# taz.de -- Die Kühne-Story: Wie ein Traditions-Unternehmen Jubiläum feiert: … | |
> Kühne+Nagel pflegt einen äußerst eigenwilligen Umgang mit seiner | |
> Geschichte: Das liegt daran, dass die zugleich eine gut gehütete | |
> Familiengeschichte ist. | |
Bild: Spricht lieber über den HSV als die NS-Zeit: Klaus-Michael Kühne | |
BREMEN taz | Bei Kühne+Nagel gehen die Lichter aus. Um Punkt 18 Uhr, jeden | |
Abend, weltweit. Natürlich der jeweiligen Zeitzone angepasst, schließlich | |
sind die 1.000 Betriebsstätten der weltweit drittgrößten Spedition auf | |
mehrere Kontinente verteilt. | |
Es ist nicht so, dass Klaus-Michael Kühne in seinem Schweizer Hauptquartier | |
jeden Abend persönlich auf den Stromspar-Knopf drückt. Aber er täte es, | |
wenn dafür keine Automatik existierte – sogar noch in seiner formal | |
entrückten Rolle als Ehrenpräsident des Verwaltungsrates. | |
Der Mehrheits-Aktionär will auch als 78-Jähriger bis ins Detail | |
durchregieren. Sein Management malträtiert er mit täglichen E-Mails, obwohl | |
er aus dem operativen Geschäft nominell längst raus ist. Doch in der | |
Prä-Mail-Epoche waren die Führungskräfte auch nicht besser dran: Sie | |
mussten Postboten spielen und jede Dienstreise, jeden Niederlassungs-Besuch | |
zum Portosparen nutzen. | |
Den normalen Mitarbeitern verbot Kühne, K+N-Kalender im Büro aufzuhängen: | |
Dafür hat man doch die entsprechenden Werbegeschenke der Geschäftspartner – | |
selbst, wenn die eigenen Produkte noch im Sommer im Lager liegen. | |
Doch niemand kann dem Chef nachsagen, dass er das Sparen nur den | |
Angestellten überließe. Legendär, zumindest firmenintern, ist die | |
Geschichte von der Neu-Eröffnung einer K+N-Niederlassung im Schwäbischen: | |
Kühne ließ sich anschließend zwar mit Gattin im Firmenwagen fort | |
kutschieren – aber ausdrücklich nur bis zu nächst gelegenen | |
S-Bahnhaltestelle. | |
Das skurril Dagobert Duck-hafte ist die eine Seite von Kühnes Chef-Gebaren. | |
Die andere ist der Informations-Hunger, die Bestimmungs-Wut. Für jemanden | |
wie ihn ist es sehr schwierig, den Daumen von der Darstellung der eigenen | |
Geschichte zu nehmen. | |
Der Firmen-Geschichte, die während des „Dritten Reichs“ auch die des Vaters | |
und des Onkels war: Alfred und Werner Kühne organisierten die | |
flächendeckende Ausplünderung der deportierten Juden in Westeuropa. | |
Bis vor Kurzem schaffte es Kühne, diese Profiteurs-Rolle effektiv unterm | |
Tisch zu halten. Forschern wird der Zugang zum Firmen-Archiv verwehrt: Es | |
sei ohnehin alles verbrannt. Auch beim früheren Hamburgischen | |
Welt-Wirtschafts-Archiv heißt es in Bezug auf Kühne+Nagel: „Dokumentation | |
vor 1950 nicht auffindbar.“ | |
Der taz gegenüber erklärte das Unternehmen, „der Rolle von Kühne+Nagel in | |
dieser Zeitperiode“ mangele es „an Relevanz“. Das war im Januar, als der | |
Konzern mit großem Aufwand sein aktuelles Jubiläumsjahr auf dem Bremer | |
Marktplatz eröffnete. | |
Assistiert vom Bremer Bürgermeister beschwor Kühne den Beginn der | |
Firmen-Entwicklung vor 125 Jahren, „aus kleinsten Anfängen heraus“. In | |
