| # taz.de -- Wasserversorgung in Berlin: Auf dem Trockenen? | |
| > Alles, was flussauf der Spree etwa in den Kohlegruben der Lausitz | |
| > passiert, muss Berlin interessieren. Die Stadt fördert ihr Trinkwasser | |
| > aus dem Fluss. | |
| Bild: Der Weg des Wassers: die Spree in Berlin | |
| Um zu wissen, wie es um Berlin bald stehen könnte, lohnt sich der Aufstieg | |
| auf den Aussichtsturm im Cottbuser Stadtteil Merzdorf. 250 Kilometer | |
| spreeaufwärts der Hauptstadt bietet sich am künftigen Stadthafen ein Blick, | |
| von dem viele in Cottbus träumen. Wo bis 2015 Bagger und Förderbänder die | |
| Kohle aus dem Tagebau Cottbus-Nord gekratzt haben, entsteht Brandenburgs | |
| größter künstlicher See. Sein Name: der Cottbuser Ostsee. | |
| Bis zum nächsten Jahr soll die 19 Quadratkilometer große Grube vollgelaufen | |
| sein und das neue Naherholungsgebiet der Lausitzmetropole entstehen – mit | |
| Hafenviertel, Badestränden, Radweg und der Seevorstadt, die den Ostsee mit | |
| der Cottbuser Innenstadt verbindet. | |
| So schön kann der Kohleausstieg sein. Eine Tagebaufolgelandschaft als | |
| Versprechen einer blühenden Seenlandschaft. Auch wenn es mit dem | |
| Volllaufen, wie man inzwischen weiß, auch ein paar Jährchen länger dauern | |
| könnte. | |
| In Berlin gruseln sie sich inzwischen bei diesem Gedanken. [1][Von „großen | |
| wasserwirtschaftlichen Herausforderungen“ spricht Berlins Regierender | |
| Bürgermeister Kai Wegner (CDU)] und meint damit nicht nur das Spreewasser, | |
| mit dem der Ostsee geflutet wird und das in Berlin nicht mehr zur Verfügung | |
| steht. Wegner sorgt sich auch über die Folgen des Kohleausstiegs für die | |
| Trinkwasserversorgung in der Hauptstadt. Zwei Drittel des Wassers, das bei | |
| den fast 4 Millionen Berlinerinnen und Berlinern aus dem Hahn fließt, | |
| stammt aus dem Uferfiltrat von Spree und Havel. Sitzt Berlin bald auf dem | |
| Trockenen? | |
| Auf einem „Spreegipfel“, einem Krisentreffen mit seinen | |
| Ministerpräsidentenkollegen Dietmar Woidke (SPD) aus Brandenburg und | |
| Michael Kretschmer (CDU) aus Sachsen, verwies Wegner Mitte Juni mit Sorge | |
| auf den Pegelstand der Spree, der „stark von den Einleitungen aus den | |
| Tagebauregionen abhängt“. | |
| Eine Woche zuvor hatte Wegners Parteikollegin, Umweltsenatorin Ute Bonde, | |
| den Müggelsee besucht, Berlins größtes Trinkwasserreservoir, das von der | |
| Spree gespeist wird. [2][„Ein Viertel der Berliner trinkt das gute | |
| Uferfiltrat des Großen Müggelsees“, betonte die Senatorin]. Dabei | |
| appellierte Bonde auch an die Berlinerinnen und Berliner: „Wir alle sind | |
| aufgerufen, sparsam mit Wasser umzugehen“, sagte sie und forderte, nur noch | |
| volle Waschmaschinen in Gang zu setzen, kürzer zu duschen und Gärten nicht | |
| mehr mit Trinkwasser zu wässern. | |
| Wird die CDU plötzlich zur Verbotspartei? Was ist da los in Berlin und | |
| Brandenburg? | |
| ## Ein Gutachten schlägt Alarm | |
| Um zu verstehen, warum man in Berlin nervös wird, muss man vom Merzdorfer | |
| Turm spreeaufwärts blicken, Richtung [3][Tagebau Welzow-Süd oder weiter | |
