# taz.de -- Zukunft des Hamburger Hafenmuseums: Zu riskant für ein Museum | |
> Weil überall im Hafen Störfallbetriebe sind, kann das geplante | |
> Hafenmuseum weder neben den 50er-Schuppen noch neben das „König der | |
> Löwen“-Zelt. | |
Bild: Wie früher: Mitarbeiter des Hafenmuseums bauen das Ruder eines Ewers an | |
HAMBURG taz | Wenn man plötzlich 120 Millionen Euro hat, kann das ein | |
kleiner Schock sein. Besonders dann, wenn kein Mensch damit gerechnet hat, | |
dass Johannes Kahrs (SPD), Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Mitte, | |
dieses Geld anno 2015 beim Bund losschlagen würde, um Hamburg ein | |
nationales Hafenmuseum zu schenken. Gut, 26 Millionen davon gehen ab für | |
die Überführung und Aufpeppung der alten Viermastbark Peking aus New York, | |
die quasi Türsteher des Hafenmuseums sein soll. | |
Aber da bleibt immer noch genug übrig, über das sich die mit der Planung | |
betraute Stiftung Historische Museen Hamburg Gedanken machen muss. Und so | |
wird sich deren Chef Börries von Notz zwar gefreut, aber auch etwas | |
geschwitzt haben, als er davon erfuhr. | |
Denn mit der Konsolidierung der drei Museen seiner eigenen Stiftung – dem | |
Altonaer Museum, dem für Hamburgische Geschichte und dem Museum der Arbeit | |
– ist er eigentlich gut ausgelastet, und seinen eigenen Häusern Konkurrenz | |
zu machen, kann nicht in seinem Sinne sein. Zumal er die versprochenen | |
Gelder mühsam und einzeln bei verschiedenen Bundesbehörden eintreiben muss. | |
## Umflort von Schiffsschrauben-Öl | |
Andererseits – was kann schöner sein, als ausgerechnet in Hamburg ein | |
Hafenmuseum zu bauen, den Hafen quasi live ins Museale zu überführen, und | |
das auch ganz konkret stadtplanerisch-logistisch. Denn das neue Haus soll | |
ja mitten im aktiven Hafen liegen, duftumflort von Kaffee und | |
Schiffsschrauben-Öl. Da wird man also live dabei sein können, wenn ein | |
Arbeitsgerät, ein Beruf vom gegenwärtigen zum vergangenen wird. | |
Das Eigenartige ist, dass es all diese Relikte sinnlicher | |
Hafenarbeiter-Vergangenheit vor Ort längst gibt: Seit 2002 existiert auf | |
dem Kleinen Grasbrook, ein Schaudepot im denkmalgeschützten „Kaischuppen | |
50A“. Sommers erklären dort einstige Hafenarbeiter ehrenamtlich Schiffe, | |
Kaikräne und Sackkarren. | |
Ehrenamtlich deshalb, weil für professionelle Führungen in dieser | |
Außenstelle des Museums der Arbeit das Geld fehlt. Aber die „Hafensenioren“ | |
sind mit Herzblut dabei, die Besucher strömen. Entsprechend groß war die | |
Panik, als Pläne für das neue Museum ruchbar wurden. Denn dass der 50er | |
Schuppen baulich und museumsdidaktisch nicht auf dem neuesten Stand ist, | |
versteht sich; man fürchtete verdrängt zu werden. | |
## Gefahrgut-Lager nebenan | |
Doch so ein historischer Lagerschuppen ist auch ein lokalpatriotischer | |
Anker, und seine Lobby ist groß. Sogar Kultursenator Carsten Brosda (SPD) – | |
auch für Neue Medien zuständig – sagt, die digitale Simulation von | |
Hafenarbeit könne niemals das physische Erleben eines Ortes ersetzten, | |
sondern sei bloß dessen Appetizer. „Niemand“, sagt auch Stiftungschef | |
Börries von Notz, „will den 50er-Schuppen zuschließen.“ | |
Bleibt die Frage, wo das neue Museum, das auch die Globalisierung und | |
internationale Vernetzung in den Blick nehmen will, stehen soll. Am | |
liebsten wäre allen Beteiligten ja das Areal direkt neben dem 50erSchuppen, | |
der so zu einer fußläufigen Filiale geworden wäre. Doch nahe bei den | |