Info-Trucks, die seither weltweit auf Tour sind, laufen historische Filme | |
mit pittoresken Sackkarren und nostalgischen LKW-Karossen: K+N als | |
schattenloses Traditions-Unternehmen. Eine sauber gewaschene Kühne-Story | |
statt ernst zu nehmendem History-Marketing, wie es andere große Unternehmen | |
betreiben. | |
Seither ist das Jubiläumsjahr allerdings anders gelaufen als von der | |
Konzern-Zentrale geplant. Während der pompöse Bremer Auftakt noch auf | |
positive Medienresonanz stieß, fanden die von der taz und dann auch dem | |
Bayerischen Rundfunk recherchierten historischen Fakten nach und nach | |
Widerhall. | |
Mittlerweile haben fast alle große Medien bis hin zu den Tagesthemen über | |
die großen Deportationsgewinne der Spedition berichtet, die sich | |
eindrucksvoll in den persönlichen Einnahme-Bilanzen von Alfred Kühne | |
spiegeln, dem Vater des heutigen Mehrheitseigners. | |
Frank Bajohr, Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Münchner | |
Institut für Zeitgeschichte, attestiert der damaligen Tätigkeit von K+N | |
eine „relative Nähe zum Massenmord“. Die Spedition habe „eine Form von | |
Leichenfledderei“ betrieben | |
Anfang Juli, zur groß inszenierten Halbzeit des Jubiläumsjahres, waren die | |
dunklen Seiten der Firmengeschichte nicht länger zu verstecken. Kühne | |
musste sich vor Hunderten von geladenen Gästen an den jüdischen Teilhaber | |
seines Vaters erinnern lassen: Beim Festakt in der von Kühne gesponserten | |
Elbphilharmonie erwähnte Bürgermeister Olaf Scholz „die moralische | |
Pflicht“, zu den „Verstrickungen im Nationalsozialismus Stellung zu | |
beziehen“ – ein gewaltiger Unterschied zur kritikfreien Bremer Szenerie | |
sechs Monate zuvor. | |
Adolf Maass, der jüdische Teilhaber, hatte seit 1902 das Hamburger Geschäft | |
aufgebaut und war später – bis 1933 – sogar größter Einzeleigner der | |
Gesamtfirma. Zusammen mit seiner Frau wurde er, vermutlich 1944, in | |
Auschwitz ermordet. Im selben Jahr bekamen seine früheren Kompagnons, die | |
Brüder Kühne, zum wiederholten Mal ein Gau-Diplom als „NS-Musterbetrieb“ | |
überreicht. | |
## Am „Herrengraben“ war die Welt in Ordnung | |
So tief in die „Details“ stieg Scholz freilich nicht ein. Schließlich ist | |
ihm auch wichtig, Kühne als Sponsor von HSV und Elbphilharmonie nicht zu | |
vergrätzen. Unmittelbar vor der großen Jubiläums-Sause an der Elbe durfte | |
sich Kühne daher ins Goldene Buch der Stadt eintragen und wurde zum | |
mehrgängigen „Senatsfrühstück“ geladen. Aber dass sich Kühne, den Scholz | |
bei anderer Gelegenheit gern als „echten Hamburger Unternehmer mit | |
hanseatischer Gesinnung“ bezeichnet, bei seiner eigenen Party kritische | |
historische Anmerkungen anhören muss – das ist etwas sehr Neues. | |
Bisher hatte Hamburg immer gespurt, wenn der Unternehmer etwas wollte: Zum | |
Beispiel eine rasche Straßenumbenennung, um die Büroadresse „Düsternstraß… | |
zu vermeiden. Flugs wurde die Straße zur Verlängerung des „Herrengraben“ | |
gemacht. So war die Welt für Kühne in Ordnung. | |
Nun aber wankt Kühnes Welt selbst dort ein wenig, wo sie aus seiner Sicht – | |
