# taz.de -- Speicherstadtmuseum wird wegfusioniert: Kein Platz für Hamburgs We… | |
> Das private Speicherstadtmuseum in Hamburg wird von der Stiftung | |
> Historische Museen übernommen. Mitarbeiter:innen bangen um ihre | |
> Zukunft. | |
Bild: Authentischer Ort für das Speicherstadtmuseum: Block L der Hamburger Spe… | |
HAMBURG taz | Henning Rademacher hat mit seinem [1][Speicherstadtmuseum in | |
Hamburg] schon so manche Klippe umschifft: „Immer am Rande der | |
Selbstausbeutung“, sagt er. Zuletzt traf die Coronapandemie das Museum 2020 | |
in seinem Jubiläumsjahr zum 25-jährigen Bestehen. Die Feierlichkeiten | |
fielen aus. Sturmerprobt überstand das Museum auch diese Phase: „Mit gut | |
42.000 Besucher:innen in 2022 nähern wir uns wieder den | |
Vor-Corona-Zahlen“, sagt Rademacher nicht ohne Stolz. | |
Rademacher, Volkswirt mit Kapitänspatent, hat das Museum 1995 gegründet. | |
Zusammen mit dem promovierten Kunsthistoriker Ralf Lange übernahm er eine | |
temporäre Ausstellung zum 100. Geburtstag der Speicherstadt und baute sie | |
zum Museum aus. Rademacher wurde der alleinige Betreiber, Lange der | |
Kurator. Sie machten mit ihren langjährigen Mitarbeiter:innen aus dem | |
Museum eine Anlaufstelle für jährlich bis zu 60.000 Besucher:innen. „Ohne | |
nennenswerte Subventionen“, betont Rademacher. | |
Zum Vergleich: Das weitaus größere und mit Millionen subventionierte Museum | |
der Arbeit kommt auf etwas mehr als 60.000 Besucher:innen, ebenso das | |
Altonaer Museum, das Deutsche Hafenmuseum in diesem Jahr erstmalig auf über | |
40.000. | |
Unzählige Schulklassen, Kinder auf Entdeckertour, Betriebsausflüge und | |
Tourist:innen erfuhren und erlebten die Speicherstadt in einem | |
authentischen Speicherboden, weit bevor sie Weltkulturerbe wurde. In dieser | |
Atmosphäre finden Tee- und Kaffeeverkostungen sowie regelmäßige | |
Krimilesungen mit bis zu 100 Zuhörer:innen statt. Ein Förderverein mit | |
über 60 Mitgliedern unterstützt das Museum mit seinen Aktivitäten. Sechs | |
Feste, vier Minijobber und mehrere freie Gästeführer:innen finden hier | |
Arbeit. Aber nun droht das Aus. | |
Der Speicher, in dem das Museum mietfrei seine Ausstellungsfläche hat, wird | |
in absehbarer Zeit saniert. Das Museum muss dann raus, eine Ersatzfläche | |
ist nicht in Sicht. Dieser Umstand und das hohe Alter des 78-jährigen | |
Rademacher machen eine Neuausrichtung notwendig. Die wirtschaftliche | |
Übernahme durch die [2][Stiftung Historische Museen Hamburg] (SHMH), die | |
unter der Aufsicht der Kulturbehörde steht, schien ein logischer Schritt in | |
Richtung Zukunftssicherung zu sein. | |
## Keine klaren Garantien | |
Nur das, was Stiftung und Behörde planen, gleicht in den Augen von | |
Betreiber und Mitarbeiter:innen eher einer Abwicklung: „Es tut mir um | |
mein Lebenswerk leid“, sagt Rademacher, „aber vor allem geht es mir um die | |
Zukunft meiner Mitarbeiter:innen“. | |
Die Stiftung will das Museum in das geplante Welterbe-Info-Zentrum | |
integrieren. Dort soll das [3][Welterbe Speicherstadt zusammen mit dem | |
Welterbe Kontorhausviertel] und dem Welterbe Wattenmeer präsentiert werden. | |
Als Ort wird das historische Kesselhaus in der Mitte der Speicherstadt | |
favorisiert. Zur Verfügung steht dort eine Ausstellungsfläche von rund 300 | |
Quadratmetern – für alle drei Themenblöcke. Das jetzige Speicherstadtmuseum | |
hat eine Ausstellungsfläche von gut 370 Quadratmetern. Damit ist klar, | |
sollten die Pläne so umgesetzt werden, würde die Ausstellung des Museums | |
schrumpfen müssen. | |
Die Stiftung verspricht zwar, „das bisherige Programm und die pädagogischen | |
Aktivitäten des Speicherstadtmuseums auch am möglichen neuen Standort zu | |
