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# taz.de -- Waffenaffäre in Mecklenburg-Vorpommern: Die Methode Caffier
> Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Caffier sagt, er habe „arglos“ eine
> Waffe bei einem Nordkreuz-Mann gekauft. Das weckt Zweifel.
Bild: Innenminister Lorenz Caffier (CDU) und seine Regierungschefin Manuela Sch…
Berlin taz | Lange wollte Lorenz Caffier, der CDU-Innenminister von
Mecklenburg-Vorpommern, eine einfache Frage nicht beantworten: Hat er bei
einem ehemaligen Mitglied der rechten Preppergruppe Nordkreuz eine Waffe
gekauft? [1][Monatelang beantwortete seine Pressestelle der taz die Frage
mal gar nicht, mal teilweise,] offenbar gegenüber der New York Times sogar
falsch. Am Donnerstag dann hat Caffier persönlich diese Frage der taz auf
einer Pressekonferenz zur Privatangelegenheit erklärt. Das rief bundesweit
heftige Kritik hervor. Also entschloss sich Caffier zu einem Interview und
sagte dem Spiegel auf die Frage, ob er diese Waffe gekauft habe: „Ja, habe
ich.“
Caffiers Antwort wirft nun noch mehr Fragen auf. Darüber, ob er, der Chef
der Landespolizei und des Verfassungsschutzes, versucht hat, die
Verstrickungen Rechtsextremer in die Sicherheitsbehörden des Landes,
aufzuklären. Wie erpressbar es ihn machte, jahrelang diesen Kauf
geheimhalten zu wollen.
Am Ende zeigt eine private Pistole, wie fehlende Aufklärung, Halb- und
Unwahrheiten dazu führen, dass der Nordkreuz-Komplex bis heute nicht
aufgeklärt ist. Sie zeigt auch: Die Politik Caffiers in dieser Sache ist
ein einziges Ausweichmanöver. Drei Methoden:
## 1. Halbwahrheiten verbreiten
Caffier sagt im Spiegel-Interview, er habe „Anfang 2018“ eine Kurzwaffe bei
Frank T. gekauft, einem Waffenhändler und Betreiber eines Schießplatzes in
Güstrow, auf dem jahrelang Spezialeinheiten der Polizei trainierten. Er
habe das „arglos“ getan, denn: „Meinen Behörden und mir lagen Anfang 2018
keine Verdachtsmomente zu der Firma vor.“ Erst 2019 habe das
Bundeskriminalamt (BKA) erste Unterlagen zum Nordkreuz-Komplex übermittelt.
An dieser Darstellung gibt es erhebliche Zweifel. Laut Bundesregierung
wurde das LKA Mecklenburg-Vorpommern bereits 2017 über die Nordkreuz-Chats
informiert, BKA-Unterlagen wurden dann im März 2018 an den
Landesverfassungsschutz übermittelt, eine Abteilung im Innenministerium. So
steht es in der [2][Antwort der Bundesregierung] auf eine Anfrage der
Linken.
Das BKA hatte unter anderem ein Nordkreuz-Mitglied befragt, das von einem
ehemaligen Gruppenmitglied namens „baltic shooter“ sprach. Das ist der Name
der Firma von Frank T. [3][Auch die taz] hatte im November 2018 mit Verweis
auf diese Zeugenaussage über Frank T.s Nordkreuz-Mitgliedschaft berichtet.
Auch eine andere Aussage Caffiers im Spiegel-Interview verwundert: Er sagt,
er habe 2019 andere Sorgen gehabt, als die Herkunft seiner Waffe.
Schließlich sei ein federführendes Nordkreuz-Mitglied jahrelang beim SEK
gewesen, Marko G.. [4][Gerade diese Personalie aber führt ganz unmittelbar
zu Waffenhändler T. nach Güstrow]: Er betreibt einen Schießstand und
beschäftigte Marko G. dort zeitweise als Trainer. Bei G. wiederum fanden
Ermittler neben einer gestohlenen Bundeswehr-Maschinenpistole tausende
Schuss Munition, die aus Polizei und Bundeswehrbeständen entwendet wurden.
Allein im August 2017 waren das mehr als 2.000 Schuss Polizeimunition aus
Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Mutmaßlich sind diese
Patronen bei Schießtrainings in Güstrow abgezweigt worden. Die Ermittlungen
dazu führte das Landeskriminalamt. Spätestens diese Nachforschungen wären
ein Anlass gewesen, von der Privatpistole zu erzählen.
Die Bereitschaft Caffiers, die Waffenaffäre aufzuklären, dauerte nur kurz
an: Nach seinem Interview am Freitag wollte die taz von ihm wissen, wann
genau er die Glock gekauft hat; und auch, ob er auf dem Schießplatz in
Güstrow Trainings absolvierte – noch eine Frage, die seit Monaten
unbeantwortet bleibt. Wir fragen am Freitag nach und noch einmal am
Sonntag, per Mail, Telefon und Twitter. Eine Antwort kam erst nach
Fristablauf und Redaktionsschluss um 17.40 Uhr: Lorenz Caffier soll demnach
die Waffe am 04. Januar 2018 gekauft und am selben Tag auf T.s Schießplatz
eingeschossen haben.
