagen aus den Organisationen, mit denen Franco A. zu tun | |
hatte. Wir konnten geheime Chatgruppen einsehen und mit Menschen aus seinem | |
Umfeld sprechen. Und mit Personen, die mit dem Fall beruflich befasst sind. | |
Im Jahr 2019 haben wir auch mit Franco A. gesprochen. Mehrere Stunden lang, | |
zitieren dürfen wir ihn nicht. Auf eine erneute Anfrage hat er nicht | |
geantwortet. | |
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat zunächst zwölf Verhandlungstage | |
angesetzt, um die Frage zu beantworten, ob Franco A. ein Terrorist ist. Was | |
sich jetzt schon sagen lässt: Er hat gezielt die Nähe zu neurechten | |
Organisationen gesucht und war tief in die rechtsextreme Szene verstrickt. | |
Er scheint ideologisch gefestigt zu sein, lange schon. Nationalistisch, | |
völkisch, antisemitisch. | |
## Der Soldat | |
Franco A. ist in der siebten Klasse, als der Soldat in ihm erwacht. So | |
steht es tatsächlich in der Zeitung seiner Offenbacher Schule. Während | |
einer Nachtwanderung glauben die Schüler*innen, eine Gestalt zu sehen, und | |
kriegen Angst. „Franco, einer der Jungen, näherte sich heldenhaft | |
der,Leiche', die da im Wald stand“, hieß es in der Zeitung. „Der Soldat in | |
ihm erwachte.“ Die Gestalt stellt sich als altes Schild heraus. | |
Als „loyal, einfühlsam, ehrlich“ beschreibt sich Franco A. in seinem | |
Abibuch selbst. Olympiasieger für Deutschland möchte er werden, Traumjob | |
Soldat, der Beruf, der ihn am meisten abschrecke: „Finanzbanker, | |
Devisenhändler, Spekulant“. | |
Franco A. wächst in Offenbach auf. Seine Mutter zieht ihn und seinen Bruder | |
neben ihrer Arbeit als Personalsachbearbeiterin groß. Zum Vater, einem | |
italienischen Gastarbeiter, hat er keinen Kontakt. Im Haus wohnen auch | |
seine Großeltern und sein Onkel. | |
Der Onkel ist Dachdecker und zieht später mit seiner Firma von Offenbach | |
nach Weinböhla, in der Nähe von Dresden. Ein Teil der Familie wohnte schon | |
zu DDR-Zeiten dort. Dem Onkel gefallen auf Facebook Seiten der AfD und von | |
rechtsextremen Organisationen. Franco A. ist schon als Kind und | |
Jugendlicher regelmäßig in Weinböhla zu Besuch. Das letzte Mal soll im | |
Frühjahr 2018 gewesen sein, da hatte ihn der Generalbundesanwalt gerade | |
angeklagt. | |
Der Onkel will nicht mit uns sprechen, aber ein Cousin von Franco A.s | |
Mutter, der auch in Weinböhla lebt. Er sagt: Die Vorwürfe gegen Franco | |
seien absurd. Dass er gegen Menschen mit Migrationshintergrund sei, könne | |
gar nicht sein. „Er ist ja selbst Halbitaliener.“ Franco sei zu intelligent | |
für bizarre Anschlagspläne, sich als Syrer auszugeben – eine Schnapsidee. | |
Zum Großvater hatte Franco A. ein enges Verhältnis. Das zeigt unter anderem | |
eine Sprachaufnahme, die A. vor ein paar Jahren an dessen Grab in Offenbach | |
aufgenommen hat. Er spricht in sein Handy, wie dankbar er seinem Großvater | |
sei, weil der ihn geleitet habe. Auf dem Grabstein ist vor dem Geburts- und | |
Sterbedatum jeweils eine germanische Rune. Die Nationalsozialisten haben | |
diese beiden Buchstaben umgewidmet in Zeichen für Leben und Tod. Der | |
Großvater sei bei der Kriegsmarine gewesen, sagt der Cousin von A.s Mutter. | |
„Ich glaube, Francos ganze Einstellung stammt von ihm.“ | |
Franco A. habe immer ein besserer Deutscher sein wollen „als die Deutschen | |
selbst“, sagt sein Großcousin. A. sei auch gewiss kein Freund des Islams. | |
Und ja, seine Abschlussarbeit, die sei sicher tendenziös gewesen. | |
