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# taz.de -- Suche nach dem feuerfesten Wald: Mikadolandschaft aus toten Kiefern
> Brandenburg ist das Land mit den meisten Bränden. Was danach kommen kann,
> hat das Projekt „Pyrophob“ untersucht. Die Ergebnisse überraschen.
Bild: Die Mikadolandschaft bei Jüterbog um Juli 2023
Jüterbog/Berlin taz | Es ist eine für das Auge ungewöhnliche
Mikadolandschaft. Bei Jüterbog im Süden Berlins, wo 2019 auf einer Fläche
von 744 Hektar Brandenburgs bis dahin größter Waldbrand gewütet hatte,
liegen die toten Kiefern kreuz und quer, nur wenige halten sich noch
aufrecht. Zwischen den Stämmen lugen vereinzelt kleine Zitterpappeln
hervor. Sind sie die Vorboten eines neuen Waldes? Eines Waldes, der künftig
dem Feuer trotzen kann?
Brandenburg ist nicht nur das Land des Braunkohlebergbaus und seiner
Tagebaufolgelandschaften. Es bringt auch immer mehr
„Waldbrandfolgelandschaften“ wie die bei Jüterbog hervor. Nirgendwo brennt
es häufiger in Deutschland als in der Mark. Als Grund nennt Pierre Ibisch
eine „Kieferndominanz“ von 70 Prozent. Auch das Feuer bei Jüterbog brannte
2019 keinen Wald nieder, sondern eine monotone Kiefernplantage.
[1][Ibisch ist Professor für Sozialökologie der Waldökosysteme] an der
[2][Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde] und hat nach dem
Brand bei Jüterbog ein Projekt mit dem Titel [3][„Pyrophob“] angeschoben.
„Wir wollten die Katastrophe nutzen, um zu verstehen, wie die Ökosysteme
auf solche Brände reagieren“, sagte Ibisch am Donnerstag bei der
Abschlussveranstaltung des Projekts in der Brandenburgischen
Landesvertretung in Berlin.
Bei Pyrophob ist der Name Programm. Wie entsteht ein resilienter Wald, der
nicht nur dem Klimawandel trotzt, sondern auch dem Feuer? Denn je höher die
Temperaturen steigen, desto größer wird die Gefahr neuer,
rekordverdächtiger Brände.
Die ungewöhnliche Mikadolandschaft in Jüterbog ist eine mögliche Antwort
auf diese Frage. Weil der größte Teil der Flächen auf dem ehemaligen
Truppenübungsplatz keinem Privatbesitzer gehört, sondern der [4][Stiftung
Naturlandschaften Brandenburg], ließ man das Totholz stehen und begann zu
erforschen, wie lange es braucht, bis dort durch natürliche Sukzession
neuer Wald entsteht.
## Laubbäume bremsen Feuer
„Wir haben die Chance genutzt, die Folgewirkung des Feuers im Detail zu
untersuchen“, sagt Andreas Meißner, geschäftsführender Vorstand der
Stiftung. Mitarbeitende von sieben Projektpartnern des vom
Bundeslandwirtschaftsministerium finanzierten Projektes schwärmten in den
vergangenen fünf Jahren aus, um das Bodenleben zu untersuchen,
Bodentemperaturen zu messen, Flora und Vegetationsstruktur zu kartieren
und, vor allem zu sehen, welche Baumarten sich neben den Zitterpappeln
ansiedeln.
„Wir sind nicht überrascht, dass die Natur nicht nur mit Kiefern, sondern
auch mit Laubbäumen zurückkommt“, sagt Andreas Meißner zufrieden. Denn
Laubbäume wirken brandhemmend. Trockene Kiefern dagegen sind regelrechte
Brandbeschleuniger.
