# taz.de -- Protest gegen Entwaldung in Brandenburg: Fürstenwalde ohne Wald | |
> Weil Brandenburg keine großen Industrieflächen mehr hat, sollen 430 | |
> Hektar Wald Gewerbegebiet werden. Dagegen macht eine Bürgerinitiative | |
> mobil. | |
Bild: In der Krone noch ein Kiefernforst, unten schon Mischwald | |
Fürstenwalde taz | Der Strand von Berkenbrück ist einer der schönsten an | |
der Brandenburger Spree. An einem Altarm kommen Flussgucker und | |
Wasserratten im Sommer zu Hunderten an den von der Gemeinde betriebenen | |
Strand, andere lassen vom Steg die Boote zu Wasser, genießen zum | |
Sonnenuntergang ein Bier am [1][„Strandidyll“] – und den wunderbaren Blick | |
auf die gegenüberliegende Spreeinsel, hinter der sich einer der größten | |
Wälder der Region bis nach Fürstenwalde erstreckt. | |
Doch der 430 Hektar große Wald südöstlich von Berlin soll einem | |
Industriegebiet weichen, das noch größer werden soll als die „Gigafactory“ | |
von Tesla in Grünheide. Das sehen Änderungen zum Flächennutzungsplan vor, | |
die die [2][Stadtverordnetenversammlung von Fürstenwalde] und die | |
Gemeindevertretung von [3][Langewahl] beschlossen haben, auf deren | |
Gemarkungen sich der Wald befindet. | |
Am Mittwochabend haben deshalb 50 Menschen eine Bürgerinitiative gegründet. | |
„Wenn wir da nichts machen, stehen wir in zehn Jahren ohne Trinkwasser da“, | |
sagte Heike Christoph vom [4][Nabu Scharmützelsee]. Zusammen mit | |
[5][Claudia Laue, Grünen-Abgeordnete im Kreistag Oder-Spree], hat Christoph | |
zur Gründung der BI in die grüne Geschäftsstelle in Fürstenwalde | |
eingeladen. | |
Die Änderung des Flächennutzungsplans ist nötig, weil die östlich der B168 | |
und von der Spree sowie der Autobahn A12 begrenzte Fläche bislang als | |
„Wald“ gesichert ist. In der Beschlussvorlage für die | |
Stadtverordnetenversammlung Fürstenwalde, die der taz vorliegt, heißt es | |
zur geplanten Entwidmung des – bislang namenlosen – Waldes: „Anlass ist d… | |
beabsichtigte Entwicklung eines großflächigen gewerblich-industriellen | |
Vorsorgestandortes (GIV) in Fürstenwalde Ost.“ | |
Hintergrund des geplanten Industriegebiets ist der industrielle Aufschwung | |
in Brandenburg. „Inzwischen ist ein Großteil der Gewerbegebiete bereits | |
voll ausgeschöpft, sodass die verfügbaren Flächen für die Gewerbe- und | |
Industrieansiedlung derzeit rund 22 Hektar umfassen“, heißt es im Antrag an | |
die SVV Fürstenwalde, der bereits im Februar verabschiedet wurde. | |
„Insgesamt zeigt sich in Brandenburg ein Mangel an großen verfügbaren | |
Gewerbeflächen.“ | |
## Für die Wirtschaft ein „Kronjuwel“ | |
Sollte also bald wieder ein Investor wie Elon Musk beim Brandenburger | |
Wirtschaftsminister an die Tür klopfen, hätte der das Problem, eine | |
entsprechende Fläche zur Verfügung zu stellen. Das bestätigt auch die | |
[6][Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes Brandenburg (WFBB)]. Über | |
50 Hektar werde es knapp, sagte WFBB-Sprecher [7][Alexander Gallrein der | |
Märkischen Oderzeitung]. Der Standort in Fürstenwalde Ost und Langewahl sei | |
deshalb ein „Kronjuwel“. | |
Neben der SVV in Fürstenwalde hat auch die Gemeindevertretung im | |
benachbarten Langewahl der FNP-Änderung zugestimmt. Der Gemeinde im Amt | |
Scharmützelsee gehören 350 der 430 Hektar Wald. Auch die Flächen gegenüber | |
dem „Strandidyll“ in Berkenbrück sind Gemeindegebiet. Noch aber ist der | |
geplante Industriestandort ein Wald. Kein reiner Kiefernforst wie der, der | |
für Tesla in Grünheide gerodet wurde, sondern ein „strukturierter Wald mit | |