| nach Sachsen], in die Tagebaue Nochten und Reichwalde. | |
| Zum Beispiel nach Steinitz, einem kleinen Dorf bei Drebkau im Landkreis | |
| Spree-Neiße. Aus dem noch aktiven Tagebau Welzow-Süd pumpt der | |
| Bergbaubetreiber Leag das Grubenwasser in die Steinitzer Fließe. Insgesamt | |
| 5 Kubikmeter solcher „Sümpfungswässer“ fließen pro Sekunde über die | |
| verschiedenen Zuflüsse in die Spree. | |
| Sümpfungswässer ist ein Begriff, den Berliner Politiker wie Kai Wegner | |
| spätestens im Juni 2023 lernen mussten. [4][In einem Gutachten des | |
| Umweltbundesamtes (UBA)] war damals zu lesen, dass diese Sümpfungswässer | |
| die Hälfte des Spreewassers ausmachen. Im Sommer besteht die Spree | |
| manchmal sogar zu drei Vierteln aus abgepumptem Grundwasser. Wasser, das | |
| der Spree nach dem Kohleausstieg fehlen wird. [5][UBA-Chef Dirk Messner | |
| schlug Alarm]: „In Berlin und Brandenburg könnte im schlimmsten Szenario | |
| das Wasser empfindlich knapp werden, wenn nicht entschlossen gegengesteuert | |
| wird.“ | |
| Auch ganz konkrete Maßnahmen hat das Umweltbundesamt vorgeschlagen: Der | |
| Cottbuser Ostsee soll zu einem Wasserspeicher werden. Um den Spreewald, | |
| Europas größtes Binnendelta mit seinen Hunderten Kilometern von Fließen, | |
| könnte eine Umleitung gelegt werden. Und aus der Elbe soll durch eine | |
| Überleitung Flusswasser in die Spree gepumpt werden. Seitdem steht das | |
| Thema Wasser auf der Tagesordnung – und eine Krisensitzung jagt die | |
| nächste. | |
| ## Badestrand oder Wasserspeicher? | |
| Am Cottbuser Altmarkt schüttelt Martin Kühne den Kopf. „Da wurden viele | |
| Erwartungen und Hoffnungen geweckt“, sagt der 75-Jährige über den Ostsee | |
| und seine Bedeutung für die Stadt. „Man hatte den Eindruck, dass die | |
| ehemalige Grube eher morgen als übermorgen zum Baden freigegeben wird. Aber | |
| bis der See aus dem Bergbaurecht entlassen wird, kann es bis in die 30er | |
| Jahre dauern.“ | |
| Wenn die Cottbuser vom Ostsee träumen, mischen sich darin inzwischen auch | |
| Albträume. Der letzte Rückschlag ist ein Jahr her. [6][Auf einer Länge von | |
| 40 Metern rutschen 20 Meter Seeufer die Böschung hinab]. Eine Rutschung, | |
| die es eigentlich nicht hätte geben dürfen, meint Martin Kühne. „Die Leag | |
| hat immer behauptet, dass sie ein solches Trockenszenario durchgerechnet | |
| hat“, sagt er. Trockenjahre, in denen kein Spreewasser in die Grube fließe, | |
| hieß es, würden den See nicht gefährden. „Nun sehen wir, dass man sich auf | |
| die Aussagen der Leag nicht blind verlassen kann.“ | |
| Kühne ist ein grünes Urgestein in Cottbus. Noch vor der Wende hat er die | |
| Umweltgruppe Cottbus mitbegründet. Bis zur Kommunalwahl am 9. Juni saß er | |
| für die Grünen im Umwelt- und Bauausschuss der Stadtverordnetenversammlung. | |
| Sosehr Kühne kritisiert, dass mit dem Ostsee zu schnell zu viele Hoffnungen | |
| verbunden waren, so skeptisch steht er der Forderung des Umweltbundesamtes | |
| gegenüber, aus dem Ostsee einen Wasserspeicher zu machen. „Wenn der | |
| Wasserstand der Spree mit dem Wasser aus dem Ostsee reguliert werden soll, | |
| kommen auf den See Pegelschwankungen von 1 bis 1,70 Meter zu“, sagt er. | |
