# taz.de -- Geheimdienste vor Kontrollgremium: Nun doch Extremisten aufgespürt | |
> Die deutschen Geheimdienste geben öffentlich zu: Es geht eine Gefahr von | |
> Rechtsextremen in Sicherheitsbehörden aus. Aber was folgt daraus? | |
Bild: Haben das Problem in den eigenen Reihen inzwischen erkannt: die Chef:inne… | |
BERLIN taz Geheimnisse werden hier heute nicht verraten, da muss der | |
Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Roderich | |
Kiesewetter (CDU), das Publikum enttäuschen. Aber bei der jährlichen | |
öffentlichen Anhörung wollen die Kontrolleur*innen der | |
Nachrichtendienste ihre Arbeit ein bisschen transparenter machen, am | |
Mittwoch zum fünften Mal. Das Gremium hat sich nach der Bundestagswahl noch | |
nicht neu konstituiert, es arbeitet in der alten Besetzung weiter, bis es | |
eine neue Bundesregierung gibt. | |
Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, beginnt | |
im kreisrunden Europasaal gleich mit dem Thema, das die Sitzung beherrschen | |
wird: „Wie ein Mantra trage ich vor“, sagt er: „Die größte Bedrohung f�… | |
die Sicherheit in Deutschland geht weiter vom Rechtsextremismus aus.“ | |
Das hat er wirklich schon oft gesagt, aber was dann kommt, ist | |
bemerkenswert: „Besorgniserregend ist auch, dass in diesen Netzwerken nicht | |
selten Angehörige der Sicherheitsbehörden und Streitkräfte vertreten sind.“ | |
Diese Personen stellten durch ihre Ausbildung und Zugang zu Waffen eine | |
besondere Gefahr dar. | |
Diese Gefahr wurde von offizieller Seite lange negiert und dann | |
kleingeredet, auch bei vorigen Anhörungen dieser Art. Das Parlamentarische | |
Kontrollgremium [1][hat sich intensiv mit dem Problem auseinandergesetzt] | |
und so sind die Äußerungen auch eine Bestätigung für die Abgeordneten, dass | |
die von ihnen geforderten Reformen offenbar Wirkung zeigen. | |
## Mehr Ausstausch zwischen den Behörden | |
Für die Präsidentin des Bundeswehrgeheimdienstes MAD ist es der erste große | |
Auftritt, sie ist erst seit knapp einem Jahr im Amt, vorher war sie | |
Bundeswehrdisziplinaranwältin. „Der MAD hat ein turbulentes Jahr hinter | |
sich“, liest Martina Rosenberg von ihrem Tablet ab. | |
Und auch sie sagt: „Das bestimmende Thema für den MAD im letzen Jahr war | |
der Phänomenbereich Rechtsextremismus.“ Von rund 1.400 Verdachtsfällen, die | |
derzeit bearbeitet werden, würden 85 Prozent den Bereich Rechtsextremismus | |
betreffen. Der Schwerpunkt werde auf absehbare Zeit auch so bleiben. Der | |
MAD hatte besonders mit dem Eliteverband KSK zu tun und mit Munition, die | |
bei der Bundeswehr verschwunden und bei Rechtsextremen wieder aufgetaucht | |
ist. | |
„Der Blick über den Kasernenzaun hat sich sehr positiv entwickelt, sagt | |
Rosenberg und auch BfV-Chef Haldenwang betont, wie gut die Zusammenarbeit | |
der Behörden inzwischen funktioniere. Gerade bei der Beobachtung | |
rechtsextremer Soldaten hat es in der Vergangenheit eklatante Lücken | |
gegeben. | |
Inzwischen tauschen sich die Dienste unter anderem in einer „AG | |
Reservisten“ über verdächtige Personen aus und der MAD hat nun auch Zugriff | |
auf die Nadis-Datenbank des Verfassungsschutzes. Die Zahl an Soldat*innen, | |
die am Ende als Extremist*innen eingestuft werde, ist aber nach wie vor | |
