# taz.de -- Aktueller Verfassungsschutzbericht: Seehofer will alle Register zie… | |
> Laut Verfassungsschutz ist die Zahl der Rechtsextremisten mit 24.100 auf | |
> einem Höchststand. Der Innenminister nennt die Szene „brandgefährlich“. | |
Bild: Rechte bei einer 1.-Mai-Demonstration in Dresden | |
BERLIN taz | Die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland ist laut | |
[1][Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)] auf einem „Höchststand“. Bei | |
der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2018 am Donnerstag sprach | |
Seehofer von einer „hohen Gefährdungslage“ und nannte die rechtsextreme | |
Szene „brandgefährlich“. | |
Insgesamt zählte der Verfassungsschutz 2018 24.100 Rechtsextremisten – 100 | |
mehr als noch im Jahr zuvor. Damit steigt die Zahl seit vier Jahren | |
kontinuierlich an. Über die Hälfte gilt als gewaltbereit, viele haben laut | |
Seehofer zudem eine „hohe Waffenaffinität“. | |
Seehofer beteuerte erneut, „alle Register“ im Kampf gegen Rechtsextremismus | |
ziehen zu wollen. So prüfe seine Behörde das Verbot mehrerer Gruppierungen. | |
Namen wollte Seehofer nicht nennen, allerdings sei ein Verbot auch dann | |
denkbar, wenn eine Gruppe bislang keine Gewalt angewendet hat, aber | |
rassistische Propaganda verbreitet. [2][Der Mord an Walter Lübcke] habe | |
gezeigt, dass Hetze im Netz in reale Gewalt münden könne. Als „geistige | |
Brandstifter“ bezeichnete Seehofer etwa die „[3][Identitäre Bewegung | |
Deutschland“]. | |
Den größten Teil der Rechtsextremisten verortet die Behörde in einem | |
„weitgehend unstrukturierten“ Kreis an Personen, die nicht in festen | |
Strukturen oder Parteien organisiert sind. Auch deren Zahl ist gestiegen. | |
Laut [4][Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang] beobachtet seine | |
Behörde zunehmend Kleinstgruppen und Einzelgänger, die sich durch Hetze und | |
Propaganda in sozialen Netzwerken radikalisierten. | |
## Rechtsextremisten so schnell wie nie | |
Dazu trage bei, dass rechtsextreme Gruppen permanent daran arbeiteten, ihre | |
Mobilisierungsstrategien und ihre Vernetzung zu stärken – auch | |
international. Neben Konzerten spielten zunehmend auch | |
Kampfsportveranstaltungen eine wichtige Rolle. Vor allem aber gelänge es | |
immer häufiger, lokale Protestgeschehen zu unterwandern. „Eine so | |
erfolgreiche Ad-hoc-Mobilisierung wie in Chemnitz haben wir noch nicht | |
gesehen“, sagt Haldenwang. Der Brückenschlag zur bürgerlichen Mitte gelinge | |
Rechtsextremen immer besser. | |
Die „einzige gute Nachricht“ sei, dass rechtsextreme Parteien wie die NPD | |
oder „Der III. Weg“ 2018 keine nennenswerten Wahlerfolge feiern konnten, so | |
Haldenwang. Auch sinken deren Mitgliederzahlen. Die AfD zähle seine Behörde | |
nicht als rechtsextrem, betonte Haldenwang auf Nachfrage. Lediglich die | |
Unterorganisationen [5][„Der Flügel“] und die [6][„junge Alternative“] | |
seien weiter „als Verdachtsfälle in der Prüfung“. Mehr Klarheit erhoffe er | |
sich hier vom sogenannten Kyffhäusertreffen des „Flügels“ im Juli. | |
Stark gestiegen – von 16.500 auf 19.000 – ist die Zahl der Reichsbürger und | |
Selbstverwalter. Während sie ohne Ausnahme als staatsfeindlich gelten, | |
stuft der Verfassungsschutz nur 950 von ihnen als rechtsextrem ein. In | |
dieser Szene seien antisemitische Ideologien verbreitet. | |
Eher zugeknöpft gaben sich Seehofer und Haldenwang auf Nachfragen zum | |
rechtsextremistischen Potenzial innerhalb der deutschen | |
Sicherheitsbehörden. Es handele sich um „Einzelfälle“. Auch wies Seehofer | |
Kritik von sich, das Innenministerium oder der Verfassungsschutz hätten | |
sich lange zu wenig um rechtsextremistische Strukturen gekümmert. „Es gibt | |
keine Blindheit auf dem rechten Auge.“ | |
27 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Alicia Lindhoff | |
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