# taz.de -- Rechte Umsturz-Aufrufe: „Schließt euch an!“ | |
> Rechte sehen einen „Tag X“ aufkommen – und rufen Polizisten, Soldaten u… | |
> Verfassungsschützer zum Widerstand auf. | |
Bild: Sind sie immun gegen rechte Widerstandsaufrufe? Polizisten bei der Vereid… | |
BERLIN/DRESDEN taz | Am Mittwochnachmittag trafen die Innenminister der | |
Länder in Kiel ein, auch Bundesinnenminister Horst Seehofer. Bis Freitag | |
wird nun bei der halbjährlichen Innenministerkonferenz [1][hinter | |
verschlossenen Türen konferiert, die Tagesordnung ist lang]: Knapp 70 | |
Themen sind abzuarbeiten. Ein Punkt diesmal: der Extremismus in den eigenen | |
Reihen, in denen der Sicherheitsbehörden. | |
Es ist nach taz-Informationen Tagesordnungspunkt 34. Dort geht es um die | |
„Zuverlässigkeitsüberprüfung“ bei der Polizei. Neubewerber*innen sollen | |
künftig strenger geprüft werden und die Polizeien direkten Zugriff auf | |
Daten des Verfassungsschutzes erhalten. „Wir wollen eine Regelabfrage, um | |
diejenigen, die offensichtlich etwas auf dem Kerbholz haben, gar nicht erst | |
in den Polizeidienst zu lassen“, sagte Niedersachsens Innenminister Boris | |
Pistorius (SPD) am Mittwoch der taz. Es gehe um Rechtsextremisten, | |
Reichsbürger, aber auch Clan-Mitglieder. „Wir müssen darauf achten, dass | |
unsere Sicherheitsbehörden nicht unterlaufen werden von Leuten, die unseren | |
Staat, aus welchen Gründen auch immer, ablehnen.“ | |
Tatsächlich gibt es hier ein Problem – nicht nur bei der Polizei. Zuletzt | |
waren etwa hessische Polizisten aufgeflogen, [2][die sich in rechtsextremen | |
Chatgruppen sammelten]. Und just an diesem Mittwoch wurden in | |
Mecklenburg-Vorpommern [3][ein früherer und drei aktive SEK-Polizisten | |
verhaftet, die Munition aus dem Landeskriminalamt entwendet] und sich teils | |
in der Prepper-Szene mit Umsturzfantasien beschäftigt haben sollen. Und es | |
gibt Kräfte in der rechten Szene, die genau solche Vorgänge befeuern. | |
## Höcke ruft Verfassungsschützer zum Widerstand auf | |
Es war Januar, als Stephan Kramer, Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, | |
hellhörig wurde. Da hatte im sächsischen Groitzsch Björn Höcke, der | |
AfD-Rechtsaußen aus Thüringen, in einem Lokal auf der Bühne gestanden, bei | |
einem Treffen des „Flügels“, des weit rechten Sammelbeckens der AfD. Presse | |
war nicht zugelassen, aber der Verfassungsschutz hatte das Treffen auf dem | |
Schirm. | |
[4][Damals hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD gerade zum | |
„Prüffall“ erklärt,] Kramers Landesamt hatte dies schon Monate zuvor geta… | |
Nun stand Höcke vor langen Tischreihen, eine Deutschlandfahne umhüllte sein | |
Rednerpult. Höcke zürnte: Das Vorgehen des Verfassungsschutzes sei „ein | |
unglaublicher politischer Skandal“. Er wisse von etlichen | |
Verfassungsschützern, die „vor Wut kochen, weil sie sich als neutrale | |
Staatsdiener missbraucht fühlen“, wenn sie die AfD beobachten sollten. Dann | |
adressierte Höcke diese „redlichen Beamten“ direkt: Sie hätten das Recht, | |
sich unrechtmäßigen Weisungen zu verweigern – das sogenannte | |
Remonstrationsrecht. „Machen Sie von diesem Recht Gebrauch!“ | |
