# taz.de -- Bundeswehr geht gegen „Querdenker“ vor: Soldaten im „Corona-W… | |
> Ein Soldat ruft zum Widerstand gegen die Coronapolitik auf. Das | |
> Verteidigungsministerium will nun gegen extreme „Querdenker“ in der Armee | |
> vorgehen. | |
Bild: In der Bundeswehr gilt Impfpflicht – für einige ist das Anlass oder Vo… | |
BERLIN taz | Andreas O. hat sich vorerst zurückgezogen. „Auch der tapferste | |
Gebirgsjäger ist irgendwann müde und erschlafft“, verabschiedete sich der | |
Soldat dieser Tage via Telegram. Jetzt warte er auf seine „Entbindung aus | |
dem Soldateneid“. Zufrieden sei er dennoch. „Ich habe nun meine Pflicht | |
erfüllt. Das Volk ist gewarnt vor dem kommenden Unheil.“ | |
Tatsächlich sorgte Andreas O. bereits für einiges Aufsehen. Anfang Dezember | |
kündigte der Gebirgsjäger aus der Kaserne Bad Reichenhall in einem | |
Schreiben an seinen Major seinen Widerstand gegen die Corona-Impfung an. | |
Diese verletze sein Recht auf körperliche Unversehrtheit und komme einer | |
„Wehrzersetzung“ nahe. O. verwies auf angebliche Nebenwirkungen und | |
erklärte, er sei bereit, sich für seine Rechte zu „opfern“. „Sie werden | |
mich nicht nur abstrafen, sondern erschießen müssen, damit ich aufhöre, für | |
meinen Eid einzustehen.“ | |
Auf einer späteren Corona-Protestkundgebung drohte er „Hochverrätern“: | |
„Euch wird man in Scherben schlagen, eure Leichen wird man auf den Feldern | |
verstreuen.“ In einem Video stellte O. dann der Regierung ein Ultimatum, | |
die Impfpflicht für Soldaten zurückzunehmen – und inszenierte schließlich | |
am 30. Dezember seine Verhaftung auf dem Münchener Odeonsplatz. Einen Tag | |
darauf wurde er freigelassen. | |
## Zentralstelle gegen Extremismus ermittelt | |
Inzwischen ermittelt die bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von | |
Extremismus und Terrorismus gegen Andreas O., wegen öffentlicher | |
Aufforderung zu Straftaten. Auch andere Delikte könnte sich in den | |
Ermittlungen noch ergeben, teilte die Zentralstelle mit. | |
Und auch das Verteidigungsministerium reagiert. Bereits seit Februar ist | |
Andreas O. laut taz-Informationen beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) | |
als extremistischer Verdachtsfall eingestuft – und zwar im neuen | |
Phänomenbereich „[1][Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des | |
Staates]“, der sich mit radikalisierten „Querdenkern“ befasst. Der MAD | |
prüft nun, ob und wie O. mit anderen Soldaten vernetzt war. Das Ziel, laut | |
Ministerium: „Erkannte Extremisten als auch Personen mit fehlender | |
Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen.“ | |
Im Fall von Andreas O., seit vier Jahren im Dienst, dauert das Verfahren | |
noch an. In seiner Kaserne fiel er aber schon im Februar als | |
Maskenverweigerer und mit Verschwörungsmythen auf. Im April erhielt er | |
darauf ein Uniformtrageverbot, es folgte ein Verbot der Dienstausübung, das | |
bis heute gilt. Im gleichen Monat demonstrierte O. mit anderen gegen die | |
vermeintliche „Corona-Diktatur“ vor seiner Kaserne. | |
Intern ist nun von einer „neuen Stufe der Radikalisierung“ des Soldaten die | |
Rede, das Disziplinarverfahren werde „mit Nachdruck“ vorangetrieben. Und | |
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wurde nach seiner | |
Festnahme deutlich: Die Bundeswehr brauche „reflektierte und aufrechte | |
Menschen“, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. „Wer das nicht | |
teilt, hat in unserer Bundeswehr nichts verloren.“ | |
## Ministerium hat keine Übersicht über „Querdenker“-Soldaten | |
Das Problem ist nur: Eine Übersicht zu Soldaten, die sich [2][wie Andreas | |
O. im „Corona-Widerstand“ wähnen], fehlt bisher. „Im Verantwortungsberei… | |
des Verteidigungsministeriums liegt hierzu keine statistische Erhebung | |
vor“, erklärte ein Sprecher auf taz-Anfrage. | |
Und auch beim MAD gibt es zwar seit vergangenem Jahr die | |
