# taz.de -- Ermittlungen gegen Wehrsportgruppe: Weitreichende Kontakte | |
> Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt gegen eine rechtsextreme | |
> Wehrsportgruppe. Die Verdächtigen haben Verbindungen ins | |
> Verteidigungsministerium. | |
Bild: Er soll Anführer einer rechtsextremen Wehrsportgruppe sein: Jens G. bei … | |
HAMBURG taz | Die Fahrzeuge auf dem Anwesen nahe Wedemark (Region Hannover) | |
offenbaren die Neigung des Besitzers: Mehrere abgedeckte deutsche | |
Militärfahrzeuge stehen auf dem Grundstück von Jens G. Eine lange Narbe an | |
der linken Wange des Mannes deutet die politische Haltung an: Es ist der | |
typische Schmiss einer schlagenden Burschenschaft, den er im Gesicht trägt. | |
Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen den | |
stellvertretenden Vorsitzenden der Reservisten-Kreisgruppe Hannover. Der | |
Verdacht: Der Oberstleutnant der Reserve soll der Anführer einer | |
[1][rechtsextremen Wehrsportgruppe] sein, die Migrant:innen im | |
Visier hatte. Hinzu kommt: Einige der Beschuldigten kennen sich [2][nicht | |
nur aus Reservistenverbänden, sondern auch aus rechtsextremen Kreisen]. | |
„Der Kreis der Verdächtigen umfasst mittlerweile zehn Personen“, sagt die | |
Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, Wiebke Bethke, der taz. Die | |
Auswertungen des umfangreichen, sichergestellten Materials dauere aber noch | |
an, sagt Bethke. | |
Dass die Ermittlungen nach einer Durchsuchung von acht Objekten in | |
Niedersachsen, Nordrhein-Westfallen und Berlin dauern könnten, betonten die | |
Ermittelnden [3][schon im September 2021]. Knapp 250 Waffen waren damals | |
nach Razzien sichergestellt worden. Hinzu kamen Waffenteile, Munition und | |
Datenträger. Eine Liste mit Adressen von Politiker:innen soll bei | |
einem Beschuldigten aus Wriedel (Landkreis Uelzen) gefunden worden sein. | |
Als „Neigungsgruppe“ bezeichneten sich die Verdächtigen offenbar selbst. | |
Auf G. kamen die Ermittler über Umwege. Bei einer Routineüberprüfung im | |
Bundesverteidigungsministerium fiel dem Militärischen Abschirmdienst der | |
Handykontakt eines Referenten in der Abteilung „Strategie und Einsatz“ auf. | |
Der Referent war Burschenschaftler in Hannover. Gemeinsam mit Jens G. | |
besuchte er 2004 ein „Ritterkreuztreffen“, wie das ARD-Magazin „Kontraste… | |
berichtet. Dort versammeln sich hochdekorierte Wehrmachtssoldaten. Zu den | |
Verdächtigen der Wehrsportgruppe zählt der Referent nicht. Ein Blick auf | |
die Facebook-Freunde von G. zeigt: Er kennt weitere Personen im Umfeld des | |
Verteidigungsministeriums. | |
Auch den von der Staatsanwaltschaft Beschuldigten Wolfgang F. aus dem | |
Wendland kennt G., – allerdings nicht aus dem Netz: F. verbrachte wie G. | |
seine Jugend in einem Jugendbund namens „Deutsch-Wandervogel“ (DWV). Der | |
DWV wurde von einem „ehemaligen Waffen-SSler“ aus Hodenhagen angeführt, | |
sagt Odfried Hepp der taz. Der ehemalige Rechtsterrorist und spätere | |
inoffizielle Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit wuchs mit | |
Rechtsbündischen auf. „In einem der Zeltlager sagte mir ein alter SS-Mann: | |
‚Ich habe einmal einen Eid geschworen und den breche ich nicht bis an mein | |
Lebensende‘“, sagt Hepp und hebt hervor: „Er meinte den auf Adolf Hitler�… | |
Unter den völkisch-antisemitischen Jugendgruppen war der DWV vermutlich die | |
weltanschaulich radikalste Gruppe, betont der Potsdamer | |
Politikwissenschaftler Gideon Botsch. Dieser sehr kleine Bund bestünde | |
heute formal nicht mehr, doch manche Angehörige halten lebenslang die | |
Treue. | |
G. nahm dann an bündischen Treffen teil, besuchte Polizeiangaben zufolge | |
die antisemitische „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft“ … | |
Ilfeld (Thüringen). Sein Freund Wolfgang F. schickte die eigenen Kinder zum | |
rechtsextremen „Sturmvogel-Deutscher Jugendbund“. 2016 kamen vier der | |
mutmaßlich Beschuldigten im Dorf Edendorf (Landkreis Uelzen) zusammen. | |
Völkische Familien feierten dort mit Gleichgesinnten aus ganz Deutschland | |
ihren „Maitanz“. Eine Frau mit Stirnband und langem Rock stieg aus einem | |
Auto mit der „88“ im Kennzeichen. Sie nahm die Hand des Mannes aus Wriedel. | |
Beide teilen bis heute eine Leidenschaft für Waffen. Der Mann, Christian | |
G., ist Reservist. Die Frau war in der Vergangenheit liiert mit dem | |
Anführer der inzwischen verbotenen Gruppierung „Combat 18“. 2002 fuhr sie | |
mit dem späteren Mörder von Walter Lübcke zu einem Nazi-Aufmarsch nach | |
Bielefeld. Den Maitanz in Edendorf feiert das Paar gemeinsam mit Jens G. | |
und Wolfgang F., der zum Tanz aufspielt. | |
Bis zu den Ermittlungen leitete G. Schießtrainings und Übungswochenenden | |
mit Sanitäts-, Absicherungs- und Orientierungsinhalten. Für den | |
„Heimatschutz“ bildete der Zimmermann auch Zivilisten an Waffen aus. In | |
seiner Freizeit besuchte er Militärfahrzeugtreffen in Munster, war | |
„Hobbykommandant“ im Panzermuseum. Bündische führte er durch das Museum. | |
Die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft wies G. gegenüber „Kontraste“ | |
zurück. | |
27 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
Andrea Röpke | |
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