Nun gehört nicht jede Waldbrandfläche einer Stiftung wie die Stiftung
Naturlandschaften. Auch private Eigentümer sind von Bränden betroffen, und
nicht wenige von ihnen wollen so schnell wie möglich aufforsten. Doch das
ist gar nicht so einfach. „Wenn das Totholz abgeräumt wird und sich der
Boden aufheizt, kann es auch passieren, dass die Aufforstung scheitert“,
sagt Roland Pietsch auf der Abschlussdiskussion des Projekts. Als Leiter
des [5][Nationalparks Harz] hat er es nicht in erster Linie mit
Brandflächen zu tun, sondern vor allem mit Fichtenplantagen, die dem
Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind.
Das Projekt Pyrophob hat auf diese unterschiedlichen Ausgangslagen reagiert
und neben der Brandfläche bei Jüterbog auch eine Fläche in Treuenbrietzen
untersucht, wo 2018 400 Hektar Kiefernforst gebrannt hatten. Anders als bei
Jüterbog wurden dort die abgebrannten Stämme nicht liegen gelassen, sondern
weggeräumt. Die Arbeitshypothese: Dort, wo das Totholz liegen bleibt, sind
die Voraussetzungen für eine Wiederbewaldung besser. Der Boden ist kühler,
nährstoffreicher als auf einer kahlen Fläche.
## Es kam anders als erwartet
Doch so einfach ist das nicht, mussten Pierre Ibisch und Andreas Meißner in
den vergangenen fünf Jahren feststellen. Zwischen den toten Stämmen der
Mikadolandschaft in Jüterbog tut sich der Jungwald schwer. Bereits im
Sommer 2023 hatte Florent Jouy von der Eberswalder Hochschule 43,9 Grad in
einer Bodentiefe von 5 Zentimetern gemessen. „Bei über 40 Grad lebt da
nichts mehr, da ist der Boden tot“, hatte Jouy erklärt und einen düsteren
Blick in die Zukunft geworfen. „Es kann auch sein, dass hier kein neuer
Wald entsteht. Vielleicht sieht es in zehn Jahren eher aus wie eine
Savanne.“
Fast zwei Jahre später ist Andreas Meißner nicht ganz so pessimistisch. „Zu
den Pappeln sind inzwischen auch in Jüterbog Birken dazugekommen“, sagt er
bei der Abschlussveranstaltung von Pyrophob. „Das ist eine Vielfalt, wie
wir sie uns wünschen. Und vielleicht kommen in Zukunft auch noch Eichen
dazu.“
Eichen wären die Königsklasse eines pyrophoben Waldes. „Es gibt hier einen
Kilometer weiter zwei große Eichen“, hatte Florent Jouy 2023 gesagt, als er
die Bodentemperaturen in Jüterbog gemessen hatte. „Die stehen noch immer.
Die haben sogar den Brand von 2019 überlebt.“
Doch bis der abgebrannte Kiefernforst einem Mischwald aus Pappeln, Birken
und Eichen gewichen ist, wird es noch Jahre und Jahrzehnte dauern. „Die
Vielfalt, die wir uns wünschen“, sagt Meißner, „braucht Zeit.“
Deutlich schneller als in Jüterbog verjüngte sich die Natur auf den Flächen
in Treuenbrietzen, auf denen das Totholz beräumt worden war. Trotz des
fehlenden Schutzes vor der Sonne wuchsen die Pappeln wider Erwarten hurtig
in die Höhe. „Die natürliche Sukzession kann sehr unterschiedlich
ausfallen“, versucht sich Pierre Ibisch an einer Erklärung. Soll heißen,
die „forstliche Behandlung“, wie er es nennt, spielt nicht unbedingt die
entscheidende Rolle.
Die Arbeitshypothese hat sich also zunächst nicht bestätigt. Ein Grund
dafür können die Temperaturen sein. „In Jüterbog ist die Fläche drei Grad
wärmer als in Treuenbrietzen“, sagt Ibisch und nennt mehr Offenland und
Sandflächen als Grund.
