# taz.de -- Die Lausitz im Strukturwandel: Unter dem See liegt der Tagebau | |
> Bis spätestens 2038 soll Schluss sein mit dem Kohleabbau in der Lausitz. | |
> Die Region, die alles auf das schwarze Gestein ausgerichtet hat, versucht | |
> den Strukturwandel. | |
Bild: Am Ufer des Ostsees | |
Hannelore Wodtke steht auf einer Aussichtsplattform im Nordosten von | |
Cottbus. Um ihr rotes Haar schwirren Wildbienen, sie zuckt nicht einmal, | |
wenn sie ihr ins Gesicht fliegen. In ihrer silbern verspiegelten | |
Sonnenbrille reflektiert sich eine seltsam-einsame Landschaft. Wodtke zeigt | |
grob Richtung Osten: „Da lag Groß-Lieskow“. Jetzt ist da: Nichts. Nur ein | |
riesiges Loch. | |
Schräg gegenüber auf der anderen Seite steht der Grund dafür: das Kraftwerk | |
Jänschwalde des Energiekonzerns LEAG. 220 Millionen Tonnen Braunkohle | |
wurden für das Kraftwerk aus der Grube geholt, bis „Cottbus-Nord“ 2015 | |
schließlich ausgekohlt war. Löcher wie dieses findet man viele hier in der | |
Lausitz. Groß wie Städte öffnen sie sich hinter Wäldern und Feldern, | |
manchmal auch direkt hinter der letzten Sackgasse im Dorf. | |
Nun fließt Wasser in die Grube bei Cottbus. Aus einem Kanal, der drei | |
Kilometer stadteinwärts aus der Spree gespeist wird. Mit einer Fläche von | |
1900 Hektar, der Größe der Nordseeinsel Spiekeroog, wird hier Deutschlands | |
größter künstlicher See entstehen, [1][der Cottbusser Ostsee], eingebettet | |
in die größte künstliche Seenplatte Europas. Unter den Seen soll die | |
fossile Ära beerdigt werden, mit ihnen sollen die Wunden der Region heilen. | |
Sie stehen aber auch für einen komplexen Prozess: den sogenannten | |
Strukturwandel. Wenn mit dem Baggern aufgehört wird, fallen auch die Jobs | |
in der Grube weg. Auch für andere Industriezweige, die die Kohle als | |
Energielieferant brauchen oder die anfallenden Rohstoffe nutzen, etwa den | |
Kohlestaub für Koks oder die Quarzsande für die Glasherstellung, wird es | |
schwer, wenn die Kohle wegbricht. | |
Die fossile Ära wird und muss aber enden, und damit der Braunkohleabbau. | |
2038 will Deutschland aus der Kohle aussteigen. In ihrem Koalitionsvertrag | |
haben sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, den Ausstieg „idealerweise“ | |
auf 2030 vorzuziehen. In der Lausitz begegnet man dem mit großer Skepsis, | |
die Diskussion über ein mögliches früheres Ausstiegsdatum verunsichert die | |
Menschen. Erinnerungen werden wach an die Nachwendejahre, als schon einmal | |
ein Strukturwandel bewältigt werden musste, und für die Region ging damals | |
einiges ziemlich schief. | |
## Verlust | |
Hannelore Wodtke hat vieles davon miterlebt. Sie wuchs in Cottbus auf, das | |
in der DDR zum Zentrum der Energiewirtschaft avancierte. Die Ferien | |
verbrachte sie oft auf dem Hof ihres Onkels und ihrer Tante in | |
Groß-Lieskow, „man fuhr ja nicht weg in der DDR, sondern man hat Verwandte | |
besucht.“ Sie erinnert sich noch an die Apfel- und Kirschbäume, die | |
Schweine, Kühe und Gänse, die über den Hof gackerten und an den kleinen | |
Teich zum Baden. „Die Sommer waren richtig schön dort.“ | |
Wodtkes Erinnerungen sind besonders wertvoll, denn der Ort, an dem sie | |
entstanden, ist nicht mehr. Der Hof musste dem Tagebau Cottbus-Nord | |
weichen, damit der weiter die DDR-Wirtschaft anfeuern konnte. Ihr Onkel | |
bekam eine Entschädigung, „aber die reichte gerade so für 'ne | |
Doppelgarage“, erzählt Wodtke. „Der ist daran zerbrochen.“ Es ist die | |
Schattenseite der einst glorreichen Vergangenheit dieser Region. Für den | |