„Politischer Wandel und Subversionsstrategie“ lautet der Titel der | |
Masterarbeit von Franco A., er hat sie 2013 an der französischen | |
Militärakademie Saint-Cyr geschrieben. Er setzt darin Einwanderung mit | |
einem Genozid gleich und rechtfertigt Gewalt, da das Volk vor | |
„ausländischen Elementen“ geschützt werden müsse. Ein Gutachter nennt die | |
Arbeit „einen radikalnationalistischen, rassistischen Appell“. Franco A. | |
wird ermahnt und darf eine neue Arbeit schreiben. Mehr passiert damals | |
nicht. | |
## Der Kamerad | |
Die Ermittler*innen haben nicht nur Franco A. nachgespürt, sondern auch | |
mutmaßlichen Mittätern. Ein Bundeswehrkamerad und ein alter Freund aus dem | |
Ruderverein saßen mehrere Monate in Untersuchungshaft. Mindestens neun | |
Soldaten, die privat oder dienstlich mit Franco A. zu tun hatten oder | |
haben, hat der Bundeswehrgeheimdienst MAD unter Rechtsextremismusverdacht | |
gestellt. | |
Mathias F., der Ruderkumpel, hat für Franco A. Munition aufbewahrt, als der | |
wegen der Ermittlungen nervös wurde. Mehr als 1.000 Patronen, darunter | |
welche für Sturmgewehre der Bundeswehr. Wegen Verstoßes gegen das | |
Kriegswaffenkontrollgesetz wurde Mathias F. zu einem Jahr auf Bewährung | |
verurteilt. Er wusste von Franco A.s Doppelleben als Flüchtling und er | |
bekam von ihm auch mal Waffen gezeigt. Die Geheimdienste wussten von beidem | |
nichts. | |
[2][Der Soldat Maximilian T.] war mit Franco A. am Abend vor dessen | |
Festnahme in Wien unterwegs. Von der Pistole aus dem Busch will er nichts | |
mitbekommen haben. Bei ihm finden die Ermittler*innen handschriftliche | |
Notizen. Unter der Überschrift „Politik und Medien“ stehen Namen, Kategorie | |
A bis D. Nicht alle sind prominent. | |
Die Ermittlungen gegen Maximilian T. werden im Herbst 2018 eingestellt. Da | |
hat er schon einen Nebenjob im Bundestag angetreten, für einen | |
AfD-Abgeordneten. Der nimmt ihn in Schutz und behauptet, T. habe die | |
Namensliste für sein Studium gebraucht. In Sachsen-Anhalt ließ sich | |
Maximilian T. in den Landesvorstand der Jungen Alternative wählen und | |
kandidiert bei der Landtagswahl im Juni für die AfD. | |
Und welche Rolle spielte Josef R., ein Oberleutnant, der als Ingenieur bei | |
der Bundeswehr arbeitet? Franco A. und er kennen sich aus der | |
Offiziersausbildung. In einer Chatnachricht hat R. Franco A. „was Leckeres“ | |
angeboten. Ein Code für Munition? | |
Josef R. wohnt in einer hessischen Kleinstadt, wo er im März für die AfD | |
bei den Kommunalwahlen kandidierte. Wir klingeln bei ihm. Er will nichts | |
sagen, sein Verfahren laufe schließlich noch. Warum habe er Franco A. „was | |
Leckeres“ angeboten? Das habe mit dem Verfahren nichts zu tun, sagt er. | |
Gegen Josef R. hat der Generalbundesanwalt nach taz-Informationen wegen der | |
Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat | |
ermittelt, den Vorwurf aber fallen gelassen. Der Fall liegt jetzt bei der | |
örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft. Es geht allerdings nur noch darum, | |
dass die Ermittler*innen bei R. unter anderem eine Nebelhandgranate der | |
Bundeswehr gefunden haben. | |
## Der Prepper | |
Franco A. hat sich auf eine Katastrophe vorbereitet. Im Keller seiner | |
Mutter hat er Notfallnahrung gelagert, Benzinkanister, Tabak und Schnaps. | |
Das machen viele sogenannte Prepper, sie wollen vorbereitet sein, wenn der | |
