# taz.de -- Brandenburgs Grüne im Wahlkampf: „Gegenwind, weil wir stark sind… | |
> Grünen-Fraktionschefin Petra Budke über die Polarisierung in Brandenburg, | |
> die Grünen als Hassobjekt und die Aussicht auf die Wahlen am 22. | |
> September. | |
Bild: Petra Budke wurde beim Parteitag in Cottbus auf Platz drei der Landeslist… | |
taz: Frau Budke, Sie haben bereits im vergangenen Juni gesagt, die Stimmung | |
in Brandenburg sei aufgeheizt. Wie würden Sie die Stimmung nach den | |
jüngsten Attacken auf grüne Politiker bezeichnen? | |
Petra Budke: Die Anfeindungen nehmen zu. Wir haben nach der Entscheidung | |
zum Agrardiesel, obwohl sie ja noch mal deutlich revidiert wurde, gesehen, | |
dass die Demonstrationen auf den Straßen teilweise eskaliert sind und auch | |
ein anderes Bedrohungspotenzial angenommen haben. | |
In der Uckermark hängen an den Ortsschildern grüne und rote Gummistiefel, | |
die mit einem Kreuz markiert sind. Ist das schon ein Mordaufruf? | |
Es hat ja auch Galgen gegeben. Da muss die Polizei sehr genau hinschauen. | |
So eine Eskalation darf man nicht hinnehmen. Wenn sie eine gewisse Grenze | |
überschreitet, ist das auch ein Straftatbestand. | |
Die Stiefel in der Uckermark hat niemand abgenommen, auch nicht die | |
Polizei. | |
Da ist nicht nur die Polizei gefordert, sondern auch die Zivilgesellschaft. | |
Wenn bedrohliche Symbole sichtbar werden, muss man dagegen vorgehen und sie | |
auch entfernen. | |
Vielleicht haben manche in Dörfern, in denen es eine rechte Hegemonie gibt, | |
schlicht Angst? | |
Das kann durchaus vorkommen. Aber so nachvollziehbar das auch im Einzelnen | |
sein mag, so besorgniserregend ist es für unsere Gesellschaft. Hoffnung | |
machen mir da all die Menschen, die nach den Correctiv-Enthüllungen auf die | |
Straße gehen und unsere Demokratie verteidigen. | |
Dennoch verschärft sich vor allem im ländlichen Raum die Lagerbildung. | |
In der Prignitz gab es Hofläden, die haben gesagt, wir verkaufen nicht mehr | |
an Grüne und Grünenwähler. | |
Hofläden? Im Ernst? | |
Hofläden! Umso wichtiger ist es jetzt, auf eine gesellschaftliche | |
Atmosphäre hinwirken, in der Kommunikation und Auseinandersetzung wieder | |
möglich sind. Das gilt für beide Seiten. | |
Wie schätzen Sie ihre eigene Bedrohungslage ein? | |
Ich bin da furchtlos. Vielleicht auch deshalb, weil mir persönlich noch nie | |
etwas passiert ist. In meinem Wahlkreisbüro war die Tür bisher immer offen. | |
Jetzt ist sie aber geschlossen, weil uns das die Polizei vor Ort empfohlen | |
hat. | |
In Brandenburg sind im Juni Kommunal- und im September Landtagswahlen. Was | |
heißt all das für den Wahlkampf? Weniger Straßenwahlkampf? | |
Die Konsequenz kann nicht sein, dass wir nicht mehr präsent sind. Wir | |
wollen ja Gesprächsangebote machen. Aber natürlich bedeutet das auch, dass | |
wir Sicherheitskonzepte brauchen. Wir müssen auch unsere Leute schützen. | |
Auch Grüne, die in berlinferneren Regionen leben, wo die Situation oft eine | |
ganz andere ist. | |
Wann hat es eigentlich damit angefangen, dass die Grünen zum Hassobjekt im | |
ländlichen Raum geworden sind? War es Habecks Heizungsgesetz? Oder fing es | |
schon mit Corona an? | |
Na gut, das ist für uns Grüne keine ganz neue Erfahrung. Auch vor Corona | |
hatten wir, aber auch Mitglieder anderer Parteien bei manchen | |
Veranstaltungen mit einer aufgeheizten Stimmung zu tun. | |
Vor Corona gab es vielleicht schon verschiedene Lager, aber oft noch einen | |
Gesprächsfaden. Nun dominieren vielerorts eine Schnauze-voll-Stimmung und | |
Konfrontation. | |
Ja, aber wir sollten trotzdem genau unterscheiden. Nicht alle Landwirte | |
beispielsweise lassen sich vor den Karren spannen. Es ist oft nur ein Teil, | |
der laut ist. Der Bauernverband hat sich von dieser Form der Proteste | |
distanziert. Wir müssen auch deutlich machen, dass die Menschen, wenn sie | |
der AfD hinterherlaufen, das Gegenteil von dem bekommen, was sie wollen. | |
Bei den Bauernprotesten stellen sie sich an die Spitze, in ihrem Programm | |
