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# taz.de -- Verbot von Reichsbürgerverein: Die „GmbH“ schlägt zurück
> Seehofer verbietet erstmals einen Reichsbürgerverein. Die Gruppe fiel
> durch Drohschreiben auf – und durch Solidarität mit einem
> Holocaustleugner.
Bild: Briefkastenschild der Reichsbürger-Truppe „Geeinte deutsche Völker un…
BERLIN taz | Die Sprache war blumig. Man wolle „an die Werte alter
Strukturen erinnern und diese wieder aufbauen“, verkündete die
Reichsbürgertruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ (GdVuSt). „Fre…
gesund und voller Freude“ wolle man leben. Das Ziel: ein „Naturstaat“.
Ganz so harmlos aber war die Gruppe nicht. Am Donnerstag nun wurde sie vom
Bundesinnenministerium verboten. Am frühen Morgen durchsuchten 400
Polizisten in zehn Bundesländern die Wohnungen von 21 Führungspersonen der
Gruppe und übermittelten diesen den Verbotsantrag. Es ist das erste Verbot
[1][in der Reichsbürgerszene]. Mit verboten wurde die Teilgruppe
„Osnabrücker Landmark“.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wirft der insgesamt rund 120
Mitglieder zählenden Gruppe vor, „rassistische und antisemitische Schriften
zu verbreiten und damit unsere freiheitliche Gesellschaft systematisch zu
vergiften“. Auch habe diese gegen Amtsträger und ihre Familien „verbale
Militanz und massive Drohungen“ ausgeübt.
„Wir setzen den Kampf gegen Rechtsextremismus auch in Krisenzeiten
unerbittlich fort“, erklärte Seehofer. „Für Rassismus und Antisemitismus
haben wir in unserer Gesellschaft keinen Millimeter Platz.“
## Die BRD als GmbH
Die Gruppe „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ hatte sich 2017
zusammengetan. In einem Gründungsschreiben wurde gegen „moderne Arroganz“
gewettert, welche die Natur zerstöre. Ein „Seehandelssystem“ beherrsche die
Welt, gelenkt „von einer handvoll geübter breithüftiger Kaufleute“ und
unterstützt von der „kasharischen Mafia“ – eine antisemitische
Verschwörungstheorie.
Auch die Bundesrepublik sei nur ein illegtimes „Handelskonstrukt“, eine
bloße GmbH, unterjocht von „Besatzungsmächten“. Das Grundgesetz sei eine
„Besatzungsordnung“. Die Gruppe stellte dagegen ihr fabuliertes „Höchstes
Gericht der geeinten deutschen Völker und Stämme“, das über den hiesigen
Gerichte stehe und über angebliche Bodenrechte verschiedene Gebiete für
sich reklamierte.
Einer der führenden Köpfe war dabei Heike W. aus Berlin, die selbsternannte
„Generalbevollmächtigte“. Zuvor war sie schon in der Region um die
niedersächsische Stadt Melle aktiv, wo der Verein „Landmark e.V.“
angesiedelt war. In Videos warb Heike W. dafür, „dass die Volksseele wieder
aufsteht“. Sie wolle „die Rechte zurückholen für die Menschen“. Dazu
schickte sie Schreiben an Behörden, in denen sie diese für illegitim
erklärte. Am Donnerstag wurde nun auch Heike W.s Wohnung durchsucht.
Vor allem durch diese Drohschreiben fiel die Gruppe zuletzt auf. Den
adressierten Behörden drohte sie eine „Inhaftierung“ an, hohe
„Strafgebühren“ oder „Sippenhaft“. In einigen Briefen wurde die Übert…
von Liegenschaften und Immobilien auf Privatpersonen gefordert, in
Berlin-Zehlendorf sollte ein Rathaus an die Gruppe übergeben werden.
## Drohschreiben auch an Merkel
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt 2017 ein Schreiben der Truppe,
in dem sie aufgefordert wurde, die Bundestagswahl abzuschaffen und das
„Unternehmen Bundesrepublik“ zu „schließen“. Stattdessen halte nun die
„GdVuST“ die „oberste Gerichtsbarkeit“. Zudem solidarisierte sich die
Gruppe auch mit dem inhaftierten Holocaustleugner Horst Mahler und forderte
dessen Freilassung.
Das Bundesinnenministerium wirft der Gruppe „schwerwiegende Verletzungen
der Grundrechte und insbesondere der Menschenwürde anderer“ vor. Sie bringe
durch „Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ihre
Intoleranz gegenüber der Demokratie zum Ausdruck“ und leugne die
Legitimität der Bundesrepublik, welche als „niedrigste Staatsform“
diskreditiert werde. Auch schreckten die Mitglieder nicht vor Straftaten
zurück.
Schon im September 2019 gab es dazu eine Razzia in Berlin, Brandenburg und
Mecklenburg-Vorpommern – wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen
Gruppe. Bei den jetzigen Durchsuchungen wurden Schusswaffen,
Baseballschläger, Propagandamaterialien sowie geringe Mengen
Betäubungsmittel sichergestellt.
Die Sicherheitsbehörden hatten die Reichsbürger-Szene [2][lange kaum auf
dem Schirm]. Erst als 2016 ein Reichsbürger [3][im bayrischen Georgensgmünd
einen Polizisten erschoss], änderte sich der Kurs. Seitdem beobachtet der
Verfassungsschutz die Szene strukturierter. [4][Reichsbürger sollen
außerdem entwaffnet werden]. Bundesweit rechnen die Sicherheitsbehörden der
Szene 19.000 Personen zu, 950 davon gelten als klar rechtsextrem.
Erst im Januar hatte das Bundesinnenministerium [5][die rechtsextreme
Gruppe „Combat 18“ verboten] – als Reaktion auf die rechtsextremen
Mordanschläge in Halle und auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter
Lübcke. Seehofer hatte nach Combat 18 weitere Verbote angekündigt. Das ist
nun erfolgt.
19 Mar 2020
## LINKS
[1] /Reichsbuerger/!t5009452/
[2] /Umgang-der-Regierung-mit-Reichsbuergern/!5509514
[3] /Nach-Todesschuessen-auf-Polizei/!5456701
[4] /Rechtsextreme-und-Waffen/!5625053
[5] /Kampf-gegen-Rechtsextremismus/!5658992
## AUTOREN
Konrad Litschko
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taz-Serie: Die Reichsbürger
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