Es war ein offener Aufruf an Staatsbedienstete, sich gegen den Staat zu | |
stellen – und längst nicht der erste. Der „Flügel“ sprach später von e… | |
großartigen Rede Höckes und verbreitete das Video davon im Internet. | |
Der Aufruf erreichte auch Stephan Kramer, den Thüringer | |
Verfassungsschutzchef, zuständig für Höcke und seinen AfD-Landesverband. Zu | |
beiden will sich Kramer, wegen des laufenden Prüfverfahrens, nicht weiter | |
äußern. Nur so viel: „Wir haben den Aufruf sehr aufmerksam registriert.“ | |
## „Versuch, den Staat von innen zu zersetzen“ | |
Ein Einzelfall sei dieser nicht, versichert Kramer aber. Die | |
Widerstandsaufrufe an Staatsbedienstete hätten in der neurechten Szene | |
System. Es sei ein „perfides“ Vorgehen. „Natürlich haben besonders Beamt… | |
aber auch Angestellte im öffentlichen Dienst, das Recht, ja sogar die | |
Pflicht, aufgrund ihrer Verfassungstreue, die Ausführung unrechtmäßiger | |
Vorschriften zu verweigern“, sagt Kramer. „Aber diese Aufrufe zum | |
vermeintlichen Widerstand, wie sie von rechts außen kommen, zielen auf | |
etwas anderes. Sie sind der Versuch, den Staat durch seine eigenen | |
Staatsdiener, quasi von innen zu zersetzen.“ | |
Seit Jahren schon buhlt die rechtsextreme Szene um Polizisten, Soldaten und | |
Verfassungsschützer und fordert diese zum „Widerstand“ gegen die | |
herrschende Politik auf. Inzwischen stimmt auch die AfD mit ein. Die | |
Sicherheitsbehörden reagieren unterschiedlich: Einige scheinen die Aufrufe | |
als rechtsextremes Getöse abzutun, andere rüsten sich ernsthaft. | |
Schon 2016, auf dem Höhepunkt der Asyldebatte, hatte AfD-Mann Höcke | |
Polizisten zum Widerstand gegen die Bundesregierung aufgerufen. Sie | |
dürften die Flüchtlingspolitik Merkels nicht weiter umsetzen, sagte er in | |
Erfurt. Andernfalls könnte es sein, dass man sie nach einem Machtwechsel | |
„vor Gericht stellt“. „Folgen Sie dieser bösartigen Frau nicht länger!�… | |
verlangte er. | |
Auch Jürgen Elsässer, der Herausgeber des weit rechten Compact-Magazins, | |
hatte 2015 Soldaten aufgefordert, Grenzstationen zu besetzen und sich, | |
wegen der Zuwanderungspolitik, gegen die Bundesregierung zu stellen. | |
„Wartet nicht auf Befehle von oben!“, appellierte Elsässer. In einer | |
Situation, in der „von der Staatsspitze selbst Gefahr für dieses Volk | |
ausgeht, seid Ihr nicht mehr an Befehle dieser Staatsspitze gebunden“. | |
Später wandte er sich an „alle verantwortungsbewussten Kräfte im | |
Staatsapparat“: Sie sollten Flüchtlingszentren „abriegeln“, Moscheen und | |
Grenzen schließen, „kein Moslem darf mehr rein oder raus“. „Wir sind im | |
Krieg“, verstieg sich Elsässer. | |
Auch auf den Pegida-Aufzügen in Dresden erklang die Aufforderung an | |
Polizisten und Soldaten, die Seiten zu wechseln. Die Polizisten müssten ein | |
„klares Signal“ setzen, dass „ihr für den Massenmissbrauch nicht zur | |
Verfügung steht“, rief dort 2016 die einstige Frontfrau Tatjana Festerling, | |
die später mit einer Bürgerwehr an der bulgarischen Grenze Flüchtlinge | |
abwehren wollte. Ob Polizisten wirklich mittragen wollten, „täglich | |
hundertfach“ wegen Einsätzen zu „religiös verfeindete[n] Asylforderer[n]�… | |
