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# taz.de -- Rechter KSK-Soldat bei der Bundeswehr: Zu Hause beim „Nazi-Opa“
> Ein KSK-Soldat versteckte Kriegswaffen und Sprengstoff in seinem Haus.
> Wieso blieb das so lange unentdeckt?
Bild: Der KSK-Soldat wird im Polizeiwagen zum Haftrichter eskortiert
Wermsdorf und Berlin taz | Als der Haftrichter am Donnerstag entscheidet,
dass der KSK-Soldat in Untersuchungshaft bleiben muss, sind die
Ermittlungen bei ihm zu Hause noch nicht abgeschlossen: Mit einem Bagger
durchgraben Ermittler des Landeskriminalamts Sachsen den Garten seines
Einfamilienhauses in Wermsdorf-Collm in Nordsachsen, eine Drohne erkundet
das Gelände, sie suchen nach Waffen, Munition, Sprengstoff. Und werden
wieder fündig.
Tags zuvor hatten Ermittler bereits eine AK-47 bei ihm sichergestellt,
Munition und Plastiksprengstoff in großen Mengen, laut Sicherheitskreisen
aus Bundeswehrbeständen. Auch am Freitag dauerten die Durchsuchungen an. Es
geht in diesem Fall um Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das
Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz. Und um die Frage: Was hatte der
Soldat damit vor?
Der Soldat im Range eines Oberstabsfeldwebels heißt Philipp Sch., er ist 45
Jahre alt, nach taz-Recherchen ist er Heeresbergführer und war mehrfach im
Auslandseinsatz. Zuletzt war er offenbar beim Kommando Spezialkräfte (KSK)
als Ausbilder eingesetzt. Dass seine Personalie öffentlich bekannt wird,
ist daher außergewöhnlich: Das KSK ist eine streng abgeschottete Einheit,
die im baden-württembergischen Calw stationiert ist.
Elite, sagen die einen. Eine Einheit, in der es auffällig oft zu
rechtsextremen Verfehlungen kommt, sagen die anderen. Es ist jedenfalls die
Einheit, in der auch [1][André S. alias Hannibal] Mitglied war. Dieser
hatte ein [2][rechtes Preppernetzwerk] gegründet und paramilitärische
Trainings für Zivilisten durchgeführt. Derzeit stuft der MAD rund 20
KSK-Soldaten als Verdachtspersonen ein.
## Hitlergrüße bei einer KSK-Party
Auch auf Philipp Sch. kamen die Ermittler aufgrund eines rechtsextremen
Vorfalls. Am 27. April 2017 verabschiedeten Mitglieder der 2. KSK-Kompanie
ihren damaligen Kommandanten Oberstleutnant Pascal D. mit einer Party: Er
sollte einen Parcours absolvieren und dabei unter anderem Schweineköpfe
werfen.
Als Gewinn gab es Sex mit einer Frau, die eigens zu diesem Zweck angereist
war. Sie war es, die sich später an Journalisten des Y-Kollektivs wandte
und von Hitlergrüßen berichtete, die Pascal D. und andere an diesem Abend
gezeigt hätten. Und von Musik der rechtsextremen Band Sturmwehr. Der
Kommandeur Pascal D. wurde aufgrund dieser Vorkommnisse zu einer Geldstrafe
verurteilt. Er ist der einzige, für den die Party juristische Konsequenzen
hatte, einige wenige andere mussten Disziplinarmaßnahmen hinnehmen.
Recherchen der taz ergaben, dass auch Philipp Sch. bei dieser Party
anwesend war. Die Zeugin nannte ihn den „Nazi-Opa“. Im KSK ist Phillip Sch.
unter seinem Spitznamen „Schäfchen“ bekannt. Menschen, die ihn aus Calw
kennen, sagen: Der Name ist Programm. Er sei ein harmloser Typ, der im
Kasernenalltag nicht negativ aufgefallen sei.