Staat und die Infrastruktur zusammenbrechen. Franco A. lagert dazu noch | |
Munition ein sowie Nebel- und Übungshandgranaten. | |
Ein Bundeswehrkamerad lädt ihn Ende 2015 in eine Telegram-Gruppe ein. Sie | |
nennt sich schlicht „Süd“. Franco A. ist dort als „Franki“ unterwegs. | |
Gleich zu Beginn wird der Chat gelöscht und wieder neu aufgemacht. Einer | |
der Wortführer begründet das mit zuvor geposteten „Gedanken und Bildern“. | |
Man müsse verhindern, dass der Chat „aus Sicht außenstehender als | |
regierungsfeindlich, rechtsextrem, putschistisch oder sonst wie eingestuft | |
wird“. Ab jetzt sollen nur noch die Chefs senden, die anderen empfangen. | |
Interessant ist, was die Männer in der Chatgruppe „Süd“ als problematisch | |
ansehen und was nicht. Szenarien, in denen Geflüchtete aus Syrien gemeinsam | |
mit US-Söldnern und Kämpfern der französischen Fremdenlegion Deutschland in | |
eine Apokalypse stürzen, gehen als Fakten durch. Erst als ein Mitglied eine | |
E-Mail postet, die auf „DEUTSCHLAND ERWACHE! HEIL, SEGEN UND SIEG“ endet, | |
mischt sich jemand ein. | |
Verteidigt wird die Sieg-Mail ausgerechnet von „Franki“: „Moralisierungen, | |
wie sie hier von dir betrieben werden, sind immer wieder aufs neue Grund | |
für beklemmten und unfreien Austausch“, schreibt er. „Davon sollte unsere | |
Gruppe frei bleiben.“ | |
Die Gruppe „Süd“ ist Teil eines Netzwerks, [3][es gibt ähnliche Chats in | |
anderen Teilen Deutschlands], in Österreich und der Schweiz. Ins Leben | |
gerufen wurde das Netzwerk von André S., einem Soldaten des Kommandos | |
Spezialkräfte der Bundeswehr, der Einheit für die härtesten Einsätze. | |
Dieser KSK-Soldat nennt sich selbst [4][Hannibal]. | |
Er versorgt seine Mitstreiter mit angeblich geheimen Informationen: | |
Islamisten planten, Kasernen anzugreifen. „Man darf den Gegner nie | |
unterschätzen“, schreibt er. Es geht auch um Sammelpunkte und Safe Houses, | |
also sichere Rückzugsorte für den Tag X. | |
Als einen solchen Ort gibt Hannibal im Chat die Kaserne in Calw an, die | |
offenbar übernommen werden sollte. Dort ist das KSK stationiert. Bei einem | |
der persönlichen Treffen sprechen Mitglieder der Chatgruppe darüber, ob die | |
Soldaten unter ihnen im Ernstfall die Kasernen aufmachen würden. Damit sie | |
an Waffen, Munition und Fahrzeuge kommen. So berichtet es einer, der dabei | |
war. | |
Auch Franco A. nimmt an diesem Treffen am 31. Januar 2016 teil, er ist | |
inzwischen als syrischer Flüchtling dem Landkreis Erding zugewiesen. Das | |
Treffen findet im Schützenhaus in Albstadt statt, im Süden | |
Baden-Württembergs. Per Nachricht hat André S. alias Hannibal vorher | |
befohlen: „Handys im Auto lassen.“ Mindestens einmal ist Franco A. auch in | |
André S.’ Wohnung in Sindelfingen. | |
Für Szenarien wie die Übernahme einer Kaserne wären Verbündete hilfreich. | |
Mehrere KSK-Soldaten hätten Franco A. gekannt, sagt ein Mann mit dem | |
Chatnamen Petrus den Ermittler*innen. Auch Petrus ist beim KSK, genau wie | |
André S. alias Hannibal. Er half Hannibal beim Organisieren der Chatgruppen | |
und sagt, es sei in Calw bekannt gewesen, dass Franco A. sehr intelligent | |
sei. | |
Hannibal postet in der „Süd“-Gruppe immer wieder zu einem Verein namens | |
Uniter, etwa die Einladung zur Jahresfeier. Uniter hat er mit Weggefährten | |
gegründet, darunter Soldaten, Polizisten und ein Mitarbeiter des | |
Verfassungsschutzes Baden-Württemberg. [5][Recherchen der taz haben | |
