# taz.de -- Kohle-Abbau in der Lausitz: Herr Křetínský kriegt nicht genug | |
> Ein Milliardär will hunderte Millionen weitere Tonnen Braunkohle fördern. | |
> Sachsens Landesregierung, inklusive der Grünen, tut dagegen nichts. | |
Bild: Tagebau Nochten in der Lausitz: Der Wald soll weg, die Kohle ins Kraftwerk | |
Es gibt ein Waldstück in der Lausitz, nicht weit von der polnischen Grenze, | |
im Norden Sachsens. Junge Bäume stehen hier, gepflanzt gegen die | |
Monokultur: Linden, Eichen und Ebereschen, mit Drähten gegen Verbiss | |
geschützt. Aber nicht etwa hungrige Wildtiere werden ihnen gefährlich. Es | |
ist die Lausitz Energie Kraftwerke und Bergbau AG (Leag), die an die | |
Millionen Tonnen von Braunkohle will, die etwa 80 Meter unter den Bäumen | |
liegt. | |
Auf einer Lichtung mit Grasbüscheln steht René Schuster, Naturschützer und | |
Bundesvorsitzender der Grünen Liga. Seit vielen Jahren kämpft er gegen den | |
Kohleabbau in der Lausitz. Er trägt einen grünen Strickpullover und eine | |
blaue Mütze. Es ist ein grauer Tag, immer mal wieder hört der Regen auf, | |
doch Feuchtigkeit hängt in der Luft. | |
Geht es nach der Leag, ist der Wald in weniger als drei Jahren abgebaggert, | |
sagt Schuster, während er durch die Bäume läuft. Ein Teil des Waldes gehört | |
privaten Eigentümern, die nicht verkaufen wollen und das Gebiet an die | |
Grüne Liga verpachtet haben. Die Leag hat beim Oberbergamt in Freiberg die | |
Enteignung beantragt. Im September wurde mündlich über den | |
Enteignungsantrag beraten, der Beschluss steht aus. An den Wald grenzt das | |
Dorf Mühlrose, auch das soll weichen. Der „Umsiedlungsvertrag“ wurde 2019 | |
unterzeichnet, im kommenden Jahr sollen alle 200 Einwohner:innen | |
weggezogen sein. | |
Bisher hat die Leag nur die Genehmigung, hier bis zum 31. Dezember 2026 zu | |
baggern. Doch sie will mehr: Bis 2038 will sie hier Braunkohle aus der Erde | |
holen, 150 Millionen Tonnen allein unter Mühlrose, insgesamt in der Lausitz | |
fast fünfmal so viel. | |
## 54 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr | |
Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger, bei der Verbrennung | |
entsteht mindestens doppelt so viel CO2 wie bei Erdgas. Knapp 54 Millionen | |
Tonnen CO2 verursachten allein die vier Braunkohlekraftwerke der Leag 2021. | |
Das sind rund 7 Prozent der deutschen Emissionen insgesamt. | |
Wie es aussieht, wenn der Wald der Kohle weicht, lässt sich wenige Meter | |
weiter hinten betrachten. Schuster läuft auf einem Trampelpfad durch | |
schienbeinhohes Gestrüpp bis zu einem Zaun. Das Vogelgezwitscher aus dem | |
Forst wird von einem anhaltenden Brummen abgelöst. Es erinnert an den Klang | |
eines großen Generators. Ein Schaufelradbagger sticht in weiter Ferne aus | |
der platten Landschaft hervor. Sein Blaugrau hebt sich kaum vom Grau des | |
Himmels ab, als habe jemand mit Photoshop ein Spielzeug stark vergrößert | |
und in das Landschaftsbild eingefügt. | |
Der Bagger fräst die Kohle aus den oberen Schichten. „So trist sehen | |
Tagebaue immer aus“, sagt Schuster. Es ist ein Euphemismus angesichts der | |