ausrücken zu müssen? Festerlings Appell: „Schließt euch uns an!“ Die Men… | |
wiederholte skandierend: „Schließt euch an!“ | |
Tatsächlich scheinen einige diesen Schritt bereits gegangen zu sein. In der | |
AfD sind [5][heute allein 7 der 91 Bundestagsabgeordneten ehemalige | |
Polizisten]; 12 Abgeordnete und 8 Mitarbeiter waren einst bei der | |
Bundeswehr, 4 Abgeordnete zuvor Staatsanwalt oder Richter. | |
Bei der Bundeswehr wurde 2017 ein Soldat festgenommen, der den Schritt in | |
den Widerstand offenbar ebenfalls gegangen war: Franco A. Dieser soll einen | |
Anschlag geplant haben, wegen der „aus seiner Sicht verfehlten Ausländer- | |
und Flüchtlingspolitik“, so die Bundesanwaltschaft. [6][Später deckte die | |
taz das sogenannte „Hannibal“-Netzwerk auf], in dem Soldaten, Polizisten | |
und anderen Behördenmitglieder über einen „Tag X“ fantasierten, einige | |
wollten laut Bundesanwaltschaft Linke „festsetzen und mit ihren Waffen | |
töten“. | |
Und in Sachsen stach der JVA-Bedienstete Daniel Z., nach dem tödlichen | |
Messerangriff auf einen Chemnitzer im Sommer 2018, den Haftbefehl eines | |
zunächst verdächtigen Asylsuchenden an Rechtsextreme durch – denn er | |
beobachte „jeden Tag, dass die meisten Menschen über die Veränderungen in | |
unserem Land belogen werden“. | |
Die Widerstandsappelle, die die rechte Szene an Polizei, Bundeswehr und | |
Verfassungsschutz richtet – in Teilen scheinen sie Gehör zu finden. Und die | |
Sicherheitsbehörden haben das notiert. | |
## Man gehe „konsequent vor“, sagt die Polizei | |
„Jeder dieser Fälle ist einer zu viel“, sagte jüngst Holger Münch, der | |
Präsident des Bundeskriminalamts, auf einer Pressekonferenz in Berlin, als | |
er nach Rechtsextremen in den eigenen Reihen gefragt wurde. „Das sind | |
Dinge, die kann und will sich eine Polizei nicht leisten. Deshalb muss man | |
konsequent dagegen vorgehen.“ | |
Nur was heißt das? Und geschieht das wirklich? | |
In Dresden sitzt Horst Kretzschmar in seinem kleinen Büro an einem runden | |
Besprechungstisch, ein kräftiger 59-Jähriger, weißes Polizeihemd, | |
raspelkurze Haare, ein früherer Ringer. Nur ein paar Flure weiter hat der | |
Landesinnenminister sein Büro. Seit 40 Jahren ist Kretzschmar bei der | |
Polizei, seit Jahresbeginn ist er in Sachsen ihr oberster Mann: als | |
Landespolizeipräsident. | |
Rechtsextreme und Rechtspopulisten suchten „eine besondere Nähe“ zur | |
Polizei, sagt Kretzschmar. „Sie loben die Sicherheitsbehörden an jedem Ort | |
und an jeder Stelle.“ Gerade deshalb sei es wichtig, sich immer wieder zu | |
vergewissern, dass die Polizei in der Mitte der Gesellschaft stehe und | |
ihren Dienst neutral ausübe, sagt Kretzschmar. „Und das tut sie auch.“ | |
Aber es ist immer wieder Sachsen, das besonders im Fokus steht. Hier, wo | |
Pegida seinen Ursprung hat. Wo zwei Polizisten sich in Dienstlisten mit dem | |
Namen des NSU-Mörders Uwe Böhnhardt eintrugen und ein LKA-Mitarbeiter bei | |
einem Pegida-Aufzug mitlief und ein ZDF-Team bedrängte. Wo der Justizbeamte | |
Daniel Z. den Chemnitz-Haftbefehl durchstach. Und wo Björn Höcke seinen | |
Widerstandsaufruf an die Verfassungsschützer absetzte. | |
