# taz.de -- Prozess im Hannibal-Komplex: Waffenexperte vor Gericht | |
> In Schwerin beginnt der Prozess gegen Marko G., einen ehemaligen | |
> Elitepolizisten. Er soll massenhaft Munition gestohlen und gehortet | |
> haben. | |
Bild: Polizisten einer Spezialeinheit beim Einsatz auf dem Grundstück in Banzk… | |
Am Mittwoch beginnt vor dem Landgericht Schwerin einer der bisher größten | |
Prozesse zum [1][Hannibal-Netzwerk] mit rechtsextremen Mitgliedern in | |
Polizei, Militär und anderen Behörden. Die Staatsanwaltschaft hat Marko G., | |
einen ehemaligen Beamten des Spezialeinsatzkommandos | |
Mecklenburg-Vorpommern, angeklagt, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, | |
das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz verstoßen zu haben. | |
Bei zwei Durchsuchungen auf dem Grundstück, im Fahrzeug und in Häusern von | |
Marko G. fanden Polizist*innen unter anderem über 55.000 Schuss Munition | |
und eine Maschinenpistole der Marke Uzi aus Bundeswehrbeständen. | |
Marko G. ist eine der Schlüsselfiguren des von der taz und anderen Medien | |
aufgedeckten Hannibal-Netzwerks. Der Begriff steht für mehrere Chatgruppen | |
beim Messenger-Dienst Telegram, die von einem ehemaligen Elitesoldaten des | |
Kommandos Spezialkräfte (KSK) ins Leben gerufen worden sind. Er gab sich | |
selbst den Decknamen Hannibal. | |
Die Mitglieder der von „Hannibal“ gegründeten Gruppen bereiteten sich als | |
[2][sogenannte Prepper] auf einen „Tag X“ vor. Für manche war dieser Tag X | |
eine Naturkatastrophe, auf die sich mit dem Einlagern von Konserven und | |
Batterien vorbereiten wollten, andere jedoch sahen die Gefahr einer | |
muslimischen Invasion und horteten deswegen Waffen. Einer dieser | |
Waffenbeschaffer soll Marko G. gewesen sein, die Staatsanwaltschaft | |
Schwerin schreibt dazu in einer Mitteilung: „Dabei fiel dem Angeschuldigten | |
als Waffenexperte unter anderem die Aufgabe zu, Munition und Waffen für die | |
Gruppe zu beschaffen und zu horten.“ | |
Zwei Mitgliedern der vom in Schwerin angeklagten Marko G. administrierten | |
„Nordkreuz“-Gruppe sollen [3][Feindeslisten angelegt und die Tötung | |
politischer Gegner geplant haben], das wirft ihnen der Generalbundesanwalt | |
vor. | |
Viele Männer des Hannibal-Netzwerks radikalisierten sich nach der Ankunft | |
von über einer Million Geflüchteten 2015 und 2016 in Deutschland. Gegen | |
mehrere Männer, die sich in Telegram-Chats und bei realen Treffen | |
austauschten, laufen Ermittlungen. Das Hannibal-Netzwerk hatte Ableger im | |
Norden, Süden, Westen und Osten Deutschlands. | |
So war beispielsweise auch der Bundesoffizier Franco A., der laut | |
Bundesanwaltschaft mit gefälschter syrischer Identität Terroranschläge | |
geplant hat, Teil des Netzwerks, und zwar in Süddeutschland. [4][Der | |
mutmaßliche Rechtsextremist muss sich wegen Vorbereitung einer schweren | |
staatsgefährdenden Gewalttat, also Terror,] vor Gericht verantworten. Der | |
Bundesgerichtshof hob eine anderslautende Entscheidung des | |
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf, wie am Dienstag bekannt wurde. | |
## Angeklagter war Administrator von Chatgruppen | |
Der in Schwerin ab Mittwoch vor Gericht stehende ehemalige Elite-Polizist | |
Marko G. war nach Erkenntnissen der Ermittler*innen der Administrator von | |
mindestens zwei Chatgruppen im Nordteil des Netzwerks: Nordkreuz und | |
Nord.com. | |
Marko G. wurde bereits im September in Schwerin angeklagt, weil er mit | |
Hilfe von mindestens drei weiteren aktiven und ehemaligen Polizisten ab | |
April 2012 widerrechtlich Munition aus den Beständen des Landeskriminalamts | |
Mecklenburg-Vorpommern gestohlen haben soll. Dabei geht es um insgesamt | |
55.000 Schuss, die zusammen mit zahlreichen Waffen und Sprengkörpern bei | |
zwei Durchsuchungen gefunden wurden, die knapp zwei Jahre | |
auseinanderliegen. | |
Zum ersten Mal durchsuchten Einheiten des Bundeskriminalamts das Wohnhaus | |
und das Auto des Angeklagten im 20 Kilometer südöstlich von Schwerin | |
gelegenen Ort Banzkow am 28. August 2017. Die lokalen Polizeibehörden | |