| „Dafür ist die Statik des Ostsees nicht berechnet.“ | |
| Seit 2019 wird der einstige Tagebau geflutet – oder auch nicht. In | |
| Trockenzeiten darf kein Spreewasser entnommen werden. Dass er nun als | |
| Speicher für die Spree und Berlin dienen soll, hat die Stadtverordneten in | |
| Cottbus überrascht. Als 2016 der Planfeststellungsbeschluss verabschiedet | |
| wurde, war von einem Speicher keine Rede. | |
| Auch heute noch ist Martin Kühne skeptisch, nicht nur wegen der möglichen | |
| Pegelschwankungen. „Wir brauchen den Ostsee als Erholungsgebiet, um die | |
| Seevorstadt nicht zur gefährden“, sagt er. Als Gewinnerin des | |
| Strukturwandels in der Lausitz wird Cottbus wachsen, hofft er. [7][Ein | |
| neues, klimaneutrales Stadtquartier, das seine Fernwärme auch aus einer | |
| Seewasserpumpe aus dem Ostsee bezieht, wäre für die Stadt wichtig]. | |
| Doch das UBA macht beim Speicher Druck. „Bislang verfügt die Region über | |
| ein Speichervolumen von rund 99 Millionen Kubikmeter Wasser“, heißt es in | |
| einer Mitteilung, die mit dem Gutachten veröffentlicht wurde. „Mit einer | |
| Erweiterung der Speicherkapazitäten um 27 Millionen Kubikmeter ließen sich | |
| Defizite in den wasserarmen Monaten teilweise auffangen.“ | |
| Martin Kühne muss lachen. „Es ist wohl kein Zufall, dass die 27 Millionen | |
| Kubikmeter, die das Umweltbundesamt an zusätzlicher Speicherkapazität | |
| fordert, exakt der Menge an speicherbarem Wasser im Ostsee entspricht“, | |
| sagt er. Für ihn ist die Sache klar. „Das Gutachten ist maßgeblich von der | |
| Leag geschrieben worden.“ Als Bergbaubetreiber müsse das Unternehmen die | |
| Kosten für die Rekultivierung der ehemaligen Tagebaue übernehmen. „Mit | |
| Forderungen wie einem Speicher und einer Überleitung aus der Elbe will sich | |
| die Leag ihren Verpflichtungen entziehen und die Kosten auf den | |
| Steuerzahler abwälzen.“ | |
| ## Leag: mächtig und intransparent | |
| Es ist ein heißes Eisen, das Kühne anspricht. Eines, an das sich auch die | |
| Politik nicht wirklich herantraut. | |
| In ihrer Erklärung beim „Spreegipfel“ Mitte Juni fordern Berlin, | |
| Brandenburg und Sachsen „ein gemeinsames, schnelles, zielgerichtetes, | |
| abgestimmtes und vor allem nachhaltiges Handeln der Politik, Behörden, | |
| Bergbauunternehmen und Gesellschaft“. Vor diesem Hintergrund sei deshalb | |
| „der Bund in der Pflicht, nötige wasserwirtschaftliche Anpassungen | |
| finanziell abzusichern. | |
| [8][Von der Leag, dem mächtigen Player in der Lausitz], ist im Papier also | |
| nur von einem „Bergbauunternehmen“ die Rede. Ganz anders sieht das | |
| Kollektiv „Correctiv“ die Rolle der Leag. Von einem „Monopolisten“ ist … | |
| einer [9][Recherche die Rede], die auch als [10][Bühnenstück am Cottbuser | |
| Staatstheater] inszeniert wurde. Weil die Behörden nicht eingreifen, könne | |
| die Leag „bisher und in Zukunft ungehindert Grund- und Trinkwasser nutzen“. | |
| Damit gefährde „der größte Wassernutzer Brandenburgs auch die | |
| Trinkwasserversorgung von Berlin“. | |
| Tatsächlich wird über den Wasserbedarf der Leag – anders als über den von | |