Wenn Caffiers Innenministerium und seine Sicherheitsbehörden von den
Verquickungen von Frank T. ein halbes Jahr nach den Durchsuchungen nichts
mitbekommen haben sollten, haben sie ihren Job nicht gemacht. Schon eine
externe Kommission, die von Caffier eingesetzt worden war, stellte fest,
dass der Landesverfassungsschutz „offensichtlich über wenig eigene
Erkenntnisse verfügt“.
## 2. Gefahr kleinreden
Im August 2017 wird bekannt, dass ein Kriminalpolizist und ein Anwalt
persönliche Daten von Personen gesammelt haben mit dem Ziel, sie an einem
Tag X zu töten. Inzwischen ist bekannt, dass sie dafür auch die
Abfragesysteme der Polizei nutzten. Sie haben Adressen recherchiert,
Geburtsdaten, sogar ein Wohnungsgrundriss wurde gefunden. Es ist eine
Auflistung vermeintlicher Feinde, eine „Feindesliste“ also. Manche nennen
das sogar „Todesliste“.
Lorenz Caffier spricht lieber von „einer losen Blattsammlung“. Die
Betroffenen informiert er erst, als das BKA 29 von ihnen einlädt und ihnen
die Ordner vorlegt. Dafür wiederholt Caffier öffentlich, dass keine Gefahr
bestehe.
Sein Staatssekretär geht im Innenausschuss des Landtags sogar noch weiter.
Im Januar 2019 wiederholte er, das Ministerium wisse wenig, weil die
Bundesanwaltschaft die Ermittlungen führe. Aber auch diese habe in einer
Ausschusssitzung des Bundestags nicht von einer Namensliste gesprochen,
sagt er laut Protokoll und legt sich fest: Entsprechende Medienberichte
müssten „schlicht falsch“ sein. Aber das stimmt nicht. Der taz liegt das
Protokoll der zitierten nichtöffentlichen Sitzung vor. Darin ist mehrfach
sogar explizit der Begriff „Todesliste“ zu finden.
## 3. Gesamtproblem leugnen
Eigentlich wollte Caffier am Donnerstag nicht über seine Waffe sprechen,
sondern den Verfassungsschutzbericht 2019 vorstellen. Nordkreuz ist darin
erstmals erwähnt. Darin heißt es: „Die in diesem Zusammenhang von
Innenminister Caffier eingesetzte unabhängige Expertenkommission zur
Untersuchung der Spezialeinheiten der Landespolizei hat festgestellt, dass
ein Generalverdacht gegen die Polizei des Landes im Hinblick auf
rechtsextremistische Umtriebe unbegründet ist.“ Dann ist von „Einzelfälle…
die Rede.
Nur hat die SEK-Kommission nicht die gesamte Polizei in
Mecklenburg-Vorpommern untersucht. Ein Mitglied der dreiköpfigen Kommission
sagte am Sonntag der taz: „Wir haben weder einen Generalverdacht behauptet
noch hätten wir ihn ausgeräumt. Das war schlicht und einfach nicht unser
Untersuchungsgegenstand.“ Der Bericht verschweigt, dass die bekannt
gewordenen Fälle von rechtsextremen Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern
oft miteinander zusammenhängen.
Da sind zum Beispiel die drei SEK-Polizisten, die Munition geklaut und an
Marko G. weitergegeben haben sollen, den Ex-SEK-Beamten und
Nordkreuz-Administrator. Oder allein 13 Verfahren gegen Polizist*innen, die
mit Marko G. gechattet haben – wegen mutmaßlich rechtsextremer Inhalte.
[5][Auch der Wasserschutzpolizist Sven J.], gegen den wegen rechtsextremer
Umtriebe und illegalen Waffenbesitzes ermittelt wird, stand im Austausch
mit Marko G. Seine Kontakte reichen sogar noch in andere Kreise: Er und ein
weiterer Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern sind mit dem sächsischen
KSK-Soldaten bekannt, bei dem Ermittler*innen im Mai ein Waffenlager
aushoben, eine AK-47, Tausende Patronen von der Bundeswehr, kiloweise
Plastiksprengstoff und auch NS-Devotionalien. Diese Informationen stammen
aber nicht aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern stehen in einem internen
Bericht des Bundesverteidigungsministeriums an den Bundestag.
15 Nov 2020
## LINKS
[1] /Rechte-Prepper-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5728354
[2] https://dserver.bundestag.de/btd/19/173/1917340.pdf
[3] /Rechtes-Netzwerk-in-der-Bundeswehr/!5548926
[4] /Rechte-Prepper-Gruppe-Nordkreuz/!5674282
[5] /Polizei-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5679565
## AUTOREN
Christina Schmidt
Sebastian Erb
## TAGS
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