# taz.de -- Neubau mit Nazi-Vergangenheit: „Kühne und Nagel oder nichts“ | |
> Der baupolitische Sprecher der Grünen, Robert Bücking, hält den Neubau | |
> von Kühne+Nagel an der Weser für alternativlos. Allerdings sieht er | |
> einige offene Fragen | |
Bild: Ort des Geschehens: Der Stammsitz von Kühne & Nagel, hier in seiner erst… | |
taz: Herr Bücking, im welchem Kosten-Korridor könnte sich der | |
Quadratmeter-Preis für ein Baugrundstück am rechten Weserufer bewegen? | |
Sagen wir, auf Höhe der Kaisen-Brücke. | |
Robert Bücking: Das zu ermitteln, ist üblicherweise Aufgabe des | |
Gutachterausschusses für die Ermittlung der Grundstückspreise. Für das | |
Grundstück, um das es beim geplanten Neubau von Kühne+Nagel geht, liegt | |
dieses Gutachten noch nicht vor. | |
Wenn es kein Gutachten gibt – und die Verkaufsverhandlungen sind ja schon | |
sehr fortgeschritten –, wird normalerweise der Bodenwert mit der berühmten | |
WGFZ multipliziert, der „realisierbaren, wertrelevanten | |
Geschossflächenzahl“. Im Fall von Kühne+Nagel sind das elf Stockwerke mit | |
einer Bruttogeschoss-Fläche von 11.300 Quadratmetern. Was kommt dabei raus? | |
Das weiß ich nicht. Aber klar ist doch, dass neben dem Verkaufserlös auch | |
Steuereinnahmen und die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Bindung des | |
Unternehmens an Bremen eine wichtige Rolle spielen. | |
In der Tat ergibt die Rechnung eine andere Größenordnung als die 900 Euro | |
pro Quadratmeter, die der Senat nehmen will. Und da ist noch nicht mal der | |
Umrechnungsfaktor für Citylagen drin. | |
Es darf keine absurden Abweichungen von marktüblichen Preisen geben, das | |
ist klar. Gegebenenfalls würde sonst auch der Landesrechnungshof etwas dazu | |
sagen. Aber wie sieht hier der Markt aus? Das Grundstück neben dem heutigen | |
Gebäude lässt sich nicht eigenständig vermarkten und entwickeln. Dazu sind | |
die Platzverhältnisse zu eng. Also geht es um eine Einigung mit dem | |
Unternehmen Kühne+Nagel – oder um nichts. Im Übrigen ist es städtebaulich | |
ein Gewinn, wenn der Brückenkopf architektonisch eingefasst wird. | |
In dem die Rechtsabbiegespur überbaut wird … die Grünen sind auch für das | |
Finanzressort verantwortlich. Muss unter der Maßgabe der Haushaltsnotlage | |
nicht auf einem maximalem Verkaufserlös bestanden werden? | |
Müsste, müsste! Am Ende müssen sie Erfolg haben. Es ist schwer zu sagen, | |
wie stark die politische Entschlossenheit, dieses Projekt zum Erfolg zu | |
führen, auf den Preis gewirkt hat. Der Quadratmeterpreis, den die Stadt für | |
den Kauf des Lloydhof an die österreichische Sparkasse gezahlt hat, lag bei | |
4.000 Euro. Also beim Vierfachen. Das war zu viel, wie man am Scheitern des | |
Lloydhof-Projekts erkennen kann. Auch da dürfte es eine Rolle gespielt | |
haben, dass dieses Grundstück unbedingt erworben werden sollte, um die | |
dahinter liegenden Ziele zu erreichen. Immerhin muss die Stadt vom Erlös | |
nicht auch noch die nötigen Umbaumaßnahmen an der Martinistraße tragen. | |
Herr Kühne hat einen Architektur-Wettbewerb kategorisch ausgeschlossen. | |
Verpflichtet ist er dazu nicht, obwohl der Bau extrem stadtbild-prägend | |
sein wird. Aber muss man ihm auch durchgehen lassen, dass er die | |
Aufarbeitung der NS-Geschichte seines Unternehmens verweigert? | |
Nun gibt es wenigstens einen Gestaltungsbeirat, der den Entwurf bearbeitet. | |
Vor allem aber gilt: Kein deutsches Unternehmen, das in den letzten 100 | |
Jahren aktiv war, kann sich der Geschichtsaufarbeitung entziehen. | |
Mittlerweile ist doch unstrittig, wie Kühne+Nagel im Tross von Gestapo und | |
SS profitiert hat. Die Neubau-Pläne sind ein Anlass, danach zu fragen. Aber | |
ich sehe keine Verknüpfung mit den Verkaufsverhandlungen. | |
Natürlich müsste auch ein Unternehmen, dass sein Firmenarchiv für | |
Historiker öffnet, ordentliche Preise für die Überbauung eines öffentlichen | |
Platzes zahlen. Das, was vom bisherigen Fuß- und Radweg nach dem Neubau | |
übrig bleibt, ist fast schon zu schmal für einen Stolperstein im Pflaster. | |
Wie würden Sie einen Erinnerungs-Anker setzen? | |
Ich halte nichts davon, Herrn Kühne zu irgendeinem Kotau zu zwingen. Aber | |
ich hielte es für eine gute Idee, wenn man die Treppe hinunter zur Weser | |
nach Adolf Maass benennen würde: den früheren jüdischen Miteigentümer von | |
Kühne+Nagel, der in Auschwitz ermordet wurde. Es wäre schön, wenn der | |
Beirat Mitte diese Idee aufgreifen würde. | |
24 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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