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# taz.de -- Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr: Hannibals Schattenarmee
> Er ist der Kopf eines bundesweiten Untergrundnetzwerkes – mit besten
> Verbindungen in deutsche Behörden.
Bild: Was passiert alles im Dunkeln der Bundeswehr?
Berlin taz | Am 13. September 2017, einem Mittwoch, bekommt André S. in
Sindelfingen Besuch vom Geheimdienst der Bundeswehr. Mal wieder. S. ist
Soldat beim Kommando Spezialkräfte in Baden-Württemberg. Er gehört zu den
am besten ausgebildeten Soldaten der Bundeswehr, ein Elitekämpfer. Der
Mann, der ihn besucht, ist ein Oberstleutnant des Militärischen
Abschirmdiensts. Er ist gekommen, um S. über rechtsextreme Tendenzen in
seiner Kompanie zu befragen.
Für S. ist das kein ungewöhnlicher Termin. Seit Längerem schon trifft er
sich regelmäßig mit dem MAD. Die Aufgabe des Nachrichtendiensts der
Bundeswehr ist es, extremistische Entwicklungen innerhalb der Armee zu
erkennen und zu verhindern. Der MAD nennt S. eine „Auskunftsperson“.
An diesem Tag im September bekommt S. für seine Auskünfte offenbar etwas
zurück: Der MAD-Mann berichtet ihm wohl von Ermittlungen des
Generalbundesanwalts gegen ein geheimes Netzwerk von Männern, die geplant
haben sollen, Politiker und Aktivisten aus dem linken Spektrum zu töten.
Die Bundesanwaltschaft sieht darin die Vorbereitung einer schweren,
staatsgefährdenden Gewalttat – Terror also.
Von den Razzien, die es kurz zuvor in Norddeutschland gegeben hat, weiß
André S. zu diesem Zeitpunkt bereits. An diesem 13. September soll er aber
erfahren haben, dass weitere Durchsuchungen und Befragungen kurz
bevorstehen. So steht es in einer Anklageschrift des Amtsgerichts Köln, das
zurzeit einen Prozess gegen den MAD-Mitarbeiter wegen Verletzung des
Dienstgeheimnisses führt.
## Prepper und eingewecktes Gemüse
Denn: André S. soll dadurch gewarnt worden sein. Und S. ist niemand
Geringeres als der Kopf eines bundesweiten Netzwerks, das im Zentrum
weitreichender Ermittlungen steht. Sein Deckname ist Hannibal.
Seit einem Jahr recherchiert ein Team der taz zu der Frage: Gibt es ein
rechtes Untergrundnetzwerk in Deutschland, in dem sich Regierungsgegner
vernetzen, radikalisieren und gezielt auf bewaffnete Kämpfe vorbereiten?
Gibt es ein Netzwerk, das hineinreicht in deutsche Behörden, in
Verfassungsschutzämter und bis in die oberen Etagen der Bundeswehr?
Dabei stießen wir auf [1][Prepper, die sich mit eingewecktem Gemüse
versorgten], recherchierten zu Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, deren
Beamte zunächst glaubten, Rechtsterroristen in Norddeutschland gefunden zu
haben. Wir lasen geheime Telegram-Chats und redeten mit Männern, die zwar
bei rechtsextremen Verlagen Bücher bestellten, aber ihre völkische
Gesinnung nicht für bedenklich hielten.
Als wir im Dezember 2017 [2][den ersten größeren Text über das „Kommando
Heimatschutz“ veröffentlichten], wussten wir noch nicht, wer sich hinter
dem Pseudonym Hannibal verbarg. Hannibal, sagte uns jemand, sei der
Administrator eines bundesweiten Chatnetzwerks sogenannter Prepper. Wir
fragten uns damals: Ist es denkbar, dass Hannibal Mitglied der Bundeswehr
ist und direkt aus der Bundeswehr heraus ein Untergrundnetzwerk
mitaufgebaut hat?
