# taz.de -- Mutmaßliche Reichsbürger vor Gericht: Sie hätten gern ihre Waffe… | |
> Vor einem Münchner Gericht versuchen zwei Männer, ihr Waffenarsenal | |
> wieder zu erhalten. Sie stellen sich ahnungslos. | |
Bild: Waffen? Nicht für Reichsbürger | |
München taz | Martin Beilhack ist in bayerischer Lederhose, mit | |
Wadenstrümpfen und Haferlschuhen zum Gericht gekommen und beteuert: „Ich | |
stehe zu unserem Staat, ich stehe auf dem Boden des Grundgesetzes.“ Mit | |
Reichsbürgern habe er nichts zu tun, er wisse nicht einmal, was das für | |
Leute seien. Deshalb wolle er auch die eingezogenen neun Gewehre und zwei | |
Pistolen sowie die Waffenberechtigungskarte zurück, die ihm das Landratsamt | |
Miesbach vor zwei Jahren weggenommen hatten. | |
Man möchte diesem 63 Jahre alten hoch gewachsenen bayerischen Mannsbild | |
gerne glauben. Letztlich sei die Sache ein „großer Schmarrn“ gewesen, über | |
den er sich jetzt selbst ärgere, sagt er dem Richter Florian Schlämmer vor | |
dem Verwaltungsgericht München in breitem Dialekt. Beilhack klagt gegen den | |
Freistaat. Er ist einer jener 325 Personen, die die Behörden als | |
Reichsbürger einstufen und die Waffen besitzen. | |
Doch weder der Richter, noch die Landesanwaltschaft, die den Freistaat | |
vertritt, bewerten Beilhacks Tun als harmlos. 2015 hatte er einen Antrag | |
auf einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis gestellt und sich auf das | |
Gesetz von 1913 berufen – ein typisches Anzeichen für Reichsbürgertum. Laut | |
der Ideologie dieser Bewegung, der sich auch manche Rechtsextremisten | |
anschließen, gibt es die Bundesrepublik Deutschland gar nicht. | |
Personalausweis und Pass sehen sie nicht als gültige Dokumente, den „gelben | |
Zettel“, den Staatsangehörigkeitsausweis, hingegen schon. Auf seinem Antrag | |
hatte Beilhack vermerkt, dass er im „Königreich Bayern“ geboren sei und | |
dort lebe. Die „Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung“ sei damit klar | |
erkennbar gewesen, meint Richter Schlämmer. | |
## Keine Chance für Arglosigkeit | |
Als [1][2016 im fränkischen Georgensgmünd ein Reichsbürger einen Polizisten | |
erschossen hatte], wurden die Behörden auf die Bewegung aufmerksam. Laut | |
bayerischem Innenministerium gibt es in Deutschland 19.000 und [2][im | |
Freistaat 4.200 Reichsbürger]. Wegen ihre Ideologie gelten sie als | |
ungeeignet, eine Waffe zu haben – sei es für die Jagd oder den | |
Schützenverein. | |
Ein Unbekannter ist der Landwirt Beilhack nicht im Raum Miesbach. Er steht | |
den Waakirchener Gebirgsschützen als Hauptmann vor, war Kreisrat für die | |
Freie Wählergemeinschaft, ist als Schützenvertreter mit dem damaligen | |
Ministerpräsident Seehofer (CSU) zum bayerischen Papst in den Vatikan | |
gefahren, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. | |
Seine Sicht der Dinge: Mit einem Freund sei er am „Politisieren“ gewesen, | |
als dieser ihm sagte: „Weißt du, dass du überhaupt keine deutsche | |
Staatsangehörigkeit hast?“ So haben dann am Ende vier Freunde gemeinsam den | |
„gelben Zettel“ beantragt. | |
Richter Schlämmer lässt die Arglosigkeit nicht durchgehen. Zumindest bei | |
der Antragstellung habe er klare Anzeichen einer Reichsbürgergesinnung | |
gezeigt. Beilhacks Anwalt hat nun sechs Wochen Zeit, um schriftlich | |
Stellung zu nehmen. | |
Den nächsten Fall gibt es gleich im Anschluss: Auch Andreas Stitzl wurden | |
die Waffe und seine Berechtigungskarte abgenommen. Er war bis Ende | |
vergangenen Jahres Co-Trainer der deutschen Biathlon-Nationalmannschaft. | |
Der 45-Jährige meint, er habe „voll und blind“ seiner Frau vertraut und tue | |
dies weiterhin. Diese habe die Ausweise beantragt mit der Begründung, dass | |
man sie bei den vielen Trainingsreisen mal gebrauchen könne. | |
Die Briefe an die Behörden sind getränkt mit Reichsbürgerideologie. Das | |
Landratsamt wird als „Unternehmen“ bezeichnet, dessen Mitarbeiter | |
persönlich haftbar gemacht werden könnten. Als Geburtsland wurde ebenfalls | |
„Königreich Bayern“ angegeben. | |
„Ich gehöre den Reichsbürgern nicht an“, sagt auch Stitzl. In einem Brief | |
wurde als Begründung für den Ausweis laut Richter allerdings geschrieben, | |
es sei „gelinde gesagt kühn, unser Kind dem Kind ausländischer Eltern | |
gleichzusetzen“. | |
10 Jul 2019 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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