„Querdenker“-Beobachtung: Wie viele Soldaten momentan dazu gezählt werden, | |
kann die Behörde derzeit aber nicht beantworten. Zuletzt hatte der MAD | |
allgemein [3][477 rechtsextreme Verdachtsfälle] bearbeitet, dazu 31 als | |
„Reichsbürger“. Bei der Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfäl… | |
im Verteidigungsministerium waren es gar 843 rechtsextreme Verdachtsfälle. | |
Das Problem mit den [4][„Querdenkern“ in Uniform] aber verschärft sich. | |
Denn seit November 2021 gilt [5][in der Bundeswehr eine Impfpflicht], | |
Soldaten haben diese zu „dulden“. Verweigerer wie Andreas O. müssen sich | |
nun offenbaren. Bisher liegt die Impfquote in der Bundeswehr laut einem | |
Sprecher bei etwa 85 Prozent, der Rest solle „zeitnah“ folgen. Und er | |
betont, dass unberechtigtes Impfverweigern für Bundeswehrangehörige | |
„dienstrechtliche Konsequenzen haben kann“. | |
Das bekam zuletzt etwa ein Hauptfeldwebel zu spüren. Er hatte zwar nicht | |
eine Corona-Schutzimpfung, sondern eine Basisimpfung verweigert, mit | |
Verweis auf sein Asthma und seine Neurodermitis, die angeblich auf eine | |
frühere Impfung zurückgingen. Die Truppenärzte hielten aber auch das für | |
unbegründet und verwiesen auf die Gesunderhaltungspflicht. Nachdem der | |
Soldat dennoch wiederholt die Impfung verweigerte, erhielt er acht Tage | |
Dizplinarrest – das Truppendienstgericht sowie das Bundesverwaltungsgericht | |
billigten die Maßnahme. | |
## Gefährliche Verbindungen | |
Und auch Andreas O. war nicht allein. Aktiv war er in der Telegram-Gruppe | |
„Soldaten für das Grundgesetz“, die 6.200 Mitglieder zählt. Dort wurde im | |
Dezember auch ein „Offener Brief“ des Oberstleutnants Daniel F. aus | |
Euskirchen eingestellt – der ebenfalls die Impfpflicht als „rechtswidrig“ | |
ablehnt. Impfverweigernde Soldaten, auch er selbst, würden „teils | |
unmenschlich genötigt“, klagte er. Auch Daniel F. ist im Visier des MAD und | |
erhielt vor Silvester eine Gefährderansprache der Polizei. Andreas O. hatte | |
sich wiederholt auf ihn bezogen. | |
In einem Video vor seiner Verhaftung auf dem Odeonsplatz trat Andreas O. | |
auch mit dem pensionierten Oberst Maximilian Eder auf, der einst beim KSK | |
aktiv war. Der forderte schon vor Monaten auf einer Corona-Kundgebung, das | |
KSK müsste mal in Berlin „ordentlich aufräumen“. Er leitete auch eine | |
[6][Aktion der Szene im Flutgebiet in Ahrweiler]. Nun lobte Eder Andreas | |
O.: Dieser zeige eine „Wahnsinnsleistung“ und treffe „die Dinge auf den | |
Kopf“. Die Coronapolitik sei „grundgesetzwidrig“, die Regierung stehe „… | |
dem Rücken zur Wand“. Eder hat der Verfassungsschutz im Blick. | |
Zuletzt zeigte sich schließlich auch der frühere Obergefreite Julian C. in | |
einem Video mit Andreas O.. Auch er lehnt die Corona-Impfung ab, darf nach | |
eigenen Angaben schon seit Monaten seinen Dienst nicht mehr ausüben. | |
Deutschland fehle eine Meinungsfreiheit und Gewaltenteilung, klagt auch er. | |
Es gebe „totalitäre Züge“. | |
## Der Zuspruch bleibt noch überschaubar | |
Die Frage, die bleibt, ist: Wie viele solcher Stimmen gibt es noch in der | |
Bundeswehr? In Kanälen der „Corona-Widerständler“ werden die Soldaten | |
jedenfalls gefeiert. Zu Andreas O. jubelt die Gruppe „Soldaten für das | |
Grundgesetz“: „Er ist unser Held und wird hoffentlich den Umschwung | |
einläuten.“ | |
Dass dieser Umschwung allerdings noch auf sich warten lassen könnte, | |
gestand auch Julian C. in einem Video nach der Verhaftung von Andreas O. | |
ein. Man könne die Aktion schon auch einen „Schuss in den Wind“ nennen, | |
sagte er dort. Von anderen Soldaten habe man jedenfalls „noch nicht so viel | |
Reaktionen bekommen“. | |
Aktualisiert am 05.01.2022 um 10:00 Uhr. d. R. | |
4 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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