„Solche Aufrufe sind uns bekannt“, sagt Kretzschmar. Immer wenn montags in | |
Dresden Pegida demonstriere, erhalte die Polizei Lob. „Das hinterlässt | |
natürlich Spuren“, gesteht Kretzschmar. „Jeder dieser Botschaften müssen | |
wir doppelt so oft in Einsatzbesprechungen entgegenwirken. Es darf keinen | |
Zweifel an der Neutralität der Polizisten geben.“ | |
Kretzschmar wirkt bemüht, keinen Generalverdacht gegen seine 12.000 | |
Polizisten in Sachsen zu erwecken – aber auch keinen Zweifel an roten | |
Linien zuzulassen. „Alle Menschen sind verführbar, Polizisten auch“, sagt | |
der Polizeichef. „Vielleicht sogar etwas leichter, weil sie an den | |
Brennpunkten dieser Gesellschaften arbeiten.“ Man sei regelmäßig dabei, | |
sich zu überprüfen. Gibt es Gruppen oder Chaträume in der sächsischen | |
Polizei, die an den rechtsextremen Rand abdrifteten, die den | |
Widerstandsaufrufen folgten? Kretzschmar verneint das: „Aus heutiger Sicht | |
haben wir, im Hellfeld, keine Erkenntnisse auf irgendeine Widerstandsgruppe | |
in unserer Polizei.“ | |
Aber was geschieht im Dunkelfeld? Und dringt der Appell zur Wachsamkeit | |
wirklich bis auf die unteren Ebenen vor? | |
Kretzschmar verweist auf die Ausbildung und den Amtseid, in denen | |
Polizisten auf ihre Verfassungstreue eingeschworen werden. Und auf | |
Besprechungen und Fortbildungen, wo dieses aufgefrischt werde. | |
„Entscheidend sind die Revier- oder Dienstgruppenführer“, sagt Kretzschmar. | |
Diese müssten offene Augen haben, auf die Sprache ihrer KollegInnen achten. | |
„Wird etwa ein Straftäter Kanake genannt? Dann muss sofort eingeschritten | |
werden, sonst verfestigt sich so was“, sagt Kretzschmar. „Und bei klaren | |
Verfehlungen muss zum Disziplinarrecht gegriffen werden, auch als Signal in | |
die Belegschaft. Wir brauchen eine konsequente Führung.“ | |
Wie ernst es der rechtsextremen Szene ist, daran besteht in den | |
Sicherheitsbehörden kein Zweifel. Teile der rechtsextremistischen Szene | |
befänden sich in „Vorbereitung für ein vermeintliches | |
‚Bürgerkriegsszenario‘“, heißt es in einem aktuellen, vertraulichen Pap… | |
des Bundesamts für Verfassungsschutz. Und: „Bei vielen Akteuren prägend ist | |
ein diffuses Widerstandsmotiv.“ | |
Björn Höcke würde nicht zum bewaffnetem Widerstand aufrufen. Dennoch | |
verfolgt auch er einen Umsturzplan. Für die nötige „politische Wende“, | |
heißt es in seinem jüngsten Buch, brauche es neben einer „protestierenden | |
Bürgerbasis“ noch eine weitere Front: eine aus „den frustrierten Teilen des | |
Staats- und Sicherheitsapparates“, die „auf das Remonstrationsrecht | |
zurückgreifen“ könnten. | |
Höckes Aufruf von Groitzsch an die Verfassungsschützer war also kein | |
Zufall. Er war Strategie. | |
## Der Geheimschutz kümmert sich | |
Die Sicherheitsbehörden versuchen diese Vereinnahmungsstrategie zu | |
durchkreuzen. In den Polizeien der Länder gibt es dafür eine zuständige | |
Abteilung: den Geheimschutz. Wie viele Mitarbeiter dort jeweils arbeiten, | |
darüber herrscht Stillschweigen. Würden aber Widerstandsaufrufe an | |
Polizisten bekannt, werde aus der Abteilung Geheimschutz heraus die | |
Belegschaft sensibilisiert, heißt es im Bundeskriminalamt. Gehe es um | |
