# taz.de -- Rechtsextreme und Waffen: Bundesrat will Zugang beschränken | |
> Wer den Sicherheitsbehörden als Extremist aufgefallen ist, darf unter | |
> Umständen trotzdem Waffen besitzen. Das will der Bundesrat ändern. | |
Bild: Stephan Ernst in Begleitung der Polizei: Sein mutmaßlicher Komplize darf… | |
Sie waren beide als Rechtsextremisten bekannt, und sie waren beide | |
Mitglieder in einem Schützenverein: [1][Stephan Ernst, der mutmaßliche | |
Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke], und sein [2][mutmaßlicher | |
Komplize und Waffenbeschaffer Markus H.] Die Stadt Kassel hatte Markus H. | |
eigentlich mehrmals keine Waffenbesitzkarte freigeben wollen. Doch im Jahr | |
2015 entschied das Verwaltungsgericht Kassel, dass ihm die Erlaubnis | |
gewährt werden müsse. Am Freitag hat der Bundesrat eine Verschärfung des | |
Waffenrechts gefordert, damit so etwas in Zukunft nicht mehr passieren | |
kann. Jetzt schon gibt es aber Zweifel, ob das umsetzbar sein wird. | |
Obwohl Markus H. unter anderem schon wegen gefährlicher Körperverletzung | |
und der Verwendung verfassungswidriger Symbole aufgefallen war, durfte er | |
seit dem Gerichtsbeschluss Waffen erwerben – und soll später Stephan Ernst | |
Waffen für Schießübungen zur Verfügung gestellt haben. | |
Wenn es nach dem Bundesrat geht, soll Extremisten die Möglichkeit zum | |
legalen Umgang mit Waffen nun verwehrt werden. Dem Vorstoß zufolge sollen | |
die jeweils zuständigen Waffenbehörden in Zukunft verpflichtend bei den | |
Verfassungsschützern der Länder abfragen, ob ein Anwärter auf Waffenbesitz | |
den Sicherheitsbehörden bekannt ist. Hessens Innenminister Peter Beuth | |
(CDU) geht noch weiter: Er will erreichen, dass beim Verfassungsschutz | |
gespeicherte Extremisten automatisch keine Lizenz für Waffen bekommen. | |
Das CSU-geführte Innenministerium in Bayern hält den von Hessen | |
eingebrachten Automatismus schon jetzt für „nicht praktikabel“. Dies gelte | |
„insbesondere für mögliche Rechtsstreitigkeiten“ – ein kleiner Wink an … | |
Schwierigkeiten, die bei der Entwaffnung von Extremisten jetzt schon | |
bestehen. | |
## Erkenntnisse zu alt | |
Waffenbesitzer [3][müssen als „zuverlässig“ gelten], um eine Besitzkarte … | |
bekommen. Neben unregelmäßigen Kontrollen überprüfen die Waffenbehörden | |
alle drei Jahre, ob eine Befugnis verlängert wird. Eigentlich stehen im | |
Gesetz schon jetzt einige Vorbehalte gegen Extremisten, zusätzlich fragen | |
die Behörden bei der Polizei nach und schauen im Register der | |
Staatsanwaltschaft und im Zentralregister, ob etwas vorliegt. Tatsächlich | |
kommt es jetzt schon oft vor, dass die Behörden Informationen der | |
Verfassungsschützer verwenden. Doch nicht immer reichen die Informationen | |
aus, um jemandem die Erlaubnis zu verwehren oder wieder zu entziehen. | |
Im Fall des mutmaßlichen Waffenbeschaffers Markus H. etwa hatte das | |
Kasseler Gericht die Waffenbesitzkarte gezwungenermaßen erlaubt: Die | |
letzten Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über H. hätten zu diesem | |
Zeitpunkt schon länger als fünf Jahre zurückgelegen, hieß es. So alt dürfen | |
relevante Erkenntnisse laut Waffengesetz nicht sein, um die Lizenz zum | |
Waffenbesitz abzulehnen. | |
Selbst wenn eine Person in bestimmten Fällen als rechtsextrem eingeschätzt | |
wird, muss ihr derzeit nachgewiesen werden, dass sie verfassungsfeindliche | |
Bestrebungen aktiv umsetzen will – das niedersächsische Innenministerium | |
zum Beispiel klagt, dass dieser Nachweis manchmal schwerfällt. | |
Die Folge: Das Bundesamt für Verfassungsschutz schätzte im Jahr 2017, dass | |