## Wir kennen Hannibals Namen
Heute kennen wir Hannibals vollen Namen. André S., geboren 1985 in Halle an
der Saale, ist Mitglied des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr in Calw.
Er ist Gründer und Vorsitzender eines Vereins mit Postadresse in Dormagen,
Nordrhein-Westfalen, in dem sich Elitekämpfer organisieren. Aus Gründen des
Persönlichkeitsschutzes kürzen wir seinen Nachnamen ab.
Nach einem Jahr fügt sich aus unseren Recherchen ein Bild, das keinen
anderen Schluss zulässt: Überall in Deutschland, auch in Österreich und der
Schweiz, haben sich Gruppen formiert, die daran arbeiten, einen eigenen
Staat im Staate aufzubauen. Mitglieder in diesen Gruppen sind Polizisten
und Soldaten, Reservisten, Beamte und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes,
die unter konspirativen Bedingungen einen Plan hegen: Wenn sie die Zeichen
sehen, wenn „Tag X“ da ist, wollen sie zu den Waffen greifen.
Manche ihrer Pläne sind erschreckend konkret. Der Focus schreibt von einer
„Untergrundarmee“. Wie ein Netz sind die Gruppen miteinander verbunden.
Unsere Recherchen ergeben, dass die einzelnen Fäden immer wieder zu einer
Person führen: Hannibal.
Wer ist dieser Hannibal? Wie kann es sein, dass administriert vom Gelände
der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw bundesweit extremistische Zellen
entstehen? Und wie kann es sein, dass der MAD Hannibal sogar noch warnt?
## Misstrauen an den Staatsdienern
Ende August 2017. Der Generalbundesanwalt lässt in Mecklenburg-Vorpommern
Wohnhäuser und Büros durchsuchen. Unter anderem von einem Anwalt und einem
Kriminalpolizisten. Der Vorwurf: Sie sollen sich verabredet haben, an einem
„Tag X“ Politiker und Menschen aus dem linken Spektrum festzusetzen oder zu
liquidieren. Die Ermittlungen dauern an.
Das Besondere damals ist: Die Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft
misstrauen den Staatsdienern im Norden. Landespolizisten werden nicht
einbezogen. Selbst der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns wird erst
unmittelbar vor den Razzien informiert. Denn der verdächtige Anwalt und der
Polizist agierten nicht allein. Sie weihten in ihre Pläne unter anderem
einen SEK-Polizisten und einen ehemaligen Soldaten ein, der damals noch
einer Reservistenkompanie vorstand, die sich auf einen Einsatz beim
G20-Gipfel in Hamburg vorbereitete.
Diese Männer sind Teil einer größeren Gruppe, die sich auf Katastrophen
vorbereitet, Stromausfälle, Stürme und Nahrungsmittelknappheit, auf
Momente, in denen der Staat seine Bürger nicht mehr versorgen kann. Sie
organisieren sich in mehreren Chatgruppen in Norddeutschland. Eine von
ihnen heißt Nordkreuz, eine heißt Nord.Com, mal geht es darin um
Impfstoffknappheit, mal um Truppenbewegungen in Osteuropa.
Eine dritte Gruppe heißt Nord. Es ist Hannibal, der diese Gruppe mit
vertraulichen Informationen und Lagebildern aus dem Inneren der Bundeswehr
versorgt. In der Gruppe erzeugen seine Nachrichten das Gefühl, zu einem
inneren Zirkel zu gehören, der einen Wissensvorsprung hat. Es ist auch kein
Zufall, dass diese Gruppen im Herbst 2015 entstehen, denn es geht auch um
die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung – und wie man sich dagegen
wehren kann.
## Wettschießen bei der Geburtstagsfeier
An einem Abend Anfang 2017 treffen sich vier Männer, darunter der
beschuldigte Polizist sowie ein weiterer und der Reservist bei einem
Stehimbiss an einer Landstraße nahe Schwerin. Sie sprechen über
Lagerhallen, in denen sie am „Tag X“ ihre politischen Gegner internieren
wollen. Könnte der Kompaniechef der Reservisten im Ernstfall dafür nicht
Lastwagen der Bundeswehr organisieren?