nicht zuletzt in steuerlicher Hinsicht – bislang sehr in Ordnung war: in | |
der Schweiz, dem Sitz der Konzernzentrale. | |
Erst zitierte die Aargauer Zeitung die „linksgerichtete Tageszeitung,taz'“, | |
dann zog Bilanz, das führende Wirtschaftsmagazin der Schweiz, mit dem Titel | |
„Kühne+Nagel: Von der Vergangenheit eingeholt“ nach. Kühne fremdelt auch | |
ohne solche „Anwürfe“ mit seiner Wahlheimat. Er ist der reichste in der | |
Schweiz lebende Deutsche. Wirkliche Freunde habe er dort keine, bekannte er | |
kürzlich. | |
## Zurück in die Geburtsstadt Hamburg | |
Umso mehr investiert er seit ein paar Jahren, um sich in Hamburg welche zu | |
machen: Im Alter zieht es den Patriarchen zurück in seine Geburtsstadt. | |
Sein Haus in Schindellegi, hoch überm Zürichsee, will Kühne freilich nicht | |
aufgeben, was einige andere auch so halten. | |
Das landschaftlich idyllische Dorf im steuerlich besonders idyllischen | |
Kanton Schwyz beherbergt nicht nur Kühnes Haus und Headquarter, sondern | |
beispielsweise auch die „Pelikan“-Zentrale. | |
1969 ist Kühne hierher gezogen. Dafür, sagt er, seien neben Steuervorteilen | |
vor allem die politischen Erfolge von Willy Brandt verantwortlich gewesen: | |
„Wir waren skeptisch, wie sich die Dinge unter einer von der SPD geführten | |
Regierung entwickeln würden.“ | |
Dieses „wir“ ist wichtig: Sein Vater Alfred, seit 1932 Geschäftsführer von | |
Kühne+Nagel, zog im Hintergrund noch immer die Strippen, obwohl er seinen | |
Sohn mit 29 Jahren bereits zum Vorstands-Vorsitzenden gemacht hatte. Für | |
Kühne senior war der Emigrant Brandt im Kanzleramt rotes Tuch und gefühlte | |
Gefahr zugleich – nicht nur wegen der befürchteten Ausdehnung der | |
betrieblichen Mitbestimmung. | |
Kühnes Steuerflucht war und ist keineswegs illegal. Aber qualifiziert sie | |
ihn zu einem Eintrag ins Goldene Buch der ehemaligen Heimatstadt? Anders | |
gefragt: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich der heutige Junior-Chef Jan | |
Meyer von der gleichnamigen Kreuzschiff-Werft in ein paar Jahren ebenfalls | |
ins Goldene Buch der Stadt Papenburg (falls die eins hat) eintragen darf? | |
Es kommt darauf an, wie viele Millionen bis dahin in Gestalt von Sponsoring | |
aus Luxemburg, dem neuen Verwaltungssitz der Meyer-Werft, zurück geflossen | |
sein werden, bejubelt als Spende eines großherzigen Sohnes der Stadt. Dass | |
das selbe Geld, und sehr viel mehr, ohne Firmenverlegung in Gestalt | |
regulärer Steuern zur Verfügung stünde, unabhängig von den wechselnden | |
Launen und Vorlieben des Sponsors, gerät dabei in Vergessenheit – wie es | |
jetzt bei Kühne der Fall ist. | |
## Ärgerliche Siegerpose | |
Ähnliche Widersprüche gibt es bei der so genannten Rettung der Hamburger | |
Traditions-Reederei Hapag-Lloyd vor chinesischen Investoren, für die sich | |
Kühne 2008 feiern ließ. TUI hatte die Reederei los werden wollen. Kühne | |
liebt das Foto, das ihn nach erfolgreicher Übernahme mit hoch gestreckten | |
Armen in Sieger-Pose zeigt, während die Hapag-Lloyd-Mitarbeiter an seinem | |
Büro vorbei marschieren. | |
Dieses Bild sei „ein bisschen in die Geschichte eingegangen“, sagt Kühne | |