Erfolg der Gemeinschaft musste der Einzelne im Zweifel weichen. | |
## Wut | |
Wodtke zog 2006 nach Welzow, etwa 30 Kilometer südwestlich von Cottbus. | |
Hier, im ehemaligen Zentrum des Dörfchens, steht heute nur noch eine | |
Kneipe, daneben der riesige Parkplatz eines Discounters, tote Fläche. | |
Trotzdem pilgerten im Juni 2023 hunderte Menschen in den Ort. Grund war der | |
angrenzende Tagebau Welzow Süd. An diesem Tag konnte man einen Eindruck | |
davon bekommen, wie rau das Klima in der Lausitz in der Auseinandersetzung | |
zwischen Klimaschutz und Kohlewirtschaft bereits geworden ist. Fridays for | |
Future hatte zu einer Demo im Dorfzentrum aufgerufen. Die | |
Aktivist*innen plädierten für eine Begrenzung des Kohleabbaus und für | |
das, was sie einen „sozial gerechten Strukturwandel“ nennen. Das | |
provozierte in Welzow: Direkt neben der Kundgebung, im Garten eines | |
Eckhauses, hatten sich mehrere Menschen in schwarzen T-Shirts versammelt, | |
um mit lauter Musik und Zwischenrufen zu stören. Viele der Shirts hatten | |
Aufdrucke in Frakturschrift, ein Mann trug einen Reichsadler im Stil der | |
NS-Zeit auf der Brust. | |
Auf dem Bühnenwagen trat gegen Mittag Timo Napparel vom Sozialistischen | |
Deutschen Studentenbund Leipzig auf. Er sagte, es sei wichtig, die Menschen | |
der Region bei der Transformation mitzunehmen. Man brauche sie und ihr | |
Wissen – für die Renaturierung und die vielen Technologieparks, die hier | |
entstehen sollen. Die Demonstrierenden sollten deshalb bei | |
Antikohleprotesten beliebte Sprüche wie „Es gibt kein Recht auf | |
Kohlebaggerfahren!“ unterlassen und die Menschen im Bergbau nicht zum Feind | |
stilisieren. Während Napparel seine Deeskalationsstrategien erörterte, | |
brüllte es aus den Mündern der Männer mit Kurzhaarfrisuren hinter dem | |
Gartenzaun: „Linkes Gesocks!“ und „Macht erstmal eure Hausaufgaben!“ | |
## Trauma | |
Die Stimmung auf der Straße, sie spiegelt sich auch in Wahlen und Umfragen | |
wider. Bei der Bundestagswahl 2021 konnte die AfD in den sächsischen | |
Wahlkreisen der Lausitz zwei Direktmandate holen. Bei den Landtagswahlen in | |
Brandenburg und Sachsen 2019 gewann die AfD in den Lausitzer Wahlkreisen | |
32,8 Prozent der Wähler*innen, während sie auf Landesebene bei 23,5, | |
respektive 27,5 Prozent lag. In aktuellen Umfragen steht die AfD in beiden | |
Bundesländern bei über 30 Prozent und könnte bei den Landtagswahlen im | |
Herbst stärkste Kraft werden. | |
Um die aktuelle Stimmung zu verstehen, muss man die Vergangenheit der | |
Region kennen. Jahrzehntelang war die Lausitz einer der wichtigsten | |
Wirtschaftsstandorte der DDR. Die Ostrepublik war bis Mitte der 80er Jahre | |
der Staat mit der weltweit größten Braunkohleförderung. Mit der Wende | |
krachte das Bild in sich zusammen. Auf einmal wurde die Energiewirtschaft | |
dem freien Markt ausgesetzt und stand in Konkurrenz zur Gas-, Öl- und | |
Kernkraft der BRD sowie zum rheinischen Braunkohlerevier. Die ehemals | |
volkseigenen Energiebetriebe wurden über die Treuhand an westdeutsche | |
Unternehmen verkauft, viele davon selbst im Rheinland ansässig. | |
80.000 Menschen arbeiteten hier zu DDR-Zeiten in den Gruben und | |
Kraftwerken. Jetzt sind es nur noch ein paar Tausend. Zwischen 1995 und | |
2015 zog knapp jede*r fünfte Lausitzer*in aus der Region weg, weil | |
schlicht die Perspektiven wegbrachen. Auch Hannelore Wodtkes Tochter zog | |
damals fort, nach Kempten im Allgäu. | |
## Kampf ohne Windmühlen | |
Wodtke selbst blieb in der Lausitz, arbeitete weiter im Sozialamt in | |
