# taz.de -- Aussteigerhilfe-Projekt für Neonazis: Exit ist gerettet | |
> Das Familienministerium will die Aussteigerhilfe doch weiterfördern. | |
> Andere Projekte stehen dagegen weiter vor dem Aus – und protestieren. | |
Bild: Ausgekämpft: Für das Neonazi-Aussteiger-Projekt Exit wird es nun weiter… | |
Das Aussteigerprogramm Exit kann doch weitermachen. Bei einem Treffen am | |
Donnerstagnachmittag sagte das Familienministerium dem Projekt eine erneute | |
Förderung durch das Programm „Demokratie leben“ zu. [1][Zuletzt stand der | |
Fortbestand von Exit auf der Kippe.] | |
„Ich schätze die Arbeit von Exit“, teilte Familienministerin Franziska | |
Giffey (SPD) mit. „Darum war es mir wichtig, gemeinsam an einer Lösung zu | |
arbeiten, wie auch künftig eine Förderung möglich ist.“ Man habe nun einen | |
neuen strategischen Ansatz gefunden, mit dem eine Weiterförderung möglich | |
sei. Dies sei nötig, weil gesetzlich eine Dauerförderung nicht möglich sei, | |
so Giffey. „Ich freue mich, dass es uns nun gelungen ist, einen Weg zu | |
finden, die Arbeit von Exit auch künftig unterstützen zu können.“ | |
Auch Exit bestätigte die Zusage. „Wir freuen uns, dass die Hängepartie | |
endlich ein Ende hat und wir unsere Arbeit fortsetzen können“, sagte | |
Sprecher Fabian Wichmann der taz. Das Projekt hatte nach eigener Auskunft | |
bereits begonnen, die derzeit gut 100 betreuten AussteigerInnen | |
„abzuwickeln“. „Nun können wir ihnen mitteilen, dass es doch weitergeht�… | |
freute sich Wichmann. | |
Exit ist die wohl bekannteste Aussteigerhilfe für Rechtsextremisten. Seit | |
dem Jahr 2000 [2][half sie nach eigenen Angaben mehreren hundert Neonazis | |
beim Rückzug] aus der Szene. Über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ | |
wurde das Projekt zuletzt mit 225.000 Euro jährlich gefördert. | |
## Geänderter Förderfokus | |
In der neuen Förderperiode ab 2020 ging Exit aber zunächst leer aus – wie | |
eine Vielzahl anderer Projekte, die sich gegen Extremismus engagieren, | |
auch. Allein bei den sogenannten Modellprojekten werden nun nur noch 100 | |
statt bisher 400 Projekte gefördert. Diese sollen dafür mehr Geld erhalten. | |
[3][Grund ist zudem ein geänderter Förderfokus]: So sollen nun mehr Gelder | |
zu Engagierten im Kommunalen wandern, über sogenannte „Partnerschaften für | |
Demokratie“, oder in Landesdemokratiezentren. | |
Zudem sollte „Demokratie leben“ im kommenden Jahr zunächst von 115 | |
Millionen Euro um acht Millionen Euro gekürzt werden. Nach Protesten | |
einigten sich Giffey und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) aber darauf, die | |
Kürzung zumindest fürs kommende Jahr zurückzunehmen. | |
Und nun wurde auch Exit gerettet. Die Aussteigerhilfe soll künftig als | |
„Begleitprojekt“ gefördert werden und verstärkt „phänomenübergreifend… | |
arbeiten. Er hoffe, dass zukünftig solche Wochen der Ungewissheit nicht | |
mehr stattfinden, sagte Exit-Sprecher Wichmann. „Das war eine enorme | |
Belastung für alle.“ | |
Vielen weiteren Projekten droht indes weiter das Aus. Laut Timo Reinfrank, | |
Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, betrifft dies vor allem | |
Projekte im strukturschwachen Raum, aber auch im Bereich Antiziganismus, | |
Sexismus oder Hass im Netz. Auch seine eigene Stiftung müsse mehrere | |
Projekte beenden und in Hannover ein Büro schließen, so Reinfrank. Ein | |
aktuelles Gesprächsangebot wie für Exit habe man bisher nicht erhalten. | |
Die abgelehnten Initiativen und Unterstützer wandten sich nun am Freitag | |
mit einem offenen Brief an Giffey und baten um eine deutliche Aufstockung | |
von „Demokratie leben“ auf mindestens 200 Millionen Euro – gerade in Zeit… | |
eines wachsenden Rechtsrucks und nach dem Anschlag von Halle sei dies | |
unabdingbar. „Noch nie war der Bedarf so groß“, heißt es in dem Schreiben. | |
„Wir brauchen Kontinuität in der Arbeit, wir brauchen Planungssicherheit | |
und wir brauchen Unterstützung statt Gängelei.“ | |
„Das Problematischste an der breiten Ablehnung von zivilgesellschaftlichen | |
Engagement ist das politische Zeichen nach außen“, kritisierte Reinfrank. | |
„Es wirkt, als ob man vor Rechtsradikalen kapitulieren würde.“ Für viele | |
Leute vor Ort sei die Förderpolitik des Familienministeriums nicht zu | |
verstehen. „Viele fragen sich, warum sie sich das über Jahre hinweg angetan | |
haben.“ | |
Das Familienministerium hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass das Programm | |
bereits von 40 Millionen Euro im Jahr 2014 auf nun 115,5 Millionen Euro | |
erhöht wurde. Auch hätten sich aktuell 1.000 Projekte beworben, die Mittel | |
aber seien begrenzt, so ein Sprecher. „Dies erfordert eine Auswahl.“ | |
Giffey fordert nun eine dauerhafte Förderung der Projekte mittels eines | |
Demokratiefördergesetzes. „Es ist an der Zeit, diesen Schritt zu gehen, | |
auch wenn ein solches Gesetz nicht im Koalitionsvertrag steht.“ Bisher war | |
die SPD mit dieser Forderung an der Union gescheitert. Dort aber bewegt man | |
sich inzwischen. So beschloss der CDU-Vorstand nach Halle ein | |
Maßnahmenpapier, in dem es auch heißt, „die Demokratieförderung des Bundes | |
ist weiter zu verstärken“. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) | |
kündigte eine Verbesserung bei der Präventionsarbeit an. | |
18 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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