| # taz.de -- Rechte Prepper-Gruppe Nordkreuz: Die Spur nach Güstrow | |
| > Ein SEK-Polizist ist für seine rechte Gesinnung bekannt. Warum konnte er | |
| > massenhaft Munition horten? | |
| Bild: Auch Spezialeinheiten aus den USA sind regelmäßig auf dem Schießplatz … | |
| Im November 2016 chatten zwei Männer in Mecklenburg-Vorpommern. Der eine | |
| schickt ein Video, darin ein Nussknacker, der seinen Arm nach oben bewegt | |
| und „Sieg Heil“ sagt. Im Januar darauf schickt der andere Regeln zur | |
| „Reinhaltung der Deutschen Rasse“ von 1938. Am 20. April 2017, dem | |
| Geburtstag von Adolf Hitler, dann die Nachricht: „Happy Birthday“. | |
| Der eine Mann ist Polizist, ein Präzisionsschütze. | |
| Der andere Trainer auf einem privaten Schießplatz, auf dem Spezialkräfte | |
| ausgebildet werden. | |
| Als sie sich diese Nachrichten schreiben, sind sie Mitglieder einer Gruppe, | |
| die im Spätsommer 2017 als Nordkreuz bekannt wurde: Darin vernetzten sich | |
| Männer und wenige Frauen, um sich auf einen „Tag X“ vorzubereiten – | |
| sogenannte Prepper. Sie wollen gewappnet sein für Naturkatastrophen, für | |
| Stromausfälle oder, so schildern es ehemalige Mitglieder, wenn zu viele | |
| Geflüchtete kommen. Nordkreuz ist Teil des rechten [1][Hannibal-Netzwerks] | |
| in Sicherheitsbehörden, das die taz aufgedeckt hat. | |
| Der Polizist heißt Marko G. Beamte des Bundeskriminalamtes hatten Ende | |
| August 2017 seine Wohnung, sein Grundstück und sein Auto durchsucht, weil | |
| sie wissen wollten, ob manche in dieser [2][Nordkreuz-Gruppe einen | |
| rechtsextremen Terroranschlag planen], Menschen umzubringen am Tag X etwa. | |
| Das wirft die Bundesanwaltschaft einem Anwalt und einem Kriminalpolizisten | |
| vor, die Ermittlungen dauern noch an. Sicher ist: Die beiden hatten Ordner | |
| angelegt, in denen sie persönliche Daten von Politikern, Aktivisten und | |
| ehrenamtlich Engagierten gesammelt und dafür auch den Polizeicomputer | |
| genutzt hatten. | |
| In diesem Verfahren gilt Marko G. als Zeuge. Unter dem Pseudonym „Hombre“ | |
| war er der Administrator von Chatgruppen, in denen sich die | |
| Nordkreuz-Mitglieder vernetzten, er organisierte Treffen, sammelte Geld, um | |
| Depots mit Nahrungsmitteln, Treibstoff und Munition anzulegen. Einer aus | |
| der Gruppe sollte Leichensäcke organisieren. Laut Bundesregierung | |
| manifestiere sich bei dem harten Kern dieser Gruppe, dazu zählt auch Marko | |
| G., „eine gefestigte rechtsextremistische Einstellung“. | |
| Als die Ermittler damals zu Marko G. ins Haus kommen, finden sie: mehr als | |
| zwei Dutzend Waffen und sehr viel Munition. Darunter diverse Sportwaffen, | |
| eine Glock, eine Ruger, Blendgranaten, Schießpulver. Bei einer späteren | |
| Durchsuchung kommen unter anderem Telekopschlagstöcke und ein zur Fahndung | |
| ausgeschriebenes Winchester-Gewehr dazu. Insgesamt finden sie rund 55.000 | |
| Schuss Munition. Davon ein wesentlicher Teil aus Polizei- und | |
| Bundeswehrbeständen. | |
| Dass Marko G. im Keller seiner Schwiegereltern auch noch eine | |
| Uzi-Maschinenpistole, eine Kriegswaffe, liegen hat, erzählt er den | |
| Ermittlern genauso wenig wie von der Kriegswaffenmunition in seinem | |
| Bungalow. Die Uzi war 1993 bei der Bundeswehr in Brandenburg gestohlen | |
| worden. Die Ermittler finden sie erst im Sommer 2019. | |
| Es ist der 12. Dezember 2019, Marko G. sitzt im Gerichtssaal des Schweriner | |