Cottbus. 2006 zog sie nach Welzow. Dort hörte sie fortan rund um die Uhr | |
die quietschenden Förderbänder der benachbarten Kohlegrube, den darauf | |
fallenden Abraum, die piepsenden Maschinen. Wodtke machte all das wütend: | |
der Lärm, der Staub und die Ignoranz der Bergbaufirmen gegenüber den | |
Anwohner*innen. Als dann auch noch publik wurde, dass das | |
Energieunternehmen Vattenfall, das den Tagebau mittlerweile übernommen | |
hatte, den Welzower Ortsteil Proschim opfern wollte, reichte es Wodkte. | |
Sie begann, sich gegen die Kohle zu engagieren, sprach auf unzähligen Demos | |
in Brandenburg und Sachsen und zog 2014 über die Liste „Grüne Zukunft | |
Welzow“ in die Stadtverordnetenversammlung ein. Wodtke machte sich einen | |
Namen als Kohlegegnerin. | |
Im Frühjahr 2018 bekam sie einen ominösen Anruf: „Hier ist Altmaier.“ – | |
„Hier ist Wodtke, haben Sie sich verwählt?“, erinnert sich Wodtke. Hat der | |
damalige Kanzleramtschef nicht. Altmaier sollte die Kohlekommission der | |
Bundesregierung zusammenstellen. Das Gremium sollte einen sozial | |
verträglichen Fahrplan für den Kohleausstieg entwickeln, Altmaier suchte | |
dafür nach einer Kohlegegnerin aus den ostdeutschen Revieren. Wodtke sagte | |
zu – und stritt plötzlich mit Leuten wie Stanislaw Tillich, dem ehemaligen | |
Ministerpräsidenten Sachsens, um die Zukunft ihrer Heimat. Vehement setzte | |
sie sich für den Erhalt des Welzower Ortsteils Proschim ein. | |
[2][Anfang 2019 legte die Kommission ihren Abschlussbericht vor.] Wodtke | |
konnte sich am Ende nicht durchsetzen. Ein Absatz zum Erhalt Proschims kam | |
nicht in das Dokument, nur der Hambacher Forst wurde explizit geschützt. | |
Wodtke stimmte daher als einziges Mitglied dem Abschlussbericht nicht zu. | |
Ihre Erzählung mutet an wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit. Über | |
eine riesige Entscheidung über die Zukunft von allen und ein paar Männern | |
der Vergangenheit, die mit ihr beauftragt sind. Und sie entschied, die | |
Kommission: [3][Bis 2038 soll Deutschland aussteigen]. | |
## Die Zeit rennt | |
Für viele junge Menschen kommt das zu spät. Die Klimaaktivist*innen | |
von Fridays for Future stoßen sich vor allem an der Menge an Kohle, die in | |
der Lausitz noch aus dem Boden gehoben werden soll. 700 Millionen Tonnen | |
sollen das nach den Plänen der LEAG noch werden, so steht es in einer | |
Studie der Forschungsgruppe Fossil Exit der TU Berlin – rund dreimal so | |
viel, wie das CO₂-Budget [4][für einen 1,5-Grad-Pfad noch erlauben würde]. | |
Klimaaktivist*innen schauen daher besorgt auf die Lausitz, denn sie | |
ist als eines von drei verbliebenen Kohlerevieren einer der wichtigsten | |
Orte für den Wandel der deutschen Wirtschaft hin zur CO₂-Neutralität. | |
Ladina Soubeyrand bereitet der Abbau in ihrer Heimat Sorge. Sie ist in | |
Senftenberg aufgewachsen, das schon seit den 70er-Jahren einen See dort | |
hat, wo zuvor ein Tagebau war, mit Stadtstrand und Hafen. In Soubeyrands | |
Kindheit war das Hafenfest mit seinem Feuerwerk das Highlight des Jahres. | |
Ein Graben trennt Stadt und Seeufer. An diesem Tag im Sommer 2023 steht nur | |
ganz unten ein wenig braunes Wasser darin. „Das ist die Schwarze Elster“, | |
sagt Soubeyrand trocken, „früher sind da Leute mit Kanus drauf geschippert, | |
aber jetzt trocknet sie im Sommer fast immer aus.“ In Senftenberg erkennt | |
man besonders deutlich, wie die Natur sich verändert: „Der See war das | |
letzte Mal zugefroren, als ich elf war“, erzählt sie. | |
Soubeyrand hat die Senftenberger Ortsgruppe von Fridays for Future | |