steht das Gegenteil. | |
Die Streichung aller Subventionen im Agrarbereich. | |
Genau. | |
Trotzdem können sich in Brandenburg gerade mehr Menschen vorstellen, nicht | |
die Grünen zu wählen als die AfD. Was ist denn schiefgelaufen? Vor fünf | |
Jahren schielten die Grünen noch in die Mitte? Haben Sie die Mitte jetzt | |
verloren? | |
Nein, ganz und gar nicht. Wir als Grüne haben im Gegensatz zu den anderen | |
Ampelparteien nicht gravierend verloren. Wir bleiben in den Umfragen | |
bundesweit relativ stabil. Das zeigt doch eher, dass der Gegenwind gerade | |
so stark ist, weil wir selbst stark bleiben. | |
Das ist die Kernwählerschaft, die man irgendwann auch erweitern wollte. | |
Das wollen wir nach wie vor. Und wir sehen auch, dass nach den | |
Demokratieprotesten die Zustimmung für die AfD schwindet und immer mehr | |
Menschen Mitglieder bei den Grünen werden. Das gibt uns viel Zuversicht für | |
die Landtagswahlen im September. | |
Wird das eine Wahl werden, die besonders von Landesthemen bestimmt wird | |
oder doch eher vom Unmut, den es an vielen Stellen über die Ampelregierung | |
gibt? | |
Natürlich können wir uns auf der Landesebene nicht ganz vom Bundestrend | |
abkoppeln. Ich hoffe aber doch, dass die Wähler:innen drauf gucken, was | |
hier in Brandenburg los ist. Brandenburg steht deutlich besser da, als es | |
die Stimmung im Lande ist. Da können wir auch unsere Erfolge durchaus stolz | |
herausstellen und gleichzeitig sagen, wo es noch besser werden muss. | |
Wirtschaftlich hat Brandenburg mehr Dynamik als alle anderen Bundesländer. | |
Trotzdem steht die AfD in Umfragen vorne. Wie erklären Sie sich das? | |
Zur Wahrheit gehört auch, dass viele wichtige Erfolge in dieser Wahlperiode | |
natürlich etwas Zeit brauchen, bis sie vor Ort wirken. Und natürlich frage | |
ich mich, wie wir unsere Kommunikation verbessern können. Wir haben nicht | |
nur ein gutes Wirtschaftswachstum, auch bei der Arbeitslosenquote steht das | |
Land gut da. Es lebt sich auch gut in Brandenburg. Wir konnten alle | |
Krankenhausstandorte halten. Auch im Schienenverkehr gibt es mehr | |
Verbesserungen als in anderen Bundesländern. | |
Ministerpräsident Dietmar Woidke scheint sich gerade neu zu erfinden und | |
setzt im Wahlkampf ganz auf den Strukturwandel in der Lausitz. Ist das auch | |
für die Grünen ein Gewinnerthema? | |
Wir haben uns sehr für den Strukturwandel starkgemacht. Wir wollen den | |
Menschen in der Region eine verlässliche und sichere Perspektive geben, | |
zumal der Kohleausstieg ja früher kommen muss und wahrscheinlich schon aus | |
wirtschaftlichen Erwägungen früher als 2038 kommen wird. Damit verhindern | |
wir Strukturbrüche, wie sie die Menschen in Brandenburg in den Jahren nach | |
der Einheit erlebt haben. | |
Das alles braucht Zuwanderung. Dabei fragen sich manche, was sie in der | |
Lausitz erwartet, ob sie ihre Kinder dort guten Gewissens in eine Schule | |
geben können. Wie sehr gefährdet die toxische rechte Szene, wie sie der | |
Verfassungsschutz nennt, den Strukturwandel? | |
Die Gefahr ist auf jeden Fall da, das sagen inzwischen auch | |
Unternehmerverbände oder Handwerkskammern. Wenn sich die Menschen um ihre | |
eigene Sicherheit oder die ihrer Familienangehörigen Sorgen machen, kommen | |
sie nicht in die Lausitz, sondern gehen dorthin, wo sie keine | |
Diskriminierung befürchten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir auf | |
allen Ebenen dafür arbeiten, dass Brandenburg ein tolerantes und | |
weltoffenes Land bleibt. Gerade als Bildungspolitikerin setze ich mich | |
dafür ein, dass das sehr früh losgeht. Ich kann schon in der Kita | |
vermitteln, dass ich die Meinung anderer respektieren muss. | |
Ist es auch ein Zeichen für die Lausitz, dass die Grünen ihren Parteitag in | |
Cottbus gemacht haben? | |
Das ist ein Zeichen für die Lausitz und für uns, dass wir in jeder Region | |
in Brandenburg aktiv sind. Man darf Regionen wie die Lausitz auch nicht | |
immer nur schlechtreden. Es gibt da sehr viele engagierte Leute und in | |