| Tesla in Grünheide – wenig diskutiert. Dabei steht das Bergbauunternehmen, | |
| das einem tschechischen Milliardär gehört, unangefochten auf Platz eins | |
| der Brandenburger Wassernutzer, wie die Antwort des [11][Brandenburger | |
| Umweltministeriums] und des [12][Landesamts für Umwelt] auf eine | |
| [13][Anfrage der grünen Landtagsabgeordneten Isabell Hiekel] ergeben hat. | |
| 44 Millionen Kubikmeter Wasser hat die Leag 2021 gefördert. Tesla dagegen | |
| steht mit den 1,8 Millionen Kubikmetern, die das Land erlaubt, auf Platz | |
| neun. | |
| Aus dem inzwischen stillgelegten Tagebau Jänschwalde hat die Leag sogar | |
| viermal so viel Grundwasser abgepumpt, wie erlaubt war. Doch die | |
| Genehmigungsbehörde, das Brandenburger Landesamt für Bergbau, Geologie und | |
| Rohstoffe LBGR in Cottbus, ist offenbar machtlos. „Wir können die aktuelle | |
| Wasserentnahme nicht stoppen“, sagt LBGR-Chef Sebastian Fritze auf eine | |
| Anfrage von Correctiv. „Es besteht sonst die Gefahr, dass die Grube | |
| zusammenfällt.“ | |
| Was aber hat das alles mit der Spree und der Gefahr für die Berliner | |
| Wasserversorgung zu tun? Kritiker vermuten inzwischen, dass das | |
| Umweltbundesamt mit seinem Gutachten das Ausmaß einer Wasserkrise an die | |
| Wand gemalt hat, die durch Fakten nicht gedeckt ist. Und dass die | |
| vorgeschlagenen Maßnahmen teuer für den Steuerzahler sind, die Leag aber | |
| entlasten. | |
| Tatsächlich arbeiten zwei der Ingenieurbüros, die das fast 500.000 Euro | |
| teure Gutachten verfasst haben, eng mit der Leag zusammen. | |
| [14][Umweltverbände wie der Nabu, die Grüne Liga oder der BUND haben das | |
| Gutachten deshalb schon kurz nach seiner Veröffentlichung als „tendenziös“ | |
| bezeichnet.] Auch vor dem „Spreegipfel“ in der Sächsischen Landesvertretung | |
| in Berlin haben sie demonstriert. | |
| UBA-Präsident Dirk Messner verteidigte das Gutachten dagegen mit dem | |
| Hinweis auf die Datenlage. [15][„Wir hatten sehr wenige Bewerber, die | |
| dieses Gutachten erarbeiten wollten, weil sich ein Großteil der | |
| erforderlichen Daten in privater Hand befinden, so zum Beispiel beim | |
| Tagebaubetreiber Leag“], sagte Messner dem RBB. Das Monopol an Daten macht | |
| es der Leag ganz offensichtlich leicht, die eigenen Interessen in der | |
| Politik durchzusetzen. | |
| Auch deshalb steht die Frage im Raum: Droht Berlin tatsächlich eine | |
| Wasserkrise? Braucht es wirklich eine Überleitung von der Elbe in die | |
| Spree? | |
| Isabell Hiekel, die die Anfrage zum Wasserverbrauch gestellt hat, kennt die | |
| Kritik der Umweltverbände. Anstatt einen Wassernotstand herbeizureden, | |
| fordert sie eine ehrliche Bestandsaufnahme: „Wir müssen uns fragen, was wir | |
| an Wasser haben, was wir fördern wollen und was wir uns leisten können“, | |
| sagt Hiekel der taz. | |
| Seit Langem setzt sich die Grünen-Politikerin dafür ein, das Wasser länger | |
| in der Landschaft zu halten, plädiert für die Wiedervernässung von Mooren | |
| und fordert mehr Tempo beim Waldumbau, denn Mischwälder verdunsten weniger | |
| Wasser als Kiefernplantagen. | |