Schuppen existieren gleich drei Gefahrgut-Lager, von denen gravierende | |
Störfälle ausgehen können, und ein neues Museum würde hier „wohl nicht | |
genehmigt“, sagte Brosda am Donnerstag bei der Präsentation möglicher | |
Standorte. | |
Zwar genieße der 50er-Schuppen als musealer Ort Bestandsschutz, „und wir | |
wollen in den nächsten Monaten per Bauvorbescheidsantrag ausloten, ob wir | |
da wirklich nichts Neues bauen dürfen“, sagt er. Aber die bisherigen | |
Signale der Genehmigungsbehörde seien negativ. | |
Selbst der Einbau einer Heizung in den 50er-Schuppen gelte als „Neubau“ und | |
werde aufgrund der Sicherheitsrichtlinie „Seveso 3“ wohl abgelehnt. Also | |
haben Senat und Museumsstiftung auch andere Orte prüfen lassen. Denjenigen | |
neben dem gelben Zelt des Musicals „König der Löwen“ etwa, mit Barkassen | |
von den Landungsbrücken aus gut erreichbar. | |
## Und die Landungsbrücken? | |
Aber auch in dessen Nähe liegt ein Störfallbetrieb, sodass ein temporär | |
genutztes Musicalzelt möglich ist, ein dauerhaft Besucher ziehendes Museum | |
aber wohl nicht. Und davor, den Umzug der Gefahrgut-Lagerfirmen zugunsten | |
des Museums zu fordern, schrecken die Kulturleute dann doch zurück. | |
Und die Landungsbrücken selbst, zentral in St. Pauli gelegen? Das ginge | |
schon, allerdings müsste man dafür mehrere Gebäude beim Alten Elbtunnel | |
abreißen, und anbauen könnte man da später auch nicht. | |
Blieb also nur noch das einstige Überseezentrum auf dem Grasbook, der jetzt | |
ja ohnehin in ein gemischtes Wohn- und Gewerbegebiet verwandelt werden | |
soll. Da liegt kein Gefahrgut, und genug Platz fände sich auch. Zum | |
50er-Schuppen müsste man allerdings den Moldau- und den Hansahafen | |
überqueren, und noch existieren dort weder Brücken noch eine Bus- oder | |
Barkassenverbindung. | |
Aber selbst wenn das gelänge und sich der Senat im Sommer 2018 nach | |
weiteren Vorstudien und Planungskonzepten für den Grasbrook entscheidet, | |
könnte die Zersplitterung der Häuser zum Problem werden. Denn wie will man | |
Touristen dazu bewegen, umständlich zwei getrennte Orte aufzusuchen, und | |
wird nach der Tour durch das große neue Hafenmuseum noch irgendwer zum | |
Schuppen rüberfahren? | |
## Der Horizont bleibt eng | |
Ganz zu schweigen von der Frage, warum Besucher überhaupt den Weg zum | |
abgelegenen Grasbrook wählen sollen, statt in der Hafencity das | |
„Internationale Maritime Museum“ des Ex-Springer-Chefs Peter Tamm zu | |
besuchen, dessen umstrittene Militaria-Präsentation längst nicht mehr | |
Stadtgespräch ist? Auch bliebe nach Abzug dieser Besucher wohl kaum jemand | |
übrig, um die Schiffe im Museum für Hamburgische Geschichte und jene im | |
Altonaer Museum anzuschauen. | |
Und selbst wenn: Die Tatsache, dass das neue Hafenmuseum zentral auch die | |
Hafenwirtschaft präsentieren und dort Exponate leihen will, wirft die Frage | |
auf, wie viel Nähe zur Wirtschaft hier dienlich ist. Denn wird ein | |
Leihgeber nicht sicher stellen, dass er vorteilhaft präsentiert wird? | |
Abgesehen davon bleibt die Frage, warum Hamburg seit Jahrzehnten nichts | |
anderes einfällt, als mit Wasser, Wellen – siehe Elbphilharmonie-Dach – | |
Schiffen und dem Hafen zu punkten. So gesehen scheint sich die alte | |
Kaufmannsstadt in ihrem Horizont nicht wesentlich verändert zu haben. Und | |
das angebliche „Tor zur Welt“ permanent zu feiern bedeutet noch lange | |
nicht, dass da wirklich eins ist. | |
21 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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