Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hamburger Museumspolitik nebulös: Vielleicht eher Wirtschaftsgesch…
> Der Bund spendiert Hamburg ein 120-Millionen-Euro-Hafenmuseum. Diesem
> Thema widmen sich schon mehrere kleine Häuser – und das umstrittene
> „Maritime Museum Tamm“.
Bild: Ganz nah dran an Lärm und Dreck: Seit 1999 gibt es in Hamburg das „Haf…
„Karl-Heinz“, sagt Karl-Heinz und drückt einem die Hand. Und das fest:
Karl-Heinz hat jahrzehntelang mit seinen Händen gearbeitet, das
verschwindet nicht, wenn man in Rente ist. Dann fragt er, wo man hinwill;
erklärt, wo die Kasse für die Eintrittskarten ist und dass man ihn gern
fragen kann. Nicht, dass man hier herumirrt auf dem Gelände, sich verläuft
und dann enttäuscht ist.
Karl-Heinz ist einer von rund 150 ehrenamtlichen Helfern des derzeitigen
Hamburger Hafenmuseums und gehört außerdem einer wichtigen, rund 30
Personen starken Untergruppe an: den einstigen Hafenarbeitern. Sie waren
es, die 1999 zusammen mit Mitarbeitern des Hamburger Museums der Arbeit ein
zusätzliches Hafenmuseum auf den Weg brachten: Schleppten ihre
Arbeitsbücher heran und was sie so an Werkzeugen zu Hause hatten. Sie
klopften bei ihren ehemaligen Arbeitgebern an und entlockten ihnen manche
Maschine und manches Gefährt. „Neben über 10.000 Objekten ist auch viel
Herzblut in dieses Museum geflossen“, sagt Ursula Richenberger, die das
Haus seit drei Jahren leitet. Sie sagt: „Es war eine Museumsgründung von
unten.“
Untergebracht ist das Museum in einem der ehemaligen Kaischuppen im
Hafengebiet nahe der Veddel, während der Backsteinära der Hansestadt
errichtet. Heute ist es umgeben von Speditionen und Warenlagern. Im
Minutentakt donnern gleich nebenan die Trucks mit Containern vorbei- Es
gibt schönere und ruhigere Orte in der Stadt, andererseits begreift man
ganz konkret: Hafengebiet ist Industriegebiet, mit Lärm und Staub und
Dreck.
Das Hamburger Hafenmuseum ist offiziell eine Außenstelle des Museums der
Arbeit im einstigen Arbeiterstadtteil Barmbek. Es gehört zum Verbund der
Historischen Museen Hamburg, der auf einer Stiftung beruht. Das muss nicht
nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden, sondern um anzudeuten, worum
es ab nun auch geht: Wie behaupten sich kleine Museen gegenüber großen, wer
setzt sich durch, steht doch in Hamburg eine imposante Museumsneugründung
an: ein überregionales Hafenmuseum, das nicht nur die Geschichte des
Hamburger Hafens erzählt, sondern auch die der Hafenwirtschaften
Deutschlands insgesamt.
Dafür hat der Haushaltsausschuss des Bundes, animiert von den Hamburger
Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU), im
vergangenen Jahr tief in die Tasche gegriffen und 120 Millionen Euro auf
den Tisch gelegt; um das Museum auf den Weg zu bringen, mit einer Sammlung
zu bestücken und den Betrieb anzuschieben. In Hamburg, weil der Hafen der
größte Hafen Deutschlands ist. Wobei allein der dortigen Kulturbehörde
Planung und Durchführung obliegt; die Stadt wird auch die Folgekosten
tragen, wenn das Museum erst einmal steht.
In der Summe enthalten ist ein zweckgebundener Betrag, um den Segler
„Peking“ nach Hamburg zu holen, der 1911 auf der Hamburger Werft Blohm &
Voss gebaut wurde. Er kreuzte einige Jahrzehnte über die Weltmeere und
rottet seit einigen Jahren in New York als Museumsschiff vor sich hin. Dort
will man nicht mal einen symbolischen Euro für das Schiff haben. Hauptsache
weg, das Ding!