| Auch ein Umdenken bei der Flutung von Tagebauen verlangt Hiekel. „Große und | |
| flache Seen wie der Ostsee verdunsten mehr Wasser als kleine und tiefe.“ | |
| Die Leag dagegen hält am Plan fest, neben dem Ostsee auch den noch größeren | |
| Tagebau Welzow-Süd mit Spreewasser zu fluten. | |
| „Das ist der Grund, warum die Leag unbedingt die Überleitung aus der Elbe | |
| will“, vermutet Hiekel. Für die Wasserversorgung von Berlin sei das nicht | |
| nötig. Deshalb gebe es keinen Grund, warum die öffentliche Hand das 500 | |
| Millionen Euro teure Projekt finanzieren müsse. | |
| Das Wasser des Cottbuser Ostsees als Speicher zu nutzen findet Hiekel | |
| dagegen sinnvoll. Anders als der Cottbuser Grüne Martin Kühne findet die | |
| grüne Landtagsabgeordnete: „Es gibt keinen Konflikt zwischen Naherholung | |
| und Speicher.“ | |
| ## Berlin lebt von der Spree | |
| Berlin, heißt es in einem bis heute gerne gebrauchten Bonmot, sei aus dem | |
| Kahn gebaut. Soll heißen, ohne die Furt über die Spree an der heutigen | |
| Mühlendammbrücke gäbe es das 1237 erstmals erwähnte Berlin nicht. Und auch | |
| nicht die spätere Metropole, denn die Baustoffe für die seit 1871 rasant | |
| wachsende Reichshauptstadt kamen zumeist über den Wasserweg in die Stadt. | |
| Doch nicht nur das Wachstum Berlins haben Spree und Havel ermöglicht. Die | |
| beiden Flüsse sichern bis heute die Trinkwasserversorgung der Stadt. Am | |
| nördlichen Ufer des Müggelsees, auf dem die Umweltsenatorin Anfang Juni die | |
| Berlinerinnen und Berliner zum Wassersparen aufgerufen hatte, steht das | |
| größte Wasserwerk Berlins. Unzählige Pumpen ziehen das Wasser aus dem See | |
| in die Tiefe. Auf dem Weg zum Grundwasserleiter wird es in den Sand- und | |
| Gesteinsschichten gereinigt und danach wieder hochgepumpt. [16][Mehr als 60 | |
| Prozent des Berliner Trinkwassers werden auf diese Weise aus sogenanntem | |
| Uferfiltrat gewonnen]. Berlin ist damit eine der wenigen Großstädte in | |
| Europa, die ihr Trinkwasser selbst gewinnen. | |
| Doch schon vor dem Ende des Kohleausstiegs kommt am Müggelsee vor allem in | |
| Hitzesommern wenig Wasser an. An manchen Tagen fließt die Spree sogar | |
| rückwärts. Manche nennen die Spree deshalb auch einen „Flussdarsteller“. | |
| Was wird erst sein, wenn der Spree nach dem Kohleausstieg die | |
| Sümpfungswässer fehlen? | |
| [17][Gesche Grützmacher] hat das Gutachten des Umweltbundesamtes nicht | |
| überrascht. „Im Rahmen des [18][Masterplans Wasser] hat der Senat die | |
| verschiedenen Szenarien durchgespielt“, sagt die Leiterin der Abteilung | |
| Wasserversorgung bei den [19][Berliner Wasserbetrieben]. Wenn weniger | |
| Spreewasser in den Müggelsee fließe, falle der See nicht trocken. „Wir | |
| haben eine Stauhaltung, damit wird der Wasserspiegel konstant gehalten. | |
| Wenn weniger durchfließt, fließt es dann halt langsamer ab.“ | |
| Und wenn nur noch ein Viertel des Spreewassers in den Müggelsee kommt, wie | |
| es das Gutachten für heiße Sommer vorhersagt? | |
| „Auch bei diesem Worst Case“, betont Grützmacher, „wird Berlin nicht auf | |
| dem Trockenen liegen.“ Mindestens zwei Jahre sei die Trinkwasserversorgung | |