Ließen sich so auch mögliche Straßenkontrollen überwinden? Sie reden auch
über Erschießungen. Im Laufe des Gesprächs soll auch das Wort „Endlösung�…
gefallen sein. Das sagen Menschen, die mit den Vorgängen betraut sind, der
taz.
Sie erzählen auch: Der beschuldigte Anwalt hatte bei Geburtstagsfeiern
hinter seinem Haus ein Wettschießen veranstaltet und einen Wanderpokal
dafür ausgelobt – benannt nach Mehmet Turgut, einem Mann, den die
rechtsextremistische Terrorzelle NSU im Jahr 2004 erschossen haben soll. In
Rostock. Sein Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.
Aus Ermittlungsunterlagen, die der taz vorliegen, geht hervor, dass
Mitglieder dieser Nord-Gruppe bereits Depots mit Treibstoff,
Nahrungsmitteln und Munition angelegt haben sollen. Jeder von ihnen zahlte
dafür etwa 600 Euro in eine gemeinsame Kasse. Jenseits der Chatgruppe gab
es noch weitere Unterstützer – etwa den Betreiber eines Schießstandes Nahe
Rostock. Er verließ zwar den Chat, verkaufte den Mitgliedern aber weiterhin
Waffen. Oder ein Ausbilder am Fliegerhorst der Bundeswehr in Laage, wo
Eurofighter stationiert sind. Er lud seine Freunde nach Dienstschluss in
den Sicherheitsbereich. Dort durften sie im Flugsimulator den Eurofighter
fliegen.
## Die Süd-Gruppe
Nach den Razzien vom August 2017 war der Aufklärungswille des zuständigen
Innenministers, Lorenz Caffier (CDU), überschaubar. Er richtete eine
sogenannte Prepper-Kommission ein. Befund bislang: Es gibt kein Problem.
Einen Bericht hat die Kommission ein Jahr später noch nicht vorgelegt.
Es gab aber in dem Chatnetzwerk nicht nur die Nord-Gruppe. Es gab: Ost,
West, Süd – organisiert entlang der geografischen Aufteilung der
Wehrbereichsverwaltung. Außerdem: Österreich und die Schweiz. Auch in Süd,
der größten und aktivsten Gruppe, war Hannibal der Administrator.
Das ist die Gruppe, in der der frühere Bundeswehrsoldat Franco A. Mitglied
war. [3][Das Auffliegen Franco A.s] war einer der größten
Bundeswehrskandale der letzten Jahre. Ein Soldat, der mutmaßlich
rechtsextreme Terroranschläge geplant hat – und niemand, nicht seine
Vorgesetzten, nicht der MAD, wollten etwas bemerkt haben?
Franco A. war nicht nur passiv Mitglied in der Süd-Gruppe. Einmal war er
bei Hannibal zu Hause, einmal nahm er mit Hannibal an einem Treffen in
Albstadt teil, bei dem die Handys im Auto gelassen wurden. Es war ein
Treffen in einem Schützenverein.
## Die Bundesanwaltschaft ermittelt
Franco A. warb auch neue Mitglieder für die Süd-Gruppe. Zum Beispiel einen
Händler von Waffenteilen, bei dem A. zuvor Zubehör gekauft hatte, als
Barkauf, damit sein Name nicht auf der Rechnung auftauchte. Dem Händler
hatte A. auch gesagt, bei der Süd-Gruppe handele es sich um eine besondere
Gruppe innerhalb der Bundeswehr.
Als Hannibal erfährt, was Franco A. vorgeworfen wird, gibt er umgehend
Anweisung, alle Chats zu löschen: Nord, Süd, West, Ost. Es hätte kein gutes
Licht auf die Richter, Beamten und Soldaten in den Chatgruppen geworfen,
wird er später sagen, wenn man sie mit Franco A. in Verbindung brächte.
