| # taz.de -- Containers Geburtstag und Abgesang: Panzerketten, Munition und Erdb… | |
| > Heute vor 50 Jahren wurde der erste Container in einem deutschen Hafen | |
| > entladen. Die Stahlboxen revolutionierten einst die Logistik, doch nun | |
| > endet eine Ära. | |
| Bild: Revolution: Im jetzt zugeschütteten Überseehafen Bremen-Stadt kamen ein… | |
| HAMBURG taz | Frachtschiffe transportieren heute weltweit 80 Prozent der | |
| Handelsgüter. Ein Großteil der Ladung, die in Seehäfen wie Hamburg oder | |
| Bremerhaven ankommt, ist in Container verpackt. Doch erst der Vietnam-Krieg | |
| verhalf den Stahlboxen zum Durchbruch. Als der US-amerikanische Präsident | |
| Lyndon B. Johnson in den 1960er-Jahren die Truppen aufstockte, war der | |
| einzige Tiefwasserhafen Südvietnams mit den Lieferungen für die Soldaten | |
| schnell überfordert. Die Militärs suchten Rat bei Reedern und stießen auf | |
| den Außenseiter Malcolm McLean, der die Idee mit den Containern hatte. Bald | |
| lieferte McLean Panzerketten und Munition, ja sogar Erdbeereis in | |
| speziellen Kühlboxen an die Truppen in Vietnam. | |
| Am 6. Mai 1966 brachte einer von McLeans Frachtern die ersten Container | |
| nach Deutschland. 255 Stahlboxen hatte die „MS Fairland“ an Bord, als sie | |
| im Bremer Überseehafen anlegte. In den Containern war Nachschub für die | |
| US-Armee. | |
| McLeans Boxen revolutionieren die Logistik. Die Stahlboxen kosten in der | |
| Grundausstattung um die 2.000 Dollar pro Stück. Es gibt sie mit Kühlung | |
| oder als Spezialtank für Lebensmittelöle und flüssige Gefahrgüter, dann | |
| kostet ein Container bis zu 20.000 Dollar. Sie fassen alles von Champignons | |
| in Dosen bis zu Werkzeugmaschinen, sie lassen sich wegen der weltweit | |
| gültigen Norm stapeln und quasi von Haus zu Haus transportieren. Und viele | |
| Hafenmanager und Regierungen glauben daran, dass die Erfolgsgeschichte der | |
| Stahlboxen weitergeht. | |
| ## Maritimer Optimismus | |
| Die allermeisten Häfen in Europa bauen ihre Kapazitäten aus: Rotterdam | |
| eröffnete beispielsweise im vergangenen Jahr riesige Containerterminals im | |
| neuen Hafen Maasvlakte 2. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies | |
| (SPD) hält den Bau eines zweiten Containerterminals in Wilhelmshaven auf | |
| mittlere Sicht für „wirtschaftlich sinnvoll“. Zum maritimen Optimismus in | |
| Norddeutschland gehört auch der Ausbau der Hinterlandanbindungen: A20, | |
| Fahrrinnenanpassung von Weser und Elbe, Schienentrassen in den Süden des | |
| Landes. | |
| Schon Logistikpionier McLean dachte die Containerisierung vom Land her. Der | |
| Mann mit den schottischen Wurzeln war Lkw-Spediteur und hatte, der Legende | |
| nach, bis zur Gründung seiner Reederei mit dem bezeichnenden Namen | |
| „Sea-Land“ nie ein Schiff betreten. | |
| Doch mancherorts wächst die Skepsis. Hat die globale Arbeitsteilung – dort | |
| billige Massenproduktion, hier der Export hochwertiger Waren – ihren Zenit | |
| überschritten? Thomas Straubhaar hatte noch als Präsident des Hamburgischen | |
| Weltwirtschaftsinstituts „die Rückkehr des Lokalen“ vorhergesagt. Er meinte | |
| damit, dass die Produkte wieder zunehmend dort hergestellt werden, wo der | |
| Markt ist. Digitalisierung, 3D-Druck und Industrie 4.0, also die Verzahnung | |
| der Produktion mit der digitalen Welt, schafften laut Straubhaar die | |
| technischen Voraussetzungen. Und Thomas Wybierek, Logistikexperte der | |
| Norddeutschen Landesbank, sieht bereits Anzeichen für eine Trendumkehr: In | |
| Europa und den Vereinigten Staaten nähmen die Produktionsstätten wieder zu. | |
| Der Hamburger Senat hat sich klammheimlich von seinem erst 2013 | |
| beschlossenen Hafenentwicklungsplan „Hamburg hält Kurs“ verabschiedet. | |
| Dieser prognostizierte für das Jahr 2025 noch 25 Millionen Container – in | |
| diesem Jahr dürften es weniger als neun Millionen werden. | |
| ## Über Bord geworfen | |
| „Wir wollen weiter wachsen“, beharrte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank | |
| Horch (parteilos). Nur eben anders: Der Plan für einen fünften | |
| Containerterminal wurde über Bord geworfen. Nun sollen mehr | |
| Logistikunternehmen nach Hamburg gelockt werden, um die womöglich | |
| stagnierende Containerfracht weiterzuverarbeiten. Dazu beschloss in dieser | |