| in diesem Fall gesichert. „Die Dramatik für Berlin ist also nicht so, dass | |
| wir morgen mit den Maßnahmen beginnen müssen, die das Umweltbundesamt | |
| vorschlägt. Wir können noch überlegen, welche dieser Maßnahmen überhaupt | |
| sinnvoll sind.“ | |
| Das sind andere Töne als die, die die Politik anschlägt. Stehen nicht nur | |
| Grüne und Umweltverbände, sondern auch die Berliner Wasserbetriebe dem | |
| UBA-Gutachten skeptisch gegenüber? | |
| Gesche Grützmacher drückt sich diplomatisch aus: „Es ist ganz normal, dass | |
| man erst einmal das Problem aufzeigt und sagt: Hier laufen wir in ein | |
| Defizit.“ In einem nächsten Schritt müsse man dann verschiedene | |
| Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und auf ihre Machbarkeit und | |
| Finanzierbarkeit prüfen. | |
| Wie die Brandenburger Grünen will Grützmacher auch die bisherige Praxis der | |
| Flutung auf den Prüfstand stellen. „Da ist entscheidend, dass möglichst | |
| wenig verdunstet.“ Das Argument, dass das die Rekultivierung für die Leag | |
| teurer mache, lassen die Wasserbetriebe nicht gelten. „Das mag sein, aber | |
| das gehört zur Rekultivierung dazu, dass ein Zustand hergestellt wird, wo | |
| die Nachteile für den Wasserhaushalt möglichst gering gehalten werden“, | |
| sagt Grützmacher. | |
| Vor allem für die Flutung von Welzow-Süd wäre dies eine entscheidende | |
| Stellschraube. Eine andere Modellierung der Tagebauseen wird im Gutachten | |
| des Umweltbundesamtes dagegen nicht thematisiert. Auch nicht das politische | |
| Ziel der Brandenburger Kenia-Koalition, mehr Wasser in der Landschaft zu | |
| halten. Wäre eine Überleitung von der Elbe in die Spree womöglich gar nicht | |
| nötig, wenn Brandenburg seine Hausaufgaben macht? | |
| „Das ist eine gute Frage, das wüsste ich auch gerne“, sagt Grützmacher. | |
| „Deshalb brauchen wir eine detaillierte Auswertung der verschiedenen | |
| Maßnahmen. Generell halte ich es für sinnvoll, die Euros nicht in neue | |
| Bauwerke, also in Beton, zu stecken. Wenn man es anders schafft, wäre es | |
| toll.“ | |
| ## Leag lässt Fragen unbeantwortet | |
| Vom Aussichtsturm in Merzdorf werden bald Bagger zu sehen sein. Bei der | |
| Sanierung der Rutschung wird auch ein Teil der geplanten Promenade und des | |
| Ostsee-Radwegs um 50 bis 70 Meter zurückweichen müssen. Was laut Leag gar | |
| nicht hätte passieren dürfen, kostet das Unternehmen nun zusätzliche | |
| Millionen. Erst wenn der Ostsee aus dem Bergbaurecht entlassen wird, ist | |
| die Leag aus dem Rennen. | |
| Es ist ein Rennen, bei dem es nicht nur um Millionen, sondern um Milliarden | |
| geht. Alleine für die Sanierung der nach der Wende geschlossenen Tagebaue | |
| in Ostdeutschland hat der Bund 12 Milliarden Euro zahlen müssen. Inzwischen | |
| sprechen Experten bereits von „Ewigkeitskosten“. Kosten, für die beim | |
| Kohleausstieg nun die private Leag aufkommen muss. | |
| Mit einer vom Bund finanzierten Überleitung von der Elbe in die Spree wäre | |
| das Unternehmen einen Teil der Kosten los. Zumindest dann, wenn mit dem | |
| Überschuss an Wasser der Tagebau Welzow-Süd geflutet werden würde. Noch | |