Der Bundeswehrgeheimdienst MAD hat ihn trotzdem seit besagter Party
beobachtet. Aufgabe des MAD ist es, extremistische Bestrebungen bei
Soldaten zu entdecken. Anfang 2020 habe der Dienst schließlich Hinweise
darauf erhalten, dass Sch. Waffen- und Munitionsverstecke angelegt haben
soll, heißt es in einem internen Papier für die Verteidigungspolitiker des
Bundestags. Der Dienst schaltete daraufhin die Ermittlungsbehörden in
Sachsen ein.
## Drei Jahre unter Beobachtung
Drei Jahre nachdem Philipp Sch. zum ersten Mal aufgefallen war, kündigt die
Bundeswehr nun disziplinarrechtliche Schritte an: Gegen Sch. werde ein
Uniformtrageverbot erlassen; er dürfe seine Kaserne nicht mehr betreten,
sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch
im Bundestag. „Niemand, der in radikaler Art und Weise in unseren
Streitkräften auffällt, hat in der Bundeswehr Platz“, sagte
Kramp-Karrenbauer weiter, „wir gehen jedem Fall mit Härte und Konsequenz
nach“. Die Ermittlungen bewertete sie als Erfolg.
Noch am selben Tag war MAD-Chef Christoph Gramm im Verteidigungsausschuss
zu Gast, auch das Parlamentarische Kontrollgremium kam zusammen. Obwohl in
allen Presseinformationen betont wurde, dass die Arbeit des Geheimdienstes
überhaupt erst zu den Ermittlungen geführt hatte, konnte Gramm kaum
Auskunft geben – auch nicht erklären, warum Philipp Sch. drei Jahre lang
unter Beobachtung stand und trotzdem Waffen horten konnte.
Unter Parlamentariern ist das Erstaunen über diese spärlichen Informationen
groß: „Das Ministerium und der MAD haben jahrelang alle Hinweise eher
abgetan“, sagt Tobias Pflüger, Verteidigungspolitiker der Linken. „Ein
‚Erfolg‘ ist das Ganze nicht. Es ist ein Beginn, an die Substanz des
Problems zu kommen: Es gibt aktive rechte Netzwerke in der Bundeswehr, die
wirklich gefährlich sind.“
Eine der Fragen, die die Ermittler dafür nun klären müssen, ist der Weg des
Sturmgewehrs, eine Kriegswaffe, die man so in Deutschland nicht besitzen
darf. Während sich viele am KSK-Standort Calw nicht zusammenreimen können,
warum Philipp Sch. alias “Schäfchen“ Munition und Sprengstoff hortete,
haben sie zu der AK-47 eine Theorie: Er könnte das Sturmgewehr als Andenken
aus Afghanistan mitgenommen haben. Das komme schon mal vor, heißt es, dass
nach dem Einsatz beschlagnahmte Waffen im Gepäck nach Hause landen, mit
zugeschweißtem Rohr, also behelfsmäßig demilitarisiert – oder auch nicht.
Auch in Wermsdorf-Collm versuchen sich die Nachbarn von Philipp Sch. einen
Reim auf den Mann zu machen. Obwohl er seit mehr als zehn Jahren dort lebt,
wurde er wenig gesehen. Einer berichtet der taz, Philipp Sch. sei ab und zu
mit seinem Sohn unterwegs gewesen, in „Kampfmontur“ und mit einem großen
Rucksack seien sie zusammen in den Wald gegangen und am nächsten Morgen
wiedergekommen. Auch der Sohn, sagt der Nachbar, sei inzwischen bei der
Bundeswehr.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes wurde Philipp Sch. als
Philipp S. abgekürzt. Es handelt sich um die selbe Person.
15 May 2020
## LINKS
[1] /Prozess-nach-Kellerfund/!5661843
[2] /Rechtes-Netzwerk-in-der-Bundeswehr/!5548926
## AUTOREN
Christina Schmidt
Sarah Ulrich
Sebastian Erb
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