gigantischen Naturzerstörung: An der Absperrung ist erst noch Kies, dann | |
ein flacher Bewuchs von braun-grünem Gras, danach nur noch platte braune | |
Erde: Die „Vorfeldberäumung“ ist im Gang. Dazu gehört auch, dass das | |
Grundwasser über ein manndickes schwarzes Rohr abgepumpt und schlussendlich | |
in die Spree eingeleitet wird. | |
Schuster faltet eine selbstausgedruckte Karte auf, die der Regen an manchen | |
Stellen schon durchsichtig gemacht hat. Sie zeigt den Tagebau Nochten, den | |
zweitgrößten Tagebau der Leag. Seit 50 Jahren liefert er Braunkohle. 2026 | |
läuft der sogenannte Rahmenbetriebsplan aus. Die Leag hat beim Oberbergamt | |
Sachsen die Verlängerung beantragt. Mit schwarzen Linien ist auf Schusters | |
Karte eingezeichnet, wo die Bagger dann graben sollen. Eine Linie grenzt | |
direkt an das Grundstück der Grünen Liga an. „12/2025“ steht daran. | |
Der Leag-Haupteigentümer ist der tschechische Energiekonzern EPH. Diesen | |
gründete 2009 der tschechische Milliardär Petr Kellner mit seinem | |
Schwiegersohn Daniel Křetínský. Dem gehört die EPH-Holding heute praktisch | |
allein. EPH hat dutzende Investments im Fossil-Sektor, 2011 übernahm der | |
Konzern die mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft Mibrag, sieben Jahre | |
später dann von Vattenfall die Leag mit ihren Kraftwerken und Tagebauen in | |
Brandenburg und Sachsen. | |
## Der „Müllschlucker Europas“ | |
Mit der taz sprechen will Křetínský nicht. Der französische | |
Libération-Journalist Jérome Lefilliâtre aber hat ihn mehrfach getroffen | |
und 2020 ein Buch über ihn veröffentlicht – zwei Jahre, bevor Křetínský | |
Libération mit einem 14-Millionen-Euro-Kredit rettete. Der Journalist | |
beschreibt EPH in seinem Buch als „Müllschlucker Europas, der Kraftwerke | |
und Minen, die niemand mehr haben will, zu niedrigen oder gar keinen | |
Preisen übernimmt“. | |
Im Gespräch mit der taz sagt Lefilliâtre, Křetínský investiere in Kohle, | |
denn mit der lasse sich Geld verdienen, weil andere das nicht mehr wollen. | |
„Das ist in jedem Sektor sein Investmentmodell: Er kauft Dinge, die er für | |
unterbewertet hält.“ Křetínský sei „sehr ehrgeizig“, sagt Lefilliâtr… | |
ist ein moderner Milliardär, superreich, aber nicht unberührbar, man kann | |
ihm E-Mails schicken“. | |
Die Preissteigerungen im Energiemarkt durch den Ukraine-Krieg haben | |
Křetínský noch reicher gemacht. Das Geld investiert er unter anderem in | |
Medienunternehmen, Supermärkte und IT-Konzerne. Bei den Treffen mit | |
Lefilliâtre 2019 sei Křetínský skeptisch gewesen, was den menschengemachten | |
Klimawandel angeht. „Er sagte, es gebe gute Argumente, dass die Menschen | |
nicht verantwortlich seien.“ Einige seiner Medien seien | |
klimawandelskeptisch, andere nicht. „Es ist nicht so, dass er seine Medien | |
auf seine Linie bringen würde“, sagt Lefilliâtre. | |
Zudem investiert Křetínský auch in erneuerbare Energien. Auf den | |
stillgelegten Braunkohle-arealen der Lausitz will er das größte Zentrum | |
grüner Energie in Deutschland, genannt „Gigawattfactory“ bauen – in | |
Anlehnung an Teslas „Gigafabrik“. | |