wurden damals nicht eingebunden, unter anderem deshalb, weil Marko G. | |
selbst Polizist im Landeskriminalamt ist. | |
Die Ermittler*innen des Bundeskriminalamts fanden bei G. unter anderem | |
23.800 Schuss Munition, zahlreiche Waffen und Blendgranaten. Was Marko G. | |
zu diesem Zeitpunkt legal besaß und was nicht, soll der Prozess in Schwerin | |
unter anderem klären. Der Ex-Elitepolizist besaß zu diesem Zeitpunkt | |
mehrere Waffenbesitzkarten. | |
Noch am Tag der Durchsuchung entzog die zuständige Behörde Marko G. | |
sämtliche Waffenbesitzkarten. Die Bundesanwaltschaft gab ihre Erkenntnisse | |
über G. an die Ermittlungsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern weiter. Sieben | |
Beamt*innen des Landeskriminalamts ermittelten fortan in einer speziellen | |
Ermittlungsgruppe, abgeschottet von ihren Kolleg*innen. | |
In Schwerin fürchtete man offenbar einen Maulwurf in den eigenen Reihen. | |
Die Staatsanwalt Schwerin schreibt in einer Mitteilung, man habe „zum | |
Schutz der Ermittlungen auch die Unterstützung von Polizeidienststellen | |
anderer Bundesländer in Anspruch genommen“. | |
Am 12. Juni dieses Jahres, zwei Jahre nach der ersten Durchsuchung, ließ | |
die Staatsanwaltschaft Schwerin das Wohnhaus von Marko G. noch einmal | |
durchsuchen, dazu einen von ihm genutzten Bungalow. Die Beamt*innen fanden | |
dieses Mal Waffen, Sprengkörper und etwa 31.500 Schuss Munition. | |
Darunter auch etwa 1.400 Schuss Gewehrmunition, die dem | |
Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen. Laut der Staatsanwaltschaft | |
Schwerin verkaufen die Hersteller diese Munition ausschließlich an | |
Polizeibehörden und Streitkräfte. | |
Die gestohlene Maschinenpistole | |
Die Beamt*innen fanden auch eine Maschinenpistole des israelischen | |
Fabrikanten Israel Weapon Industries mit Schalldämpfer, weltweit bekannt | |
als „Uzi“. Laut den Ermittler*innen wurde die Maschinenpistole im Dezember | |
1993 aus Räumlichkeiten der Bundeswehr in Brandenburg gestohlen. | |
Das Amtsgericht Schwerin erließ noch am selben Tag Haftbefehle gegen Marko | |
G. und die drei Männer, die ihm geholfen haben sollen, Munition aus | |
Beständen des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern zu stehlen. | |
Am Tag der ersten Durchsuchung bei Marko G., damals im August 2017, nahmen | |
sich BKA-Beamt*innen neben dem Haus von Marko G. auch die Wohn- und | |
Geschäftsräume von fünf weiteren Männern vor. Durch diese Razzia erfuhr die | |
Öffentlichkeit, dass die Bundesanwaltschaft in Nordeutschland eine | |
potenzielle rechtsextreme Terrorzelle vermutet. | |
Oder wie es auf Juristendeutsch heißt: Sie verdächtigt zwei der insgesamt | |
sechs Männer der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. | |
Ein Verdächtiger ist Rechtsanwalt und Lokalpolitiker, ein anderer ist | |
Polizist wie Marko G., ein Kriminaloberkommissar aus Ludwigslust. Marko G. | |
selbst ist für die Bundesanwaltschaft bis heute kein Tatverdächtiger. | |
Deswegen steht G. in Schwerin auch nur wegen der Vorwürfe des illegalen | |
Besitzes von Waffen und Munition beziehungsweise der unsachgemäßen Lagerung | |
derselben vor Gericht, sagt eine Sprecherin der dortigen | |
Staatsanwaltschaft. Ihre Behörde stütze sich bei der Frage des | |
Terrorverdachts auf die Erkenntnisse der Bundesanwaltschaft. Wenn diese | |
Marko G. nicht als Terrorverdächtigen führe, werde er in | |
Mecklenburg-Vorpommern auch nicht als solcher angeklagt. Ein Sprecher der | |
Bundesanwaltschaft sagte am Dienstag dazu lediglich, die Ermittlungen | |
dauerten noch an. | |
Bleibt noch die Frage, warum ab Mittwoch nur Marko G. vor Gericht steht und | |
nicht die drei ehemaligen SEK-Beamten, die ihm beim Munitionsklau geholfen | |
haben sollen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte am Dienstag, die | |
Ermittlungen gegen die drei anderen mutmaßlichen Munitionsdiebe dauerten | |
noch an. | |
19 Nov 2019 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
Pia Stendera | |
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