| Woche der rot-grüne Senat, Altenwerder West in ein Hafennutzungsgebiet „zu | |
| überführen“. | |
| Für die Abkehr vom Container spricht auch die Entwicklung des Welthandels. | |
| In der Vergangenheit wuchsen der globale Warenaustausch und damit die | |
| Schifffahrt regelmäßig um 2,5 bis 3 Prozentpunkte schneller als die | |
| Weltwirtschaft. Seit der Finanzkrise haben sich beide Entwicklungen jedoch | |
| angenähert. 2012 legte der Welthandel erstmals langsamer zu als die | |
| Weltwirtschaft. | |
| Die Weltwirtschaft lahmt nach Jahrzehnten des Wachstums. So warnte der | |
| Internationale Währungsfonds, der sich unter der Französin Christine | |
| Lagarde zu einem Bedenkenträger gemausert hat, vor „säkularer Stagnation“, | |
| also vor einer langen Phase mit bestenfalls schwacher Zunahme des globalen | |
| Bruttoinlandsproduktes. | |
| Auch bei der Containerisierung sei weltweit „ein gewisser Sättigungsgrad“ | |
| erreicht, sagte Wybierek. Ein Blick auf den Containerumschlag-Index des | |
| Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung bestätigt ein | |
| Abflachen des Wachstums. Für den Index werden die Angaben von | |
| internationalen Häfen erhoben, die fast zwei Drittel des weltweiten | |
| Containerumschlags tätigen. Seit 2014 stagniert der Container-Umschlag. | |
| Die Experten der UN-Welthandelsorganisation UNCTAD sind da optimistischer. | |
| Dank Asien und Afrika, wo ein größer werdender Mittelstand immer mehr | |
| billige Produkte kaufen will, nähmen Seeverkehr und Containerisierung zu, | |
| heißt es. | |
| Der Überseehafen in Bremen-Stadt, in dem 1966 Hafenarbeiter erstmals | |
| Stahlboxen entluden, ist schon lange zugeschüttet. Im einst umsatzstärksten | |
| Hafen der Welt bestimmen nun Büroangestellte und ein Hafenmuseum den Kurs. | |
| 6 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Hermannus Pfeiffer | |
| ## TAGS | |
| Container | |
| Hafen | |
| Logistik | |
| Hamburg | |
| Hamburger Hafen | |
| Elbe | |
| Containerschifffahrt | |
| Welthandel | |
| Weltwirtschaft | |
| Hamburg | |
| Hafen | |
| Hapag-Lloyd | |
| Kühne und Nagel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neues Hafenmuseum in Hamburg: Verrottende Erinnerungen | |
| Das Museum soll die Arbeit im Hafen zeigen. Über der Planung eines schicken | |
| Neubaus drohen jedoch die Exponate zu verkommen. | |
| Zukunft des Hamburger Hafens: Sklave der Vergangenheit | |
| Die Rahmenbedingungen für den Hafen haben sich stark geändert, sagt | |
| HWWI-Chef Vöpel. Wer hier im alten Stil Geld versenke, verschenke die | |
| Zukunft. | |
| Salomonische Sprüche: Verwirrung um die Vertiefung | |
| Die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts zur Elbvertiefung liegt | |
| jetzt vor. Sie beseitigt die vermeintliche Klarheit | |
| Digitale Hafenwirtschaft: Computer sollen´s richten | |
| Mit mehreren hundert Millionen Euro sollen die großen norddeutschen Häfen | |
| Vorreiter der Digitalisierung werden. Das könnte Jobs kosten. | |
| WTO-Studie zur Globalisierung: Arbeitsmigration statt Güterströme | |
| Der Welthandel wächst immer langsamer, die WTO warnt vor einem Einbruch. | |
| Der Trend geht zu digitalem Datenverkehr und Sharingangeboten. | |
| Ökonomie-Experten machen Verluste: Nur bedingt wettbewerbsfähig | |
| Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut schlingert: Es kann sich am Markt | |
| nicht behaupten. Die Handelskammer will es nun alleine weiterführen. | |
| Hamburger Museumspolitik nebulös: Vielleicht eher Wirtschaftsgeschichte | |
| Der Bund spendiert Hamburg ein 120-Millionen-Euro-Hafenmuseum. Diesem Thema | |
| widmen sich schon mehrere kleine Häuser – und das umstrittene „Maritime | |
| Museum Tamm“. | |
| Krise in den Häfen: Das Ende des Handels | |
| Der Weltwirtschaft stagniert: Die Bremsspuren der Globalisierung sorgen für | |
| weniger Umschlag an der deutschen Küste | |
| Dividende ab 2017?: Hamburger Reederei wieder rentabel | |
| Hapag-Lloyd lässt die Krise hinter sich und macht erstmals seit Jahren | |
| Gewinn. Fast 1,4 Milliarden Steuereuro hat der Staatskapitalismus bislang | |
| gekostet. | |
| Die Kühne-Story: Wie ein Traditions-Unternehmen Jubiläum feiert: Kühne&Sohn | |
| Kühne+Nagel pflegt einen äußerst eigenwilligen Umgang mit seiner | |
| Geschichte: Das liegt daran, dass die zugleich eine gut gehütete | |
| Familiengeschichte ist. |