Doch vorher will die Leag noch an die Kohle, um damit die Kraftwerke | |
Boxberg und Schwarze Pumpe bis 2038 weiterlaufen zu lassen. Der Tagebau | |
Nochten soll bis 2030 „ausgekohlt“ sein, schreibt die Leag auf Anfrage der | |
taz. Hier liegt das Kiefernwaldstück der Grünen Liga – mit 22,8 Millionen | |
Tonnen Braunkohle darunter. Noch aber hat die Leag dafür keine Genehmigung. | |
Ab 2029 will der Konzern dann auch das Teilstück Mühlrose ausbaggern, wo | |
heute noch Häuser stehen und eine Familie dafür kämpft, bleiben zu können. | |
## Stillegen hilft, die Klimaziele einzuhalten | |
Um das deutsche Budget für das 1,5-Grad-Ziel mit einer 50-prozentigen | |
Wahrscheinlichkeit einzuhalten, dürften in der Lausitz nach Januar 2022 nur | |
noch maximal 205 Millionen Tonnen Braunkohle verstromt werden, hat die | |
Fossil-Exit-Forschungsgruppe der Uni Flensburg ausgerechnet. Tatsächlich | |
plant die Leag, bis 2038 noch bis zu 700 Millionen Tonnen aus dem Boden zu | |
holen und zu verbrennen. Es handele sich um eine „energiepolitische | |
Notwendigkeit“, behauptet die Leag auf taz-Anfrage, weil die Auswirkungen | |
des Ukraine-Kriegs und des Atomausstiegs „nicht abzusehen sind“. | |
Der Tagebau Nochten könnte nach Ende des Rahmenbetriebsplans Ende 2026 | |
stillgelegt werden, hält die Fossil Exit dagegen. Das helfe Klimaziele | |
einzuhalten „und schafft für die Menschen in der Region, genauso wie für | |
die Leag, solide Rahmenbedingungen und Planungsgrundlagen.“ | |
Ein Förderstop zugunsten des Klimas? Die Industrie verweist gern auf | |
erteilte Betriebsgenehmigungen und den Kohlekompromiss. Doch hier liegen | |
die Dinge etwas anders: Es gibt noch keine Genehmigung über 2026 hinaus. | |
Und die Grüne Liga glaubt, dass die auch nicht erteilt werden müsste, wenn | |
der politische Wille da wäre. | |
„Die Politik müsste die Leag bei der Erweiterung der Tagebaue aufhalten“, | |
sagt René Schuster von der Grünen Liga. Aber sie bleibe untätig, nutze ihre | |
Möglichkeiten nicht: „Um einen früheren Kohleausstieg auszuhandeln, müsste | |
die Regierung nur verlangen, dass die Leag heute Sicherheiten für alle | |
tatsächlichen Folgekosten ihrer Tagebaue stellt“, sagt Schuster. „Die Leag | |
wäre umgehend pleite. Wie weit noch gebaggert wird, könnte die Politik dann | |
allein entscheiden.“ | |
Tagebaubetreiber sind laut Bundesberggesetz verpflichtet, die Gebiete zu | |
renaturieren. Unter anderem muss dazu teils bis zum Jahr 2150 das Wasser | |
der sogenannten Bergbaufolgeseen gekalkt werden. Sonst wären sie zu sauer | |
für Wasserpflanzen und Fische. Doch das ist teuer. Die Landesregierung | |
taxiert die Rekultivierungskosten der Lausitz auf 3 Milliarden Euro, der | |
BUND auf gar 10 Milliarden. | |
## Die Ministerien tun nichts | |
Doch Sachsens SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig denkt nicht daran, diese | |
Summe schon heute von der Leag zu fordern. Er dreht den Spieß um: Die | |
Vereinbarung für die Renaturierungskosten müsse erst dann angepasst werden, | |
wenn früher aus der Kohle ausgestiegen werde, so ein Sprecher auf Anfrage | |
