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# taz.de -- Neue Museumsdirektorin Kirsten Baumann: Sie ist ja schon in Übung
> Die Chefin des Hamburger Museums der Arbeit flieht – vor zu wenig Geld
> und Wertschätzung. Auf Schloss Gottorf allerdings warten schon exakt
> diese Probleme.
Bild: Kühle Schönheit, diffizile Strukturen: Schloss Gottorf in Schleswig.
HAMBURG taz | Darauf hat sie bestimmt keine Lust: Vom Regen in die Traufe
zu kommen. Und doch kann Kirsten Baumann genau das passieren. Die Chefin
des Hamburger Museums der Arbeit, seit 2009 im Amt, hat jetzt bekannt
gegeben, dass sie ab September das Landesmuseum für Kunst und
Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf in Schleswig leiten wird. „Ich freue
mich darauf, Direktorin eines so bedeutenden kulturgeschichtlichen Hauses
zu sein“, ließ Baumann, derzeit erkrankt zuhause, wissen.
Ein schöner Ort ist es ja, das Schloss mit Barockgarten und in Sichtweite
der Schlei. Etwas abgelegen vielleicht, aber sehr idyllisch. Das Museum für
Kunst und Kulturgeschichte, das Archäologische Landesmuseum und das
Wikingermuseum Haithabu sowie weitere Häuser bilden seit 1999 die Stiftung
Schleswig-Holsteinische Landesmuseen – ein kompaktes kulturhistorisches
Ensemble mit klarem Bezug zum Ostseeraum: Auch das Zentrum für Baltische
und Skandinavische Archäologie gehört dazu.
## Drittletzter Platz
Trüben könnten Baumanns Freude an der neuen Herausforderung die
Rahmenbedingungen: Schleswig-Holstein gibt mit rund 0,3 Prozent des
Brutto-Inlandsprodukts so wenig für Kultur aus wie kaum ein anderes
Bundesland – und rangiert im Vergleich auf dem drittletzten Platz. Was die
Institutionen zu spüren bekommen: Lübeck könnte sein Weltkulturerbe ohne
private Stiftungen nicht instand halten, und dem Schleswig-Holstein
Musikfestival hat man die Rücklagen weggenommen, und das
Landeskulturzentrum Gut Salzau gleich mit, um es zu verkaufen. Bloß kaufen
will es keiner.
In all das reiht sich die Gottorfer Direktoren-Misere der vergangenen Jahre
ganz gut ein. Die Leitung des Museums für Kunst und Kulturgeschichte, die
Kirsten Baumann jetzt antritt, ist seit November 2011 vakant. Da hatte ihr
Vorgänger Jürgen Fitschen hingeworfen, nach gerade mal zwei von geplanten
fünf Jahren. Darauf angesprochen, raunzt er „Kein Kommentar!“ ins Telefon.
Fitschen, der inzwischen eine Galerie im niedersächsischen Stade betreibt,
will mit alldem nichts mehr zu tun haben. Die Verwerfungen, immerhin
anderthalb Jahre her, müssen groß gewesen sein. Denn Fitschen kam als
Hoffnungsträger, voller Pläne für die Neugestaltung des Museums – aber wohl
nicht zum Zuge.
Zusammenhängen könnte das mit der Struktur der Gottorfer Stiftung, deren
Vorstand aus den Reihen der Museumsdirektoren bestellt wird. In Gottorf
bestand er lange aus dem Direktor des Museums für Kunst und
Kulturgeschichte sowie jenem des Archäologischen Museums; der
Kulturgeschichtler war dem Archäologen dabei übergeordnet. Seit der
Erneuerung des Museumsgesetzes im Jahr 2009 – dem Amtsantritt Fitschens –
sitzt aber nur noch ein Direktor im Vorstand: Archäologie-Chef Claus von
Carnap-Borheim.