viel Verjüngung“, wie Heike Christoph bei der Gründung der Bürgerinitiative | |
betonte. | |
Bei einer Begehung Mitte Juni hat der Nabu den Wald in Augenschein | |
genommen. „Kiefernreinbestände gibt es dort nur wenige“, erläuterte | |
Christoph. „Der größte Teil des Waldes ist umgebaut und filtert Regenwasser | |
für die Spree.“ | |
Sie spricht von einem „zusammenhängenden Waldökosystem“ und der | |
„ökologischen Funktion der Wasserspeicherung“, die auch bei Ausgleichs- und | |
Ersatzmaßnahmen nicht wiederhergestellt werden könnten. Vielleicht sollte | |
man den 80 Jahre alten Wald wegen seiner ökologischen Leistungen und der | |
Nähe zu Fürstenwalde deshalb „Fürstenwald“ nennen. | |
Allerdings ist dieser Fürstenwald, von dem 320 Hektar Eigentum des | |
Landesbetriebs Forst Brandenburg sind, bislang kaum geschützt. Weder wurden | |
seine Waldfunktionen wie Kühlung der Temperaturen, Feuchtigkeit, | |
Wasserrückhalt von der Unteren Forstbehörde kartiert, noch liegt ein | |
Landschaftsplan vor. Allein ein kleiner Uferstreifen an der Spree ist seit | |
2021 als [8][„Naturschutzgebiet Spreetal“] geschützt. | |
Seine Bedenken hat der Nabu inzwischen im Rahmen der vorgeschriebenen | |
Beteiligung der „Träger öffentlicher Belänge“ mitgeteilt. Für Heike | |
Christoph gehört dazu auch die [9][dramatische Situation der Spree und | |
ihres Wasserhaushalts]. Nur noch die Hälfte des langjährigen Mittels trug | |
die Spree im Juni in Berlin. Mit dem Kohleausstieg fehlt dann auch das | |
abgepumpte Grundwasser in der Lausitz, das bislang in die Spree geleitet | |
wurde. „Dabei gewinnt gerade der Osten Berlins sein Trinkwasser aus dem | |
Uferfiltrat der Spree“, betonte Heike Christoph auf der | |
Gründungsversammlung der Bürgerinitiative. | |
Wenn die Änderungen des Flächennutzungsplans voraussichtlich im Herbst | |
ausgelegt werden, sollen daher möglichst viele Bürgerinnen und Bürger | |
Einspruch erheben. Darüber hinaus fordern Grüne und Nabu die Stadt | |
Fürstenwalde auf, eine bislang als vertraulich eingestufte | |
Machbarkeitsstudie zu veröffentlichen. | |
Einer der Stadtverordneten, der gegen die FNP-Änderung gestimmt hatte, | |
deutete an, dass es darin auch Bedenken gegen die Pläne gebe. So sei die | |
Fläche über die Bundesstraße und die Autobahn nur für LKW zugänglich. Einen | |
Bahnanschluss wie bei Tesla gebe es nicht. Und ein Hafen an der Spree lässt | |
sich nicht bauen, weil die Ufer unter Naturschutz stehen. | |
Zum Bündnis aus Nabu, Grüner Liga, Grünen, Linken und ÖDP, das sich am | |
Mittwoch zusammengeschlossen hat, gehört auch die [10][Bürgerinitiative | |
Grünheide], die den Widerstand gegen Tesla organisiert hat. „Ihr habt gute | |
Startbedingungen“, machte deren Gründer Steffen Schorcht der neuen | |
Initiative in Fürstenwalde Mut. | |
27 Jun 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/StrandidyllBerkenbruck/?locale=de_DE | |
[2] https://www.fuerstenwalde-spree.de/politik/mitglieder.php?gremium=6979#gsc.… | |
[3] https://www.amt-scharmuetzelsee.de/verzeichnis/visitenkarte.php?mandat=1128… | |
[4] https://nabu-scharmuetzelsee.de/ | |
[5] https://gruene-oder-spree.de/gruene-im-kreistag-2/unsere-kreistagsmitgliede… | |
[6] https://www.wfbb.de/ | |
[7] https://www.moz.de/lokales/fuerstenwalde/wirtschaft-bei-fuerstenwalde-432-h… | |
[8] https://bravors.brandenburg.de/verordnungen/nsg_spreetal | |
[9] /Wasserversorgung-in-Berlin/!6017682 | |
[10] https://www.bi-gruenheide.de/ | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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