selbstbewusst. „Ich ärgere mich noch heute, wenn ich an diesen Tag denke“, | |
betont hingegen Thomas Sorg, damals Betriebsratsvorsitzender von | |
Kühne+Nagel Deutschland. Kühne habe sich für „die Rettung,reinrassiger' | |
deutscher Arbeitsplätze“ bejubeln lassen – die Rechte seiner schon | |
vorhandenen Angestellten aber immer wieder missachtet. | |
In der Tat waren 15 Jahre prozessualer Auseinandersetzung notwendig, um | |
beispielsweise die Bildung eines europäischen Betriebsrats durchzusetzen. | |
Kühne hatte sich stur auf den Standpunkt gestellt, als Schweizer | |
Unternehmen müsse ein europäischer Betriebsrat nicht geduldet werden. | |
Schließlich finanzierte sogar die EU ein Modell-Projekt für die | |
K+N-Betriebsräte, um das Anliegen gegen den Widerstand des Patriarchen | |
voran zu bringen. Aber: „Selbst nach einem eindeutigen Urteil des | |
Europäischen Gerichtshofes konnte der Euro-Betriebsrat noch nicht | |
konstituiert werden“, sagt Michael Kalis, bis vor kurzem dessen | |
Vorsitzender. | |
Weitere fünf Jahre musste gegen die K+N-Geschäftsleitungen in Europa auf | |
Herausgabe der gesetzlich notwendigen Informationen geklagt werden. | |
## „Reinrassig deutsch“ | |
Die „reinrassigen“ Arbeitsplätze beziehen sich auf Kühnes Bemerkung, mit | |
der er eine Beteiligung der dänischen Maersk-Reederei am | |
„Rettungs-Konsortium“ für Hapag-Lloyd kategorisch ausschloss: „Wir wollen | |
uns möglichst reinrassig deutsch halten“, sagte er bei einer | |
Podiumsdiskussion der „Deutschen Nationalstiftung“ in Berlin. | |
Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden nannte Kühnes Vokabel „skandalös�… | |
Doch dessen spontaner Abwehr-Reflex gegen Maersk klingt nicht nur | |
geschichtsvergessen, sie hat wiederum einen virulenten familiären | |
Hintergrund: Die Maersks sind eine konkurrierende Unternehmer-Dynastie. | |
Auch bei den Maerks gibt es den tüchtigen Großvater, der klein begann – nur | |
sind dessen Kinder und Enkel eben noch erfolgreicher als die Kühnes. Maersk | |
ist weltweit die Nummer eins in der Container-Schifffahrt. | |
Der Einstieg bei Hapag-Lloyd ist Kühnes zweiter Versuch, als Reeder | |
erfolgreich zu sein. Denn wer kein Reeder ist, ist in Hamburg nicht | |
wirklich ganz oben. Kühnes erster Versuch scheiterte katastrophal: Er | |
kaufte en gros Schiffe, die er 1981 mit gewaltigen Verlusten wieder | |
abstoßen musste – und das unter den Augen seines stockstrengen Vaters, der | |
im selben Jahr starb. | |
Alfred Kühne hinterließ ihm zwei persönliche Berater, die bis in die 90er | |
Jahre hinein, mittlerweile hoch betagt, im Betrieb präsent waren. Auch | |
Kühnes Mutter Mercedes gehörte noch lange dem Verwaltungsrat an. | |
Kein Zweifel: Kühne, selbst kinderlos, ist ein zutiefst familiär geprägter | |
Mensch. In seinem Rücken steht die Figur des übermächtigen Vaters, an den | |
sich frühere Mitarbeiter als eines äußerst rigiden „Beriebsfürsten“ | |
erinnern. Der gönnte dem einzigen Sohn noch nicht mal eine Studienzeit, | |
sondern beschlagnahmte ihn sehr jung für die Firma. | |
Er sei „zu früh in Verantwortung gekommen“, bedauert Kühne selbst im | |