| Landgerichts, als ein Analyst aus den Chats zitiert, um dessen Gesinnung zu | |
| beschreiben. Der Polizist, 49 Jahre alt, ist inzwischen angeklagt, weil er | |
| einige der Waffen und Kriegswaffenmunition nicht besitzen durfte. Er wird | |
| verurteilt: [3][21 Monate auf Bewährung]. Es geht also nicht um | |
| Rechtsextremismus, nicht um Terror, sondern um Verstöße gegen das | |
| Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. | |
| Der Richter betont, dass die Beurteilung der politischen Gesinnung nicht | |
| seine Aufgabe sei. Aber wessen dann? | |
| Die Durchsuchungen bei Nordkreuz-Mitgliedern vor über zwei Jahren markieren | |
| den Beginn unserer Recherche. Wir fragen uns, wie ernstzunehmend die | |
| Tötungsfantasien dieser Prepper sind. Wie gefährlich ist es, wenn unter | |
| vielen demokratischen Polizisten auch einige rechtsextreme sind? Was | |
| passiert, wenn sich all diese Menschen bestens vernetzen können, weil sie | |
| sich aus der Bundeswehr, dem Schützenverein, dem Internet gut kennen? | |
| Es gibt einen Mann, den diese Fragen besonders beschäftigen müsste. Lorenz | |
| Caffier von der CDU, seit 13 Jahren Innenminister von | |
| Mecklenburg-Vorpommern. Ihm ist die Polizei unterstellt, der | |
| Verfassungsschutz, er ist sogar Mitglied im Reservistenverband, in dem auch | |
| Marko G. und andere Nordkreuz-Männer aktiv waren. Wir haben ihn schon vor | |
| zwei Jahren vergeblich um ein Hintergrundgespräch gebeten. Als wir im | |
| Februar erneut anfragen, verschiebt die Sprecherin das Gespräch auf ein | |
| unbestimmtes „Später“. | |
| Also bitten wir andernorts um Antworten. Aus dem schriftlichen Urteil gegen | |
| Marko G. geht hervor, dass Munition, die bei ihm gefunden wurde, von der | |
| Polizei aus mindestens sieben Bundesländern stammt, dazu von der | |
| Bundespolizei, der Bundeswehr und dem Zoll. Wir fragen bei den | |
| entsprechenden Ministerien nach, ob es Nachforschungen gibt, ob und wie die | |
| Behördenmunition nach Mecklenburg-Vorpommern gelangt ist. Die Antwort | |
| meist: Das seien Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft in Schwerin | |
| führe. | |
| Dort erfahren wir: Es laufen offiziell zwar noch Ermittlungen wegen | |
| Diebstahls oder Unterschlagung, gegen drei ehemalige SEK-Kollegen von Marko | |
| G.. Sie sollen seit mindestens 2012 Munition aus Behördenbeständen | |
| gestohlen haben. Gegen Marko G. wurde der Vorwurf nicht weiterverfolgt, | |
| weil das neben den anderen Taten für das Strafmaß keine entscheidende Rolle | |
| gespielt hätte. Das Landgericht Schwerin schreibt im Urteil, es habe nicht | |
| feststellen können, „wie der Angeklagte an einzelne Munitionspositionen | |
| gelangt ist“. | |
| In Justizkreisen heißt es: Es sei zu aufwendig, die Wege der Munition | |
| nachzuverfolgen. | |
| Ist Marko G. durch Deutschland gefahren, um sich die Munition zu besorgen? | |
| Oder hatte er Verbindungen zu Kollegen in anderen Bundesländern, die ihm | |
| die Munition verschafften? | |
| Unsere Recherchen legen etwas anderes nahe. Sie führen uns zu einem | |
| Schießplatz in Güstrow, dessen Personal enge Verbindungen zu Nordkreuz hat. | |
| Und wir erfahren, dass es Gründe gibt, warum die Polizei in | |
| Mecklenburg-Vorpommern sich nicht so gerne damit beschäftigt. Diese Gründe | |
| reichen bis an die Spitze, zum Innenminister. | |
| ## Die SEK-Kommission | |
| Im Juni 2019 kam Marko G. in Untersuchungshaft. Er wurde nun wegen seines | |
