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# taz.de -- Landtagswahl am 22. September: Der Zweckoptimist
> In Brandenburg führt die AfD in Umfragen klar vor der SPD.
> Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) peilt trotzdem einen Wahlsieg
> seiner Partei am an.
Bild: Sein Trumpf, die guten Wirtschaftszahlen, verfängt bisher nicht: Branden…
Potsdam taz | „Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist.“
Es klingt zumindest ein bisschen altbacken, was Dietmar Woidke da von sich
gibt. [1][Achteinhalb Monate vor der Landtagswahl sitzt der
brandenburgische Ministerpräsident] mit Journalisten zu einem
traditionellen Pressegespräch zusammen und muss irgendwie erklären, was er
gerade fürs neue Jahr ausgegeben hat. „Ich gehe mit Optimismus, Engagement
und guter Laune in den Wahlkampf“, hat er nämlich gesagt – und das in einer
Stimmungslage, in der die AfD weit vor seiner SPD führt.
Auf 27 Prozent kamen die Rechtpopulististen [2][bei der bislang letzten
Umfrage Ende November], sogar 32 Prozent waren es zwei Monate zuvor bei
einem anderen Umfrageinstitut. Woidkes Sozialdemokraten, bislang bei jeder
Wahl seit 1990 vorne, erreichten jeweils nur 20 Prozent. Seine Partner in
Brandenburgs Kenia-Koalition, CDU und Grüne, lagen bei 18 und 8 Prozent.
Für eine erneute absolute Mehrheit im Landtag reicht das nicht.
Woidke gibt sich trotzdem zuversichtlich, will mit der SPD wieder auf Platz
1 landen. Er verweist auf das Jahr 2019, als Brandenburg zuletzt gewählt
hatte. Da habe „einige Monate vor der Wahl auch niemand einen Pfifferling
für uns gegeben“, sagt er bei dem Gespräch in Potsdam – nach dem „Mist�…
noch ein sprachliches Bild aus der Welt der Landwirtschaft, die aktuell die
Nachrichten prägt.
Die brandenburgische SPD habe traditionell den ländlichen Raum im Fokus,
wird er später noch sagen, als es um teils gravierende Unterschiede zur
Bundes-SPD und um die Kritik an ihr geht.
## Herausforderung diesmal größer
2019 aber war der AfD-Vorsprung maximal vier Prozentpunkte groß – und
[3][nicht sieben bis zwölf wie dieses Mal]. Immerhin räumt Woidke ein, die
auch bei anderen Wahlen vorhandenen Herausforderungen seien diesmal
„deutlich größer als vor fünf oder zehn Jahren“.
Das größte Problem des Ministerpräsidenten dabei ist: Sein eigentlicher
Trumpf, die boomende Wirtschaft, scheint nicht zu ziehen. Brandenburg hatte
2023 im ersten Halbjahr das größte Wachstum unter allen Bundesländern und
auch vor den drei Stadtstaaten inklusive Berlin gehabt, doch in den
Umfragen wirkt sich das nicht aus. Das erinnert an die Lage in den USA, wo
Donald Trump trotz vergleichsweise guter Wirtschaftszahlen der Demokraten
vorn liegt.
Woidke, der seit August 2013 als Nachfolger von Matthias Platzeck
Ministerpräsident ist, sieht die Verantwortung dafür zumindest teilweise
beim Gezerre in der rot-grün-gelben Bundesregierung: „Dieser öffentliche
Streit ist demokratiezersetzend“, sagt er. In der aktuellen, von Krisen und
Kriegen geprägten Lage müsse die Regierung vielmehr „Stabilität und
Sicherheit ausstrahlen“.
