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# taz.de -- Menschenfeindlichkeit bei der Polizei: Volksverhetzung – na und?
> Polizisten, die gegen Muslime oder Juden hetzen: In Bayern sucht die
> Behörde nach einem geeigneten Umgang. Sie schwankt dabei zwischen den
> Extremen.
Bild: Polizisten verschickten menschenfeindliche Nachrichten über WhatsApp
München taz | Wenn ein Rechtsradikaler Muslime als „Räuber, Vergewaltiger
und Mörder“ bezeichnet, ist das widerlich. Wenn dies ein bayerischer
Polizeibeamter tut, wird es besorgniserregend. Das dachte auch der
bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Arif Taşdelen, nachdem CSU-Innenminister
Joachim Herrmann von einem solchen Fall im Innenausschuss des Landtags
berichtet hatte – und wollte vom Ministerium wissen, was denn mit dem Mann
passiert sei. Ganz einfach: Er wurde befördert.
Es war im März dieses Jahres, als Herrmann den Sachverhalt im Landtag
publik machte. Die Angelegenheit lag da schon gut ein Jahr zurück: Ein
Beamter des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd hatte eine
[1][WhatsApp-Nachricht] mit antimuslimischen Inhalten verschickt, ein
weiterer diese an andere Kollegen weitergeleitet. Da einer von ihnen die
Sache meldete, wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet.
Die Konsequenz für den Polizisten, der die muslimfeindliche Botschaft in
die Runde geschickt hatte: Er wurde versetzt und musste eine Geldbuße von
3.000 Euro zahlen. Im Gegenzug wurden die Ermittlungen gegen ihn
eingestellt. Nach Abschluss der Ermittlungen wurde der Mann sogar vom
Polizeiober- zum Polizeihauptkommissar befördert, wie das Innenministerium
auf eine schriftliche Anfrage Taşdelens mitteilte. Die regulär vorgesehene
Beförderung habe sich durch die laufenden Ermittlungen lediglich um acht
Monate verzögert. „Von Gesetzes wegen“ habe „kein fortbestehender
Hinderungsgrund hinsichtlich der Beförderung mehr“ bestanden.
Mit anderen Worten: Das Verbreiten volksverhetzender Inhalte genügt nicht,
um an der Eignung eines Polizeibeamten zu zweifeln? Eine Nachfrage der taz
wird vom Innenministerium formaljuristisch beantwortet: Eignungsmängel
könnten zwar zum Beispiel bei einem Dienstvergehen vorliegen. Allerdings
dürfe der Beamte auf Dauer nur nach den entsprechenden gesetzlichen
Regelungen von einer Beförderung ausgeschlossen werden. „Ein solches
Beförderungsverbot bestand hier nicht.“ Eine Entfernung aus dem
Beamtenverhältnis sei zudem nur unter engen Voraussetzungen und nur durch
das Urteil eines Gerichts möglich. „Die Voraussetzungen dafür lagen nicht
vor.“
## „Diese Entscheidung zerstört das Vertrauen“
Für Taşdelen ist dies völlig unverständlich. Es gebe Beamte, die wegen viel
kleinerer Vergehen nicht befördert worden seien oder ein
Disziplinarverfahren am Hals gehabt hätten, sagt Taşdelen, selbst
beurlaubter Zollbeamter. „Ich kann nicht verstehen, warum so jemand noch
Dienst tun darf und sogar noch befördert wird. Diese Entscheidung zerstört
das Vertrauen in unsere Gesetzeshüter.“
Die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße hält er für nicht
angebracht. Besonders empört den Politiker aber, dass es offenbar keinerlei
Disziplinarmaßnahmen gibt. „Das ist schon ein Skandal“, sagt er. „Wenn
dieser Beamte etwas Frauenfeindliches oder Homophobes gesagt hätte, wäre er
nicht mehr befördert worden. Da bin ich mir sicher. Nachdem es aber ,nur'
islamfeindlich war, haben sie sich gedacht: Mein Gott, dann befördern wir
ihn halt.“ Aber: „Menschenfeindlichkeit ist Menschenfeindlichkeit.“
In der Bewertung der Tat selbst liegt Taşdelen dabei gar nicht mal so weit
von der Regierung entfernt. Innenminister Herrmann selbst brachte in der
Ausschusssitzung seine Bestürzung zum Ausdruck. Auch Robert Kopp, der
zuständige Polizeipräsident, erklärte: „Ich akzeptiere es nicht, dass
Polizeibeschäftigte volksverhetzende Inhalte oder diskriminierende
Äußerungen in sozialen Netzwerken verbreiten.“
## Menschenhass in Chatgruppen
Ermittelt wird derzeit noch gegen den eigentlichen Verfasser der Nachricht
und mittlerweile auch gegen einen weiteren Beamten, der die ursprünglichen
Untersuchungen geführt und behauptet hatte, der Verfasser sei nicht zu
ermitteln gewesen. Er muss sich nun wegen Strafvereitelung im Amt
verantworten.
Der Verbreiter der Nachricht indes musste eine Unterweisung über die
Erwartungshaltung seines Dienstherrn über sich ergehen lassen, distanzierte
sich schriftlich von dem Inhalt der verschickten WhatsApp-Nachricht,
bekannte sich zu Werten wie interkultureller Toleranz und Respekt vor
anderen Religionen. Danach wurde er befördert. Hat sich die Einstellung des
Mannes gegenüber Muslimen in so kurzer Zeit wirklich so grundlegend
geändert oder handelte es sich doch eher um eine joberhaltende Maßnahme?