ergeben, dass der Verein sektenartig geführt wurde,] der Verfassungsschutz | |
stuft ihn inzwischen als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Uniter arbeitete | |
konspirativ am Aufbau einer bewaffneten Einheit. Angeblich sollte diese | |
Rettungseinsätze im Ausland absichern. Denkbar ist aber auch, dass sie in | |
Deutschland zum Einsatz kommen sollte – gegen die Feinde, die Hannibal und | |
seine Chatgenossen ausgemacht hatten. | |
Dass Hannibal den Ernstfall gut vorbereitet wissen wollte, zeigt unter | |
anderem eine Nachricht in der „Süd“-Chatgruppe, laut der „Patches als | |
Erkennungszeichen“ ausgeteilt worden seien. Ein Patch ist ein Aufnäher. Die | |
Patches von Uniter zeigen das Logo des Vereins: ein Schwert, dahinter ein | |
blaues T auf schwarzem Grund. 100 solcher Aufnäher hat der Verein fertigen | |
lassen, zusätzlich 25 in Camouflage. Es sind keine Fan-Artikel, die einfach | |
verteilt oder verkauft werden. Die Patches dienen dazu, am Tag X zu wissen, | |
wer Freund ist und wer Feind. Zwei Uniter-Patches werden bei Franco A. | |
gefunden. | |
Dass man am Tag X so die Guten von den Bösen unterscheiden soll, davon hat | |
Franco A. auch einem Waffenhändler aus der Oberpfalz erzählt, den er für | |
Uniter werben wollte und zur Gruppe „Süd“ einlud. So hat es der | |
Waffenhändler ausgesagt. Ihm hat Franco A. demnach von seinem | |
G3-Sturmgewehr erzählt, er soll es im Juli 2016 auf dem Schießstand des | |
Waffenhändlers eingeschossen haben. Gefunden wurden die Waffen, die A. | |
neben der Pistole vom Wiener Flughafen besessen haben soll, jedoch nie. | |
Franco A. sei nie offizielles Mitglied von Uniter gewesen, so verteidigt | |
sich Hannibal später. Aber das ist gar nicht entscheidend: Der Chat und | |
Uniter gingen ineinander über, bis Anfang 2017, als der Chat gelöscht | |
wurde. | |
Hannibal und Franco A. glauben beide, dass Deutschland von Geflüchteten | |
Gefahr droht, sie teilen rechtsextremes und rassistisches Gedankengut. | |
Beide sind von Geheimbünden und Rittergesellschaften fasziniert. Sie halten | |
sich für die Guten, vielleicht sogar für Retter. | |
„Ihr glaubt immer noch, Teil dieses Staates zu sein“, sagt Franco A. in | |
einer Sprachaufnahme auf seinem Handy vom 18. Januar 2016. Man müsse sich | |
aber davon befreien, den bestehenden Staat aufrechtzuerhalten. „Jeder, der | |
dazu beiträgt, dass dieses Konstrukt kaputt geht, tut Gutes.“ | |
## Der Redner | |
Spätestens 2014 beginnt Franco A., solche Sprachaufnahmen zu machen. | |
Gedankenfetzen, Notizen, Dialoge. Mehr als 100 dieser Aufnahmen haben die | |
Ermittler*innen gesichert. Wir konnten Abschriften davon einsehen. | |
Franco sinniert über Leben, Liebe und Selbstzweifel. Mal macht er eine | |
Ansprache an seinen Gruppenführer, mal bezeichnet er seine politischen | |
Gegner als Schweine. Er erwähnt einen drohenden dritten Weltkrieg. Er sagt: | |
Alles, was Hitler schlecht mache, sei eine Lüge. Ob er diese Aufnahmen | |
verschickt hat und wenn ja, an wen, wissen wir nicht. | |
Anfang 2016 spricht er eine Rede über die „Diaspora im eigenen Lande“ ein. | |
Es drohe die systematische Zerstörung Deutschlands und der gesamten | |
Menschheit. Er spricht über einen gesteuerten Bevölkerungsaustausch und | |
davon, dass die Zionisten versuchten, die Weltherrschaft an sich zu reißen. | |
Im Dezember 2016 hält er eine Rede mit ähnlichem Inhalt. Dieses Mal vor | |
Publikum, beim „Preußenabend“ in München. Man kommt nur mit Einladung | |