Aus den Gesichtern vieler Journalisten im Raum des Pressegesprächs spricht
Skepsis angesichts des von Woidke vorgetragenen Optimismus'. Bei zu vielen
Terminen und Gesprächen zwischen Prignitz und Lausitz haben sie in den
vergangenen Monaten eine schlechte, fast feindliche Stimmung gegenüber der
Landesregierung und der etablierten Politik insgesamt wahr genommen. Woidke
gibt zumindest vor, diese Sicht nicht zu teilen und erinnert dazu an einen
Bürgerdialog mit mehreren hundert Menschen Anfang 2023 in Cottbus. „Ich
glaube schon, dass wir uns auf eine feste Basis stützen können und die
Umfragen von heute nicht die Wahlergebnisse von morgen sind“, sagt er.
## Verbotsverfahren lehnt Woidke ab
Der nicht nur in den östlichen Bundesländern boomenden AfD [4][mit einem
Verbotsverfahren zu begegnen, lehnt er ab]: „Ich halte diese Debatte für
vollkommen falsch, und sie hilft nur den Falschen.“ In den vergangenen
Jahren habe man in Sachen AfD „in Teilen da wirklich große Fehler gemacht,
dass wir die inhaltliche Auseinandersetzung eben nicht gesucht haben“, sagt
er. Seinen jetzigen Ansatz beschreibt er so: Man müsse genau in die
AfD-Programme schauen – zu sagen, „Ihr seid Rechtsextremisten“, reiche
nicht aus. Stattdessen müsse man klar machen, was es für Brandenburg
konkret bedeuten würde, wenn die AfD regierte.
Falls Woidke mit seinem Optimismus richtig liegt und es nach der Wahl am
22. September möglich ist, will der Ministerpräsident weiter mit der
jetzigen Kenia-Koalition regieren, auch wenn die nicht als Liebes-, sondern
als „Notheirat“ entstanden sei. Er schließe das jedenfalls nicht aus, „u…
das unterscheidet mich von anderen“ – ein Seitenhieb auf den CDU-Landes-
und Fraktionsvorsitzenden Jan Redmann, der sich von den Grünen distanziert
hat. Woidkes Einschätzung zur Brandenburger Koalition in Abgrenzung zur
gleichfalls von seiner Partei geführten Bundesregierung: „Wir lösen
Probleme.“
Für den SPD-Landeschef ist es nach eigenen Worten auch kein Hindernis für
eine neue Kenia-Koalition, dass er künftig andere Grüne am Kabinettstisch
sitzen hätte. Die bisherigen Regierungsmitglieder Ursula Nonnemacher und
Axel Vogel werden sich nämlich aus Altersgründen zurückziehen. Die
Koalition habe bisher geklappt, und werde auch mit künftigem Personal
klappen, meint Woidke, auch wenn er ausdrücklich betont, wie wichtig es aus
seiner Sicht ist, dass es zwischenmenschlich stimmt.
## Grüne würden bei Kenia bleiben
Die Grünen selbst haben schon kurz vor Weihnachten klar gemacht, dass sie
sich auch weiter eine Kenia-Koalition vorstellen können. „Das ist das
wahrscheinlichste Szenario, aber weder Wunsch noch Anspruch“, sagte ihr
Co-Spitzenkandidat Benjamin Raschke dabei. Er gilt als künftiger Minister,
wenn die Grünen weiter mitregieren.
Bloß dem von Woidke benutzten Begriff der Notheirat mag sich Raschke jetzt
nicht anschließen. „Eine Notheirat setzt laut Gesetz voraus, dass eine
Eheschließung wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung eines
Eheschließenden nicht aufgeschoben werden kann“, reagiert er auf den
Ministerpräsidenten, „schon erschreckend, wenn das die Selbstdiagnose der
SPD sein sollte.“
7 Jan 2024
## LINKS
[1] /Kritik-am-Streit-in-Ampel-Koalition/!5983774
[2] https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/brandenburg.htm
[3] /Umfrage-zu-Regierungsbeteiligung-der-AfD/!5967209
[4] /Neue-AfD-Verbotsdebatte/!5979903
## AUTOREN
Stefan Alberti
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