der taz. Die laufenden und bis zum geplanten Kohleausstieg 2038 noch zu | |
leistenden Rekultivierungsleistungen erbringe die Leag „vollumfänglich, | |
ganz zeitnah und auf höchstem Niveau“, so das Ministerium weiter. | |
Ob es politisches Interesse an einem früheren Ausstieg hätte, beantwortet | |
Duligs Ministerium nicht. Es verweist auf das | |
„Kohleverstromungsbeendigungsgesetz“ (KVBG) – und das sieht den Ausstieg | |
2038 vor. Das biete den Menschen und Unternehmen in der Region die nötige | |
Planungssicherheit. Genauso rechtfertigt auch die Leag ihre Vorhaben: „Im | |
Übrigen halten wir uns damit an die geltende Gesetzeslage.“ | |
Sachsens Umwelt- und Klimaschutzminister Wolfram Günther ist Grüner. Das | |
Programm der Grünen will den Kohleausstieg „bis 2030 vollenden“. Auf | |
taz-Anfrage, was sein Ministerium von der geplanten Vergrößerung des | |
Tagebaus Nochten und die Braunkohleverstromung bis 2038 hält, antwortet ein | |
Sprecher, es sei „klimapolitisch absolut notwendig, die Kohleverstromung so | |
schnell wie möglich zu beenden, solange die Versorgungssicherheit | |
berücksichtigt ist“. Man gehe davon aus, dass die Kohleverstromung „schon | |
sehr deutlich vor 2038 unwirtschaftlich wird. Der Kohleausstieg erfolgt | |
marktgetrieben.“ So setzt das Umweltministerium auf den Markt, das | |
Wirtschaftsministerium tut nichts – und die Leag baggert weiter. | |
An der Verabschiedung des KVBG im Jahr 2020 gab es viel Kritik. Erarbeitet | |
hat es die sogenannte Kohlekommission unter Stanislaw Tillich (CDU). Er | |
sorgte dafür, dass der Kohleausstieg erst 2038 erfolgen soll – und die | |
Betreiber für das Abschalten eine Entschädigung erhalten. Dabei hatten | |
Gutachten ergeben, dass die Entschädigung rechtlich nicht notwendig ist. | |
2016 hatte Tillich – noch Ministerpräsident Sachsens – beim Verkauf der | |
Vattenfall-Braunkohlesparte an EPH mitverhandelt. Laut Greenpeace hatte | |
Křetínský damals gute Bedingungen aushandeln können. Unter anderem wurde | |
auf Sicherheitsleistungen für die Renaturierung verzichtet. 2019 wurde | |
Tillich dann Aufsichtsratschef von Mibrag, der Braunkohlengesellschaft im | |
Mitteldeutschen Revier. Eigentümer: Daniel Křetínský. | |
Schon sahen Umweltverbände dessen Einstieg kritisch. „Křetínský ist bei d… | |
Übernahme auf blauäugige Politiker gestoßen, die immer darauf gesetzt | |
haben, Braunkohle weiterzubetreiben“, sagt Karsten Smid von Greenpeace. Und | |
damit ihr dabei niemand in die Quere kommt, habe die Leag „alle, die sich | |
kritisch äußern könnten, mit eingebunden“, sagt Heide Schinowsky von den | |
Grünen in Brandenburg. | |
## Eng mit der Leag verwoben | |
Welche Folgen der Kohleabbau für das Wasser hat, ist das Thema des | |
Wassercluster Lausitz e. V. Der Verein „gibt sich nach außen | |
wissenschaftlich, ist aber sehr eng mit der Leag und ihren Interessen | |
verwoben“, sagt Heide Schinowsky. Zwei Vorstandsmitglieder waren | |
langjährige Mitarbeiter bei der Leag, darunter der erste Vorsitzende Ingolf | |
Arnold. Heute ist er in Rente, doch die Arbeit im Wassercluster | |
weiterzuführen sei sein persönliches Anliegen, sagt er der taz. „Mir macht | |