750 Rechtsextremisten in Deutschland legal Waffen besitzen. In Bayern etwa | |
haben 191 Rechtsextremisten den Sicherheitsbehörden zufolge eine | |
Waffenerlaubnis, in Mecklenburg-Vorpommern weiß das Innenministerium | |
derzeit von 50 Personen, wobei knapp die Hälfte davon den kleinen Schein | |
besitzt, der etwa Schreckschusswaffen erlaubt; in Sachsen dürfen derzeit 22 | |
Rechtsextremisten legal mit Waffen schießen. | |
## Wie viel Personal? | |
Die geplante Verschärfung des Waffengesetzes sieht auch vor, dass eine | |
Begründung dafür, wieso der Verfassungsschutz einen Extremisten für | |
unzuverlässig hält, nicht mehr nötig sein soll. Denn manchmal geben die | |
Verfassungsschützer ihre Erkenntnisse aus Gründen der Geheimhaltung | |
überhaupt nicht weiter. Durch die Änderung könnte der Dienst zumindest die | |
Information an sich weitergeben, dass er eine Person für gefährlich hält. | |
Der Bundesrat hat am Freitag beide Empfehlungen verabschiedet, in den | |
kommenden Wochen müssen noch Bundesregierung und Bundestag der Verschärfung | |
zustimmen. | |
InnenpolitikerInnen im Bundestag befürworten den Vorstoß. Aber: Sie halten | |
es für notwendig, dass die Kontrollbehörden infolge der Gesetzesänderung | |
aufgestockt werden. „Die Kontrollen müssen engmaschiger werden“, sagte etwa | |
Irene Mihalic, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, der | |
taz. „Die Zuverlässigkeitsprüfung muss häufiger erfolgen.“ | |
Uli Grötsch, für die SPD im Innenausschuss, sagte, die Landratsämter | |
müssten „mehr Leute einstellen“. Ähnlich sieht das der | |
Rechtsextremismus-Experte David Begrich vom Magdeburger Verein Miteinander: | |
„Dieser neue Vorbehalt bringt nur dann etwas, wenn er regelmäßig | |
kontrolliert wird“, sagte Begrich. „Die Frage ist, wer das kontrollieren | |
soll.“ | |
Dass es mit den rechtlichen Voraussetzungen nicht getan ist, zeigt der Fall | |
der sogenannten Reichsbürger, die die Gesetze der Bundesrepublik nicht | |
anerkennen. Die im Herbst 2016 angekündigte Entwaffnung der zum Teil | |
rechtsextremen „Selbstverwalter“ ist in mehreren Bundesländern immer noch | |
nicht abgeschlossen. Für den Verfassungsschutzbericht vom vergangenen Jahr | |
hatte der Dienst noch rund „910 Szeneangehörige“ mit Waffenerlaubnis | |
gezählt. Derzeit haben immer noch über 300 Reichsbürger eine Erlaubnis. | |
## Reichsbürger erschoss Polizisten | |
Zum einen wehren sich die Reichsbürger vor Gericht und zögern die Rückgabe | |
der Waffenbesitzkarte so hinaus. Nordrhein-Westfalen muss sich etwa in 40 | |
Fällen mit Anfechtungen auseinandersetzen, in Bayern hängen 35 | |
Entwaffnungen vor Gericht. Einzig Hamburg und Brandenburg geben an, die | |
ihnen bekannten Reichsbürger entwaffnet zu haben. | |
Ausgelöst hatte die Entwaffnung der Fall eines bayerischen Reichsbürgers | |
aus Georgsmünd, der einen Polizisten tödlich verletzt hatte – und ebenfalls | |
in einem Schützenverein aktiv war. Hier liegt auch eine zweite | |
Schwierigkeit: „Die Entwaffnung der Reichsbürger ist vor allem ein | |
Vollzugsproblem“, sagte die Bundestagsabgeordnete und | |
Rechtsextremismus-Expertin Martina Renner von der Linksfraktion der taz. | |
Es brauche für die Entwaffnung der Extremisten mehrere Beamte der | |
Waffenbehörden und die Unterstützung der Polizei. Eine Entwaffnung sei | |
schließlich „keine Kirmesgenehmigung“, sondern ein „krasser Vorgang“, … | |
Martina Renner, auch mit Blick auf den getöteten Polizisten in Georgsmünd. | |
23 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Simon Schramm | |
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