Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polizei in Mecklenburg-Vorpommern: Nazi-Chats und Auslandsmissionen
> Ein Polizist aus Rostock hatte Kontakt zum „Nordkreuz“-Chef. Bei ihm
> wurden Waffen und Munition gefunden – und er war für Frontex im Einsatz.
Bild: Ein Beamter der Bundespolizei im Einsatz in Griechenland
Berlin taz | Als Polizeibeamte in Rostock die Wohnung eines Kollegens von
der Wasserschutzpolizei durchsuchten, ging es eigentlich um ein
Disziplinarverfahren. Dann aber fanden sie Patronen, die offenbar unter das
Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, Waffen und Devotionalien aus der
NS-Zeit.
Der Fall erinnert an andere rechtsextreme Vorfälle in der Polizei
Mecklenburg-Vorpommern, an Haik J. etwa, den Kriminalpolizisten, der
Feindeslisten geschrieben haben soll und Mitglied der Prepper-Gruppe
„Nordkreuz“ war. Diese Gruppe hatte Marko G. ins Leben gerufen, ein
ehemaliger SEK-Polizist. Er ist inzwischen [1][wegen illegalen Waffen- und
Munitionsbesitzes verurteilt.]
Der Fall des Wasserschutzpolizisten ist [2][seit November 2019 öffentlich],
das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern hatte sich damals aber
uneindeutig dazu geäußert, ob es eine Verbindung zwischen den
Nordkreuz-Männern und dem Wasserschutzpolizisten Sven J. gibt. Wie
taz-Recherchen jetzt zeigen, ist Sven J. aber überhaupt nur aufgefallen,
weil Ermittler Chatnachrichten von Marko G. nach rechtsextremen Äußerungen
durchforsteten.
Die LKA-Ermittler fanden Nachrichten von Sven J., die sie für
strafrechtlich relevant hielten, wie aus einem Protokoll des
Innenausschusses im Schweriner Landtag vom Dezember hervorgeht. Die
Staatsanwaltschaft Schwerin sah allerdings keinen hinreichenden
Tatverdacht. Es wurde also ein Disziplinarverfahren eingeleitet, in dessen
Zuge auch sein Haus durchsucht und Waffen gefunden wurden.
## „Zweifel an der Verfassungstreue“
Die Staatsanwaltschaft ließ damals verlauten, sie sehe keine Anhaltspunkte
für eine Verbindung zu rechtsextremen Netzwerken. Eine unabhängige
Expertenkommission hatte zuvor festgestellt, dass sich das Problem der
vernetzten rechtsextremen Polizisten auf eine einzelne Gruppe im
Spezialeinsatzkommando beschränke. Allerdings hatte die Kommission auch nur
den Auftrag, sich die beim LKA Mecklenburg-Vorpommern angesiedelten
Spezialeinheiten anzuschauen; die Wasserschutzpolizei gehört da nicht dazu.
Die Ermittlungen liegen nun bei der Staatsanwaltschaft in Rostock. Sprecher
Harald Nowack teilte mit, von der Verbindung zu Marko G. habe man dort
nichts gewusst. Derzeit prüfe die Staatsanwaltschaft die gefundenen Waffen
und die Munition darauf, ob sie überhaupt ein Verstoß gegen das
Waffengesetz oder das Kriegswaffenkontrollgesetz darstellten. „Die
Auswertung der EDV hat noch nicht stattgefunden“, sagte Nowack.
Chatnachrichten seien bislang für die Ermittlungen noch nicht relevant.
Der Fall ist nicht nur deshalb interessant, weil Sven J. im Austausch mit
dem Ex-SEK-Beamten Marko G. stand, der zeitweise zur Wasserschutzpolizei
abgeordnet war. Die Personalie Sven J. ist noch aus einem weiteren Grund
brisant: Ausgerechnet der Polizist, bei dem heute laut Innenministerium
„Zweifel an der Verfassungstreue“ bestehen, war mehrfach bei
Polizeimissionen im Ausland eingesetzt. In den Jahren 2010 bis 2019 seien
es neun Einsätze gewesen, bestätigt das Innenministerium.