Eine weitere mögliche Ursache für das verhaltene Wachstum des neuen Waldes
in Jüterbog könnte die anhaltende Hitze gewesen sein. Was nach dem Brand
von 2018 hochkam, hatte demnach bessere Startvoraussetzungen als die Fläche
in Jüterbog, die einen Hitzesommer später gebrannt hatte.
## Private Besitzer steigen aus
Gerne hätten die Hochschule in Eberswalde, die Stiftung Naturlandschaften
und ihre Partner noch weiter zum Thema feuerresistenter Wald geforscht.
[6][Allerdings wechselte der Wald in Treuenbrietzen 2022 den Besitzer]. Die
Stadt verkaufte ihn an die private [7][Muhr'sche Forstverwaltung]. Deren
Geschäftsführer Thomas Muhr leitet ein Unternehmen aus der
Autozulieferbranche mit 14.000 Mitarbeitern. Kurz darauf kündigte der
private Waldbesitzer die Zusammenarbeit mit Pyrophob auf.
Als ob das für das Projekt nicht schlimm genug gewesen wäre, gab es 2022
einen weiteren Waldbrand. Der brannte ausgerechnet jene Flächen nieder, auf
denen die Pappeln, trotz der Bodenberäumung, schon eine beträchtliche Höhe
erreicht hatten. Seitdem fehlten Pyrophob die unmittelbaren
Vergleichsflächen.
Den jüngsten Rückschlag verkündete Pierre Ibisch am Donnerstag. „Ein
weiterer privater Eigentümer hat auf seiner Fläche die Pappeln, die bereits
fünf Meter hoch waren, fällen lassen und will nun aufforsten.“ Dass das
auch noch als Klimaschutzmaßnahme anerkannt werden soll, ist für Ibisch ein
Skandal. „Das ist kein Klimaschutz, das ist Greenwashing.“
Für Pierre Ibisch ist die Aussicht auf schnellen Gewinn auch ein Hinweis
darauf, dass die Auswirkungen der Klimakrise unterschätzt werden. Denn das
schnell wachsende Kiefernholz kann nur dann zu Geld gemacht werden, wenn es
nicht wieder brennt. Um das Risiko zu minimieren, wäre ein Mischwald sicher
hilfreicher als die erneute Aufforstung mit Kiefernforsten.
Auf der Abschlussdiskussion war dies auch einem privaten Waldbesitzer
bewusst. Er forderte von der Politik mehr Fördermittel für den Waldumbau.
Und auch dafür, nach „Kalamitäten“ wie Käferfraß, Stürmen oder Brände…
einen Teil der Flächen sich selbst zu überlassen.
Pierre Ibisch wiederum verlangte, die Waldbesitzer im Brandfall an den
Kosten zu beteiligen. Es war ein Plädoyer dafür, dass auch in der
Forstwirtschaft endlich Schluss sein müsse, dass Gewinne privatisiert,
Verluste aber sozialisiert werden. „Wir müssen endlich aufhören, in Bäumen
nur Bauholz oder Brennholz zu sehen“, meint Ibisch.
Tatsächlich ist der Wald, auch wenn er noch in den Kinderschuhen steckt wie
in Jüterbog, ein potentieller Alleskönner. Er bindet Kohlenstoff, kühlt die
Umgebung, speichert Wasser. „Auch solche Ökosystemleistungen müssen wir in
Rechnung stellen“, fordert Ibisch.
Und uns vielleicht auch an Bilder wie die einer Brandenburger
Mikadolandschaft gewöhnen.
28 Feb 2025
## LINKS
[1] https://www.hnee.de/p/pierre-ibisch
[2] https://www.hnee.de/
[3] https://www.pyrophob.de/
[4] https://www.wildnisstiftung.de/
[5] https://www.nationalpark-harz.de/
[6] /Treuenbrietzen-verkauft-den-Stadtwald/!5871438
[7] https://www.muhr-forst.de/
## AUTOREN
Uwe Rada
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Waldbrände
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Zukunft
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