Rückblick. Was freilich nicht bedeutete, dass „Klau-Mi“, wie der Jung-Chef | |
von den Mitarbeitern genannt wurde, Entscheidungsfreiheit gehabt hätte. | |
Am väterlichen Denkmal darf trotzdem keiner kratzen. Auch nicht an dem von | |
Großvater August Kühne, der sich im völkisch-kolonialistischen | |
„Alldeutschen Verband“ engagierte. Und weil Familien- und Firmengeschichte | |
im Fall der Kühnes kaum zu trennen sind, gilt das eben auch für letztere: | |
Sie ist sakrosankt. | |
Kühnes Management hingegen hat nun erkannt, dass die Strategie des stupiden | |
Leugnens nicht länger zu halten ist. Stattdessen gibt es seit Kurzem | |
Teil-Eingeständnisse. Im März veröffentlichte K+N eine mit „Bekenntnis zu | |
seiner Geschichte“ betitelte Pressemitteilung, in der die Firma „sehr | |
bedauert“, dass sie ihre „Tätigkeit zum Teil im Auftrag des Nazi-Regimes | |
ausgeübt hat“. „Ein solcher Zusammenhang“ war bis dahin als „unklar“ | |
behauptet worden. | |
Allerdings, so heißt es im „Bekenntnis“ weiter, seien „die seinerzeitigen | |
Verhältnisse“ zu berücksichtigen: Kühne+Nagel habe „in dunklen und | |
schwierigen Zeiten seine Existenz behaupten“ müssen. Schon im April | |
relativierte die Firmensprecherin abermals: Es sei „nicht bekannt, dass | |
sich die Kühne-Brüder mit den Machthabern arrangiert haben.“ | |
Kühne seinerseits verhindert weiterhin, was er kann. Noch im Mai fertigte | |
er einen kritischen Aktionär, der bei der Generalversammlung nach der | |
NS-Geschichte der Firma fragen wollte, mit der Bemerkung ab: „Wen geht es | |
etwas an, was mein Onkel damals gemacht hat?!“ Auch die Ausstrahlung einer | |
Dokumentation des Bayerischen Rundfunks versuchte er zu unterbinden: Um | |
„nicht alte Wunden wieder aufzureißen“, solle der Sender auf eine | |
Ausstrahlung verzichten. | |
## Aus „Belasteten“ wurden „Mitläufer“ | |
Die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk hatten recherchiert, dass es einen | |
sehr speziellen Grund für die rasche Rehabilitierung der Kühne-Brüder nach | |
1945 gab: Obwohl Alfred und Werner Kühne Parteibücher hatten und von | |
eigenen Mitarbeitern als „große Nazis“ qualifiziert wurden, setzte das | |
US-Militär eine nachträgliche Abmilderung des Spruchkammer-Urteils durch. | |
Aus „Belasteten“ wurden „Mitläufer“ – was notwendig war, um sie die … | |
weiter zu führen zu lassen. | |
Denn die Firma wurde wegen ihrer internationalen Verästelung für | |
Geheimdienst-Zwecke gebraucht. Insbesondere die Bonner | |
Kühne+Nagel-Niederlassung, aber auch Bremen und München dienten demnach als | |
logistische Zentren der „Organisation Gehlen“ – jenes Sammelbeckens des | |
versprengten NS-Spionage-Fachpersonals inklusive ehemaliger Gestapoleute, | |
aus der der Bundesnachrichtendienst entstand. Insofern war die | |
Kühne-Rehabilitierung eine Frucht der Staatsraison – was die Firma auf | |
Nachfrage allerdings als „abwegige Unterstellung“ bezeichnet. | |
Zuletzt war die Neuauflage der Firmenchronik zum 125-jährigen Jubiläum ein | |
Streifall zwischen Patriarch und Management. Vor dem Hintergrund des nicht | |