Antwort des Innenministeriums: „Der zuständige Dienstvorgesetzte hält die
Distanzierung für glaubhaft. Andere Erkenntnisse liegen hier nicht vor.“
Bekannt wurde die Sache mehr zufällig. Eigentlich war Herrmann an diesem
Märztag in den Innenausschuss gekommen, um den Abgeordneten in einer
anderen – wenn auch nicht gänzlich anderen – Sache Auskunft zu geben. Denn
wenige Tage zuvor war durch einen Bericht des Bayerischen Rundfunks ein
Skandal bei der Münchner Polizei bekannt geworden. Auch hier ging es um –
in diesem Fall antisemitische, rassistische und frauenfeindliche – Inhalte,
die in einer WhatsApp-Gruppe ausgetauscht wurden. In München waren
Angehörige des Unterstützungskommandos (USK) die Urheber dieser
Botschaften.
Dieser Skandal wiederum wurde erst durch einen Zufall, durch Ermittlungen
wegen eines ganz anderen Verdachts bekannt: Im Zuge von Ermittlungen wegen
einer möglichen Vergewaltigung durch einen der USK-Beamten beschlagnahmte
das Landeskriminalamt auch ein Mobiltelefon. Darauf fanden die Ermittler
zwar nichts, was den Vorwurf eines Sexualdelikts erhärtet hätte, machten
aber eine andere Entdeckung: Sie erhielten Einblick in eine Chatgruppe von
mehreren Dutzend Beamten, in der unter anderem antisemitische Videos
geteilt wurden. Der Fall erinnert an den Polizeiskandal von Frankfurt, wo
Polizisten ebenfalls über einen Messengerdienst beleidigende und
fremdenfeindliche Bilder, Videos und Texte ausgetauscht haben.
## Suspendierungen vom Dienst in München
Zwar haben die Vorwürfe in Frankfurt eine andere Dimension: Dort machte man
ein rechtsextremes Netzwerk innerhalb der Polizei aus, das auch für
rassistische Morddrohungen gegen eine [2][Rechtsanwältin] verantwortlich
gewesen sein soll. In Bayern dagegen „liegen keine Erkenntnisse
hinsichtlich möglicher rechtsextremer Strukturen innerhalb der Polizei
vor“, beantwortet das Innenministerium eine Anfrage der
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze.
Aber gegen Mitglieder der Münchner Chatgruppe wird nun ermittelt. Sechs
Polizisten wurden bereits vom Dienst suspendiert, neun weitere versetzt.
Neben den Verfehlungen einzelner Beamter erschreckt vor allem das Verhalten
der nicht beteiligten Mitglieder der Chatgruppe. „Ich hätte mir einfach
erwartet“, sagt Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä dem Bayerischen
Rundfunk, „dass Chat-Teilnehmer auf diese Eintragungen hin reagieren und
auch mal einen Beitrag hineingeschrieben hätten: ‚Lasst diesen Schmarrn‘.�…
Klare Worte. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl, findet Grünen-Politikerin
Schulze: „Ohne medialen Druck wären die Ermittlungen gegen die USK-Beamten
nicht öffentlich geworden. So eine Geheimhaltungstaktik weckt naturgemäß
Misstrauen.“ Immerhin: In München hatten die Verfehlungen der Beamten
deutliche Konsequenzen. „Da hat die Polizei richtig gehandelt“, sagt
SPD-Mann Taşdelen. Nur: „Man hätte in dem anderen Fall genauso konsequent
handeln müssen.“
## Demokratiebildung und interkulturelle Kompetenz
Weder Taşdelen noch Schulze schätzen die Fälle als symptomatisch für die
Situation in der bayerischen Polizei an. „Ich gehe fest davon aus, dass es
Einzelfälle sind“, sagt Taşdelen. Und Schulze bekräftigt: „Ich habe
Vertrauen in unsere bayerische Polizei.“ Beide fordern allerdings nicht nur
eine umfassende Aufklärung, sondern wollen auch die [3][Aus- und
Weiterbildung von Polizisten] auf den Prüfstand stellen. Bestandteile wie
Demokratiebildung und interkulturelle Kompetenz müssten in der Ausbildung
gestärkt werden. Schulze plädiert darüber hinaus für das Amt eines
unabhängigen Polizeibeauftragten.
In Reaktion auf die Vorfälle bei der Münchner Polizei sagte Innenminister
Herrmann: „Wer sich derart verhält, hat in den Reihen der Polizei nichts zu
suchen.“ Wirklich? Der Beamte des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, der die
Nachricht verbreitet hat, in der Muslime als „Räuber, Vergewaltiger und
Mörder“ bezeichnet wurden, verdient nach seiner Beförderung rund 550 Euro
mehr im Monat.
17 Jun 2019
## LINKS
[1] /Rechtsextreme-bei-der-Polizei-in-Hessen/!5565164
[2] /Staatsschutz-ermittelt-gegen-Beamte/!5556622
[3] /Rechte-Umsturz-Aufrufe/!5599939
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Menschenfeindlichkeit
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Rechtsradikalismus
Fremdenhass
Polizei Mecklenburg-Vorpommern
antimuslimischer Rassismus
bild.de
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Landtagswahlen
Janine Wissler
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