| Waffenarsenals und der vielen Munition beschuldigt, das führte später zu | |
| dem Prozess und zu der Bewährungsstrafe. | |
| Lorenz Caffier sagte damals über ihn und die drei anderen Polizisten, gegen | |
| die noch ermittelt wird: „Ich bin über das, was als Vorwurf im Raum steht, | |
| zutiefst erschüttert.“ Er werde „eine strukturelle und personelle | |
| Überprüfung dieser Diensteinheit veranlassen, um jeglichen Anschein und | |
| Unterstellungen einer Verstrickung auszuräumen“. Caffier beruft [4][eine | |
| Kommission, die die Vorgänge im SEK untersuchen soll]. | |
| Mehrere Monate lang reisen ein ehemaliger Chef des Bundesamtes für | |
| Verfassungsschutz, einer des Hamburger Landesverfassungsschutzes und ein | |
| früherer Bundespolizeichef durch Mecklenburg-Vorpommern. Sie suchen nicht | |
| nach Gesetzesverstößen, sondern nach Erklärungen. Polizisten sind Teil der | |
| Exekutive, der ausführenden Gewalt, es ist ihre Aufgabe, den demokratischen | |
| Rechtsstaat zu verteidigen. Wie kommt es, dass ausgerechnet sie | |
| rechtsradikales Gedankengut in sich tragen? | |
| Der Kommissionsbericht fällt hart aus. Er beschreibt, wie rechtsextreme | |
| Polizisten die Meinungsführerschaft innerhalb einer SEK-Einheit übernehmen | |
| konnten und ihre Vorgesetzten nichts dagegen unternahmen. Daraus ließe sich | |
| viel lernen, doch die 100 Seiten sind geheim. Einsehen können sie nur | |
| wenige, darüber reden dürfen sie nicht. Nur eine achtseitige | |
| Zusammenfassung hat das Innenministerium veröffentlicht. Also recherchieren | |
| wir der Kommission hinterher, sprechen mit vielen Personen, die mit der | |
| Sache beschäftigt waren. | |
| Daraus ergibt sich: Marko G. fiel bereits früh rechtsextrem auf. Im | |
| Innenausschuss des Landtages erfahren die Abgeordneten beispielsweise von | |
| Büchern über die Wehrmacht und die SS, die Marko G. zur Arbeit mitbrachte. | |
| Sie hören, von T-Shirts mit einem Spruch, der „eindeutig sei“. Die | |
| Kommission schildert auch, dass sich mindestens zwei Polizisten mündlich | |
| und schriftlich an Vorgesetzte wandten und Marko G. als „rechts verankert“ | |
| beschrieben. Die Vorgesetzten unternahmen nichts. Das war 2009, Marko G. | |
| wurde damals für den gehobenen Dienst fortgebildet. | |
| Sogar in der alten Bundeswehrakte von Marko G. stoßen die | |
| Kommissionsmitglieder auf Auffälligkeiten: Sein „Interesse für die jüngere | |
| Militärgeschichte“ sei darin explizit vermerkt. | |
| Und noch etwas fällt der Kommission auf. Marko G. sei 1993 als | |
| Bundeswehrsoldat ausgerechnet bei der Einheit in einem Brandenburger | |
| Panzerbataillon eingesetzt gewesen, bei der jene Uzi verschwand, die 2019 | |
| in Marko G.s Arbeitszimmer wieder auftaucht. Das erklärte die Kommission in | |
| einer Ausschusssitzung. | |
| Vor Gericht hatte Marko G. gesagt, er habe die Uzi auf einem Parkplatz vor | |
| einer Waffenmesse in Kassel gekauft. Das Gericht übernimmt diese Aussage in | |
| seinem Urteil als Faktum. Bislang hat kein Ermittler beim Veranstalter der | |
| Waffenmesse nachgefragt. | |
| Bereits Ende 2016 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Männer in | |
| Mecklenburg-Vorpommern mit ihren Gedankenspielen zum Tag X beobachtet. Mit | |
| „erheblichen“ nachrichtendienstlichen Mitteln, so nannte es ein leitender | |
| Verfassungsschutzmitarbeiter im Innenausschuss des Bundestages. Mindestens | |