Weil Franco A. auffliegt, ermittelt die Bundesanwaltschaft. Jetzt gerät das
Netzwerk unter Druck. Wie schon in Norddeutschland legen sie auch in der
Süd-Gruppe sichere Treffpunkte und Unterkünfte fest, in denen sich die
Mitglieder am „Tag X“ treffen können.
Bei der Vernehmung wollen die Ermittler von Hannibal wissen, wie viele
solcher „Safe-Häuser“ es in Deutschland gebe – und wo diese sich befinde…
André S. antwortet: überall. Sogar das Autohaus seiner Eltern hatte er im
Chat als solches vorgeschlagen.
## Kaserne erfolgreich übernommen
Es ist bisher noch unklar, was diese „Safe-Häuser“ genau ausmacht. Den
Ermittlungsbehörden bereiten diese Orte Kopfzerbrechen. Es gibt sie in
Nürnberg und Ulm, in Lenggries und Bad Tölz und auch die
Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw, wo das KSK stationiert ist, wurde in der
Chatgruppe Süd als ein solcher Ort definiert – vorausgesetzt allerdings,
man habe im Krisenfall die Kaserne bereits erfolgreich übernommen.
Franco A.s Verhaftung führt schließlich dazu, dass deutschlandweit
Bundeswehrkasernen [4][nach NS-Devotionalien durchsucht] und Soldaten auf
ihre Gesinnung überprüft werden. Das Verteidigungsministerium will
aufräumen, Soldaten wie Franco A. sollen künftig schneller auffallen.
Rechtsextreme Kameraden sollen die Bundeswehr verlassen.
Hannibal bleibt.
Der Deckname Hannibal und der bürgerliche Name André S. kursieren im
vergangenen Jahr unter Sicherheitspolitikern im Bundestag. Ihnen gegenüber
muss der MAD zugeben, dass er Hannibal schon lange kennt, der scheinbar so
bereitwillig Auskunft gibt. Und obwohl auch dort bekannt wird, dass die
Nord-Chatgruppe Äquivalente in anderen Landesteilen hat, heißt es:
Menschen, die Konservendosen horten, sind doch harmlos.
Dabei möchte der MAD von Hannibal auch wissen: Was weiß er über diese
Abschiedsfeier, die einen Gerichtsprozess nach sich zog?
## Helden des rechtsextremen Milieus
Frühjahr 2017, auf einem Schießstand nahe Stuttgart feiert ein Kompaniechef
des KSK seinen Abschied. Seine Soldaten lassen ihn einen Parcours
absolvieren, lassen ihn Bogen schießen und Köpfe von Schweinen werfen. Als
Belohnung haben sie eine Frau eingeladen, mit der er Sex haben soll. Es
kommt nicht dazu, sagt die Frau später aus. Der Kompaniechef sei zu
betrunken gewesen.
Sie erzählt auch, dass auf der Feier Musik der rechtsextremen Band
Sturmwehr gespielt worden sei. Der Kompaniechef und andere hätten dann den
Hitlergruß gezeigt.
Auf Anfrage der taz möchte der Militärische Abschirmdienst nicht mitteilen,
ob ihre Auskunftsperson Hannibal an jenem Abend mitgefeiert hat. Der MAD
hat ein Interesse daran, Hannibal zu schützen.
Im KSK hat der MAD fast keine Quellen, der Kontakt zu Hannibal ist
wertvoll. Das Kommando, das streng abgeschirmt operiert, pflegt ein
Eigenleben. Im Jahr 2004 war der berüchtigte KSK-Kommandeur Reinhard Günzel
ohne Dank entlassen worden, nachdem er die antisemitische Rede des heutigen
AfD-Abgeordneten Martin Hohmann in einem Bundeswehrschreiben gelobt hatte.
Später wurde Günzel zum Helden im rechtsextremen Milieu.
