| # taz.de -- Staatsanwaltschaft ermittelt: Eine Waffenspur zur AfD | |
| > In Bayern stießen Ermittler*innen auf mutmaßliche | |
| > Waffenhändler*innen. taz-Recherchen zeigen: Auch eine AfD-Mitarbeiterin | |
| > ist unter den Beschuldigten. | |
| Bild: Sie benutzten Codes, meinten aber Waffen: Die Staatsanwaltschaft ermittel… | |
| Berlin/München taz | Um den illegalen Handel zu verschleiern, benutzten sie | |
| Codewörter. Da war dann in Chats von einem „Mofagetriebe“ die Rede, von | |
| einem „langen Getriebe mit manueller Pumpe“ oder von „4 x AK Getriebe mit | |
| 7,62 flansch“ für je 1.500 Euro. Es ging bei dem Handel aber nicht um Teile | |
| von Kraftfahrzeugen, sondern um Waffen. Damit versorgten sich, so der | |
| Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft München, mehrere Personen aus dem | |
| rechtsextremen Milieu. | |
| Bayerischen Ermittler*innen zufolge wurden diese Waffen von Kroatien | |
| nach Deutschland geschmuggelt und dort weiterverkauft. Die Ermittlungen | |
| begannen bereits 2018 im Balkan, es gab in jenem Jahr erste Durchsuchungen. | |
| Im vergangenen Sommer wurde der Hauptverdächtige Alexander R. in Kroatien | |
| festgenommen. Der 48-Jährige war früher in München in der NPD und anderen | |
| rechtsextremen Gruppierungen aktiv. Der Kreis der Beschuldigten hat sich | |
| inzwischen nach taz-Informationen ausgeweitet, die | |
| Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt nun gegen 16 Menschen. Es geht | |
| um mutmaßliche Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und das | |
| Waffengesetz. | |
| Brisant ist an dem Fall nicht nur die recht hohe Zahl Beschuldigter, | |
| sondern auch der Verdacht, wer die mutmaßlichen Abnehmer sind. [1][Laut der | |
| ZDF-Sendung „Frontal 21“ hat ein Zeuge in Kroatien ausgesagt, dass die | |
| Waffen für „die AfD, eine rechte Partei“], vorgesehen gewesen seien. | |
| ## Die Büros der Beschuldigten wurden durchsucht | |
| Wie taz-Recherchen jetzt zeigen, führt die Spur der Waffen sogar bis in die | |
| Bundestagsfraktion der AfD. Nicht nur der Hauptverdächtige Alexander R. war | |
| in der Partei. Eine der Beschuldigten arbeitet für den bayerischen | |
| AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron. Dieser gehört dem rechten Rand der | |
| Partei an und war bereits vor seinem Einzug in den Bundestag vom | |
| bayerischen Verfassungsschutz beobachtet worden. In dem Gutachten des | |
| Bundesamtes für Verfassungsschutz, das [2][Verdachtshinweise für die | |
| Verfassungsfeindlichkeit der AfD sammelt], ist Bystron mehrfach explizit | |
| genannt. Die Frau, die in den Waffenhandel verstrickt sein soll, ist | |
| Mitarbeiterin in Bystrons Wahlkreisbüro in München. | |
| In internen Messengernachrichten, die der taz vorliegen, benutzt auch die | |
| AfD-Mitarbeiterin den Autoteilecode. „Wann kommt mein Getriebe nach | |
| München?“, fragt sie Alexander R. im Sommer 2016. Sie hoffe, dass er „was | |
| gescheites für die 700 €“ aus Kroatien mitbringe. Ob der Kauf zustande kam, | |
| ist unklar. Waffen haben Ermittler*innen bei ihr nicht gefunden. | |
| Mindestens einmal vernetzt sie den Hauptbeschuldigten R. mit einem anderen | |
| potenziellen Waffenkäufer aus Bayern, dessen Identität ist der taz bekannt. | |
| Die Frau arbeitet nicht nur für die AfD, sie ist auch selbst politisch | |
| aktiv und ideologisch überzeugt. „Ich habe mir den Kampf für unser Land als | |
| oberstes Ziel gesetzt“, schreibt sie in einer E-Mail. Gegenüber der taz | |
| möchte sie sich nicht ausführlich äußern, sagt aber auf Anfrage, sie sei | |
| bestimmt nicht als Waffenhändlerin durch Deutschland gezogen und sie wolle | |
| mit der Sache jetzt nichts mehr zu tun haben. | |
| Im vergangenen Sommer waren die Wohnungen und Büros von Beschuldigten | |
| durchsucht worden, vor allem in Bayern, aber auch in Sachsen, | |
| Sachsen-Anhalt und Österreich. Alle Beschuldigten sind laut | |
| Staatsanwaltschaft rechtsextrem oder auch Reichsbürger, mindestens acht von | |
| ihnen sind den Angaben zufolge in der Vergangenheit im Bereich der | |
| politisch motivierten Kriminalität aufgefallen. Keine der Personen verfügte | |
| über eine Waffenerlaubnis. Bei den Durchsuchungen wurden unter anderem eine | |
| Pumpgun, zwei halb automatische Kurzwaffen sowie rund 200 Patronen | |
| sichergestellt. Jene Waffen aber, die mutmaßlich zwischen 2015 und 2018 an | |
| Mitglieder der rechtsextremen Szene verkauft wurden, wurden nicht gefunden. | |
| Alexander R. und ein weiterer Hauptverdächtiger sitzen in | |
| Untersuchungshaft. | |
| Mit den Anschuldigungen gegen seine Mitarbeiterin konfrontiert, reagierte | |
| der AfD-Bundestagsabgeordnete Bystron ausweichend. In einer SMS von seinem | |
| Diensthandy schrieb er der taz, dass er sich lediglich zu seiner eigenen | |
| politischen Arbeit oder Person äußere. | |
| Anmerkung 05.02.21: In einer früheren Fassung des Textes stand, dass der | |
| Bundestagsabgeordnete Petr Bystron Mitglied des „Flügels“ der AfD gewesen | |
| sei. Das ist nach seiner Darstellung nicht korrekt. Im Text wurden Angaben | |
| zur politischen Verortung Bystrons ergänzt.“ | |
| 4 Feb 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.zdf.de/politik/frontal-21/waffen-vom-balkan-fuer-rechtsextremis… | |
| [2] https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichen-das-verfassungsschutz-gut… | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Erb | |
| Christina Schmidt | |
| Luisa Kuhn | |
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