| ein Mal informierte die Bundesbehörde das Landesamt für Verfassungsschutz | |
| über Nordkreuz. Trotzdem erfährt die SEK-Kommission: Das Landesamt verfügt | |
| über so gut wie keine eigenen Erkenntnisse. | |
| Der Innenminister hat auf den Bericht der Kommission reagiert. Unter | |
| anderem soll das SEK künftig nicht mehr dem LKA unterstellt sein, sondern | |
| der Bereitschaftspolizei. Auch zwei Führungspersonen wurden versetzt. Der | |
| LKA-Chef beispielsweise. Er arbeitet nun beim Verfassungsschutz des Landes | |
| – im Fachbereich Rechtsextremismus. | |
| ## Der Schießplatz in Güstrow | |
| Einmal im Jahr trafen sich 70 Kilometer von Schwerin entfernt auf einem | |
| Schießplatz Spezialkräfte aus ganz Deutschland und darüber hinaus. | |
| Sondereinsatzkommandos, Bereitschaftspolizeieinheiten, GSG-9-Teams, EKO | |
| Cobra aus Österreich, SWAT-Teams aus den USA, KSK-Soldaten, kurzum: | |
| Einheiten mit besonderen Schießfähigkeiten. Die lernen sie von einem Mann | |
| mit erstaunlicher Geschichte: Frank T., mehrfacher deutscher Meister mit | |
| der Kurzwaffe. | |
| Wo man sich in der Sicherheitsbranche auch umhört, T. gilt als einer der | |
| größten Könner. Bei seiner Firma Baltic Shooters in Güstrow können | |
| Fachkräfte üben, was so nur an wenigen Orten in Deutschland geht: Schießen | |
| aus der Bewegung, auf lange Distanz, aus dem Auto heraus. Und weil nur die | |
| besten Berufsschützen zu Frank T. kommen, zieht er die großen | |
| Rüstungsfirmen an: Heckler & Koch, Rheinmetall, Schmeisser Waffen, Sig | |
| Sauer, Ruag, MEN. | |
| „Special Forces Workshop“ heißt die renommierteste Veranstaltung, sie fand | |
| jedes Jahr drei Tage lang im Sommer statt. Mitveranstalter war bis 2018 das | |
| Landeskriminalamt, Marko G.s früherer Arbeitgeber. Innenminister Lorenz | |
| Caffier war Schirmherr und schaute meist auch selbst vorbei. | |
| Als die Nordkreuz-Ermittlungen 2017 bekannt werden, sind sie kein Grund für | |
| das Innenministerium, die Kooperation einzustellen. Dabei ist schnell klar, | |
| dass auch Frank T. Mitglied der Nordkreuz-Gruppe war. Das hatte ein Zeuge | |
| dem BKA gesagt, wir haben später in der taz darüber geschrieben. | |
| Eher als andere war Frank T. aus der Nordkreuz-Gruppe ausgetreten, ihr aber | |
| als Unterstützer verbunden geblieben. Nordkreuz-Mitglieder kauften bei ihm | |
| Waffen und Munition, sie gingen bei ihm schießen. Mehr noch: Auch andere | |
| frühere Nordkreuz-Mitglieder arbeiten für Frank T. als Trainer, so auch der | |
| Mann, dem Marko G. an Hitlers Geburtstag „Happy Birthday“ schickte. Sogar | |
| Marko G. selbst war in Güstrow Trainer für zivilen Schießsport. | |
| Erst nach den erneuten Durchsuchungen im Sommer 2019, als Ermittler auch | |
| bei Frank T.s Schießstand auftauchen, beendete das Land die Nutzung der | |
| Anlage. | |
| Aber wie kann es sein, dass die wichtigsten Schießtrainings bei Zivilisten | |
| stattfanden? | |
| Kurz gesagt: Es gab den Bedarf und es gab das Angebot. Auf Details wurde | |
| offenbar nicht geachtet. Die SEK-Kommission rügt in ihrem Bericht die enge | |
| Zusammenarbeit des LKA mit dem Betreiber des Schießplatzes. | |
| Vergaberechtliche Vorgaben seien nicht beachtet worden und waffenrechtliche | |
| Besonderheiten nicht genügend berücksichtigt. Und weiter: „Ein besonderes | |
| Problem sieht die Kommission darin, dass einem privaten Betreiber | |
| ermöglicht wurde, genaue Einblicke in polizeiliche Interna zu erlangen.“ | |
