| # taz.de -- Verschärfte Polizeigesetze in den Ländern: Die Aufrüstung gegen … | |
| > Gleich mehrere Bundesländer wollen ihrer Polizei mehr Rechte einräumen. | |
| > Doch dagegen formiert sich Protest. | |
| Bild: In Potsdam wurde am vergangenen Wochenende gegen das neue Polizeigesetz p… | |
| Potsdam/Dresden/Berlin taz | Am Mittwoch wird der Brandenburger Landtag | |
| diskutieren, und das wohl mächtig kontrovers. [1][„Änderung des | |
| Brandenburgischen Polizeigesetzes“], lautet Tagesordnungspunkt 10. Und der | |
| stößt auf Widerstand. | |
| Der Gesetzentwurf von Brandenburgs SPD-Innenminister Karl-Heinz Schröter | |
| liest sich wie eine Law-and-Order-Wunschliste: Terrorverdächtige können bis | |
| zu vier Wochen in Gewahrsam genommen werden, sogenannte Gefährder Kontakt- | |
| und Aufenthaltsverbote erteilt bekommen, Messengerdienste überwacht und die | |
| Videoüberwachung öffentlicher Plätze ausgeweitet werden. | |
| Die Polizei soll außerdem landesweit anlasslos Autos auf Bundesstraßen und | |
| Autobahnen kontrollieren dürfen – bisher ist das nur im Grenzgebiet | |
| zulässig. Für Schröter ist all dies zentral für den Kampf gegen die | |
| „Terrorismusgefahr“: Man schließe keine Krankenversicherung ab, wenn man | |
| krank ist, sondern vorher. | |
| Bereits am Wochenende gingen mehr als 1.000 Demonstranten in Potsdam auf | |
| die Straße, darunter die Grünen, die Jungen Liberalen, Studierende und | |
| Flüchtlingsinitiativen. Rechtsbegriffe wie „drohende Gefahr“ seien viel zu | |
| auslegungsoffen, kritisiert der Grünen-Landeschef Clemens Rostock. „Man | |
| sollte keine Instrumente in ein Polizeigesetz schreiben, bei denen man | |
| darauf angewiesen ist, dass deren Anwender es gut mit der Demokratie und | |
| Meinungsfreiheit meinen.“ | |
| ## Präventivhaft und Handyüberwachung | |
| Brandenburg ist indes kein Einzelfall. Gleich reihenweise überarbeiten die | |
| Bundesländer derzeit ihre Polizeigesetze. Die Richtung ist überall die | |
| gleiche: Es wird verschärft. Vorreiter war Bayern. Auch hier kann die | |
| Polizei seit Mai bei „drohender Gefahr“ zur Überwachung schreiten, und das | |
| nicht nur bei Terrorverdacht, sondern einer ganzen Reihe von Delikten. | |
| Verdächtige können theoretisch für unbestimmte Zeit in Präventivhaft | |
| genommen werden, Polizisten sollen Bodycams tragen, dürfen Messengerdienste | |
| wie WhatsApp mitlesen und dürfen „erweiterte“ DNA-Analysen durchführen, um | |
| „äußere Merkmale“ der Täter festzustellen, etwa eine afrikanische Herkun… | |
| Spezialkräfte dürfen zudem Handgranaten und Sprengstoff einsetzen, etwa um | |
| im Terrorfall Türen zu öffnen. | |
| Mit Brandenburg zieht nun auch ein rot-rot regiertes Land mit. Der | |
| Gesetzentwurf ist vom Kabinett bereits abgesegnet. In der märkischen Linken | |
| aber rumort es. In den Protest reihen sich auch die Linken-Jugend und | |
| mehrere Kreisverbände der Partei ein. Linken-Landeschefin Anja Mayer | |
| beteuert, dass man aus Schröters Entwurf etwa die Online-Durchsuchung und | |
| Fußfesseln gegen Terrorverdächtige herausgestrichen habe, gegen Widerstand | |
| der SPD. „Freiheitsrechte sind mit uns nicht verhandelbar.“ | |
| ## Sachsen orientiert sich an Bayern | |
| Die Debatte wird auch andernorts geführt. Am Dienstag lud der Landtag | |
| Nordrhein-Westfalen zur Anhörung. Auch hier geht es um Handy- und | |
| Videoüberwachung und die Frage, ab wann eine „drohende Gefahr“ gilt. Auch | |
