# taz.de -- KIRSTEN BAUMANN über Bürger und Museen: "Ein riesiger Aufwand" | |
> Der Hamburger Senat will, dass die historischen Museen die Bürger stärker | |
> beteiligen. In Grenzen sei das sinnvoll, findet Museumsdirektorin | |
> Baumann. | |
Bild: Ohne Ehrenamtliche weder zu restaurieren noch den Besuchern vorzuführen:… | |
taz: Frau Baumann, Hamburgs SPD-Senat fordert von den stadthistorischen | |
Museen Partizipation. Warum gibt es die noch nicht? | |
Kirsten Baumann: Die gibt es – und nicht zu knapp: Partizipation existiert | |
gerade in den historischen Museen in vielfältiger Form. Ich empfinde | |
Hamburg als Hochburg des Ehrenamts – gerade im musealen Bereich. | |
Wofür Ihr Museum der Arbeit besonders geeignet ist. | |
Ja, denn da vermitteln wir – zum Beispiel an unseren alten Druckmaschinen | |
und im Hafenmuseum –, wie früher gearbeitet wurde. Daran sind natürlich | |
viele ehemalige Drucker, Setzer, Hafenarbeiter et cetera beteiligt. | |
Abgesehen davon: Unser Museumsladen wird zu 100 Prozent von Ehrenamtlichen | |
betrieben. | |
Ist Partizipation also nur ein anderer Ausdruck für Ehrenamt? | |
Nein, denn auch Mäzene und Freundeskreise, die sich mit Geld oder Exponaten | |
einbringen, sind letztlich Partizipatoren. Eigentlich ist mit Partizipation | |
aber natürlich die ganz handfeste Beteiligung an der inhaltlichen Arbeit | |
des Museums gemeint. Und Partizipation ist vermutlich immer ehrenamtlich – | |
sonst wäre es ja ein Angestelltenverhältnis. | |
Könnte es zum Beispiel partizipative Ausstellungen geben? | |
Wenn man die personellen Kapazitäten hätte, ja. Dann müsste man mit großem | |
zeitlichem Vorlauf eine Gruppe Interessierter zusammensuchen, die Themen | |
erarbeiten, die sich eignen könnten. Partizipation kann aber auch bedeuten, | |
dass sich Menschen an der Vorbereitung von Veranstaltungen beteiligen. Das | |
praktizieren wir bereits, was ich als große Bereicherung empfinde. | |
Spart Partizipation also Personal? | |
Das kommt auf die Sparte an. Unseren Museumsladen könnten wir ohne die | |
Ehrenamtlichen nur durch bezahltes Personal aufrecht erhalten. Da sparen | |
wir. Grundsätzlich ist die die Betreuung von Ehrenamtlichen aber sehr | |
aufwendig. Es muss deshalb immer ein gesundes Verhältnis zwischen | |
professionellen und nicht-professionellen Kräften geben. | |
Welches wäre ein geeigneter Schlüssel? | |
Das hängt stark vom Projekt ab. Für den Museumsladen bekommen alle dieselbe | |
Einweisung. Hilft aber jemand im Archiv, muss er für jedes Projekt neu | |
eingewiesen werden, was natürlich aufwändiger ist. | |
Ist trotzdem denkbar, dass durch Partizipation Museumskuratoren überflüssig | |
werden? | |
Kuratoren ganz bestimmt nicht! Es gibt aber die Befürchtung, dass | |
Aufsichts- oder Kassenkräfte überflüssig werden, wenn solche Arbeiten von | |
Ehrenamtlichen übernommen werden – Tätigkeiten also, die keine so | |
fachspezifische Qualifikation erfordern. Das ist bei uns noch nicht der | |
Fall, und ich warne auch dringend davor. | |
Warum? | |
Weil wir uns als Museum nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen | |
lassen dürfen. Denn Ehrenamtliche haben zwar einen Vertrag mit uns, sind | |
aber nicht weisungsgebunden. Ich habe also einen ganz anderen Zugriff auf | |
freiwillige Helfer als auf KollegInnen, die einen Arbeitsvertrag haben. | |
Sie plädieren dafür, dass die regelmäßig zu verrichtenden Arbeiten nicht | |
von Ehrenamtlichen übernommen werden? | |
Die Kernarbeiten – Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln – sowieso | |
nicht. Da kann man allenfalls durch Ehrenamtliche aufstocken. Denn die | |
öffentlich geförderten Hamburger Museen sind professionelle Häuser, die | |
nach den Standards des Internationalen Museumsrats ICOM arbeiten. Das | |
heißt, wir haben unsere Aufgaben auf einem bestimmten professionellen Level | |
zu verrichten, und das wollen wir weiterhin tun. | |
Aber angenommen, Sie planten eine partizipative Ausstellung: Welcher | |
Kriterien müsste sie erfüllen? | |
Wichtigstes Kriterium wäre immer: Passt eine solche Ausstellung in das | |
Profil dieses Hauses? Und kann sie einen wissenschaftlichen Anspruch | |
erfüllen? Davon würde ich auch bei partizipativer Arbeit nicht abgehen. | |
Und wenn ein Ausstellungs- oder Veranstaltungsmacher eine Gruppe | |
Freiwillige betreut: Bedeutet das mehr Arbeit, als wenn er die Dinge selbst | |
organisierte? | |
Ja, denn die Zusammenarbeit mit Freiwilligen ist ein extrem kommunikativer | |
Prozess. Es bedarf einer sehr großen Abstimmung mit diesen Menschen, die | |
museale Nicht-Profis sind und sich plötzlich in diese Museumsstruktur | |
eingliedern müssen. | |
Das Partizipations-Konzept geht in Sachen Arbeitsersparnis also nicht auf? | |
Nein, im Gegenteil. | |
Würde mehr Partizipation dafür die Qualität der Museen steigern? | |
Das hängt davon ab, wie man diese Qualität definiert. Denn ein Museum ist | |
schon lange nicht mehr nur Institution einer hochkarätigen | |
wissenschaftlichen Ausstellung. Sondern ein Museum hat heute ein Café, | |
einen Laden, ein vielschichtiges Vermittlungsprogramm; man kann sich über | |
Besucherbuch, über Facebook, einen Museums-Blog oder einen Freundeskreis an | |
der Arbeit beteiligen. Das alles wird weiter zunehmen. Und wir sind als | |
Museum gut beraten, auf solche gesellschaftlichen Ansprüche zu reagieren. | |
Hat Ihnen Hamburgs Senat bei seiner Forderung inhaltliche und zeitliche | |
Vorgaben gemacht? | |
Nein. Wenn er das täte, müsste er auch die nötigen Mittel zur Verfügung | |
stellen. Aus den vorhandenen Geldern können wir kaum unsere Kernaufgaben | |
wahrnehmen. | |
22 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
Petra Schellen | |
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