| Und es gab wohl noch ein anderes Problem. Der Schießplatz in Güstrow ist | |
| ein Ort, an dem sich Marko G. sehr gut seine Munition besorgt haben könnte. | |
| Wir haben in Innenministerien, beim Zoll und der Bundeswehr nachgefragt, | |
| wie der Munitionsgebrauch bei Übungen nachvollzogen wird, um mögliche | |
| Verluste zu bemerken. Man teilt uns mit, das werde dokumentiert. Als wir | |
| bei Munitionsherstellern anrufen, erfahren wir: Detailliert lässt sich | |
| Munition oft gar nicht verfolgen. | |
| Ein Beispiel: Die Ermittler finden bei Marko G. 12 Kartons à 10 Patronen | |
| „Remington Sniperline“, Kaliber 223 von MEN. Sie sind mit einer Losnummer | |
| markiert, mit der Hersteller nachvollziehen können, an wen sie verkauft | |
| wurde. Das Problem allerdings: Losnummern identifizieren nicht einzelne | |
| Patronen, sondern nur eine Produktionscharge, also beispielsweise Patronen | |
| eines Typs, die in einem Durchlauf gefertigt wurden. | |
| Die Ermittler finden so heraus, an wen die Munition ging, von der sie 120 | |
| Patronen später bei Marko G. fanden: 5.270 Stück gingen an Workshops des | |
| Munitionsherstellers MEN, 1.000 Stück an die Polizei im niederländischen | |
| Apeldoorn, 90 Stück an Polizeispezialeinheiten in Nordbayern, 3.000 Stück | |
| an das Polizeipräsidium Frankfurt. In diesem Fall erscheint es in der Tat | |
| schwierig, nachzuverfolgen, woher die Patronen bei Marko G. ursprünglich | |
| stammten. | |
| Bei anderen ist das einfacher. Tausende der bei Marko G. gefundenen | |
| Patronen sind der Firma Baltic Shooters oder Frank T. zuzuordnen. Auf | |
| manchen Kisten steht sogar sein Name. Andere gingen an das SEK | |
| Mecklenburg-Vorpommern, das jahrelang auf dem Schießplatz trainierte, an | |
| das LKA oder an die Polizeiverwaltung. Diese Munition kann Marko G. auf dem | |
| Platz entwendet oder von jemandem bekommen haben. | |
| Wieder andere Chargen, von denen Patronen bei Marko G. sichergestellt | |
| wurden, gingen bundesweit an Polizeidienststellen. Es wäre nun denkbar, | |
| dass Marko G. durch Deutschland fuhr, um sie zu klauen. Er könnte auch | |
| Komplizen gehabt haben, die ihm Munition besorgten. Oder er hat vom | |
| Umschlagplatz Güstrow profitiert. | |
| So wurden bei Marko G. 356 Patronen einer Charge gefunden, die 2009 und | |
| 2010 unter anderem an Schleswig-Holstein und die Polizei Berlin geliefert | |
| wurden. Aus beiden Ländern waren in den Folgejahren Teams in Güstrow. | |
| Oder 102 Patronen, die im Mai 2018 an das Polizeiverwaltungsamt Sachsen | |
| geliefert wurden. Im Juli 2018 nahmen sächsische Polizisten am Workshop | |
| teil. | |
| Mehr als 1.900 Patronen stammen aus NRW. Mitglieder mehrerer | |
| Spezialeinheiten von dort waren immer wieder in Güstrow. | |
| In fast allen Fällen lassen sich unter den Munitionsempfängern | |
| Polizeibehörden finden, deren Beamte in Güstrow waren. Auch mehrere | |
| Munitionshersteller – darunter Ruag und MEN – brachten Patronen zum | |
| Workshop mit. | |
| Eine Person, die vor einigen Jahren am „Special Forces Workshop“ | |
| teilgenommen hat, schildert uns: „Die Munition stand offen rum, man konnte | |
| sich Patronen nehmen und ballern.“ Es sei nichts aufgeschrieben worden und | |
| es habe auch keine Kontrollen gegeben. „Ich hätte sogar eine Pumpgun | |
| einstecken können und rauslaufen.“ | |
| Wir haben das Innenministerium Schleswig-Holstein gefragt, ob derartige | |
