# taz.de -- Hamburgs destruktive Kulturpolitik: Die wollen nur spielen | |
> Wie in Hamburg die Kulturpolitik ausgerechnet diejenigen Museen zugrunde | |
> richtet, die hanseatische Identität stiften und nach außen tragen sollen. | |
Bild: Im Entscheidungs-Labyrinth: Wohin Hamburgs Kulturpolitik steuert, ist nic… | |
HAMBURG taz | Vielleicht sind sie einfach kein gutes Paar, die Kultur und | |
die Politik. Vielleicht sollten sie dauerhaft wenn nicht die Scheidung, | |
wohl aber eine Trennung vereinbaren. In Hamburg zumindest scheinen beide | |
einander derzeit vor allem zu blockieren. Wobei die Politik natürlich | |
mächtiger und die Kultureinrichtungen zum Einsturz, mindestens aber in die | |
Depression treiben kann. | |
Was dies die Hamburger politischen Verantwortlichen nicht verstanden zu | |
haben scheinen. Wenig jedenfalls deutet darauf hin, dass sie begriffen, in | |
welchem Maße sie die Institutionen schädigen können - sei es durch | |
Machtspielchen, sei es durch unberechenbare, von Partei- und | |
Bezirksinteressen geleitete Interventionen. | |
## Direktoren verschlissen | |
Jüngstes Beispiel sind die vier stadthistorischen Museen der Stadt. | |
Zugegeben: Sie sind weder modern noch didaktisch auf der Höhe. Umso | |
misslicher, dass gerade diese Häuser mehrheitlich Hamburger Identität | |
repräsentieren sollen: das Museum für Hamburgische Geschichte, das auf | |
Industriegeschichte spezialisierte Museum der Arbeit sowie das Altonaer | |
Museum, das sich dem einst gefürchteten dänischen Nachbarn zeugt. | |
Mit Haus Nummer vier, dem archäologischen Helms Museum verbindet diese drei | |
nichts. Deshalb versteht auch bis heute niemand so recht, warum die | |
damalige Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) alle vier im Jahr 2008 | |
zu einer Stiftung vereinte. Eine inhaltliche Begründung nannte auch sie | |
nie, dafür eine finanzielle: durch gemeinsame Verwaltungs- und | |
Marketingressorts sollten Synergie-Effekte erzielt werden. Dass dies die | |
enormen Schulden der vier Häuser nicht auffangen würde, ahnte mancher. | |
Aber, so von Welck damals: "Wir probieren das jetzt einfach mal." | |
Das Probieren brachte nichts, und anstatt die Unterfinanzierung der Museen | |
einzugestehen, ließ die Senatorin externe Gutachtern nachweisen, dass die | |
Museen genug Geld hätten und bloß ein gemeinsames Label brauchten. Die | |
Schuldenkrise löste das nicht, die neuen Pläne kosteten sogar mehr und | |
erforderten einen "Generaldirektor", für den sich einer der Experten | |
empfahl. | |
Irgendwann kam man ab von der Idee mit dem Externen, und die Politik tat, | |
was sie zuvor hatte verhindern wollen: Mit Lisa Kosok vom Museum für | |
Hamburgische Geschichte wurde eine der Direktorinnen zum Stiftungsvorstand. | |
Und wurde sogleich dazu aufgefordert, einerseits eine "Dachmarke" zu | |
erarbeiten und andererseits die Profile der einzelnen Häuser zu stärken. | |
Und die Absurditäten gingen noch weiter: Nach zwei Jahren wurde mit Kirsten | |
Baumann, Museum der Arbeit, eine weitere interne Direktorin gekürt, diesmal | |
als "Alleinvorstand". Dadurch, so hoffte man in der Kulturbehörde, werde | |
Baumann befähigt, gegenüber ihren Direktorenkollegen Stärke zu zeigen. | |
Im Herbst vergangenen Jahres dann wollte Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) | |
durch die Schließung des Altonaer Museums Schulden abtragen. Das Bürgertum | |
aber protestierte, ja: tobte, und Stuth ruderte zurück. | |
Es folgte im Februar 2011 eine Bürgerschaftswahl, aus der die SPD als | |
alleinige Regierungspartei hervorging. Als kulturelle Rettungssanitäterin | |
warb man - aus Berlin - Barbara Kisseler (parteilos) als neue | |
Kultursenatorin an. Die sei professionell, verwaltungserfahren und findig, | |
hieß es damals. | |
In der Tat: Kisselers anfängliche Kommunikationsoffensive war | |
eindrucksvoll, ihre markige Wortwahl auch. Hatte sie da um die | |
Museums-Misere offenbar nicht gewusst, lobte sie bald darauf das Konzept | |
zur Neuausrichtung nur noch in leisen Tönen: Darin nämlich steht, dass die | |
immer wieder geforderte Modernisierung Geld koste. | |
## Irrationale Kehrtwende | |
Die verfasste Politik reagierte außerordentlich irrational: Wenige Tage | |
nach der Präsentation des Konzepts beschloss sie die Herauslösung des Helms | |
Museums und zweier Außenstellen aus der einst konstruierten Stiftung. Der | |
Anfang von deren Ende, ereiferte sich die Opposition. | |
Senatorin Kisseler dagegen sprach von einer "sinnvollen Verschlankung" - | |
nachdem sie nur Tage zuvor das Gegenteil gesagt hatte. Stiftungschefin | |
Kirsten Baumann, die das Konzept verantwortete, fühlte sich da auf den Arm | |
genommen - und trat zurück. Die Stiftung zu verkleinern, sagte sie noch, | |
koste nur. | |
In der Tat: Herausspringen wird dabei vor allem ein Imagegewinn für jene | |
unter den fünf Hamburger Bezirken, in deren Verantwortung nun Museen | |
übergehen. Zahlen soll weiterhin die Stadt. Da wirkt es trotzig, wenn die | |
Senatorin sagt, darüber werde noch zu reden sein. Über die Frage, welches | |
Museum wie viel Geld mit in die Selbstständigkeit nehmen dürfe, entbrannten | |
neue Grabenkämpfe. | |
Dass solche - die Entscheidungen der Vorgänger revidierende - Politik des | |
Senats die Stimmung in den Museen verschlechtert, liegt nahe. Dass sie jede | |
Modernisierung erschwert, auch. Als sei das noch nicht genug Chaos, hat man | |
vor zwei Tagen noch eins draufgesetzt: Neuer Stiftungsvorstand soll mit | |
Helmut Sander deren bisheriger Geschäftsführer werden. Hinzukommen soll | |
bald noch ein künstlerischer Kollege. Eine Doppelspitze also, der vorerst | |
eine Hälfte fehlt. | |
## Reform wieder verschleppt | |
Und der Senat? Setzt einen "Lenkungsausschuss" ein, der ein Konzept zur | |
Neuausrichtung der Stiftung erstellen soll. Ihm gehören an: Senatorin, | |
Verwaltungsleute und alle Direktoren. Da wäre man also wieder zurück im | |
Jahr 2008, als die Vorständlerin Lisa Kosok machtlose "Prima inter pares" | |
war. Alle können jetzt mitreden, die Behördenleute - ein Finanz- und ein | |
Theaterfachmann - mittendrin. Und wieder wurde eine echte Reform | |
verschleppt. | |
Der frisch eingesetzte Stiftungschef Sander geht übrigens 2013 in Rente - | |
so wie der Leiter des Altonaer Museums -, und dann werden die Karten schon | |
wieder neu gemischt. | |
30 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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