erhalten und fortzuentwickeln“. Und auch die Kulturbehörde beteuert, dass | |
das Ziel der aktuellen Planungen sei, „das Speicherstadtmuseum und die gute | |
Arbeit, die die Beschäftigten dort leisten, dauerhaft zu sichern“, und, | |
„die Arbeitsplätze zu erhalten“. Klare Garantien mochten aber beide nicht | |
abgeben. | |
Bei dieser Lage fehlt den Mitarbeiter:innen die Fantasie, wie der gute | |
Wille in einem Informationszentrum umgesetzt werden soll. Die langjährige | |
Mitarbeiterin Lydia Struck sagt: „Das Kesselhaus ist für ein | |
Welterbe-Info-Zentrum eine schöne Location. Doch für die nachhaltige | |
Vermittlung der Geschichte der Speicherstadt mit all ihren Facetten wäre | |
ein authentischer Speicher notwendig.“ Sie hätte sich außerdem für die | |
Zukunft mehr statt weniger Platz gewünscht. | |
Das war auch der einhellige Tenor auf der Informationsveranstaltung im | |
Speicherstadtmuseum Ende Oktober. Geladen waren Hans-Jörg Czech, | |
Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH), und Rita | |
Müller, die Direktorin des Museums der Arbeit, deren Außenstelle das | |
Speicherstadtmuseum formal auch jetzt schon ist. Sie waren gekommen, um | |
ihre Pläne vorzustellen. | |
## Stiftung auf dem Holzweg | |
Mehrere Referent:innen, die seit Jahren Führungen durch Museum und | |
Speicherstadt machen, meldeten Zweifel an, in solch einem Rahmen ihrer | |
Arbeit angemessen nachgehen zu können: „Wie sollen wir Kindern die Arbeit | |
in einem Speicher nahebringen, wenn wir uns nicht in einem Speicher | |
befinden?“, fragte eine. Viele Besucher:innen würden auch gerade wegen | |
der Anschaulichkeit und der authentischen Atmosphäre in einen Speicher | |
kommen. | |
Als einer der Mitarbeiter schließlich rief: „Herr Czech, Sie sind auf dem | |
Holzweg“, geriet der ansonsten geduldig den Fragen antwortende Czech kurz | |
aus der Fassung: „Dann machen Sie es doch selber, wenn Sie es besser | |
können, wir haben genug anderes zu tun.“ | |
Damit hat er sicher recht. Für die Errichtung des [4][Deutschen | |
Hafenmuseums] mit einer neuen Dependance in der Hafencity bewilligte der | |
Bund 185,5 Millionen Euro. Und auch für die anderen Museen der Stiftung | |
stehen um die 120 Millionen Euro von Bund und Stadt für die „baulichen und | |
konzeptionellen Verbesserungen“ zur Verfügung. Bei diesen Summen muss die | |
Frage nach dem Holzweg erlaubt sein: Wieso nicht für das | |
Speicherstadtmuseum? Wieso sieht sich die Stiftung, sieht sich die Stadt | |
nicht in der Lage, ein über 25 Jahre auch wirtschaftlich überaus | |
erfolgreiches Museum, welches auch noch einen Teil des Weltkulturerbe | |
Hamburgs präsentiert, mit angemessenen Räumlichkeiten auszustatten und | |
weiter am Leben zu erhalten? | |
2010 wollte die Stadt schon einmal [5][ein Museum liquidieren]. Um 3,5 | |
Millionen Euro jährlich zu sparen, wollte der CDU-Kurzzeit-Bürgermeister | |
Ahlhaus das über 100 Jahre alte Altonaer Museum schließen. Es kam zu | |
Protesten, selbst Helmut Schmidt konnte es nicht fassen. Letztlich kam es | |
nicht zur Schließung, heute wird in das Museum investiert. Von der Rettung | |
profitierte auch der heutige Chef der Stiftung Historische Museen Hamburg, | |
Hans-Jörg Czech. Er wurde von 2013 bis 2015 Direktor des Altonaer Museums, | |
um dann über das Museum für Hamburgische Geschichte an die Spitze der | |
Stiftung zu gelangen. | |
5 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://speicherstadtmuseum.de/ | |
[2] https://shmh.de/ | |
[3] https://www.unesco.de/kultur-und-natur/welterbe/welterbe-deutschland/speich… | |
[4] /Neues-Hafenmuseum-in-Hamburg/!5825769 | |
[5] /Kulturpolitik/!5133206 | |
## AUTOREN | |
Niels Holsten | |
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