2010 war Sven J. Teil des deutsch-afghanischen Polizeiausbildungsprojekt
GPPT in Masar-e Scharif. Ein paar Jahre später wurde er nach Südeuropa
geschickt: Er war Teil der Frontex-Mission „Poseidon“ zur „Verhinderung d…
illegalen Migration und Unterstützung der griechischen Behörden bei der
Überwachung der Seegrenzen und der Feststellung von Schleusern“, wie das
vom Landesinnenminsterium herausgegebene „Polizei-Journal“ schrieb.
## Mission: Flüchtlinge retten
Die Polizisten waren auf Kontroll- und Streifenbooten der Bundespolizei
unterwegs, um entlang der türkischen Seegrenze Schiffe zu kontrollieren,
Schleuser festzunehmen und gegebenenfalls Flüchtlinge zu retten. Seit
Anfang 2018 waren auch Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern dabei. „Die
Einbindung einer Landeswasserschutzpolizei ist bundesweit einmalig“, hieß
es damals.
Sven J. war zusammen mit einem Kollegen der erste Beamte aus dem
Bundesland, der auf die Insel Samos geschickt wurde, vier Wochen lang war
er dort. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler schon Marko G. im Blick,
bei ihm waren [3][zehntausende Schuss Munition und Waffen] sichergestellt
worden, die der Prepper als Vorbereitung auf einen „Tag X“ gehortet hatte.
Und 2019 war Sven J. dann erneut im Auslandseinsatz. Im Innenausschuss in
Schwerin sagte der Staatssekretär: Sven J.s Gesinnung sei viel zu spät
aufgefallen.
Laut Innenministerium laufen derzeit elf Disziplinarverfahren gegen
Polizisten, die im weitesten Sinne mit Rechtsextremismus zu tun haben. Acht
davon stehen in Zusammenhang mit dem Fall Marko G.
Anm. d. Red.: Im fünften Absatz wurde klargestellt, dass die
Expertenkommission keine Aussagen getroffen hat, die die gesamte Polizei
Mecklenburg-Vorpommern betreffen.
19 Apr 2020
## LINKS
[1] /Urteil-im-Prepper-Prozess/!5647333
[2] /Polizei-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5645616
[3] /Rechte-Prepper-Gruppe-Nordkreuz/!5674282
## AUTOREN
Christina Schmidt
Sebastian Erb
## TAGS
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Prepper
Frontex
Polizei Mecklenburg-Vorpommern
Rechtsextremismus
Waffen
Munition
Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
Polizei
Schwerpunkt Pegida
Nordkreuz
Waffenrecht
Schwerpunkt Hannibals Schattennetzwerk
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erneut Waffenfund in Niedersachsen: Ein fast legales Waffenlager
Ein mutmaßlicher Reichsbürger hat in Seevetal Waffen und Munition gehortet
– mit Genehmigung der Stadt.
Rechte Preppergruppe Nordkreuz: Der Zoll schießt weiter in Güstrow
Wegen einer Munitionsklauaffäre haben viele Behörden die Zusammenarbeit mit
einem Schießplatz in Güstrow beendet. Aber nicht alle.
Rechter KSK-Soldat bei der Bundeswehr: Zu Hause beim „Nazi-Opa“
Ein KSK-Soldat versteckte Kriegswaffen und Sprengstoff in seinem Haus.
Wieso blieb das so lange unentdeckt?
Kampagne „Entnazifizierung jetzt“: Mit Sicherheit rechts
Die Kampagne „Entnazifizierung jetzt“ will Wissen über rechte Strukturen in
Sicherheitsbehörden sammeln. Helfen soll dabei eine Crowd-Recherche.
Pegida-Demo trotz Corona: Nutznießer der Lockerung
Rechte Straßenpöbler nutzen den Montagabend, um unter strengen Auflagen zu
demonstrieren – zufällig am Geburtstag von Adolf Hitler.
Rechte Prepper-Gruppe Nordkreuz: Die Spur nach Güstrow
Ein SEK-Polizist ist für seine rechte Gesinnung bekannt. Warum konnte er
massenhaft Munition horten?
Polizei in Mecklenburg-Vorpommern: Wieder Waffenfunde bei Polizist
Erneut wird das Haus eines Polizisten im Norden Deutschlands durchsucht. Es
gibt Zweifel an seiner Verfassungstreue.
Rechter Terror in Deutschland: Auf der Feindesliste
Mitglieder der Preppergruppe Nordkreuz sollen geplant haben, politische
Gegner zu töten. Was tut der Staat gegen rechten Terror?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.