## Kontakt per Mail
Im September fragen wir das Bundesverteidigungsministerium nach Uniter. Ein
Verein, den Hannibal vor Jahren gegründet hat, in dem sich ehemalige und
aktive Mitglieder von Spezialeinheiten vernetzten. Ein Sprecher des
Ministeriums antwortet schriftlich: Das Ministerium verfüge über keine
weiteren Kenntnisse zu Uniter als die „öffentlich zugänglichen“. Zu diesem
Zeitpunkt war Hannibal bereits Auskunftsperson des MAD. Der MAD ist direkt
dem Ministerium unterstellt.
Die Bundesregierung muss natürlich keine Informationen an die Presse geben,
die sie aus nachrichtendienstlicher Aufklärung hat. Sie muss aber auch
nicht lügen.
Uns interessiert in unserer Anfrage auch: Nutzt Uniter Liegenschaften der
Bundeswehr? Üben die Vereinsmitglieder mit Bundeswehreigentum? „Es liegen
hierzu keine Informationen vor“, schreibt das Ministerium. Weiß denn das
Ministerium etwas darüber, dass sich KSK-Soldaten als Prepper weiterbilden?
„Keine Erkenntnisse.“
Als wir schließlich den bürgerlichen Namen von Hannibal kennen und André S.
selbst im April 2018 per Mail kontaktieren, erhalten wir 23 Minuten später
eine Antwort. Er schreibt: „Prinzipiell schreiben und kommunizieren wir
nicht mit der Presse, da die Masse der Mitglieder der Geheimhaltung
unterstehen und jegliche Verbindungen das Leben von Mitgliedern und deren
Familien beeinträchtigen könnte.“ Weiter heißt es: „Sollten weitere Frag…
und Bedrängungsversuche von ihrer Seite aus kommen, müssen wir den
Militärischen Abschirmdienst etc. informieren.“
Uniter also, ein Verein, dessen Gründer ein bundesweites Chatnetzwerk mit
vertraulichen Informationen aus deutschen Behörden belieferte; der den
unter Terrorismusverdacht verhafteten Soldaten Franco A. in seiner
Chatgruppe hatte; und der auch diejenige Chat-Gruppe in Norddeutschland
administrierte, deren Mitglieder an einem „Tag X“ mit Bundeswehrlastwagen
politische Gegner in Lager fahren wollten – dieser Verein also möchte im
Falle von Presseanfragen den Militärischen Abschirmdienst informieren.
## Die Elite der Bundeswehr vernetzen
Natürlich interessiert uns daher, worum es sich bei Uniter handelt. Uniter,
das bedeutet, auf Latein: „In Eins verbunden“. Der Verein möchte die Elite
der deutschen Bundeswehr vernetzen.
Dafür gibt es auch gute Gründe: Oft scheiden KSK-Soldaten im Alter von 35
Jahren aus dem Verband aus, die Auslandseinsätze entfallen – und damit
Auslandsbezüge und Gefahrenzulagen der Soldaten. Plötzlich ist weniger Geld
auf dem Konto. Uniter könnte da eine Hilfe sein. In dem Netzwerk sollen
sich aktuelle und ehemalige Soldaten gegenseitig unterstützen. Viele von
ihnen haben Sicherheitsfirmen oder Kampfsportschulen gegründet, andere sind
weiter beim Militär. Im Online-Shop werden Krawatten, Manschettenknöpfe und
Siegelringe mit dem Uniter-Emblem verkauft: Schwert und Kreuz, umfasst von
einem Eichenkranz.
Auf Facebook lädt Uniter ein zu einem Marsch auf eine Burgruine in
Baden-Württemberg, um Veteranen zu gedenken. Ein anderes Mal treffen sich
Uniter-Mitglieder in einer Bundeswehrkaserne bei Berlin. Hier gibt sich der
Verein offen für Interessierte. Eine Gruppe lädt die taz schließlich ein.
Es ist ein Samstagmorgen im September dieses Jahres. In einer
Kampfsporthalle in Berlin-Köpenick erklärt ein Trainer, Messerkampf brauche
viel Übung, Jahre, es sei eine der gefährlichsten Disziplinen. Die Männer,
ein Sicherheitsmitarbeiter vom Flughafen, ein Personenschützer und ein
Polizeiausbilder, ahmen die Bewegungen des Russen nach. Sie wollen
vorbereitet sein.