das Spaß, der Beruf war mein Hobby, warum soll ich damit aufhören?“ | |
Sein Hobby ist nun: Vorträge halten und Menschen davon überzeugen, dass aus | |
der Kohle erst 2038 ausgestiegen werden kann. So auch bei einer | |
Veranstaltung Mitte Oktober in Hoyerswerda, auf Einladung der lokalen | |
Volkshochschule. Arnold steht in einem prunkvollen Saal im Schloss | |
Hoyerswerda, mit Stuck an den Wänden, rosa gepolsterten Stühlen und einem | |
riesigen Kronleuchter an der Decke. Sein Publikum: rund 25 Männer in | |
fortgeschrittenem Alter. „Herzlich willkommen und Glückauf“, begrüßt Arn… | |
sie mit dem Bergmanngruß. „Glückauf“, tönt es zurück. | |
Arnold spricht davon, dass der Braunkohleabbau planmäßig auslaufen müsse, | |
ein früherer Ausstieg würde zu Chaos führen. „Wenn der Tagebau Nochten | |
planmäßig beendet wird, kommt noch länger Grundwasser in die Spree“, sagt | |
er. | |
Darauf hatte auch eine Studie des Umweltbundesamt im Juni hingewiesen: | |
Endet der Braunkohleabbau, wird kein Grundwasser mehr in die Spree gepumpt. | |
Das gefährdet die Wasserversorgung von Berlin und Spreewald. Die Studie | |
wurde für ein Honorar von 400.000 Euro von der „Arbeitsgemeinschaft | |
Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstieges in der Lausitz“ | |
erstellt – einem Zusammenschluss von vier Unternehmen, die allesamt | |
Leag-nah sind. | |
Hauptverantwortlich ist die 100-prozentige Leag-Tochter GMB GmbH aus | |
Senftenberg. Die Chefs von zwei der Unternehmen – dem Dresdner Institut für | |
Wasser und Boden und dem Cottbuser Ingenieurbüro Gerstgraser – sind | |
wiederum im Vorstand beziehungsweise Schatzmeister des Wasserclusters. Und | |
der verweist auf die Studie, um zu argumentieren, dass der Braunkohleabbau | |
bis 2038 weiter laufen muss. | |
## Ab 2030 nicht mehr wirtschaftlich? | |
Als Ingolf Arnold mit seinem Vortrag im Schloss von Hoyerswerda fertig ist, | |
gibt es zustimmendes Gemurmel. „Viele ehemalige Bergleute sind hier“, sagt | |
Arnold stolz. | |
Der Wassercluster und die Leag beharren darauf, dass bis 2038 gebaggert | |
werden muss. Viele Fachleute glauben jedoch, dass es ab 2030 nicht mehr | |
wirtschaftlich sein wird, Kohle zu verstromen. Die Kosten für Gas fallen, | |
die Preise im europäischen Emissionshandel steigen. Auch der Umweltrechtler | |
Felix Ekardt von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in | |
Leipzig sieht das so: „Die Diskussion um den Zeitpunkt des Kohleausstiegs | |
ist eine reine Showdiskussion. Wenn nicht subventioniert wird, ist 2030 | |
Schluss“, sagt Ekardt. | |
Warum hält die Leag trotzdem daran fest, noch bis 2038 jahrelang | |
weiterzubaggern? René Schuster von der Grünen Liga glaubt, dass die Leag | |
„noch möglichst lange Profite aus der Braunkohle ziehen“ will. Und dann sei | |
da „noch die Sache mit den Rekultivierungszahlungen“. | |
Denn damit die Milliarden für die Rekultivierung am Ende da ist, gibt es so | |
genannte Vorsorgegesellschaften. In die zahlt die Leag bis zum Auslaufen | |
der Tagebaue ein. Geregelt ist das in einer Vorsorgevereinbarung. Die geht | |
davon aus, dass bis 2038 gebaggert wird. | |