mitgegründet. Sie wollen den Kampf gegen die Fossilen direkt ins Revier | |
hineintragen: „Ich finde es total wichtig, nicht nur aus den Großstädten | |
rüberzurufen“. Aber natürlich ist der Kampf hier auch ungleich härter als | |
aus der Ferne. Existenzen und Identitäten hängen an der Kohle, alte Wunden | |
werden wieder aufgerissen, die Gefahr, Menschen nach rechts zu verlieren, | |
ist immer präsent. Dass dann auch ganz schnell die | |
Klimaaktivist*innen selbst zur Zielscheibe werden können, konnte man | |
bei der Demo in Welzow sehen. | |
Wie betreibt man Aktivismus in diesem Umfeld? Im rheinischen | |
Braunkohlerevier besetzen Klimaaktivist*innen Wälder wie den | |
Hambacher Forst oder vom Abriss bedrohte Dörfer wie Lützerath, um sich dem | |
Abbau in den Weg zu stellen. In der Lausitz gab es [5][seit mehr als vier | |
Jahren keine Besetzungen mehr]. Warum? „Das schürt nur Aggressionen. | |
Zumindest hier, wo man auch mit dieser Vergangenheit kämpft. Hier ist es | |
wichtig, dass wir die Leute mitnehmen und nicht gegen sie arbeiten“, | |
erklärt Soubeyrand. | |
## Chancen | |
So sieht das auch Lars Katzmarek: „Wenn wir hier etwas bewegen wollen, dann | |
schaffen wir das nur gemeinsam.“ Er hat die Härten des Strukturbruchs | |
mitbekommen, damals verlor auch seine Mutter ihren Job. „Die Hilflosigkeit | |
aus der Zeit haben die Leute noch in den Köpfen“, erklärt er, „und sie | |
messen die Politik daran.“ Aber Katzmarek ist keiner, der sich mit der | |
Vergangenheit aufhalten will. Viel lieber denkt er an die Zukunft der | |
Lausitz, und die malt er sich golden aus. | |
Katzmarek ist Elektrotechniker und bei der LEAG für die Telekommunikation | |
in den Tagebauen zuständig. An diesem Tag im Herbst sitzt er vor einem | |
hippen Café in der Cottbuser Innenstadt, an der Wand lehnt ein geliehener | |
E-Scooter, mit dem er sich eben noch durch die Fußgängerzone schlängelte. | |
Jemand kommt vorbei: „Hallo Lars!“ – „Hi Flo!“, die beiden unterhalten | |
sich. Katzmarek ist gut vernetzt in der Region. Für den Deutschen | |
Gewerkschaftsbund ist er als „Revierbotschafter“ der Lausitz tätig, er ist | |
eines der Gesichter der Imagekampagne „Krasse Lausitz“, die besonders junge | |
Menschen von der Region überzeugen will. | |
Im Verein Junge Lausitz engagiert sich Katzmarek für deren Belange. Es gibt | |
sogar zwei Songs von ihm, in denen er über die Zukunft der Region rappt. | |
„Ich bin mir sicher, dass wir den Ersatz für die Kohleindustrie bekommen, | |
den wir uns so erbarmungslos eingefordert haben“, sagt Katzmarek. Für die | |
Lausitz wünscht er sich einen Campus für Firmengründungen. „Wenn wir hier | |
etwas haben, dann sind das: Platz und Fachkräfte. Also alles, was man für | |
ein Start-up braucht.“ | |
Auch der Bund hat große Pläne für die Region und stellt dafür einiges an | |
Geld bereit. 17 Milliarden Euro sollen bis zum Ausstiegsdatum 2038 fließen. | |
Zum Beispiel in den Lausitz Science Park, der auf dem ehemaligen Flugfeld | |
von Cottbus über 1.000 neue Jobs in Forschung und Industrie schaffen soll – | |
unterstützt mit 42 Millionen Euro vom Bund. Auch die Waldbühne Jonsdorf, | |
eine Außenstelle des Zittauer Theaters, bekommt knapp 10 Millionen Euro aus | |
dem Topf. Das „Wasserstoff-Referenzkraftwerk“ in Spreetal wird mit rund 28 | |
Millionen Euro bedacht. Und in Cottbus steht bereits die erste von zwei | |
Hallen zur Instandhaltung für ICEs der Deutschen Bahn, bis 2026 sollen hier | |
1.200 Arbeits- und Ausbildungsplätze entstehen. | |
Gut möglich, dass diese Projekte der gebeutelten Region tatsächlich wieder | |