| in Niedersachsen gibt es Streit, hier vor allem über die Möglichkeit, | |
| Gefährder 74 Tage in Gewahrsam nehmen zu können oder ihnen für bis zu sechs | |
| Monate das Verlassen des Stadtbezirks zu verbieten. | |
| In Sachsen gab es am Montag eine Anhörung. [2][Das Kabinett verabschiedete | |
| das dortige Polizeigesetz schon Mitte September] – in vielen Punkten | |
| orientiert am bayerischen Modell. In Sachsen soll zudem die | |
| Videoüberwachung in einer 30-km-Grenzzone verschärft werden, wovon etwa | |
| Görlitz komplett betroffen wäre. Hausdurchsuchungen bei Abwesenheit würden | |
| erleichtert, das Berufsgeheimnis von Anwälten und Journalisten aufgeweicht, | |
| die Polizei mit Handgranaten und Maschinengewehren aufgerüstet. | |
| „Was muss man getan haben, um als zukünftiger Straftäter zu gelten und | |
| Polizeimaßnahmen auf sich zu ziehen?“, fragte Maria Scharlau von Amnesty | |
| International, die als Expertin im Landtag angehört wurde. Der gefühlte | |
| Verdacht, der „Blick in die Kristallkugel“ solle Bürger abschrecken. | |
| „Unbestimmte Begriffe in der Rechtsnorm machen auch eine juristische | |
| Kontrolle fast unmöglich.“ | |
| ## SPD zwischen „Ja aber“ und „Nein doch“ | |
| Für CDU-Innenpolitiker Rico Anton hingegen dienen die Maßnahmen dazu, | |
| Polizisten zu schützen und der organisierten Kriminalität Herr zu werden. | |
| Unterstützt wird die CDU von Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen | |
| Polizeigewerkschaft. Die SPD als Koalitionspartner findet sich einmal mehr | |
| zwischen „Ja aber“ und „Nein doch“ wieder. SPD-Innenpolitiker Albrecht | |
| Pallas lobt die neuen Möglichkeiten für gute Polizeiarbeit, will aber | |
| Nachbesserungen für eine bessere Balance zwischen Freiheit und Sicherheit | |
| erreichen. | |
| Linke, Grüne und zivilgesellschaftliche Gruppen lehnen das sächsische | |
| Polizeigesetz komplett ab. Bei der Anhörung protestierte vor dem Landtag | |
| ein Bündnis „Polizeigesetz stoppen“. Sprecher Jonathan Hertel sprach von | |
| Scheinsicherheit, die kein Problem wirklich löse. Den Protest gibt es | |
| inzwischen fast bundesweit. In Bayern gingen mehr als 30.000 gegen das | |
| Polizeigesetz auf die Straße, auch in Berlin, Hannover und Düsseldorf wurde | |
| protestiert. In Bayern liegt eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz | |
| vor. | |
| ## Reul reagiert auf Kritik | |
| Und der Widerstand zeigt offenbar Wirkung. In Bayern vereinbarte die neue | |
| Koalition aus CSU und Freien Wählern nun, das neue Polizeigesetz zu | |
| evaluieren. Auch wolle man den Richtervorbehalt bei den Polizeimaßnahmen | |
| „ausdrücklich festschreiben“ und prüfen, ob hinsichtlich des Begriffs | |
| „drohende Gefahr“ gesetzliche „Anpassungen notwendig sind“. | |
| [3][Auch in NRW schwächte Innenminister Herbert Reul (CDU) seinen Entwurf | |
| jüngst ab]. Nun braucht es wieder eine „konkrete Gefahr“, damit die Polizei | |
| auch im Vorfeld von Straftaten tätig werden kann. „Einschneidende | |
| Maßnahmen“, wie Fußfesseln oder die Telefonüberwachung schon bei vagem | |
| Verdacht, blieben aber weiter möglich, kritisiert Amnesty International. | |
| 13 Nov 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kommentar-Polizeigesetz-in-Brandenburg/!5544878 | |
| [2] /Sachsens-geplantes-Polizeigesetz-geleakt/!5501545 | |
| [3] /Umstrittenes-Vorhaben-in-NRW/!5542121 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
| Michael Bartsch | |
| Marco Zschieck | |
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