gering: 23 Fälle seit Anfang 2020. | |
## Auch BND soll sich mit Rechten beschäftigen | |
Haldenwang kündigte für das kommende Frühjahr die zweite Auflage des | |
Lagebildes von Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden an. Es sei davon | |
auszugehen, dass es mehr Fälle geben werde. Das sei aber eine | |
„Scheinzunahme“. Die Problemfälle habe es schon vorher gegeben, es gebe nun | |
aber mehr Sensibilität und eine größere Bereitschaft, Vorfälle anzuzeigen. | |
Es gebe eine Vielzahl an Verbindungslinien sowie Kenn- und | |
Austauschverhältnisse zwischen den Rechtsextremisten, so beschreibt es | |
Haldenwang. „Aber es gibt nicht die Spinne im Netz, die Einfluss hat auf | |
das hat, was im Netzwerk passiert.“ Auch [2][bei privaten | |
Sicherheitsfirmen] seien oft Rechtsextremisten beschäftigt. | |
Im Detail gibt es dann aber doch unterschiedliche Wahrnehmungen des | |
Problems. MAD-Chefin Rosenberg führt aus, es gehe darum, welche Zielsetzung | |
rechtsextreme Netzwerke hätten. „Dass es ihnen um die Abschaffung der | |
freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht, haben wir so in der | |
Bundeswehr nicht feststellen können.“ | |
Der Abgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) entgegnet mit Verweis auf | |
[3][Todeslisten, Munition, Waffen, Tag-X-Szenarien]. „Steht nicht Tag X für | |
die Abschaffung der Bundesrepublik, wie wir sie kennen?“, fragt er. | |
Rosenberg sagt, es gehe bei „Bestrebung“ um ein „aktives Handeln“. „W… | |
wollen denn diese Netzwerke? Wollen die die Bundesrepublik auf | |
demokratische Weise verändern?“, fragt von Notz. | |
Die MAD-Chefin spricht davon, dass diese Personen schon eine | |
antidemokratische Zielrichtung im Gedankengang hätten. „Deshalb haben wir | |
diese Personen auf der Agenda und teilen das mit anderen Bereichen, um | |
genau das zu verhindern.“ Nach der Sitzung wird der Abgeordnete von Notz | |
von „rechtlichen Defiziten“ sprechen, die es bei der Bewertung von | |
Netzwerken gebe. „Daran wollen wir arbeiten.“ | |
Auch der für das Ausland zuständige Bundesnachrichtendienst beschäftigt | |
sich seit einiger Zeit mit dem Thema Rechtsextremismus, bei der nun | |
anstehenden Strukturreform werde der Bereich „eine eigene Rolle“ bekommen, | |
denn es gebe da auch internationale Bezüge, sagt BND-Chef Bruno Kahl. | |
Kahl gesteht ein, dass [4][der BND die Lage in Afghanistan falsch | |
eingeschätzt] habe. Die interne Revision werte das gerade aus. „Das | |
kritische Hinterfragen von eigenen Annahmen soll künftig eine größere Rolle | |
spielen.“ | |
Üblicherweise lassen Geheimdienstchefs keine Gelegenheit aus, um | |
Wunschzettel zu formulieren: mehr Befugnisse, mehr Ressourcen und mehr | |
Personal. Dieses Mal ist das nicht so, die Politik ist den Diensten da in | |
der vergangenen Legislaturperiode schon genügend entgegengekommen. Jetzt | |
gibt es eher das Problem, wo die neuen Mitarbeitenden alle arbeiten sollen. | |
Das Bundesamt für den Verfassungsschutz wird vor allem am Standort Berlin | |
neue Büros bauen. Was das alles kosten wird? Das wird in der öffentlichen | |
Sitzung nicht beantwortet, denn das ist geheim. | |
27 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
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