zum Aufschwung verhelfen. Erste Ansätze sind schon jetzt zu sehen: 2022 | |
konnte etwa der jahrzehntelange Bevölkerungsrückgang umgekehrt werden. Auch | |
die Eröffnung des ICE-Werks in Cottbus ist ein Lichtblick. Die Tickets für | |
die Baustellenbesichtigung im vergangenen Jahr seien in Sekunden | |
ausverkauft gewesen, meint Katzmarek, „die Leute konnten es kaum glauben, | |
dass diese Werke wirklich gebaut werden“. | |
## Fallstricke | |
Alte Abhängigkeiten könnten der Lausitz jedoch zum Verhängnis werden. Die | |
LEAG ist mit Abstand das mächtigste Unternehmen in der Region. Um ihre | |
Tagebaue betreiben zu können, muss sie sie trocken halten. Dafür pumpt sie | |
stetig Grundwasser aus ihren Gruben, [6][wodurch Sulfate freigesetzt | |
werden], die das Trinkwasser verunreinigen können. Die Stadt Frankfurt an | |
der Oder klagte 2019 wegen der Sulfatbelastung am Europäischen Gerichtshof. | |
Recherchen der Investigativplattform Correctiv zufolge hat die LEAG der | |
Stadt daraufhin fünf Millionen Euro zugesagt – und ihr [7][laut Correctiv] | |
untersagt, über die Trinkwasserbelastung zu sprechen. Die LEAG [8][weist | |
diese Anschuldigung zurück]. | |
Aber die Probleme mit dem Wasser werden nicht einfach verschwinden, wenn | |
die Gruben geschlossen sind und sich der Grundwasserspiegel eines Tages | |
wieder normalisiert hat. Um ihr Geschäftsmodell in die CO₂-neutrale Zukunft | |
zu retten, plant die LEAG, einige der alten Kohlekraftwerke | |
wasserstofffähig zu machen. Außerdem will sie eine eigene | |
Wasserstoffproduktion aufbauen. Dafür wird Wasser benötigt. Aber wie viel | |
davon verbraucht werden soll, dazu äußert sich der Konzern bisher nicht. | |
Das Wasser dürfte im Zuge des Kohleausstiegs das größte Streitthema der | |
Lausitz werden. Denn die größte künstliche Seenplatte Europas wird zugleich | |
auch die größte künstliche Verdunstungsfläche sein: Der Ostsee, der in | |
weiten Teilen gerade mal eine Wassertiefe von etwa drei Metern haben wird, | |
veranschaulicht das Problem paradigmatisch. Das Umweltbundesamt | |
prognostiziert in einer Studie, dass die Spree, die in der Lausitz | |
entspringt, in regenarmen Sommern „streckenweise fast vollständig | |
austrocknen wird“. Grund dafür sind die riesigen Verdunstungsflächen und | |
das Ausbleiben des abgepumpten Grundwassers, wenn die Gruben geschlossen | |
werden. Für Berlin und Teile Brandenburgs, deren Trinkwasser aus dem Fluss | |
und seinen angeschlossenen Seen gewonnen wird, ist das keine gute | |
Nachricht. | |
Umweltaktivist*innen und Menschen aus der Region wie Hannelore Wodtke | |
plädieren deshalb dafür, die vielen weiteren Gruben, die mit dem | |
Kohleausstieg dicht gemacht werden, zu renaturieren, statt sie zu fluten. | |
Aber das ist teurer. Es ist unklar, ob die LEAG genug Rücklagen gebildet | |
hat, um eine Renaturierung finanzieren zu können. Sollte das nicht der Fall | |
sein, kann es sein, dass vieles davon an Bund, Ländern und Kommunen hängen | |
bleibt. Die Zukunft der Region steht auf der Kippe. Und – so | |
unterschiedlich sie auch sind – Menschen wie Hannelore Wodtke, Lars | |
Katzmarek und Ladina Soubeyrand kämpfen dafür, dass sich ihre Heimat nicht | |
in die falsche Richtung entwickelt. | |
Jetzt, im Winter, sind die Schleusen zum Cottbuser Ostsee voll geöffnet, | |
die Flutung läuft mit Maximaltempo. In wenigen Wochen könnte die | |
Wasserdecke bereits geschlossen sein. Was mal darunter lag, ist dann | |
endgültig verschwunden: 220 Millionen Tonnen Braunkohle, circa 280 | |
Millionen Tonnen CO₂, Tranitz, Lakoma, Groß-Lieskow, Klein-Lieskow. In der | |