konkrete Ansprachen an einzelne Polizisten, gebe es „individuelle | |
Sensibilisierungs- und Beratungsgespräche“. | |
Daneben soll in den Ländern auch der Staatsschutz in den | |
Landeskriminalämtern aufpassen. Der beobachtet die rechtsextreme Szene. | |
Bemerke man dort plötzlich einen Polizisten, würde der sofort angesprochen, | |
sagt Polizeichef Kretzschmar mit Blick auf Sachsen. Im Einzelfall drohten | |
Disziplinarmaßnahmen. „Das wäre wieder so ein Moment, wo Führung gefragt | |
ist.“ | |
## Der Verfassungsschutz schrieb Angestellte an | |
Auch beim Verfassungsschutz hat man reagiert. Thüringens Amtsleiter Stephan | |
Kramer versichert, sie hätten die rechten Widerstandsaufrufe „im Blick“. | |
Auch im Verfassungsschutzverbund wird auf die Sicherheitsüberprüfung | |
verwiesen, der Mitarbeiter unterzogen würden. Gebe es hier „tatsächliche | |
Anhaltspunkte für Zweifel“ an der Verfassungstreue, könne dies | |
disziplinarische Folgen haben, so eine Sprecherin des Bundesamtes für | |
Verfassungsschutz. | |
Dennoch verschickte auch die Geheimschutzbeauftragte im Bundesamt zum | |
Jahresanfang 2019 ein Schreiben an die Mitarbeiter: Diese sollten prüfen, | |
ob sie „durch Kontakte zu AfD-Mitgliedern oder eine eigene Mitgliedschaft | |
in dieser Partei in sicherheitsrelevante Konfliktsituationen geraten | |
können“. Falls dem so sei, könne man dies „in einem vertrauensvollen | |
Gespräch“ erörtern. Eventuell sei „ein Wechsel in einen anderen | |
Arbeitsbereich des BfV sinnvoll“. Inzwischen hat die AfD Klage eingereicht | |
wegen dieses Schreibens: Dieses sei „unverhältnismäßig“ und schrecke | |
Parteimitglieder ab. | |
Angesprochen auf den Höcke-Aufruf, sagt eine Sprecherin des Bundesamts, es | |
gebe das Remonstrationsrecht auch für Verfassungsschutzmitarbeiter, aber | |
nur bei Einhaltung des Dienstwegs. Weise ein Vorgesetzter die Bedenken | |
zurück, müsse der Betroffene den Anordnungen Folge leisten. „Ein | |
allgemeines Recht zum Widerstand besteht nicht“, so die Sprecherin. „Fälle | |
von Arbeitsverweigerung werden, wie in jeder Behörde, entsprechend | |
gewürdigt und sanktioniert.“ | |
## Zugeknöpfte Bundeswehr | |
Bei der Bundeswehr ist man zurückhaltend, was den Umgang mit dem Problem | |
angeht. Wer beim Verteidigungsministerium in Berlin anfragt, wie Aufrufen | |
zur Befehlsverweigerung von rechts begegnet wird, dem sagt ein Sprecher, er | |
werde beim Militärischen Abschirmdienst nachfragen, ob dieser zu einer | |
Auskunft bereit sei – bittet aber um Verständnis, wenn dies nicht der Fall | |
sein sollte. Genau dies ist der Fall: Der MAD sagt nichts, obwohl ihm die | |
entscheidende Rolle bei der Identifikation extremistischer SoldatInnen | |
zukommt. Schöpfen Vorgesetzte Verdacht, sind sie zur Meldung beim MAD | |
verpflichtet. | |
Ansonsten verweist das Verteidigungsministerium an das Zentrum Innere | |
Führung, ein grauer Sechsstöcker am Stadtrand von Koblenz. Ein Gespräch | |
lehnt die Einrichtung ab, Fragen beantwortet sie immerhin schriftlich. „Wir | |
werden Ihnen nicht die Antworten geben können, die Sie gerne hätten“, warnt | |
ein Sprecher. Das Thema ist, nach dem Franco-A.-Skandal und den | |