Die Überführung Transport des nicht mehr seetüchtigen Schiffs nach Hamburg
sowie dessen Restauration werden rund 26 Millionen verschlingen. Viel für
ein einzelnes Schiff – auch wenn es etwas größer ist als die „Rickmer
Rickmers“, die seit Jahren an den Landungsbrücken liegt und als begehbarer
Museumssegler so gut funktioniert, dass man eigentlich keinen zweiten
braucht.
Trotzdem, die „Peking“ soll her! Quasi als Flaggschiff hanseatischer
Dauergröße; Reinhard Wolf, Syndikus von Hamburgs Handelskammer und
Vorsitzender des Vereins „Freunde der Viermastbark Peking“ schwärmt schon
von der „Peking“ als zweitem Hafenwahrzeichen – neben der Elbphilharmonie.
Transport und Restaurierung der „Peking“ hat man übrigens der „Stiftung
Hamburg Maritim“ übertragen. Ein kluger Schachzug, denn die Stiftung
verwaltet auch die besagten 50er-Kaischuppen, in denen das aktuelle
Hafenmuseum residiert. Die Idee dahinter: Die fertiggestellte „Peking“
solle an den 50er-Schuppen dauerhaft ankern – auch als Wahrzeichen des
neuen großen Hafenmuseums. Falls das gelingt, dürfte es schwer sein, für
das neue Haus einen anderen Standort als die Schuppen ins Gespräch zu
bringen.
Soweit die Standortdebatte. Wesentlich weniger klar ist, was das künftige
Hafenmuseum zeigen, welche Schwerpunkte es setzten soll: Ist an ein eher
klassisches Industriemuseum mit Hafenkränen und Containern gedacht? Und wie
will man sich vom umstrittenen Schifffahrtsmuseum des Peter Tamm abgrenzen,
dem die Stadt vor wenigen Jahren großzügig unter die Arme griff?
Börries von Notz, als Museumsmacher und Alleinvorstand der Stiftung
Historische Museen einer der Planer des neuen Museums, sagt: „Ein
Hafenmuseum sollte von der Landseite aus gedacht werden, nicht vom Schiff
aus.“ Das Seefahrtsthema solle man nicht zu stark bespielen und nicht zu
detailliert das Leben an Bord eines Transportschiffes erklären. „Es geht
vielmehr darum zu erzählen, wie sich Leben und Arbeiten im Hafen
gestalteten und wie sich um den Hafen herum ganze Ökonomien entwickelt
haben – vom Schiffsausstatter bis zum Prostitutionsgewerbe.“ Folglich sieht
von Notz auch keine Überschneidung mit dem Tamm-Museum: das dränge ja eher
aufs Meer hinaus.
Außerdem: „Bei aller Bedeutung der technischen Innovationen, die im Hafen
eine Rolle spielen und die ihren Platz bekommen sollen, sollten die
wirtschaftsgeschichtlichen Aspekte von Häfen die entscheidendere Rolle
spielen.“ Es müsse also auch darum gehen, „Wirtschaftsabkommen museal
fassbar zu machen, so wie nicht zuletzt im Hafen die Globalisierung unserer
Welt deutlich wird.“ Er denkt dabei auch an TTIP.
Ob das der Hafenwirtschaft gefällt? Erst recht, wenn ein
wirtschaftsgeschichtlicher Blick kritisch ausfällt? Und wenn nicht mehr das
triste Los des klassischen Hafenarbeiters mit mieser Bezahlung im Fokus
steht, sondern das aktuelle Agieren der Manager und Investoren hinter den
Reedern?
Vorgebaut hat man dagegen auf einem anderen Feld: Noch vor der Geldzusage
wurden einige der kleineren Hafenmuseen vom Speicherstadtmuseum bis zum
Museumshafen Övelgönne im Verband „Kulturnetzwerk Maritimes Hamburg“
organisiert. Von Notz sagt: „Es gibt gut 20 Spezialorte, die sich mit
einzelnen Aspekten des Hafens beschäftigen und guten Besucherzuspruch
finden. Ich finde die alle gut, würde ihnen mehr Geld wünschen, sie
erfüllen jeweils ihre Funktion.“
Ob und wie diese kleinen Häuser aber in die Museumsgründung eingebunden
werden, ist noch offen. Das gilt etwa für das Thema „Zoll“ bzw. die
Mechanismen von Handelserleichterungen und -hindernissen. Wird der
Zollkreuzer des bestehenden Zollmuseums künftig nur als technisches
Artefakt zu besichtigen sein, während das neue Hafenmuseum die
Ökonomiegeschichte des Zolls erzählt? Oder teilt man sich diese Aufgabe?