| Schilderungen zutreffen. Dort erklärt man uns, der Verbrauch der Munition | |
| sei vor Ort vermerkt worden. Das widerspricht der Darstellung des | |
| Teilnehmers. | |
| Frank T. antwortet nicht auf eine taz-Anfrage. Der Munitionshersteller Ruag | |
| Ammotec teilt mit, an Teilnehmer sei nur „Munition in geringer Stückzahl“ | |
| abgegeben worden und im Anschluss an die Veranstaltungen habe man „keine | |
| Fehlbestände beim Material festgestellt“. MEN wollte sich nicht äußern. Die | |
| Sprecherin des Innenministers in Schwerin schreibt uns knapp, es habe keine | |
| Personen- oder Gepäckkontrollen durch das Landeskriminalamt gegeben. | |
| Ob es zutrifft, dass Lorenz Caffier als Schirmherr auf den Güstrower | |
| Schießstand kam und sich auch von Frank T. an der Waffe ausbilden ließ, | |
| lässt sie hingegen unbeantwortet. Genauso wie die Frage, ob das | |
| Innenministerium eine Sicherheitsüberprüfung von Frank T. und seinen | |
| Mitarbeitern durchgeführt hatte, bevor sie Zugang bekamen zum sensibelsten | |
| Wissen, über das eine Polizei verfügt. | |
| Stattdessen heißt es in der Antwort: „Mit der Genehmigung zum Betreiben | |
| eines Schießstandes oder der Gewerbeanmeldung für ein Einzelunternehmen | |
| wie,Baltic Shootersʻ sind gewerberechtliche und waffenrechtliche Auflagen | |
| zu erfüllen, deren Einhaltung durch die zuständigen Ämter (Gewerbeamt, | |
| Untere Waffenbehörde etc.) überprüft bzw. kontrolliert werden.“ | |
| Kurzgefasst: Irgendeine Behörde wird das schon gemacht haben. | |
| In einer dieser Waffenbehörden arbeitet ein Mann, der als Zeuge vor Gericht | |
| gegen Marko G. aussagte. Gemeinsam mit einem Kollegen ist er für einen | |
| ganzen Landkreis zuständig. Er hat Marko G. die Waffenbesitzkarten | |
| ausgestellt, den Munitionserwerbsschein, er bestätigt, dass G. selbst als | |
| Sachverständiger registriert ist. Manchmal, erklärt er vor Gericht, habe er | |
| sich bei ihm Rat geholt. Die beiden duzen sich. Was der Behördenmitarbeiter | |
| nicht sagt: Auch er war Mitglied im Reservistenverband, wie so viele aus | |
| dem engeren Kreis von Nordkreuz. Auch er ging gerne schießen. | |
| Nach der ersten Durchsuchung nimmt er Marko G.s Waffen und Munition mit. | |
| Später entzieht er ihm alle Berechtigungen. Und Marko G. durfte bestimmen, | |
| was mit den legalen Waffen und der Munition passiert: Sechs Waffen und | |
| Munition wurden laut der Behörde an einen Waffenhändler übergeben. | |
| „Welcher Waffenhändler war das, an den die Gegenstände ausgehändigt | |
| wurden?“, fragt die Staatsanwältin. | |
| „Das ist ein Waffenhändler in Güstrow“. Der Beamte der Waffenbehörde | |
| blättert in dem Ordner, der vor ihm auf dem Tisch liegt. | |
| Staatsanwältin: „Ich helfe ihnen auf die Sprünge. Könnte es Herr T. sein? | |
| Behördenmitarbeiter: Ja. | |
| Den Angaben der Behörde zufolge wurden nicht alle der sichergestellten | |
| Patronen an den Eigentümer der Firma Baltic Shooter übergeben, unklar ist, | |
| wie viele es waren und welche. | |
| Weil er keinen Platz mehr gehabt habe, sagt der Behördenmitarbeiter vor | |
| Gericht, habe Frank T. die Waffen später der Behörde zurückgegeben. Und | |
| beiläufig berichtet er dann noch vom Verbleib von Patronen, deren Weg zu | |
| Marko G. wohl nie mehr offiziell geklärt werden wird. Er sagt: „Die | |
| Munition wurde verschossen.“ | |
| 4 Apr 2020 | |
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