„Die Vereinbarung ist lediglich eine Scheinsicherheit“, sagt Karsten Smid | |
von Greenpeace, „weil man heute schon weiß, dass 2030 Schluss ist mit dem | |
Kohleabbau und kein Geld mehr reinkommen wird.“ So könne die erforderliche | |
Summe für die Wiedernutzbarmachung nicht erreicht werden, fürchtet Smid. | |
Die Leag selbst verweist dagegen auf eine „doppelte Sicherung“ durch | |
Rückstellungen. | |
## Insolvenz? „Irrelevant“ | |
Der Thinktank Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft indes glaubt, dass | |
steigende CO2-Preise und der Ausbau erneuerbarer Energien die | |
wirtschaftliche Situation der Leag schnell wieder verschlechtern können. | |
Schon 2022 musste sich das Unternehmen wegen der Energiemarkt-Krise 5,5 | |
Milliarden Euro vom Bund leihen. | |
Die Leag behauptet, sie werde auch langfristig mit erneuerbaren Energien | |
Geld einnehmen und bleibe so flüssig, um die Braunkohlefolgen zu bezahlen. | |
Das sächsische Wirtschaftsministerium verlässt sich darauf: Die Frage nach | |
einer möglichen Insolvenz sei „nicht relevant“, schreibt das Ministerium | |
auf taz-Anfrage. | |
Doch das ist nicht gesagt. Denn EPH arbeitet gerade daran, sein deutsches | |
Braunkohlegeschäft – die Mibrag und die Leag – in eine neu gegründete | |
Tochterfirma namens EP Energy Transition auszulagern. EPH behauptet, so | |
wolle es die „Energiewende beschleunigen“. Die Investmentfirma PPF – sie | |
gehört Křetínskýs Frau und seiner Schwiegermutter – übertrug bereits 20 | |
Prozent ihrer Leag-Anteile an die neue Gesellschaft EP Energy Transition. | |
Für nur einen Euro – obwohl der Anteil Milliarden wert ist. | |
Umweltverbände fürchten, dass das Manöver nur einen einzigen Zweck hat: | |
Křetínský wolle die Haftung für die Renaturierungskosten loswerden. Die | |
neue Gesellschaft wäre dann eine Art Bad Bank: Ein ausgelagerter | |
Konzernteil, an dem die Forderungen hängen und der pleitegehen soll. Die | |
Folge: EPH könnte das Geld, das es in Zukunft verdient, behalten, wäre für | |
die Kohle-Folgen möglicherweise nicht mehr haftbar. | |
Solche Manöver seien typisch für Energieunternehmen, sagt Lia Wagner von | |
Urgewald: „Natürlich weiß ich nicht genau, was die EPH vorhat. Aber in | |
solchen Unternehmen wird oft eine Art Bad Bank geschaffen, die im Zweifel | |
bankrottgehen kann.“ Im schlimmsten Fall könne das bedeuten, dass EPH bei | |
einer Leag-Insolvenz nicht haften müsste. | |
EPH weist dies zurück. Auf taz-Anfrage verweist das Unternehmen auf darauf, | |
dass die Rücklagen direkt von der Leag gebildet werden. Die | |
Eigentümerstruktur spiele daher „keine Rolle,“ so ein Konzernsprecher. | |
„Das Geld fließt nach Tschechien ab, die Flächen müssen von Sachsen und | |
Brandenburg renaturiert werden“, fürchtet hingegen Karsten Smid von | |
Greenpeace. Je länger die Politik hadert, umso größer die Gefahr, dass sich | |
EPH gleich zweimal mit der Kohle davonmacht: mit der aus dem Boden – und | |
mit der aus den Einnahmen. | |
1 Dec 2023 | |
## AUTOREN | |
Malina Dittrich | |
Christian Jakob | |
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die Grünen. |