Er wird, falls sich am Gesetz nichts ändert, bis zur Rente bleiben. Ein
zweiter, kaufmännischer Vorstand wird derzeit gesucht. Auch wenn Bornheim
nicht weisungsbefugt ist, bedeutet die Position doch eine gewisse Macht –
immerhin leitet er zugleich eines der betroffenen Museen und steht
andererseits der Stiftung vor, die das Wohl aller Häuser berücksichtigen
soll.
## Konzept kassiert
An eben dieser Struktur scheiterte auch die Stiftung Historische Museen
Hamburg – und speziell Kirsten Baumann: Von November 2010 bis Dezember 2011
war sie nicht nur Museumschefin, sondern auch Alleinvorstand der Stiftung.
Im Auftrag des Hamburger SPD-Senats erarbeitete sie damals ein Konzept für
die Neuausrichtung der Museen. Wenige Tage nach Fertigstellung wurde der
Entwurf von genau derselben SPD kassiert: Die Stiftung wurde teilweise
zerschlagen, der Entwurf landete in der Schublade. Frustriert warf Baumann
den Stiftungsvorsitz hin. Möglich, dass das alles bei ihrem Gottorfer
Vorgänger Fitschen ganz ähnlich war.
Dort soll es nun Baumann richten, nach anderthalb Jahren Vakanz des
Postens. Zyniker mögen finden, die Direktorin könne von ihren Hamburger
Erfahrungen zehren: Auch die Gottorfer Museen sollen nämlich, im Auftrag
des Kieler Landtags, ein Konzept für die Neuausrichtung der
Dauerausstellungen erarbeiten.
Beim Museum für Kunst und Kulturgeschichte, das Exponate vom Mittelalter
bis zur Klassischen Moderne zeigt, wird das nicht leicht, zumal die
Sammlung in historischen Räumen steht. „Wir wollen auch die historischen
Treppenhäuser für Besucher öffnen“, sagt Thomas Gädecke, der den Posten
derzeit kommissarisch führt. Interne Arbeitskreise tagen schon, ein
internationaler Architekten-Ideenwettbewerb läuft. „Das wird einen
zweistelligen Millionenbetrag kosten“, sagt Gädecke. Entscheiden wird am
Ende die Politik. Das Land sei vorgewarnt, sagt Gädecke, und habe dazu
ermuntert, die Pläne weiter zu verfolgen.
Wenn man sich an dieser Stelle aber noch einmal erinnert, dass
Schleswig-Holstein die Kultur noch kürzer hält als benachbarte Hamburg,
fragt man sich, ob das Land zwischen den Meeren so ein Konzept denn auch
wirklich finanzieren wird – etwa im Fall neuer Finanzlücken. Wird Baumann
es in Gottorf also wirklich leichter haben als zuvor in Hamburg?
## Strukturelles Defizit
Auch die Stiftung Gottorf nämlich ist, so wie die Hamburger
Museumsstiftung, strukturell defizitär: acht Millionen Euro jährlich
beträgt das Gottorfer Budget, fünf davon gibt das Land – die aber decken
gerade mal die Personalkosten. Selbst stemmen müssen die Mussen alles
andere – die Bewirtschaftung der Gebäude, Ausstellungen, Ankäufe.
In Hamburg dagegen müssen die Häuser nur die Kosten für Ausstellungen und
Ankäufe erbringen. Kirsten Baumann hat oft gesagt, sie sei enttäuscht, wie
wenig die Politik die Kultur wertschätze. Es spricht wenig dafür, dass das
in Schleswig-Holstein anders ist. Denn geändert hat sich dort seit dem
Scheitern Fitschens nichts – außer der regierenden Partei. Das ist jetzt
nicht mehr die CDU, sondern, unter anderem, die SPD. In Hamburg brachte die
SPD-Regierung den Museen wenig. In Schleswig-Holstein könnte es noch
weniger sein.
28 Feb 2013
## AUTOREN
Petra Schellen
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