Cottbus eine vielfältige und bunte Stadtgesellschaft. | |
Was ist Ihr Ziel für die Landtagswahl? CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann hat | |
bereits deutlich gemacht, nicht wieder mit den Grünen koalieren zu wollen. | |
Die CDU hat sich verändert, seitdem Merkel nicht mehr an der Spitze steht. | |
Mit Friedrich Merz als Vorsitzendem bemerken wir, dass die CDU andere | |
Positionen einnimmt als vor fünf Jahren. | |
Gilt das auch für die Brandenburger CDU? | |
Auch da gab es vor fünf Jahren eine größere Offenheit, zum Beispiel was das | |
Thema Geflüchtete betrifft. Da sehen wir schon einen eindeutigen | |
Rechtsruck, aber den beobachten wir nicht nur bei der CDU, sondern auch bei | |
der SPD. | |
Und bei Ihren eigenen Wählerinnen und Wählern: Da wünschen sich 51 Prozent | |
eine restriktivere Asylpolitik. | |
Natürlich reden wir darüber, wie eine gute Asylpolitik aussehen kann. | |
Vieles von dem, was gerade diskutiert wird, ist aber Symbolpolitik. Es gibt | |
ein Grundrecht auf Asyl. Bei den Menschen, die zu uns kommen, wollen wir, | |
dass sie möglichst schnell integriert werden und auch schnell in Arbeit | |
kommen. Wir brauchen Arbeitskräfte und Fachkräfte. | |
Würden Sie das auch so sagen, wenn es mehr grüne Bürgermeister in | |
Brandenburg gäbe? Gerade in den Kommunen sind die Probleme vor Ort ja | |
deutlich spürbar. | |
Deswegen würde uns ja gerade mehr dezentrale Unterbringung helfen. | |
Stattdessen haben wir sehr, sehr große Einrichtungen für sehr, sehr viele | |
Menschen. | |
Wenn man sich bei SPD und CDU umhört, hört man immer wieder, die | |
Gestandenen bei den Grünen, die Minister Vogel und Nonnemacher und auch die | |
Petra Budke wissen, wie wichtig es ist, Kompromisse zu machen. Mit den | |
Jüngeren dagegen würden die Grünen wieder ideologischer und weniger | |
pragmatisch werden. | |
Wir haben am Wochenende unsere Liste aufgestellt, und ich glaube, das ist | |
eine sehr gute Mischung aus erfahrenen und aus neuen Leuten. Und, na klar, | |
Kompromisse sind das Herz einer Demokratie. Aber auch ich, das sage ich | |
Ihnen, kämpfe hart für gute Kompromisse, die keine Scheinlösungen sind. | |
Sie selbst sind auch nochmal angetreten. | |
Ich bin auf Platz drei angetreten, Benjamin Raschke auf Platz zwei. Und mit | |
Antje Töpfer auf Platz eins haben wir als Staatssekretärin auch eine sehr | |
erfahrene Frau, die an guten Lösungen interessiert ist. Genau diese guten | |
Lösungen brauchen wir für das Land. | |
Was, wenn es nach dem 22. September nicht reicht für eine Neuauflage der | |
Koalition mit SPD und CDU? | |
Dann bräuchten wir möglicherweise einen vierten Partner. | |
Das wäre die Linke. Da gibt es allerdings einen Unvereinbarkeitsbeschluss | |
der CDU. | |
Da würde ich mir mehr Offenheit bei der CDU wünschen. Wichtig ist doch, | |
dass Brandenburg weiter von einem demokratischen Bündnis regiert wird. | |
Sind sie persönlich für ein Verbot der AfD? | |
Ich bin dafür, ein AfD-Verbot sehr sorgfältig zu prüfen. Wenn man so ein | |
Verbotsverfahren anstrengt, muss es auch gelingen. Gleichzeitig sehe ich | |
aber die Notwendigkeit, dass wir jetzt sehr deutlich machen, wofür die AfD | |
steht und wohin es führen würde, wenn die AfD hier mitregieren würde. Ein | |
Verbotsverfahren würde sehr lange dauern und würde aktuell gar nicht | |
helfen. Wir müssen denen, die noch erreichbar sind, zu sagen, was es heißt, | |
AfD zu wählen. Da helfen konkrete Beispiele. | |
Im Thüringen-Monitor war davon die Rede, dass 20 der 30 Prozent der | |
potentiellen AfD-Wähler ein rechtsextremes Weltbild hätten und zehn Prozent | |
Protestwähler sind. Wie ist das in Brandenburg? | |
Das wissen wir nicht. Aber bei denen, die ein gefestigtes rechtsextremes | |
Weltbild haben, gibt es kaum Chancen, die für die Demokratie zurückzuholen. | |
Mit den anderen muss man natürlich reden – und durch gute Politik | |
überzeugen. | |
3 Mar 2024 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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