ewigen, flachen Seeoberfläche zeugt dann nichts mehr davon. Ob die Wunden | |
aber wirklich heilen, die Region den Wandel schafft, die | |
Lausitzer*innen wieder Vertrauen in die Politik gewinnen können, wird | |
sich zeigen. Die Wahlen im Herbst dürften der Lackmustest dafür sein. | |
9 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Tagebaue-in-der-Lausitz/!5952599 | |
[2] /Abschlussbericht-der-Kohlekommission/!5568305 | |
[3] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/A/abschlussbericht-kommission-wa… | |
[4] /Studien-zu-Lausitz-und-Verkehr/!5927715 | |
[5] /Protest-gegen-Braunkohle-im-Osten/!5570296 | |
[6] /Sulfat-im-Wasser/!5480871 | |
[7] https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/09/23/wasser-gefaehrde… | |
[8] https://www.leag.de/de/news/details/leag-weist-correctiv-anschuldigungen-en… | |
## AUTOREN | |
Jannik Grimmbacher | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Ostdeutschland | |
Lausitz | |
Braunkohletagebau | |
Kohlekraftwerke | |
Strukturwandel | |
Energiewende | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
GNS | |
Podcast „Vorgelesen“ | |
Schwerpunkt Stadtland | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Landtagswahl Brandenburg 2024 | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Literatur | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Kohleausstiegsgesetz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wasserversorgung in Berlin: Auf dem Trockenen? | |
Alles, was flussauf der Spree etwa in den Kohlegruben der Lausitz passiert, | |
muss Berlin interessieren. Die Stadt fördert ihr Trinkwasser aus dem Fluss. | |
Kohleausstieg 2030: Kein Projekt der Ampel mehr | |
Im Koalitionsvertrag steht, Deutschland solle „idealerweise“ 2030 mit dem | |
Abbau von Kohle aufhören. Nun zeigt sich: Ein Gesetz dazu kommt nicht. | |
Klage Schweizer Frauen erfolgreich: Klimaschutz ist Menschenrecht | |
Die „Klimaseniorinnen“ haben das Menschenrecht auf Klimaschutz erstritten. | |
Ein historischer Sieg, auch wenn zwei weitere Klagen abgewiesen wurden. | |
Kohleausstieg in Rheinland und Lausitz: Grüne feiern Abschaltung | |
Deutschland will raus aus der Kohle. Nur über das Enddatum gibt es noch | |
Streit. Ostern sind in Deutschland sieben Kraftwerksblöcke vom Netz | |
gegangen. | |
Strukturwandel in Kohlerevieren: Was nach den Dörfern kommt | |
Zwei grüne Landtagsabgeordnete aus der Lausitz und dem Rheinland treffen | |
sich am Hambacher Loch. Können die Reviere voneinander lernen? | |
Brandenburgs Grüne im Wahlkampf: „Gegenwind, weil wir stark sind“ | |
Grünen-Fraktionschefin Petra Budke über die Polarisierung in Brandenburg, | |
die Grünen als Hassobjekt und die Aussicht auf die Wahlen am 22. September. | |
Grüne im Osten: Im grünen Bereich | |
Wie den Schwung der Demos gegen rechts mitnehmen vor den Wahlen im Osten? | |
Zu Besuch in der Kreisgeschäftsstelle der Grünen in Senftenberg. | |
Porträt des Autors Lukas Rietzschel: Osterklärer jenseits der Raster | |
Im Theater beschreibt Lukas Rietzschel einen AfD-Aufsteiger. In seinen | |
Romanen positioniert er sich eindeutig, agitiert aber nie. Ein Porträt. | |
Landtagswahl am 22. September: Der Zweckoptimist | |
In Brandenburg führt die AfD in Umfragen klar vor der SPD. | |
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) peilt trotzdem einen Wahlsieg seiner | |
Partei am an. | |
RWE und Kohleausstieg: Entschädigung vom Staat | |
Deutschland steigt aus der Kohle aus, das steht schon lange fest. Zu einer | |
Milliardenzahlung Deutschlands an RWE gibt es nun eine Entscheidung. |