mehr zu übersehenden kritischen Medienechos weigerte sich der beauftragte | |
Autor, die NS-Zeit – wie aus den früheren Firmen-Publikationen gewohnt – | |
einfach auszublenden. | |
Auch die „Key Dates“ auf der aktuellen internationalen Firmen-Homepage | |
lassen zwischen 1932 – dem Tod von Firmengründer August Kühne – und 1946 | |
ein auffälliges Loch. | |
Nun ist die neue Chronik als Festschrift offiziell erschienen – aber | |
niemand bekommt sie zu sehen. Entsprechende Anfragen ignoriert das | |
Unternehmen, die Auflage soll allerdings auch so gering sein, dass es nicht | |
einmal für alle Mitglieder der Geschäftsführung langt. | |
Kühne will offenbar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Er spart – und | |
hält den Daumen weiterhin auf der Geschichte. Die | |
Unternehmens-Kommunikation kann ebenso unverdrossen wie unkontrollierbar | |
behaupten, nun sei die Geschichte doch selbstkritisch aufbereitet – und | |
Hamburgs Bürgermeister spendet für diese „Bereitschaft“ prinzipielles hoh… | |
Lob. | |
## Keine Enladung für die Maass-Enkel | |
Was hielte der Hamburger Senat im Jahr des Firmen-Jubiläums von einer | |
kleinen Ehrung auch für Adolf Maass, der den Hamburger Firmensitz ja | |
schließlich aufgebaut hat? „Posthume Ehrungen gibt es grundsätzlich nicht�… | |
sagt der Regierungs-Sprecher. Aber auch die in Kanada lebenden Maass-Enkel | |
wurden von keiner Seite eingeladen. | |
Der Fall Kühne+Nagel ist ein erratisch in die Gegenwart ragendes Beispiel | |
dafür, wie komplex und inkonsistent der Umgang mit NS-Vergangenheiten noch | |
immer sein kann. Andere Unternehmen ähnlicher Größenordnung haben längst | |
ganze Historiker-Kommissionen mit einschlägigen Studien beauftragt. Wie | |
geht die Gesellschaft mit solch einer Situation um? | |
Die Medien berichten kritisch, die Grünen halten vor dem Bremer Firmensitz | |
von K+N eine Mahnwache ab, Autonome bewerfen das Gebäude mit Farbbeuteln | |
und Steinen. Aber die überwältigende Mehrheit der Online-Kommentare unter | |
den kritischen Medienberichten erklärt die historische Thematik für | |
komplett irrelevant. | |
Auch Kühne selbst fragt sich öffentlich – nachdem er sich diesem Thema nun | |
immerhin stellen muss – was er mit der „Zeit zwischen 1933 und 1945, die | |
ich selbst faktisch nicht erlebt habe“, zu tun hat. Im übrigen habe seine | |
Vater allen Juden stets geraten, schnell auszuwandern. Und Maass habe er | |
für „besonders tüchtig“ gehalten. | |
Auch bei Kühne+Nagel darf übrigens nach 18 Uhr gearbeitet werden, trotz des | |
Stromverbrauchs. Es ist sogar ausdrücklich erwünscht. Nur muss man sich das | |
Licht selbst wieder anschalten – so, wie man sich seiner Geschichte eben | |
selbst stellen muss. | |
Der Chef hingegen lässt die Lichter lieber aus. | |
Mehr über den Konzern Kühne + Nagel, dessen NS-Vergangenheit und | |
Verbindungen zum HSV finden Sie in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und | |
Niedersachsen in der gedruckten Ausgabe der taz oder am [1][eKiosk]. | |
25 Jul 2015 | |
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Henning Bleyl | |
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