| # taz.de -- Prozess nach Kellerfund: „Hannibal“ zu Geldstrafe verurteilt | |
| > Der Ex-KSK-Soldat André S. muss 120 Tagessätze zahlen. Das Amtsgericht | |
| > Böblingen verurteile ihn wegen illegalen Besitzes von Sprengkörpern. | |
| Bild: KSK-Soldaten stürmen ein Haus (Archivbild) | |
| Böblingen taz | Für den Fall, dass man beim Zugriff keine Tür benutzen | |
| kann, hat die Bundeswehr sogenannte Zugangssprenger. André S. war so einer, | |
| beim Kommando Spezialkräfte (KSK). Und nun wurde er, der | |
| Sprengstofffachmann, verurteilt, weil er Sprengkörper, Ladungen und Zünder | |
| bei sich im Keller liegen hatte. Das Böblinger Amtsgericht verhängte am | |
| Montag eine Strafe von 120 Tagessätzen à 15 Euro wegen Verstoßes gegen das | |
| Waffen- und das Sprengstoffgesetz. | |
| [1][Zwei Prozesstage lang] hatten Ermittler des Bundeskriminalamtes und des | |
| baden-württembergischen Landeskriminalamtes geschildert, wie sie in Halle | |
| und in Sindelfingen in Keller stiegen und mit Übungshandgranaten, | |
| Nebelpatronen und Zündschnüren wieder nach oben kamen. Etwa zwei Dutzend | |
| Teile insgesamt. „Erkennbar aus Bundeswehrbeständen“, sagte ein | |
| Sprengstoffexperte des baden-württembergischen Staatsschutzes. „DM“ habe | |
| darauf gestanden, Deutsche Munition. | |
| Spricht man mit Bundeswehrangehörigen, heißt es häufig: Das sei normal, man | |
| nehme schonmal hier eine Signalleuchtpatrone mit oder dort einen | |
| Granatenzünder. War es das, was Ermittler bei André S. fanden: Trophäen? | |
| Unachtsam gelagerte Munitionsreste? | |
| Eine Übungshandgranate ist keine Granate. Sie erzeuge einen Knall, | |
| schildert der Sprengstoffexperte vor Gericht. Aber falsch | |
| zusammengeschraubt sprenge man damit Finger ab. Das Amtsgericht hatte | |
| [2][zunächst einen Strafbefehl erlassen], wollte die Sache schnell | |
| erledigen. André S. bestand aber auf einen Prozess, sein Anwalt sah seine | |
| Schuld nicht als erwiesen an. Das alles wäre nicht besonders relevant, | |
| handelte sich bei dem Angeklagten um einen gewöhnlichen Soldaten. So aber | |
| führt der Prozess weiter, in ein Netzwerk, in dem manche Menschen privat | |
| für Katastrophen vorsorgen und andere mutmaßlich rechtsextreme Straftaten | |
| planten. Denn André S. wurde als „Hannibal“ bekannt, als Gründer des | |
| gleichnamigen Netzwerkes. | |
| ## Disziplinarverfahren noch anhängig | |
| André S. trat 2004 der Bundeswehr bei, wurde Fallschirmjäger, Infanterist, | |
| durchlief die Kommandoausbildung des KSK. Er war im Ausland im Einsatz. | |
| 2018 dann verhängte die Bundeswehr ein Dienstausübungsverbot, André S. | |
| durfte keine Uniform mehr tragen. Er wurde schließlich vom KSK zurück zu | |
| den Fallschirmjägern versetzt. Im Herbst 2019 Jahres schied er aus dem | |
| Dienst aus, „auf eigenen Wunsch“ zitiert ein Zeuge vor Gericht die Auskunft | |
| der Bundeswehr. Ein Disziplinarverfahren ist derzeit noch anhängig. | |
| Noch während André S. bei der Bundeswehr dafür zuständig war, die | |
| öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, gründete er ein privates | |
| [3][Netzwerk sogenannter Prepper], für Menschen also, die sich auf | |
| Katastrophen vorbereiten. Recherchen der taz haben gezeigt, dass es sich | |
| dabei aber nicht um Naturkatastrophen handelte, sondern um politische | |
| Fragen: Viele im Netzwerk fürchteten, zu viele Flüchtlinge könnten nach | |
| Deutschland kommen. Dagegen wollten sie sich verteidigen. | |