Hannibal-Enthüllungen, heikel. | |
Dabei spricht das Zentrum den Fall Franco A. auf seiner Webseite offen an: | |
als „Verstoß gegen die Grundsätze der Inneren Führung“. Hier zeige sich, | |
dass „diejenigen, die in der Kritik stehen, die Innere Führung nicht | |
verinnerlicht haben – und dass Vorgesetzte das nicht erkannt haben“. | |
Was die Bundeswehr tut, damit sich ihre Soldaten nicht gegen die politische | |
Führung wenden, ist seit Januar 2015 in einer 60-seitigen Dienstvorschrift | |
festgehalten. Sie regelt den Umgang mit Soldaten, „bei denen extremistische | |
Verhaltensweisen erkannt oder vermutet werden“. Auch sind darin vorbeugende | |
Maßnahmen bei Personalgewinnung und Ausbildung geregelt. Ein Sprecher des | |
Zentrums Innere Führung verweist zudem auf „erhebliche Ausbildungsanteile“ | |
für Kompaniefeldwebel, Einheitsführer und Bataillonskommandeure, um | |
„Extremismus möglichst bereits im Anfangsstadium zu verhindern“. | |
## Soldat*innen „vom falschen Weg abhalten“ | |
Die Vorschriften zielten vor allem darauf, „subkulturell geprägte | |
Rechtsextremisten und die neonazistische Szene einschließlich der | |
‚Autonomen Nationalisten‘“ von der Bundeswehr fernzuhalten. „Mitläufer… | |
„für Extremismus anfällige“ Soldat*innen will die Bundeswehr „vom falsc… | |
Weg abhalten“. | |
Bei den Bewerbungsgesprächen soll man etwa auf Tätowierungen achten, die | |
auf extremistische Gesinnung hindeuten. Eine routinemäßige Anfrage bei den | |
Verfassungsschutzbehörden ist nicht vorgesehen. Diese erfolgt vor der | |
Einstellung nur, wenn es „konkrete Anhaltspunkte für eine fehlende | |
Verfassungstreue“ gibt. Standardmäßig wird nur ein Führungszeugnis | |
verlangt. Ausnahme sind die „sicherheitsempfindlichen Dienstposten“. Wer | |
also keine SS-Runen auf der Haut trägt und sich beim Bewerbungsgespräch | |
zusammenreißt, kann es durchaus zum einfachen Dienst an der Waffe schaffen, | |
wenn er eine einschlägige Nazi-Vita, aber keine entsprechenden Vorstrafen | |
hat. | |
Die Vorgesetzten, so will es das Verteidigungsministerium, sollen „jede | |
Gelegenheit“ nutzen, um bei ihren Untergebenen ein „freiheitliches und | |
demokratisches Bewusstsein“ zu fördern. Denn bei Soldat*innen, die für | |
extremistisches Gedankengut anfällig sind, sei oftmals „weniger ein | |
extremistisches ideologisches Konzept die Grundlage ihres Denkens“, sondern | |
vielmehr „ein Defizit an Werten und Orientierungen“ – gefestigte Neonazis | |
hält man offenbar für ein Randphänomen innerhalb der extrem rechten | |
Soldaten. Um das „Defizit an Orientierungen“ auszugleichen, ist in der | |
Ausbildung „Extremismus“ eines der acht Pflichtthemen – behandelt werden | |
muss unter anderem das Thema „Extremismus: Flucht in Vorurteile und | |
Fremdenfeindlichkeit“. Auf dem Lehrplan steht auch „Interkulturelle | |
Kompetenz“. | |
Um extrem rechte Soldaten möglichst schnell zu erkennen, sollen Vorgesetzte | |
ein „besonderes Augenmerk“ auf Anhaltspunkte wie extremistisches | |
„gewaltverherrlichendes“ Liedgut legen. Den Vorgesetzten selbst sei | |
klarzumachen, „dass mögliches Wegsehen, Weghören oder Schweigen bei | |
extremistischen Verhaltensweisen falsch sind“. Unter anderem unterrichtet | |