Also üben sie mit Kunststoffmessern, wie es wohl wäre, jemandem die Klinge
durch die Kehle zu ziehen? „Um jemanden mit dem Messer zu töten, muss man
ihn am Oberschenkel treffen, dann in den Bauch, dann in den Hals.“ So
erklärt es der Trainer auf russisch. Einer muss übersetzen. Das klingt dann
so: „Schneiden, schneiden, schneiden.“
## Nur ein Spiel?
Auch Uniter ist, wie die Chatgruppen, in die Distrikte Nord, Süd, Ost und
West gegliedert. Auch hier gibt es Ableger in Österreich und der Schweiz.
Auch hier kennen sich viele Mitglieder nicht über ihre eigenen Distrikte
hinaus. Einer der Distriktleiter-Ost ist ein Polizeiausbilder. Uniter hat
auch schon mal Spenden für Obdachlose gesammelt, der Verein ist wiederum
Teil eines Ritterordens. Mehrere Mitglieder sind auch Freimaurer. Ungefragt
erklärt der Polizistenausbilder im Gespräch mit der taz: Jedes neue
Mitglied werde überprüft, Extremismus nicht geduldet. So steht es auch in
der Satzung des Vereins.
Franco A. hatte seinem Waffenhändler Uniter empfohlen. Der Verein
dementiert, dass A. formal Mitglied gewesen war.
Der MAD interessiert sich für Uniter, will ein Gefühl für die Vereinigung
bekommen, lässt sich von Hannibal erzählen, was er da so macht. Hannibals
Gesinnung ist dagegen nie Gegenstand einer MAD-Überprüfung.
Als die Ermittler des BKA André S. im vergangenen Jahr befragen, worauf er
und die anderen Prepper sich denn vorbereiteten, sagt er: Es gehe in diesen
Chats nur um Planspiele. Und er wird sagen, eine gesunde Vorbereitung mache
ja heutzutage jeder, der im Staatsdienst arbeite.
Alles nur ein Spiel? Im Süd-Chat hatte Hannibal vor Jahren geschrieben,
dass sich das Autohaus seiner Eltern als Safe-Haus eigne. Bei einer
Durchsuchung finden die Ermittler in deren Wohnhaus eine Kiste mit
Übungsgranaten aus den Beständen der Bundeswehr und Zünder. Was er dazu
sagen könne, fragen sie Hannibal im September 2017 und weisen darauf hin,
dass er sich nicht selbst beschuldigen muss. Hannibal sagt, er wolle darauf
nicht antworten.
## Keine gewaltbereiten Rechtsextremisten festgestellt
Zwei Wochen später, Anfang Oktober 2017, wird der MAD-Oberstleutnant Peter
W., Kontaktmann Hannibals, von der Wehrdisziplinar-Anwaltschaft befragt.
Sie werfen ihm vor, Interna verraten zu haben. Peter W. fungiert beim MAD
als Ansprechpartner für Generalbundesanwalt und Bundeskriminalamt. Die
Staatsanwaltschaft Köln hat Anklage gegen ihn erhoben.
Der Generalbundesanwalt führt Hannibal nicht als Beschuldigten. Das KSK hat
er inzwischen verlassen.
Als an diesem Freitag der Chef des Militärischen Abschirmdienstes, Christof
Gramm, im Bundestag befragt wird, sagt er: „Wir haben keine gewaltbereiten
Rechtsextremisten festgestellt.“ Und: „Eine Vernetzung von gewaltbereiten
Extremisten innerhalb der Bundeswehr findet daher auch nach unserer
Wahrnehmung nicht statt.“
16 Nov 2018
## LINKS
[1] /Prepper-Szene-in-Deutschland/!5370717
[2] /Terror-Ermittlungen-in-Norddeutschland/!5468003
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[4] /NS-Devotionalien-in-der-Bundeswehr/!5407377
## AUTOREN
Martin Kaul
Christina Schmidt
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