Viele offene Fragen, denen sich Ende Mai erstmals der Kulturausschuss der
Hamburgischen Bürgerschaft widmen wird. Und für September ist ein großes
Symposium geplant, mit Fachleuten der Hafenmuseen aus New York, London und
Rotterdam.
Auch die Ehrenamtlichen sollen dann zu Wort kommen. Menschen wie
Karl-Heinz, die derzeit einen Großteil der Arbeit erledigen. Im Gegenzug
können sie die inhaltliche Ausrichtung eines Museums mitprägen, was zur
Beliebtheit der Häuser stark beiträgt. Von Notz sagt: „Eine Sackkarre als
Exponat ist erst mal nur eine Sackkarre. Wenn mir aber ein ehemaliger
Hafenarbeiter erklärt, mit welchen Handgriffen er diese Sackkarre geführt
hat, und wie das Verhältnis Hafenarbeiter und Reeder war, kann mir diese
Sackkarre einiges erzählen.“
Doch die Frage ist – wird der Einfluss der Ehrenamtlichen bleiben? Ursula
Richenberger hat zumindest leise Sorgen: „Unser Museum jetzt hat eine
durchaus heimelige Atmosphäre. Die Präsentation ist hand-made und nicht bis
ins Letzte kühl durch-didaktisiert, was einen besonderen Charme hat. Der
könnte verloren gehen, wenn so viel Geld ins Spiel kommt.“
12 May 2016
## AUTOREN
Frank Keil
## TAGS
Hamburg
Museumspolitik
Museum
Hamburg
Bremerhaven
Hamburg
Elbe
Schwerpunkt Ende Gelände!
Container
## ARTIKEL ZUM THEMA
Speicherstadtmuseum wird wegfusioniert: Kein Platz für Hamburgs Welterbe
Das private Speicherstadtmuseum in Hamburg wird von der Stiftung
Historische Museen übernommen. Mitarbeiter:innen bangen um ihre
Zukunft.
Neues Hafenmuseum in Hamburg: Verrottende Erinnerungen
Das Museum soll die Arbeit im Hafen zeigen. Über der Planung eines schicken
Neubaus drohen jedoch die Exponate zu verkommen.
Anzeige gegen Museumsleitung: Vergammelte Schiffe
Das Deutsche Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven lässt seine Exponate
verkommen, sagt eine Anwältin und hat Anzeige erstattet. Das Museum
schweigt dazu.
Zukunft des Hamburger Hafenmuseums: Zu riskant für ein Museum
Weil überall im Hafen Störfallbetriebe sind, kann das geplante Hafenmuseum
weder neben den 50er-Schuppen noch neben das „König der Löwen“-Zelt.
Kommentar Fahradweg auf Elbe-Sand: Dann wandere ich aus
Bezirk Altona diskutiert über einen Fahrradweg, der mitten über den
Övelgönne-Strand führen soll. Nicht zum Aushalten findet das unsere Autorin
Katharina Schipkowski
Kommentar Protestaktion „Ende Gelände“: Jeder Schritt zählt
Die Kohleproteste in der Lausitz haben ihr Ziel erreicht. Der Tagebau steht
still. Dabei hat der wichtige Part gerade erst begonnen.
Containers Geburtstag und Abgesang: Panzerketten, Munition und Erdbeereis
Heute vor 50 Jahren wurde der erste Container in einem deutschen Hafen
entladen. Die Stahlboxen revolutionierten einst die Logistik, doch nun
endet eine Ära.
KIRSTEN BAUMANN über Bürger und Museen: "Ein riesiger Aufwand"
Der Hamburger Senat will, dass die historischen Museen die Bürger stärker
beteiligen. In Grenzen sei das sinnvoll, findet Museumsdirektorin Baumann.
Reformkonzept für historische Museen: Eine sehr langfristige Vision
Museumsstiftungs-Chefin legt Konzept vor, fordert eine Million und einen
externen Generaldirektor. Die Kultursenatorin legt sich nicht fest.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.