hinein und das Spektrum, an das die Organisatoren des Preußenabends ihre | |
Einladungen verschicken, reicht bis weit rechts außen. Holocaust-Leugner | |
haben dort geredet, darunter Bernhard Schaub von der Europäischen Aktion. | |
Frühere Mitglieder dieser Organisation wurden in Österreich jüngst wegen | |
nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt. | |
Wir treffen den Organisator des Preußenabends im April 2021 in einem | |
Münchener Vorort. Er sitzt in einem Rollstuhl auf der Terrasse seines | |
Hauses, die weißen Haare zurückgekämmt, die Beine sind mit zwei Wolldecken | |
bedeckt. Er ist 96 Jahre alt. Ja, sagt er, er habe Franco A. als Redner | |
eingeladen. Es seien aber nur wenige Leute da gewesen, er selbst jedenfalls | |
nicht. | |
Franco A. sei ein ganz ordentlicher Typ, korrekt, höflich. Und dann: „Jetzt | |
stell ich mal eine Frage: Ist es denn Unrecht, wenn jemand in der | |
Vergangenheit forscht?“ | |
Der Mann sagt, er habe Franco A. bei einer anderen verschwiegenen | |
Gesellschaft kennengelernt: dem rechtskonservativen Jagsthausener Kreis. | |
Das ist ein Zirkel, in dem sich seit Jahrzehnten unter anderem Militärs, | |
Geheimdienstler, Beamte und Wirtschaftsleute aus deutschsprachigen Ländern | |
treffen. Im Herbst 2016 standen als Redner unter anderem auf dem | |
Tagungsprogramm: der AfD-Politiker Alexander Gauland und der neurechte | |
Publizist Bruno Bandulet. Einer der führenden Köpfe des Jagsthausener | |
Kreises, ein Ingenieur aus Salzburg, erinnert sich gut an Franco A., wie er | |
am Telefon sagt. A. habe sich rege an der Diskussion beteiligt. | |
Beim Preußenabend in München lautet der Titel von Franco A.s Vortrag: „Das | |
neue Selbstverständnis der deutschen Konservativen als Zentralrat der | |
Deutschen oder: Deutsche Konservative, die Diaspora im eigenen Land“. Die | |
Idee eines Zentralrats geistert seit Jahren durch die rechtsextreme Szene. | |
Die Ziele, die Franco A. damit verfolgte, waren laut Ermittler*innen | |
radikal: „Angriffe durch die Antifa inszenieren / Verrätern das Handwerk | |
legen.“ Und: „System zu unseren Gunsten ausnutzen / Schlüsselpositionen | |
ausschalten oder es infiltrieren oder das ganze System zerreißen.“ | |
Der taz liegt Franco A.s Redemanuskript vor, [6][über das der BR zuerst | |
berichtet hat.] Darin ist vom „absoluten Triumph der Liebe über dieses | |
Teuflische“ zu lesen und von seinem Bekenntnis, Antisemit zu sein, da er | |
nicht toleriere, „dass eine Gruppe die Opferrolle für ewig gepachtet hat“. | |
Es geht Franco A. darum, das System zu ändern, das zulasse, „dass die | |
autochthone Mehrheit völlig untergebuttert wird“. Im Redetext schwört A. | |
das Publikum auf einen Kampf ein: „Wir müssen selbst Hand anlegen und dazu | |
haben wir jedes gottgegebene Recht.“ | |
Einen Tag nach diesem Vortrag bekommt Franco A. als Flüchtling David | |
Benjamin in Bayern „subsidiären Schutz“ zuerkannt. Fünf Wochen später | |
versteckt er die Pistole im Wiener Flughafen. | |
16 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Mutmasslicher-Rechtsterrorist/!5640312 | |
[2] /taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5634114 | |
[3] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261 | |
[4] /Rechtsextreme-in-Bundeswehr/!5693515 | |
[5] /Interne-Dokumente-des-Vereins-Uniter/!5664632 | |
[6] https://www.br.de/nachrichten/bayern/rechtsextremismus-warb-franco-a-in-bay… | |
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