| Seit Anfang 2016 organisierten sie sich in regionalen Gruppen, verabredeten | |
| in Chats mit den Namen Nord, Süd, West und Ost Fluchtrouten oder | |
| Erkennungszeichen. In Norddeutschland hortete ein führendes Mitglied 55.000 | |
| Schuss Munition und auch Waffen, darunter eine illegale Maschinenpistole, | |
| [4][er wurde deshalb kürzlich verurteilt]. Gegen zwei weitere Prepper | |
| ermittelt die Bundesanwaltschaft, auch sie sollen Feindeslisten angelegt | |
| und die Tötung von Menschen geplant haben. Das Bundesamt für | |
| Verfassungsschutz schätzt mehrere Mitglieder des Netzwerkes als | |
| rechtsextrem ein. | |
| Im Frühjahr 2016 gab André S. in einer Chatnachricht der Südgruppe mehrere | |
| „Safe Häuser“ bekannt, sichere Rückzugsorte, an denen man sich im Falle | |
| einer Krise treffen könnte. Darunter das Autohaus seiner Familie in Halle. | |
| Und auch die Kaserne in Calw, in der das KSK streng abgeschirmt trainiert. | |
| Bei Treffen wurde nach taz-Recherchen darüber diskutiert, ob man die | |
| Kaserne nicht auch übernehmen könne. | |
| ## Die Losnummern zerkratzt | |
| Beide Orte durchsuchten BKA-Beamte im September 2017, sie wollten | |
| Schusswaffen eines Preppers finden, dem die „Vorbereitung einer schweren | |
| staatsgefährdenden Gewalttat“ vorgeworfen wird. Es handelte sich um den | |
| [5][rechtsextremen Soldaten Franco A.]. | |
| In Halle fanden die Ermittler eine Kiste, darin Medikamente, Nebelpatronen, | |
| Zünder und andere Bestandteile von Sprengkörpern. In Calw fanden sie nicht | |
| viel. Ein Zeuge sagte aus, André S. habe vor der Durchsuchung Material zur | |
| Seite geschafft, mindestens einen Laptop. Auch eine Sim-Karte konnten die | |
| Ermittler nie finden. Auch keine Waffen von Franco A.. Und die Ermittler | |
| wurden offenbar auch angelogen. | |
| Als die Ermittler André S. mit der Kiste und den Granatenteilen aus dem | |
| Keller seiner Eltern in Halle konfrontierten, gab dieser an, sie müsse da | |
| schon seit zehn Jahren schlummern. Dem widersprach ein BKA-Beamter nun vor | |
| Gericht. Er schilderte den Fundort als sehr staubig, nur die Kiste und | |
| Patronen seien sauber gewesen. Er zitiert die Mutter des Beschuldigten, die | |
| sich verwundert über den Fund zeigte, denn zuvor sei die Kiste nicht dort | |
| im Keller gewesen. Losnummern, mit denen die Nutzung einer spezifischen | |
| Munition nachvollzogen werden kann, fanden die Ermittler zerkratzt vor. Es | |
| sei der Bundeswehr bis auf wenige Teile nicht gelungen, sie zu | |
| identifizieren, hieß es vor Gericht. | |
| Weder die Staatsanwaltschaft noch der Richter thematisieren deshalb, wie | |
| Bundeswehrsprengmittel in den privaten Keller eines Soldaten kamen. Sie | |
| hinterfragen auch nicht, was er damit vor gehabt haben könnte. Der Richter | |
| stellt aber fest: „Ich lege das hier hin und interessiere mich dafür nicht | |
| mehr, das funktioniert bei Sprengmitteln nicht.“ Das wisse der Angeklagte, | |
| als Soldat sowieso und erst Recht als Zugangssprenger. | |
| Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hat das konkrete Folgen: André S. | |
| hätte dann nicht die erforderliche Zuverlässigkeit zum Waffenbesitz oder | |
| Führen eines Sicherheitsgewerbes. Der Verteidiger von André S. hat aber | |
| angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. | |
| 3 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christina Schmidt | |
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