| aber ist unklar, ob es dazu überhaupt kommen wird. Sachsens grüner | |
| Umweltminister Wolfram Günther steht der geforderten Elbüberleitung | |
| skeptisch gegenüber. Er betont, dass auch die Elbe wenig Wasser führe. | |
| Wie die Wasserbetriebe fordern deshalb die Brandenburger Grünen eine neue | |
| Berechnung des Wasserbedarfs nach dem Kohleausstieg. Auch im | |
| Kohleausstiegsgesetz ist von einer detaillierten Modellierung die Rede. Ob | |
| die Leag dafür ihre Daten zur Verfügung stellt, ist allerdings offen. Einen | |
| Fragenkatalog der taz zum Thema ließ das Unternehmen unbeantwortet. | |
| Derweil zeichnet sich am Horizont schon das nächste Krisenthema ab. Kaum | |
| war bekannt, dass die Leag vom Bund 1,2 Milliarden Euro als Entschädigung | |
| für den Kohleausstieg bekommen wird, wurde der Konzern umstrukturiert. | |
| Unter einer Holding firmieren nun eine bald defizitäre Kohlensparte und | |
| eine Sparte für erneuerbare Energien, mit der viel Geld verdient werden | |
| kann. | |
| Eine „Bad Bank“ nennen die Grünen die Kohlesparte inzwischen und fürchten, | |
| die Holding könne sie in die Insolvenz schicken. Dann müsste das | |
| Versprechen von der neuen Lausitzer Landschaft ganz aus Steuergeldern | |
| finanziert werden. | |
| Die Grünen dagegen wollen mit dem Geld für die Leag eine | |
| Braunkohlefolgekostenstiftung gründen, um die Rekultivierung finanziell | |
| abzusichern. | |
| Doch darüber haben die drei Ministerpräsidenten auf ihrem „Spreegipfel“ | |
| nicht beraten. | |
| 30 Jun 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://brandenburg.de/cms/detail.php/detail.php?gsid=brandenburg_06.c.8432… | |
| [2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlins-wasserversorgung-im-klimawandel-… | |
| [3] https://www.leag.de/de/geschaeftsfelder/bergbau/tagebau-welzow-sued/ | |
| [4] https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/wasserwirtschaftliche-folgen-d… | |
| [5] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/spree-droht-nach-k… | |
| [6] https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/cottbuser-ostsee-arbeiten-am-schli… | |
| [7] https://cottbuser-ostsee.de/seevorstadt/ | |
| [8] https://www.leag.de/de/ | |
| [9] https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/12/01/alles-fuer-die-k… | |
| [10] https://correctiv.org/in-eigener-sache/2023/09/25/correctiv-recherche-im-t… | |
| [11] https://mluk.brandenburg.de/mluk/de/ | |
| [12] https://lfu.brandenburg.de/lfu/de/ | |
| [13] https://polit-x.de/en/documents/17482757/germany/federal-states/brandenbur… | |
| [14] https://www.grueneliga.de/index.php/de/themen-projekte/braunkohle/1395-umw… | |
| [15] https://www.rbb24.de/studiocottbus/politik/2023/07/brandenburg-lausitz-was… | |
| [16] https://www.bwb.de/de/berlin-hitze-braunkohleausstieg-klimawandel-trinkwas… | |
| [17] https://www.bwb.de/de/sorgsam-waessern.php | |
| [18] https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/wasser-und-geologie/masterplan-wasser/ | |
| [19] https://www.bwb.de/de/index.php | |
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| Uwe Rada | |
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