der MAD dazu KommandeurInnen über extremistische Bestrebungen von | |
Beschäftigen in ihrem Verantwortungsbereich. Wer einschlägig auffällt, kann | |
vom Disziplinararrest bis zur Entlassung bestraft werden. | |
## Whistleblower soll entlassen werden | |
Zuletzt allerdings gab es Zweifel, wie konsequent die Bundeswehr wirklich | |
gegen Extremisten in ihren Reihen vorgeht. Es geht um den Fall Patrick J. | |
Der Unteroffizier meldete seit 2016 dem MAD gleich mehrere rechtsextreme | |
Vorfälle in der Bundeswehr. Einen Hauptgefreiten etwa, der in Chats angab, | |
er kämpfe „gegen die komplette Selbstaufgabe der weißen Nationen“. Oder | |
einen Oberstabsgefreiten, der – einem Reichsbürger gleich – schrieb, sie | |
alle seien nur „dumme Arbeiter, die einer großen GmbH angehören“. | |
Konsequenzen hatte das vor allem für: Patrick J. | |
Zwar ging die Bundeswehr einigen der Fälle nach. Gleichzeitig aber strengte | |
sie die Entlassung von Patrick J. an. Offiziell, weil der 31-Jährige einen | |
Kameraden einmal ohne dienstlichen Grund habe strammstehen lassen, ein | |
„Missbrauch der Befehlsbefugnis“. Das Personalamt der Bundeswehr nannte | |
aber auch dessen Meldungen zu rechten Umtrieben „übertrieben und haltlos“. | |
Nach öffentlicher Empörung über den Fall intervenierte das | |
Verteidigungsministerium: Die Entlassung ist nun „bis auf Weiteres“ | |
ausgesetzt. | |
Sieht so der Aufklärungswillen der Bundeswehr gegen rechtsextreme Vorgänge | |
in den eigenen Reihen aus? Die Bundeswehr weist das zurück: Die zuständigen | |
Stellen gingen allen Hinweisen nach. „Jegliche Form von Extremismus hat in | |
der Bundeswehr keinen Platz.“ | |
Aber auch den Fall Franco A. verhinderten die internen Vorschriften nicht – | |
obwohl der Soldat schon 2013 in seiner Master-Arbeit seine rechtsextreme | |
Gesinnung offenlegte. Sein Vorgesetzter beließ es bei der Ermahnung, und | |
Franco A. schmiedete später seinen mutmaßlichen Anschlagsplan. | |
## Der Staat soll „in die Zange genommen“ werden | |
Auch AfD-Mann Höcke, Compact-Herausgeber Elsässer und Pegida-Aktivistin | |
Festerling werden ihre Agenda vorantreiben. Die „Festung der Etablierten“ | |
müsse von mehreren Seiten „in die Zange genommen werden“, erklärte Höcke… | |
seinem jüngsten Buch. Frustrierte Sicherheitsbedienstete seien dabei eine | |
Chance: weil sie die „Wahnsinnspolitik der Regierenden ausbaden müssen“. | |
Auf der Innenministerkonferenz will man jetzt mit dem Vorstoß für eine | |
schärfere Zuverlässigkeitsüberprüfung zumindest für die Polizei etwas | |
dagegensetzen. Es brauche ein einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern, | |
heißt es in der Beschlussvorlage. Diese indes bleibt, unter knapp 70 | |
Tagesordnungspunkten, ein Solitär. | |
13 Jun 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Ueberwachung-von-Smart-Home-Geraeten/!5598200 | |
[2] /Rechtsextreme-bei-der-Polizei-in-Hessen/!5565164 | |
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[4] /Pruefung-durch-den-Verfassungsschutz/!5564111 | |
[5] /Die-AfD-Fraktion-und-ihre-Mitarbeiter/!5550036 | |
[6] /taz-Recherche-zu-rechtem-Netzwerk/!5557397 | |
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