# taz.de -- Lausitzer Braunkohlerevier: Grüne Zukunft auf der Kippe | |
> Deutschlands zweitgrößter Kohleverstromer strukturiert sich neu. Will | |
> sich der tschechische Eigentümer die teure Renaturierung seiner Tagebaue | |
> sparen? | |
Bild: Kostet Geld: Renaturierter Bereich des Tagebaus Nochten in Sachsen | |
Berlin taz | Er gilt als „oberster Bergmann der LEAG“: Philipp Nellessen | |
hat gekündigt, der „Vorstand Produktion“ verlässt den zweitgrößten | |
deutschen Kohlekonzern „auf eigenen Wunsch“. Zuvor war bereits der | |
LEAG-Konzernvorstand Thorsten Kramer zurückgetreten. Auch der | |
Finanzvorstand Markus Binder hat hingeschmissen. Was ist in der Lausitz | |
los? | |
„Die LEAG schlägt zum 1. Mai ein neues Kapitel auf“, heißt es in der | |
Cottbuser Konzernzentrale, eine „Neustrukturierung“ wird angekündigt. | |
„Tatsächlich gab es im Februar eine Gesellschafterversammlung, bei der die | |
LEAG umstrukturiert wurde“, sagt Karsten Smid, Energieexperte bei | |
Greenpeace. Demnach sind beispielsweise aus der Lausitzer Bergbau Energie | |
AG die „grünen“ Geschäftsbereiche in neue Gesellschaften ausgegliedert | |
worden – in die LEAG Renewables GmbH, die LEAG Clean Power GmbH oder die | |
LEAG Biomass GmbH. | |
„Zwei Aktionärsvertreter und ein Anwalt waren anwesend und haben die 186 | |
Seiten Umstrukturierungsmaßnahmen verlesen“, sagt Smid. Der Experte | |
mutmaßt: „Der Eigentümer schafft sich eine Bad Bank.“ Also ein | |
Firmenkonstrukt mit hochriskanten Geschäftsfeldern, die nichts mehr | |
abwerfen. | |
Es war ein ziemlich schräger Deal, der 2016 in der Lausitz über die Bühne | |
ging: Der schwedische Staatskonzern Vattenfall hatte sich mit dem | |
Braunkohlegeschäft in Deutschland verzockt und suchte einen Käufer. | |
[1][Gute Erfahrungen mit der deutschen Braunkohle hatte dagegen der | |
tschechische Multimilliardär Daniel Křetínský gemacht], der sich 2012 die | |
MIBRAG gekauft hatte, die Mitteldeutsche Braunkohlegesellschaft. | |
## Rekultivierungskosten in Milliardenhöhe | |
Die erwies sich als ausgesprochen profitabel, schon im ersten Geschäftsjahr | |
floss „massiv Gewinn“ nach Prag. Die Umsatzrenditen sollen bei 19 Prozent | |
gelegen haben, im Bergbau ausgesprochen hoch. Křetínskýs Firmenimperium | |
übernahm nun auch die Lausitzer Braunkohle – und bekam dafür 1,7 Milliarden | |
Euro von Vattenfall. | |
Geld, das eigentlich für [2][die Rekultivierung der Tagebaue und des | |
Wasserhaushaltes] gedacht war: „Unsere Analyse ergab, dass sich die | |
Rekultivierungskosten in Sachsen und Brandenburg auf 5 bis 10 Milliarden | |
Euro belaufen“, sagt Greenpeace-Experte Smid. Ein Rechenweg ergebe sich aus | |
der Rekultivierung des DDR-Altbergbaus: Zwischen 1990 und dem Jahr 2023 | |
habe die dafür zuständige LMBV, die bundeseigene Lausitzer und | |
Mitteldeutsche Bergbauverwaltungs GmbH, bislang 12 Milliarden Euro | |
ausgegeben. | |
„Die Flächen und der Wasserhaushalt sind vergleichbar mit jenen | |
Rekultivierungsaufgaben, die vor der LEAG stehen“, sagt Smid. Die | |
konservative Summe von 5 Milliarden Euro habe „im Prinzip“ Sebastian Fritze | |
bestätigt, der Präsident des Landesamts für Bergbau, Geologie und | |
Rohstoffe: „Fritze bezifferte die Summe auf 2 Milliarden für Brandenburg.“ | |
Zwei der drei noch betriebenen LEAG-Tagebaue liegen aber in Sachsen, wo „3 | |
Milliarden realistisch sind“. | |
Aktuell liegt bei der LEAG aber lediglich ein „Ansparvermögen“ von 830 | |
Millionen Euro vor. „Die LEAG erklärt, durch ihre Geschäftstätigkeit dieses | |
Vermögen weiter anzusparen“, sagt Smid, „aber Braunkohle wird in Zukunft | |
immer weniger gebraucht.“ Einerseits steigt der CO₂-Preis weiter, | |
andererseits haben die Erneuerbaren Vorrang im Netz. | |
## Konzernstruktur weckt Zweifel an seriösen Absichten | |
„Die sind bei der LEAG jetzt aber in unabhängige Tochtergesellschaften | |
ausgegründet, in verschachtelten GmbHs mit zweifelhafter wirtschaftlicher | |
Substanz.“ Die neu aufgestellte LEAG sei ein dünnes Firmenkorsett mit | |
milliardenschweren Zahlungspflichten. | |
Tatsächlich ist der Weg zum Multimilliardär Daniel Křetínský einer mit | |
vielen Windungen. Die Lausitzer Braunkohlekraftwerke und -tagebaue gehören | |
der LE Verwaltungs GmbH. Diese untersteht jetzt der LEAG GmbH, die wiederum | |
der LEAG Holding AS gehört. Besitzer dieser Holding ist die EP Energie | |
Transition, die zu 100 Prozent im Besitz der EP Corporate Group ist. 89,3 | |
Prozent der Anteile dieser Group gehören Daniel Křetínský, der Rest einigen | |
seiner leitenden Manager. | |
„Die Konzernstruktur legt den Versuch nahe, [3][Rekultivierungskosten in | |
Ostdeutschland auf die Öffentlichkeit abzuwälzen]“, urteilt Brigitte | |
Alarcon, Analystin bei Beyond Fossil Fuels. Die jetzt ausgegliederten | |
Töchter seien Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eigenständig. | |
Bedeutet: Sie müssen nicht füreinander einstehen. | |
Die LEAG spricht dagegen von der Bildung „angemessener Rückstellungen“ bei | |
der Lausitz Energie Bergbau AG. „Diese Rückstellungen werden alljährlich | |
von Wirtschaftsprüfern testiert und von den Bergämtern der Länder in | |
regelmäßigen Abständen der Sache und der Höhe nach geprüft“, so Sprecher | |
Thoralf Schirmer. Zudem werde ein insolvenzfestes Sondervermögen „zur | |
finanziellen Absicherung der Erfüllung der | |
Wiedernutzbarmachungsverpflichtungen“ gebildet. Der Job von Philipp | |
Nellessen wird übrigens nicht neu besetzt: Der neue Konzernchef Adolf | |
Roesch – ein ehemaliger Baumanager – übernimmt den Vorstandsposten | |
„Produktion“ gleich mit. | |
24 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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